Evaluation des Prostitutionsgesetzes - Ausarbeitung - © 2007 Deutscher Bundestag WD 7 - 141/07 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser: Evaluation des Prostitutionsgesetzes Ausarbeitung WD 7 - 141/07 Abschluss der Arbeit: 11.6.2007 Fachbereich WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. Inhalt 1. Einleitung 3 2. Zivil- und arbeitsrechtliche Aspekte des Prostitutionsgesetzes 3 3. Strafrecht 5 4. Gaststätten- und Gewerberecht 6 5. Ordnungswidrigkeitenrecht 8 5.1. Grob anstößige oder belästigende Handlungen, § 119 OWiG 8 5.2. Verbot der Werbung für Prostitution, § 120 Absatz 1 Nr. 2 OWiG 9 5.3. Verbotene Ausübung der Prostitution, § 120 Absatz 1 Nr. 1 OWiG 9 6. Sozialversicherungsrechtliche Aspekte 10 7. Steuerrecht 10 8. Fazit 11 - 3 - 1. Einleitung Das Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten1 (ProstG) ist seit dem 1. Januar 2002 in Kraft. Wichtigste Regelung ist die gesetzgeberische Wertentscheidung , dass Verträge über sexuelle Dienstleistungen und damit die freiwillige Prostitution als solche juristisch als nicht mehr sittenwidrig anzusehen sind. Dies hat etwa zur Folge, dass Prostituierte jetzt einen rechtlichen Anspruch gegen den Kunden auf Zahlung des vereinbarten Lohnes haben. Auch Arbeitsverträge zwischen Bordellinhabern und angestellten Prostituierten sind dadurch nicht mehr rechtswidrig. Gesetzesänderungen fanden aber auch auf dem Gebiet des Strafrechts im StGB2 statt. Fraglich ist trotzdem, ob es in der deutschen Rechtsordnung nach wie vor Vorschriften gibt, die mit der gesetzgeberischen Wertentscheidung nicht mehr vereinbar sind und folglich reformiert werden müssen. Grundlage der Ausarbeitung ist der vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend herausgegebene Bericht der Bundesregierung zu den Auswirkungen des Gesetzes zum ProstG, vom Januar 2007. 2. Zivil- und arbeitsrechtliche Aspekte des Prostitutionsgesetzes § 1 Satz 1 ProstG3 regelt, dass die Vereinbarung über ein Entgelt für eine sexuelle Handlung als rechtswirksam und somit nicht mehr als sittenwidrig nach § 138 BGB anzusehen ist. Durch diese Neureglungen ist es der einzelnen Prostituierten möglich, ihr Geld gerichtlich einzuklagen. Dies stellt zwar eine Verbesserung gegenüber der bisherigen Situation dar, in denen Prostituierte ihren Lohn gerichtlich nicht geltend machen konnten. Die neue Rechtssicherheit spielt jedoch nur eine verschwindend geringe Rolle in der Praxis,4 es sind keine derartigen Gerichtsverfahren in den letzten Jahren bekannt geworden . 1 Prostitutionsgesetz vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3983). 2 Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 13. April 2007 (BGBl. I S. 513). 3 „Sind sexuelle Handlungen gegen ein vorher vereinbartes Entgelt vorgenommen worden, so begründet diese Vereinbarung eine rechtswirksame Forderung.“ 4 Bericht der Bundesregierung zu den Auswirkungen des Gesetzes zum ProstG, Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Januar 2007, Seite 12 ff. - 4 - Dies liegt zum einen an der weit verbreiteten Praxis der Vorkasse bei weiblichen Prostituierten . Weiterhin sind als Gründe die Anonymität der Kundenkontakte (nicht jede Prostituierte kennt Namen und Adresse ihres Kunden) als auch das Aufgeben der eigenen Anonymität bzw. das Offenbaren der eigenen Tätigkeit bei einer Klageerhebung zu nennen, die von einem Prozess abhalten. Allerdings kann auch der bloße Hinweis auf die Klagemöglichkeit manchen Kunden zur