© 2020 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 137/20 Rechtliche Einzelfragen zum Betrieb von Großhandelsmärkten Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 137/20 Seite 2 Rechtliche Einzelfragen zum Betrieb von Großhandelsmärkten Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 137/20 Abschluss der Arbeit: 14. Dezember 2020 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 137/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Rechtliche Rahmenbedingungen des Betriebs von Großhandelsmärkten 4 2.1. Der Begriff des Großhandels 4 2.2. Lauterkeitsrechtliche Rahmenbedingungen des Betriebs von Großhandelsmärkten 5 2.3. Bau- beziehungsweise bauordnungsrechtliche Rahmenbedingungen 7 2.4. Erwägungen bezüglich des Ladenschlussrechts 9 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 137/20 Seite 4 1. Einleitung Vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie haben einzelne Niederlassungen von Handelsunternehmen ihre Selbstbedienungs-Großhandelsmärkte (auch „Abholgroßmärkte“ oder „Cash & Carry-Märkte“) zeitlich befristet auch für private Endverbraucher geöffnet.1 Diese Abweichung vom eigentlichen Geschäftsmodell soll zum Anlass genommen werden, nachfolgend die rechtlichen Rahmenbedingungen des Betriebs solcher Großhandelsmärkte überblicksartig und summarisch darzustellen. Dabei soll am Beispiel von Selbstbedienungs-Großhandelsmärkten auch die Frage beleuchtet werden, ob es privaten Endverbrauchern grundsätzlich gestattet ist, in solchen Großhandelsmärkten einzukaufen, beziehungsweise, ob gewerbliche Kunden dort auch für ihren privaten Gebrauch konsumieren dürfen. 2. Rechtliche Rahmenbedingungen des Betriebs von Großhandelsmärkten Die rechtlichen Rahmenbedingungen des Betriebs von Selbstbedienungs-Großhandelsmärkten sind nicht zusammenhängend gesetzlich geregelt. Vielmehr existieren verschiedene – zum Teil jeweils stark durch die Rechtsprechung konkretisierte – Einzelvorgaben, die es für den jeweiligen Unternehmer praktisch oftmals erforderlich machen, sich für das eine Modell (an Endverbraucher gerichteter Einzelhandel) oder das andere (Großhandel) zu entscheiden. Vor dem Hintergrund der Vielschichtigkeit einzelner Geschäftsmodelle kann nachstehend keine allgemeingültige Aussage über bestimmte Verkaufsbefugnisse gegeben, sondern insgesamt nur ein allgemeiner, gegebenenfalls nicht für jeden einzelnen Geschäftsbetrieb einschlägiger Überblick über die vorhandenen Regelungen vermittelt werden. Bevor auf die näheren, vor allem aus dem Lauterkeits- sowie dem Bau- und Bauordnungsrecht resultierenden Vorgaben eingegangen wird, sollen zum besseren Verständnis Begriff und Wesen des Großhandels umrissen werden. 2.1. Der Begriff des Großhandels Eine allgemeingültige gesetzliche Definition des Begriffs „Großhandel“ existiert nicht. Im wirtschaftlich -funktionalen Sinne wird darunter jedoch die Veräußerung von Gütern an Wiederverkäufer , Weiterverarbeiter und gewerbliche Unternehmen, nicht aber an Verbraucher verstanden.2 Großhandelsbetriebe können ihren Tätigkeitsschwerpunkt dabei entweder auf der Beschaffungsseite (sog. Einkaufsgroßhandel) oder auf der Absatzseite (sog. Verkaufsgroßhandel) haben.3 Auch in berufsausbildungsrechtlicher Hinsicht wird ausdrücklich zwischen Groß- und Einzelhandel 1 Vgl. exemplarisch den Erlass des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen zur befristeten Duldung der Nutzung von für den Großhandel genehmigten Gebäuden für den Einzelhandel im Rahmen der Corona-Pandemie, abrufbar unter: https://www.mhkbg.nrw/sites/default/files /media/document/file/2020%2004%2029%20MHKBG-8_Gro%C3%9Fhandel-Endkundenverkauf.pdf (letzter Abruf dieses Links und aller weiteren am 14. Dezember 2020) sowie die Online-Mitteilung der METRO Deutschland GmbH „METRO ist für alle da“, abrufbar unter: https://www.metro.de/offen-fuer-alle-nrw. 2 Vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 11. November 1977, Az.: I ZR 179/75, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1978, 267 sowie Hakenberg, in: Creifelds Rechtswörterbuch, 25. Edition 2020. 