WD 7 - 3000 - 142/19 (26.09.2019) © 2019 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Hat der Angeklagte die strafprozessuale Möglichkeit, den ihm in der Anklageschrift zur Last gelegten Sachverhalt anzuerkennen und dem Verzicht auf eine Beweiserhebung zuzustimmen? Im Strafprozess hat das Gericht zur Erforschung der Wahrheit nach § 244 Abs. 2 StPO die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind. Nach diesem Untersuchungsgrundsatz muss das Gericht allen „erkennbaren und sinnvollen Möglichkeiten zur Aufklärung des Sachverhalts“ nachgehen (BGH). Das Gericht entscheidet nach § 261 StPO über das Ergebnis der Beweisaufnahme nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung, weshalb das Gericht nicht an ein Geständnis gebunden ist. Die Überprüfung des Geständnisses „durch einen bloßen Abgleich mit der Aktenlage“ reicht nach dem Bundesverfassungsgericht nicht aus, da in diesem Fall die Überzeugung nicht aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung gewonnen werde (BVerfG; Trüg/Habetha Rn. 31). Daher muss auch im Falle eines Geständnisses eine Beweiserhebung erfolgen (Trüg/Habetha Rn. 31). Nach § 407 Abs. 1 Satz 1 StPO kann im Verfahren vor dem Strafrichter und im Verfahren, das zur Zuständigkeit des Schöffengerichts gehört, bei Vergehen auf schriftlichen Antrag der Staatsanwaltschaft eine Ahndung der Tat durch schriftlichen Strafbefehl ohne Hauptverhandlung erfolgen . Dementsprechend erfolgt in einem solchen Fall auch keine Beweisaufnahme. Nach § 407 Abs. 1 Satz 2 StPO stellt die Staatsanwaltschaft diesen Antrag, wenn sie nach dem Ergebnis der Ermittlungen eine Hauptverhandlung nicht für erforderlich erachtet. Das ist der Fall, „wenn nicht zu erwarten ist, dass es in einer“ Hauptverhandlung „zu wesentlichen Abweichungen vom Ergebnis der Ermittlungen kommen wird, und sich die angemessenen Rechtsfolgen auch ohne eine Hauptverhandlung bestimmen lassen“ (Maur Rn. 3). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen kommt insbesondere bei einem glaubhaften Geständnis in Betracht (Eckstein Rn. 59). Hat das Gericht die Anklage bereits zugelassen, ist die Durchführung eines Strafbefehlsverfahrens nach § 408a Abs. 1 Satz 1 StPO nur möglich, wenn zusätzlich eine Hauptverhandlung nicht stattfinden kann, da das Ausbleiben oder die Abwesenheit des Angeklagten oder ein anderer wichtiger Grund entgegensteht. Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Möglichkeiten des Angeklagten zur Vermeidung einer Beweiserhebung im Strafverfahren aufgrund eines Geständnisses Kurzinformation Möglichkeiten des Angeklagten zur Vermeidung einer Beweiserhebung im Strafverfahren aufgrund eines Geständnisses Fachbereich WD 7 (Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 Weiterhin ist die Staatsanwaltschaft nach § 417 StPO im Verfahren vor dem Strafrichter und dem Schöffengericht verpflichtet, einen Antrag auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren zu stellen , wenn die Sache auf Grund des einfachen Sachverhalts oder der klaren Beweislage zur sofortigen Verhandlung geeignet ist. Folge des beschleunigten Verfahrens ist zwar nicht die Entbehrlichkeit einer Beweiserhebung. Allerdings darf nach § 420 Abs. 1 StPO die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten durch Verlesung von Protokollen über eine frühere Vernehmung sowie von Urkunden, die eine von ihnen erstellte Äußerung enthalten, ersetzt werden (§ 420 Abs. 1 StPO), wenn der Angeklagte, der Verteidiger und die Staatsanwaltschaft , soweit sie in der Hauptverhandlung anwesend sind, zugestimmt haben (§ 420 Abs. 3 StPO). Ist die Durchführung eines Strafbefehlsverfahrens oder eines beschleunigten Verfahrens bei allen Straftaten möglich oder gibt es Ausnahmen? Für die Durchführung eines Strafbefehlsverfahrens oder eines beschleunigten Verfahrens ergibt sich eine Begrenzung auf bestimmte Straftaten daraus, dass beide nach § 407 Abs. 1 Satz 1 StPO und § 417 StPO nur für Verfahren, die zur Zuständigkeit des Strafrichters oder des Schöffengerichts gehören, zur Anwendung kommen können. Straftaten, für die die Zuständigkeit des Landgerichts oder des Oberlandesgerichts gegeben ist, können daher nicht Gegenstand dieser Verfahren sein. Das Strafbefehlsverfahren gilt nach § 407 Abs. 1 Satz 1 StPO weiterhin nur für Vergehen . Dies sind gem. § 12 Abs. 1 und 2 StGB rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit einer Freiheitsstrafe von unter einem Jahr oder mit Geldstrafe bedroht sind. Welche Konsequenzen folgen aus der Anwendung dieser Verfahren? Ist das Gericht verpflichtet, die Strafe zu mildern bzw. zu reduzieren? Das Gericht darf im Strafbefehlsverfahren nach § 407 Abs. 2 Satz 2 StPO lediglich eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr auf Bewährung festsetzen, sofern der Angeschuldigte einen Verteidiger hat. Dieser kann nach § 408b Satz 1 StPO vom Gericht bestellt werden. Hat der Angeschuldigte keinen Verteidiger, kann es nach § 407 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1-3 StPO nur auf eine Geldstrafe oder andere Rechtsfolgen wie Fahrverbot, Entziehung der Fahrerlaubnis mit einer Sperre von nicht mehr als zwei Jahren, Verwarnung mit Strafvorbehalt, usw. erkennen. Im beschleunigten Verfahren darf eine höhere Freiheitsstrafe als Freiheitsstrafe von einem Jahr nach § 419 Abs. 1 Satz 2 StPO nicht verhängt werden. Quellen: – StGB: Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 19. Juni 2019 (BGBl. I S. 844) geändert worden ist. – StPO: Strafprozeßordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), die zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 11. Juli 2019 (BGBl. I S. 1066) geändert worden ist. – BGH: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.03.2013 - 5 StR 79/13. – BVerfG: Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 19.03.2013 – 2 BvR 2628/10, 2 BvR 2883/10, 2 BvR 2155/11. – Eckstein: Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, 1. Auflage 2019, Kommentierung § 407 StPO. – Maur: Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Auflage 2019, Kommentierung § 407 StPO. – Trüg/Habetha: Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, 1. Auflage 2016, Kommentierung § 244 StPO. ***