Einsicht bringen und so zu der geringen praktischen Bedeutung des ProstG vor den Gerichten beitragen. § 1 Satz 2 ProstG5 schafft eine ebensolche rechtswirksame Grundlage für einen Arbeitsvertrag zwischen einer Prostituierte und einem Bordellbetreiber. Ein solcher ist jetzt leichter abzuschließen, da er ebenfalls nicht mehr mit dem Makel der Sittenwidrigkeit behaftet, sondern rechtswirksam und rechtmäßig ist. Das gesetzgeberische Ziel war es, den Abschluss von Arbeitsverträgen zu erleichtern, um den Prostituierten den Zugang zu den Sozialversicherungen zu ermöglichen und allgemein die Rahmenbedingungen für die soziale Absicherung von Prostituierten zu verbessern. Die rechtlichen Hürden für den Abschluss von Arbeitsverträgen sind durch die Regelung zwar weitgehend abgebaut – allerdings zeigt sich auch hier eine ebenso geringe praktische Relevanz wie bei der Regelung des § 1 Satz 1 ProstG. Nur einen Bruchteil der Prostituierten von etwa 1% arbeitet heute auf Grundlage eines Arbeitsvertrages, über 60% sehen einen Arbeitsvertrag nicht als wünschenswerte Option an.6 Die Prostituierten ziehen es bislang vielmehr vor, als Selbstständige zu arbeiten, die Idee der sozialen Absicherung ist – auch vor dem Hintergrund der damit verbundenen finanziellen Abzüge – für viele der im Rahmen des Regierungsberichts Befragten nur schwer vorstellbar und wenig attraktiv. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass es vor den Zivil- und Arbeitsgerichten nicht deshalb so wenige Prozesse von Prostituierten gibt, weil andere Normen diesen Ansprüchen im Wege stünden – vielmehr gab es aus praktischen Gründen bislang so gut wie keinen Anlass zu derartigen Klagen. 5 „Das Gleiche [d.h. Rechtswirksamkeit, Anm. d. Verf.] gilt, wenn sich eine Person, insbesondere im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses, für die Erbringung derartiger Handlungen gegen ein vorher vereinbartes Entgelt für eine bestimmte Zeitdauer bereithält.“ 6 Bericht der Bundesregierung zu den Auswirkungen des Gesetzes zum ProstG, Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Januar 2007, Seite 15. - 5 - 3. Strafrecht Das ProstG hat auch das Strafgesetzbuch geändert, und zwar dessen §§ 180a und 181a. Nach § 180a Absatz 1 Nr. 2 StGB der alten Fassung („Förderung der Prostitution“) konnte bestraft werden, wer die Prostitutionsausübung durch Maßnahmen fördert, welche über das bloße Gewähren von Wohnung, Unterkunft oder Aufenthalt und die damit üblicherweise verbundenen Nebenleistungen hinausgehen. Das konnte bedeuten, dass Bordellbetreiber sich strafbar machten, wenn sie sich besonders um ihre Prostituierten und deren Wohlbefinden bemühten. Denn dadurch würden sie ihre „Opfer weiter in die Prostitution verstricken“7 und den Anreiz zum Ausstieg schmälern. Die entsprechende Passage wurde aus dem Gesetz gestrichen, strafbar nach § 180a StGB ist jetzt nicht mehr die „Förderung der Prostitution“, sondern nur noch die vorher auch schon in § 180a StGB strafbewehrte „Ausnutzung von Prostituierten “, wer Prostituierte als Bordellbetreiber also in persönlicher oder wirtschaftlicher Abhängigkeit hält. Geändert wurde auch § 181a StGB („Zuhälterei“). Dessen Absatz 2, nach dem vor 2002 bestraft wurde, wer Prostituierte vermittelte, wurde insofern geändert, als dass jetzt die Förderung der Prostitution durch die Vermittlung sexuellen Verkehrs nur noch dann strafbar ist, wenn dadurch die „persönliche oder wirtschaftliche Unabhängigkeit“ der Prostituierten