3 Vgl. dazu etwa Borstell/Hülster, in: Vögele/Borstell/Bernhardt, Verrechnungspreise, 5. Auflage 2020, Kapitel M: Lieferungen von Gütern und Waren, Rn. 195 ff. m.w.N. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 137/20 Seite 5 differenziert. Insoweit wird zwischen der Ausbildung zum Kaufmann für Groß- und Außenhandelsmanagement und der Ausbildung zum Verkäufer sowie zum Kaufmann im Einzelhandel unterschieden .4 Die vom Großhandel angebotenen Dienstleistungen variieren dabei stark und lassen sich nicht abschließend beschreiben. Auch nach der Eigendarstellung des Bundesverbands Großhandel, Außenhandel , Dienstleistungen e.V. (BGA) sind die Leistungen des Großhandels folglich überaus vielfältig. Demnach erfüllt der Großhandel insbesondere Funktionen der Sortimentsgestaltung und Beratung, der Lagerhaltung, der Veredelung, der Mengenumverteilung und Distribution sowie mitunter auch der Zwischenfinanzierung.5 2.2. Lauterkeitsrechtliche Rahmenbedingungen des Betriebs von Großhandelsmärkten Grundsätzlich steht es jedem Unternehmer frei, sich den Kreis seiner potenziellen Vertragspartner beziehungsweise Abnehmer unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten selbst auszusuchen und / oder auf einen bestimmten Kreis zu beschränken. Dies gewährleistet schon der zivilrechtliche Grundsatz der Vertragsfreiheit6. Eine klare Trennung zwischen Groß- und Einzelhandel, so wie diese früher einmal Bestand hatte, besteht dabei heute vielerorts nicht mehr; denn inzwischen werden allgemein auch im Großhandel zunehmend Verkäufe an Endverbraucher getätigt.7 Im Grundsatz ist dies lauterkeitsrechtlich8 nicht zu beanstanden, solange von dem jeweiligen Großhändler bestimmte Vorgaben und Rahmenbedingungen eingehalten werden.9 So gelten auch für Selbstbedienungs-Großhändler zunächst die allgemeinen Grundsätze des Wettbewerbsrechts. Nach dem sogenannten Irreführungsverbot des § 5 Abs. 1 des Gesetzes gegen 4 Vgl. Groß-und-Außenhandelsmanagement-Kaufleute-Ausbildungsverordnung vom 19. März 2020 (BGBl. I S. 715, 1933), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/guamkflausbv/BJNR071500020.html sowie Verkäufer - und Einzelhandelskaufleuteausbildungsverordnung vom 13. März 2017 (BGBl. I S. 458), die durch Artikel 1 der Verordnung vom 1. Juni 2017 (BGBl. I S. 1503) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze -im-internet.de/verkehkflausbv/VerkEHKflAusbV.pdf. 5 Vgl. Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen e.V. zum Thema „Großhandel“, abrufbar unter : https://www.bga.de/handeln/grosshandel/. 6 Zum Begriff der Vertragsfreiheit sowie zur Herleitung vgl. etwa Emmerich, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2019, § 311 BGB, Rn. 1 ff. m.w.N. 7 Vgl. Busche, in: Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 3. Auflage 2020, § 5 UWG, Rn. 532. 8 Das Wettbewerbsrecht lässt sich in das Kartell- und Lauterkeitsrecht unterteilen. Während das Kartellrecht auf einer Makroebene den freien Wettbewerb mittels einer Kontrolle der Struktur des gesamten Marktes zu schützen versucht („Ob“ des Wettbewerbs), bezweckt das Lauterkeitsrecht auf der Mikroebene den Schutz des fairen Wettbewerbs mittels Marktverhaltensregeln für einzelne Wettbewerbsteilnehmende („Wie“ des Wettbewerbs), vgl. statt vieler Ohly, in: Ohly/Sosnitza, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 7. Auflage 2016, Einführung (Teil A), Rn. 2. 9 Vgl. Busche, in: Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 3. Auflage 2020, § 5 UWG, Rn. 532. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 137/20 Seite 6 den unlauteren Wettbewerb (UWG)10 darf ein Unternehmer etwa grundsätzlich keine irreführende geschäftliche Handlung vornehmen, die geeignet ist, einzelne Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die diese andernfalls nicht getroffen hätten. So wird es beispielsweise als irreführend betrachtet, wenn Werbung unwahre oder zur Täuschung geeignete Angaben über die Art des Vertriebs enthält (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG). Die Angaben zur Art des Geschäftsbetriebs können sich dabei auf die Organisationsform oder die Handelsstufe beziehen (Groß- oder Einzelhandel).11 Danach ist es für Großhändler etwa unzulässig, gegenüber Verbrauchern auf ihre Eigenschaft als Großhändler hinzuweisen, wenn sie nicht tatsächlich auch überwiegend gewerbliche Abnehmer bedienen.12 Ein Unternehmen, welches dem Verbraucher gegenüber als Großhandel auftritt, muss mithin auch ganz überwiegend auf dieser Handelsstufe tätig sein.13 Eine (wahrheitswidrige) werbende Bezeichnung als Großhandel könnte bei Verbrauchern andernfalls den irreführenden Eindruck einer voraussichtlich zu erwartenden Kostenvergünstigung oder des Zugangs zu einem üblicherweise Endverbrauchern nicht offen stehenden Sortiment hervorrufen. Die aus dem Irreführungsverbot für Großhändler mithin grundsätzlich resultierende Beschränkung des privaten Konsums wurde durch den Bundesgerichtshof (BGH) in seiner sogenannten „Metro-Rechtsprechung“ weiter konkretisiert. So hat der BGH Selbstbedienungs-Großhandelsbetrieben umfassende Überwachungspflichten auferlegt, um eine Verbraucherbeteiligung möglichst auszuschließen. Kernpunkt der Entscheidungen war jeweils die Frage, ob sich einzelne Märkte trotz vielfachen Verkaufs an Verbraucher noch als funktionsechter Großhandel bezeichnen dürfen und so eventuelle Marktvorteile erlangen. Demgemäß sei nach dem BGH insbesondere durch geeignete Zugangskontrollen zu gewährleisten , dass tatsächlich nur der jeweilige Inhaber des Kundenausweises Zugang zum Markt erhält und etwa Verbraucher, die sich den Ausweis nur geliehen hätten, wirksam ausgeschlossen würden .14 Um den (auch teilweisen) Privateinkauf gewerblicher Kunden zu unterbinden, müssten die Händler zudem (stichprobenhafte) Ausgangskontrollen durchführen, um zu überprüfen, ob die gekauften Güter auch tatsächlich in einem Zusammenhang mit der gewerblichen Tätigkeit des Berechtigten stünden.15 Gleichzeitig hat der BGH jedoch anerkannt, dass ein gewisser Anteil an Verbraucherbeteiligung praktisch letztlich auch im Wege geeigneter Kontrollen nie ganz auszuschließen ist. So sei einem Selbstbedienungs-Großhändler letztlich eine Verbraucherbeteiligung bis zu einer Toleranzgrenze 10 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. März 2010 (BGBl. I S. 254), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 26. November 2020 (BGBl. I S. 2568) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/uwg_2004/. 11 Vgl. Busche, in: Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 3. Auflage 2020, § 5 UWG, Rn. 524. 12 Vgl. Bornkamm/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Auflage 2020, § 5 UWG, Rn. 4.211. 13 Vgl. Busche, in: Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 3. Auflage 2020, § 5 UWG, Rn. 532. 14 Vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1989, Az.: I ZR 55/87, NJW 1990, 1294. 15 Vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1989, Az.: I ZR 55/87, NJW 1990, 1294. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 137/20 Seite 7 von etwa 10 % seines Gesamtumsatzes zuzubilligen.16 Sofern der entsprechende Anteil jedoch oberhalb dieser Toleranzgrenze liege, seien die einschlägigen Vorschriften der Preisangabenverordnung (PAngV)17, mithin insbesondere auch § 1 Abs. 1 PAngV18, zu beachten.19 Ein Berufen auf den Schwellenwert von 10 % soll dem Großhandel zudem nur dann möglich sein, sofern er durch geeignete Kontrollmaßnahmen alles Zumutbare unternimmt, „um die Deckung reinen Privatbedarfs zu unterbinden“.20 Insgesamt ist es dem Selbstbedienungs-Großhandel innerhalb der vom BGH gesetzten Grenzen mithin möglich, auch an Endverbraucher zu veräußern. Soweit diese Grenzen überschritten werden , ist es Mitwettbewerbern21 sowie rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher Interessen , Verbraucherverbänden und Industrie- und Handelskammern nach dem UWG möglich, gegen einen Wettbewerbsverstoß vorzugehen.22 2.3. Bau- beziehungsweise bauordnungsrechtliche Rahmenbedingungen Neben den vorstehend genannten lauterkeitsrechtlichen Rahmenbedingungen sind bei der Errichtung und beim Betrieb von Großhandelsmärkten zudem auch bau- beziehungsweise bauordnungsrechtliche Rahmenbedingungen zu beachten. Auch diese können sich mittelbar auf den jeweils im Fokus stehenden Kundenkreis auswirken. Für Bauvorhaben, die die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen zum Inhalt haben, gelten die §§ 30 ff. Baugesetzbuch (BauGB)23. Neben der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit erfordert mithin nicht nur die erstmalige Errichtung eines Großhandelsbetriebs, sondern auch die Umwandlung eines bestehenden (Einzelhandels-)Betriebs in einen Großhandel 16 Vgl. BGH, Urteil vom 11. November 1977, Az.: I ZR 179/75, NJW 1978, 267. 