eingeschränkt wird. Damit soll sichergestellt sein, dass nicht die reine Vermittlung freiwillig ausgeübten sexuellen Verkehrs strafbar ist. Problematisch könnte § 181a Absatz 1 Nr. 2 StGB sein (sog. „dirigistische“ oder „dirigierende “ Zuhälterei). Danach macht sich strafbar, wer eine andere Person bei der Ausübung der Prostitution überwacht, Ort, Zeit, Ausmaß oder andere Umstände der Prostitutionsausübung bestimmt. Dieser Abschnitt des Gesetzes ist durch das ProstG nicht geändert worden und könnte auf den ersten Blick in Konflikt mit den Zielen des ProstG stehen: Das Bestimmen von Ort und Zeit der Arbeit sind nämlich typische Arbeitgeberpflichten – wenn dieses Verhalten weiterhin strafbar bliebe, bedeutete dies einen Widerspruch zu den Regelungen des ProstG, wonach Prostituierte in Beschäftigungsverhältnissen abgesichert werden sollten. Der Gesetzgeber war sich bei Erlass des ProstG allerdings des Problems bewusst und hat in der Gesetzesbegründung angemerkt, dass „eine freiwillig getroffene Vereinbarung über Ort und Zeit der Prostitutionsausübung, also ein einvernehmlich begründetes rechtlich wirksames Beschäftigungsverhältnis“ nicht strafbar ist. 7 Fischer in: Tröndle/Fischer, Kommentar zum StGB, 49. Auflage, München, 1999, § 180a Rn. 5. - 6 - Dieser Gedanke ist mittlerweile auch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in vollem Umfang aufgenommen,8 sodass es als sichergestellt gelten kann, dass § 181a Absatz 1 Nr. 2 StGB nicht in Konflikt zu den Zielen des ProstG steht. Weitere Normen, die dem Ziel des ProstG, die freiwillige Prostitution als nicht mehr sittenwidrig anzusehen, sind nicht ersichtlich. 4. Gaststätten- und Gewerberecht Die Regelungen des ProstG zeigen auch Auswirkungen im Gaststätten- und Gewerberecht . Das ProstG hat zwar nicht direkt Regelungen in den beiden Bereichen geändert . Allerdings strahlt die gesetzgeberische Einschätzung der Prostitution als nicht mehr sittenwidrig auf gaststätten- und gewerberechtliche Regelungen aus. So bedarf der Betrieb einer Gaststätte einer behördlichen Erlaubnis, § 2 Absatz 1 GastG9. Das Gaststättenrecht ist deshalb von Relevanz, weil viele Betriebe , in denen sexuelle Dienstleistungen angeboten werden, alkoholische Getränke ausschenken und deshalb rechtlich auch als Gaststätte gelten. Eine Erlaubnis zum Betrieb einer Gaststätte wird aber dann nicht erteilt, wenn der Antragsteller die für die Gaststätte erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt. Ein Grund für mangelnde Zuverlässigkeit ist die begründete Befürchtung, der Antragsteller könne der „Unsittlichkeit Vorschub leisten“, § 4 Absatz I Nr. 1 GastG. Zwar hat der Gesetzgeber in § 1 ProstG eindeutig festgelegt, dass freiwillige Prostitution nicht sittenwidrig ist. Dennoch sind nicht alle Behörden dieser Einschätzung gefolgt : Vielmehr wurde teilweise vertreten, dass sich an der Einordnung von Prostitution durch das ProstG gaststättenrechtlich nichts geändert hätte und das ProstG nur zivilrechtliche Auswirkungen habe. Diese Auslegung wird jedoch seit der „Swingerclubentscheidung“ des Bundesverwaltungsgerichts 10 immer seltener von Behörden und Gerichten vertreten. In diesem Urteil stellte das Bundesverwaltungsgericht im Einklang mit den Regelungen des ProstG fest, dass bei entgeltlichen sexuellen Dienstleistungen nicht mehr automatisch wie bis zu diesem Zeitpunkt von Unsittlichkeit ausgegangen werden kann. 8 Urteil des BGH vom 1. August 2003, BGHSt 48, 314 ff; NJW 2004, S. 81 ff. 9 Gaststättengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. November 1998 (BGBl. I S. 3418), zuletzt geändert durch Artikel 149 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407). 10 GewArch 2003, S. 122-124. - 7 - Es besteht insoweit kein dringender gesetzgeberischer Handlungsbedarf. Vor allem ist jedoch zu beachten, dass das Gaststättenrecht im Zuge der Föderalismusreform I jetzt Gegenstand der Ländergesetzgebung ist: der Bund hat keinen Einfluss mehr auf die Ausgestaltung des Gaststättenrechts, sodass es nun den Bundesländern obliegt, eventuell bestehenden Handlungsbedarf zu prüfen. Das Gewerberecht hingegen ist nach wie vor Bundesrecht und durch die Gewerbeordnung 11 geregelt. Allerdings sind hier keine Vorschriften erkennbar, die der legalen Ausübung der freiwilligen Prostitution entgegenstehen. Zwar ist das Gewerberecht Bundesrecht, die Bundesländer führen dieses jedoch selbständig aus. Es herrscht eine unterschiedliche Auffassung in den Ländern darüber, ob Prostitution oder der Betrieb von Bordellen als Gewerbe anzusehen ist. Nach der Rechtsprechung ist ein Gewerbe nämlich jede erlaubte, selbständige, zum Zwecke der Gewinnerzielung vorgenommene nach außen erkennbare Tätigkeit, die planmäßig und für eine gewisse Dauer ausgeübt wird und kein „freier Beruf“ ist. Einige Länder halten die Prostitution bzw. den Betrieb von Bordellen aber nach wie vor nicht für eine prinzipiell erlaubte Tätigkeit. Prostituierte und Bordellbetreiber können sich daher teilweise nicht als Gewerbe anmelden, unterliegen aber damit auch keinen gewerberechtlichen Kontrollen und Pflichten. Die Ablehnung einer Gewerbeanmeldung bringt im Übrigen auch keine Nachteile für Prostituierte und Bordellbetreiber mit sich. Die Diskussion über eine gewerberechtliche Anmeldepflicht für die Anbieter sexueller Dienstleistungen wird vielmehr deshalb geführt, damit die staatlichen Stellen über eine Möglichkeit verfügen, effiziente und engmaschige Kontrollen im Rahmen der Gewerbeaufsicht im Millieu durchzuführen. Das Gewerberecht soll gewissermaßen die verminderten Eingriffbefugnisse der Polizei durch die strafrechtlichen Reformvorschriften wieder ausgleichen. Gaststätten- und gewerberechtliche Normen stehen den Zielen des ProstG somit nicht entgegen. 11 Gewerbeordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Februar 1999 (BGBl. I S. 202), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 18. Mai 2007 (BGBl. I S. 757). - 8 - 5. Ordnungswidrigkeitenrecht Problematisch könnten im Bereich des Ordnungswidrigkeitenrechts die Regelungen der §§ 119 und 120 OwiG12 sein. Diese Normen bestimmen die Ordnungswidrigkeit dreier Verhaltensweisen. So muss mit einer Geldbuße rechnen, wer „grob anstößige oder belästigende Handlungen“ vornimmt, gegen das „Verbot der Werbung für Prostitution “ verstößt und wer die „verbotene Ausübung der Prostitution“ in einem Sperrbezirk ausübt. 5.1. Grob anstößige oder belästigende Handlungen, § 119 OWiG § 119 OWiG dient dem Schutz vor ungewollter Konfrontation mit sexuellen Handlungen , Darstellungen oder Gegenständen. Grob anstößige oder belästigende Handlungen werden als unbestimmte Rechtsbegriffe von der juristischen Rechtsprechung und Literatur sehr weit und uneindeutig definiert. So sind Handlungen zur Belästigung geeignet, wenn sie andere in ihrem körperlichen oder seelischen Wohlbefinden nicht nur geringfügig beeinträchtigen, als grob anstößig ist eine Handlung anzusehen, wenn sie ihrer Art nach in