17 Preisangabenverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Oktober 2002 (BGBl. I S. 4197), die zuletzt durch Artikel 5 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2394) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/pangv/. 18 § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV: Wer Verbrauchern gemäß § 13 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gewerbs- oder geschäftsmäßig oder wer ihnen regelmäßig in sonstiger Weise Waren oder Leistungen anbietet oder als Anbieter von Waren oder Leistungen gegenüber Verbrauchern unter Angabe von Preisen wirbt, hat die Preise anzugeben, die einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile zu zahlen sind (Gesamtpreise). 19 Vgl. BGH, Urteil vom 11. November 1977, Az.: I ZR 179/75, NJW 1978, 267. 20 Vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 2000, Az.: I ZR 181/99, NJW 2001, 3707. 21 Verbraucher oder Unternehmer, die nicht Leistungen gleicher Art erbringen, sind nicht berechtigt, wettbewerbsrechtliche Ansprüche geltend zu machen oder Abmahnungen auszusprechen. 22 Vgl. etwa die Übersicht der Industrie- und Handelskammer der Region Stuttgart, abrufbar unter: https://www.stuttgart.ihk24.de/fuer-unternehmen/recht-und-steuern/wettbewerbsrecht/richtig-werben/rechtsfolgen -wettbewerbswidrigen-werbens-684896. 23 Baugesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. November 2017 (BGBl. I S. 3634), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 8. August 2020 (BGBl. I S. 1728) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/bbaug/. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 137/20 Seite 8 eine bauordnungsrechtliche Genehmigung nach den jeweiligen Bauordnungen der einzelnen Bundesländer.24 Eine Differenzierung zwischen Groß- und Einzelhandel ist dabei stets erforderlich, da beide Handelsformen zwei unterschiedliche Nutzungsarten im Sinne der Verordnung über die bauliche Nutzung der Grundstücke (BauNVO)25 darstellen und folglich unterschiedlichen bebauungsrechtlichen Anforderungen unterliegen.26 Die BauNVO unterscheidet, genauso wie das UWG, zwischen dem Einzelhandel und dem Großhandel, der seinem Leitbild nach nur gewerbliche Verbraucher bedient, und daher auch unter baulichen Gesichtspunkten das Gegenstück zum Einzelhandel darstellt.27 Auch großflächiger Einzelhandel sei dabei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts von der allgemeinen Nutzungsart „Gewerbebetriebe“, wozu neben produzierenden Betrieben auch Großhandelsbetriebe zählen, zu unterscheiden.28 Ein Groß- beziehungsweise Einzelhandelsbetrieb ist demnach immer nur in solchen Baugebieten möglich, in denen solche Betriebe ausdrücklich zulässig sind beziehungsweise im Einzelfall behördlich genehmigte Abweichungen geduldet wurden. Eine vom ursprünglich gewählten Kundenkreis abweichende Ausrichtung (auch) auf private Endverbraucher kann mithin zu baurechtlichen Neubewertungen der beantragten Nutzungsart führen und eine neue behördliche Genehmigung erforderlich machen . Dementsprechend war es für die zuständigen Behörden im Zuge der einleitend erwähnten Öffnungsbestrebungen vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie notwendig, bau- beziehungsweise bauordnungsrechtliche Verstöße temporär zu dulden. So führte das für Nordrhein-Westfalen zuständige Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung bereits im Frühjahr 2020 zur befristeten Duldung der Nutzung von für den Großhandel genehmigten Gebäuden für den Einzelhandel im Rahmen der