einer Weise aufdringlich ist, die auch unter gewandelten gesellschaftlichen Wertungen nicht mehr zumutbar erscheint oder nach Ansicht der Mehrheit der Bevölkerung das gebotene Maß an Zurückhaltung überschreitet.13 Es zeigt sich auch hier wieder die Schwierigkeit des Rechts, rein moralische Wertvorstellungen zu einer gesetzlichen Geltung zu verhelfen – eine genaue Definition und Abgrenzung des Erlaubten vom Verbotenen ist nicht möglich, wenn bloß auf das Anstands - und Wertgefühl der Mehrheit der Bevölkerung abgestellt wird. Andererseits bieten diese ungenauen Definitionen die nötige Flexibilität, um geänderten Wertvorstellungen Rechnung zu tragen, ohne dass eine Änderung des Wortlauts der Vorschrift nötig ist. Damit bietet die Auslegung des § 119 OWiG genügend Raum, den Wandel der gesellschaftlichen Wertvorstellungen und die Wertentscheidung des Gesetzgebers durch den Erlass des ProstG zu berücksichtigen. § 119 OWiG steht damit nicht in Konflikt mit dem ProstG. 12 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Februar 1987 (BGBl. I S. 602), zuletzt geändert durch Artikel 24 des Gesetzes vom 22. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3416). 13 Kurz in: Karlsruher Kommentar zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, 3. Aufl., § 119 Rn. 11 ff. - 9 - 5.2. Verbot der Werbung für Prostitution, § 120 Absatz 1 Nr. 2 OWiG Nach dem Wortlaut des § 120 Absatz 1 Nr. 2 OWiG ist jede Form der Werbung für Prostitution verboten. In dieser Deutlichkeit wäre die Vorschrift nicht mit den Zielen des ProstG vereinbar, auch weil Prostitution durch das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 GG geschützt ist. Zum einen jedoch spielt die Vorschrift in der ordnungsbehördlichen Praxis ohnehin seit längerem eine untergeordnete Rolle, Werbung wird vielerorts geduldet. Außerdem hat der Bundesgerichtshof in Urteilen aus dem Jahr 200614 entschieden, dass unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Wertentscheidung durch Erlass des ProstG Werbung für entgeltliche sexuelle Dienstleistungen nur noch dann ordnungswidrig ist, wenn die Werbung eine konkrete Beeinträchtigung von Rechtsgütern der Allgemeinheit, insbesondere des Jugendschutzes, zur Folge hat. Der Anwendungsbereich der Vorschrift wird dadurch eingeschränkt, und die höchstrichterliche Rechtsprechung hat damit den vom Gesetzgeber verfolgten Intentionen Rechnung getragen. Eine Änderung des § 120 Absatz 1 Nr. 2 OWiG ist daher nicht zu fordern. 5.3. Verbotene Ausübung der Prostitution, § 120 Absatz 1 Nr. 1 OWiG § 120 Absatz 1 Nr. 1 OWiG bestimmt, dass ordnungswidrig handelt, wer der Prostitution in einem sog. Sperrbezirk nachgeht. Sperrbezirke sind solche Gebiete, in denen die Ausübung der Prostitution generell oder zu bestimmten Tageszeiten verboten ist. Dies können die Bundesländer in Rechtsverordnungen festlegen, § 297 des Einführungsgesetzes zum StGB. Zwar kann man sich fragen, ob es rechtmäßig ist, die Ausübung einer erlaubten, nicht sittenwidrigen Tätigkeit in bestimmten Gebieten zu verbieten. Ein Sperrbezirk stellt jedenfalls einen Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit der dort tätig werden wollenden Prostituierten aus Art. 12 GG dar. Auch sind Sperrbezirke umstritten, weil sie die Konkurrenz zwischen Prostituierten auf kleinerem Gebiet steigern und damit die Abhängigkeit von Zuhältern fördern können. Andererseits ist ein staatliches Interesse an der wenigstens teilweisen Regulierung der Prostitutionsausübung nicht zu leugnen. Die öffentliche Hand hat so die Möglichkeit, zumindest bestimmte Formen der Prostitution, nicht zuletzt im Interesse des Jugend- 14 Az. I ZR 231/03, I ZR 241/03 sowie I ZR 65/05. - 10 - schutzes oder Schutz von Anwohnerinteressen, zu regulieren. Eine Sperrbezirksverordnung ist damit verfassungsrechtlich gerechtfertigt, und die Bundesregierung sowie alle Bundesländer sehen keinen derzeitigen Handlungsbedarf in Bezug auf die Sperrgebietsverordnungen . 6. Sozialversicherungsrechtliche Aspekte Für selbständig arbeitende Prostituierte galten auch schon vor dem Erlass des ProstG dieselben sozialversicherungsrechtlichen Bedingungen wie für andere Selbständige auch: diese haben die Möglichkeit, freiwillig Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung einzuzahlen und somit wie Pflichtversicherte behandelt zu werden. Zugang zu anderen Sozialversicherungssystem bleibt ihnen jedoch verwehrt. Prostituierten in Beschäftigungsverhältnissen, also mit Arbeitsvertrag, ist der Zugang zur gesetzlichen Kranken-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung rechtlich spätestens mit Inkrafttreten des ProstG gewährleistet. Dem steht nach § 3 ProstG auch nicht das im Vergleich zu anderen Arbeitsnehmern nur eingeschränkte Weisungsrecht des Arbeitgebers nicht entgegen.15 Rechtlich steht der Aufnahme von Prostituierten in die Sozialversicherungssysteme somit nichts entgegen, die etwas geringere Sicherungsquote unter Prostituierten lässt sich, wie im Abschnitt über Arbeitsverträge bereits dargestellt, eher mit dem Wunsch nach Vermeidung von zusätzlichen Abgaben erklären. 7. Steuerrecht Im Steuerrecht hat das ProstG insofern zu einer Veränderung geführt, als dass Einkünfte von selbständigen Prostituierten jetzt teilweise16 nach § 15 Einkommensteuergesetz („Einkünfte aus Gewerbebetrieb“) und nicht nach § 22 Nr. 3 Einkommensteuergesetz („Sonstige Einkünfte“) qualifiziert werden. Geändert hat sich de facto dadurch jedoch nichts. Die teilweise Legalisierung der Prostitution führt zu einer zunehmenden Anmeldung von selbständig tätigen Prostituierten bei den Finanzämtern. Die Finanzämter wenden dabei zunehmend das sog. „Düsseldorfer Verfahren“ zur Steuerveranlagung an. Dies ist ein vereinfachtes Verwaltungsverfahren, in dem Prostituierte bzw. deren Bordellbetreiber einen Pauschalbetrag von bis zu 25 EUR pro Tag und Prostituierte als 15 Der Arbeitgeber einer Prostituierten darf nur den Ort und die Zeit der Berufsausübung vorgeben, nicht aber das Ausmaß der Prostitution oder bestimmen, welchen Kunden die Prostituierte zu bedienen hat. 16 Dies ist, wie bereits ausgeführt, abhängig vom jeweiligen Bundesland. - 11 - Vorabzahlung an das Finanzamt überweisen. Im Bereich des Finanz- und Steuerrechts sind jedenfalls keine Normen ersichtlich, die den Zielen des ProstG entgegenstehen. 8. Fazit Es ist nicht ersichtlich, dass aus anderen Bereichen der Rechtsordnung Normen den Zielen des ProstG eindeutig entgegenstehen. Zwar existieren Vorschriften, die in Konflikt mit den Zielen stehen könnten. Einander nicht entsprechende Normen sind in der Rechtswissenschaft solange nichts Ungewöhnliches und Problematisches, als dass durch eine einschränkende Auslegung der einen Norm einem Konflikt aus dem Weg gegangen werden kann. Das ist anhand der gezeigten Beispiele bislang der Fall. Es empfiehlt sich daher eine weitere aufmerksame Beobachtung der Rechtssprechung der Gerichte und Praxis der mit der Materie befassten Behörden.