COVID-19-Pandemie aus: „Die Umstellung des Verkaufes in einem für den Großhandel genehmigten Gebäude - auch für den Einzelhandel - stellt eine Nutzungsänderung im Sinne des § 29 BauGB dar (…). Werden Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt, kann diese Nutzung nach § 82 Satz 2 BauO NRW 2018 untersagt werden. Diese Entscheidung steht im Ermessen der unteren Bauaufsichtsbehörde. Das Ermessen bezieht sich insbesondere darauf, ob die Nutzugsänderung untersagt wird. Dieses, den unteren Bauaufsichtsbehörden eingeräumte Entschließungsermessen ist aufgrund der besonderen Situation im Zusammenhang mit der 24 Siehe etwa exemplarisch § 59 Abs. 1 Bauordnung für Berlin (BauO Bln) vom 29. September 2005, die zuletzt durch Artikel 23 des Gesetzes vom 12. Oktober 2020 (GVBl. S. 807) geändert worden ist, abrufbar unter: http://gesetze.berlin.de/jportal/?quelle=jlink&query=BauO+BE&psml=bsbeprod.psml&max=true&aiz=true. 25 Baunutzungsverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. November 2017 (BGBl. I S. 3786), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/baunvo/. 26 Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 3. Februar 1984, Az.: 4 C 25/82, NJW 1984, 1771. 27 Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Februar 1984, Az.: 4 C 25/82, NJW 1984, 1771. 28 Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Februar 1984, Az.: 4 C 25/82, NJW 1984, 1771. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 137/20 Seite 9 Corona-Pandemie bis zum 10. Mai 2020 dahingehend auszuüben, dass von einem Einschreiten nach § 82 Satz 2 BauO NRW 2018 abzusehen ist und entsprechende Nutzungsänderungen befristet bis zum 10. Mai 2020 zu dulden sind.“29 2.4. Erwägungen bezüglich des Ladenschlussrechts Letztlich sind bei der unternehmerischen Wahl zwischen Groß- und Einzelhandel auch ladenschlussrechtliche Rahmenbedingungen zu beachten. Diese haben zwar keinen unmittelbarem Einfluss auf die gewählte Kundenstruktur, prägen das jeweils angestrebte Geschäftsmodell jedoch oftmals erheblich. Denn nur für die Ladenöffnungszeiten von Verkaufsstellen des Einzelhandels gelten nach den jeweiligen Vorgaben der einzelnen Bundesländer besondere gesetzliche Vorgaben . Verkaufsstellen sind demnach Ladengeschäfte aller Art, Apotheken und Tankstellen, sowie sonstige Verkaufsstände, falls in ihnen von einer festen Stelle aus ständig Waren zum Verkauf an jedermann gewerblich angeboten werden.30 Der Begriff ist ebenso wie die lauterkeitsrechtlichen Regelungen so auszulegen, dass mit „jedermann“ der Endverbraucher gemeint ist.31 Daher unterfällt der Großhandel nicht den Vorschriften zum Ladenschluss, da der Kundenkreis einer typischen Großhandelstätigkeit Endverbraucher ausschließt. Im Zuge dessen kann der Großhandel etwa auch nicht ohne Weiteres an den ausnahmsweisen Öffnungen der Verkaufsstellen an Sonnoder Feiertagen32 teilhaben.33 * * * 29 Vgl. Erlass des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen zur befristeten Duldung der Nutzung von für den Großhandel genehmigten Gebäuden für den Einzelhandel im Rahmen der Corona-Pandemie, abrufbar unter: https://www.mhkbg.nrw/sites/default/files/media /document/file/2020%2004%2029%20MHKBG-8_Gro%C3%9Fhandel-Endkundenverkauf.pdf. 30 Siehe etwa exemplarisch § 3 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung der Ladenöffnungszeiten im Bundesland Nordrhein -Westfalen vom 16. November 2006, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 22. März 2018 (GV. NRW. S. 172) geändert worden ist, abrufbar unter: https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_bes_text?sg=0&menu=1&bes_id=9785&aufgehoben=N&anw_nr=2#FN1. 31 Vgl. BGH, Urteil vom 11. November 1977, Az.: I ZR 179/75, NJW 1978, 267. 32 Vgl. exemplarisch § 6 Berliner Ladenöffnungsgesetz vom 14. November 2006, das zuletzt durch Gesetz vom 13. Oktober 2010 (GVBl. S. 467) geändert worden ist, abrufbar unter: http://gesetze.berlin.de/jportal/portal /t/w4q/page/bsbeprod.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber =4&numberofresults=17&fromdoctodoc=yes&doc.id=jlr-L%C3%96GBErahmen &doc.part=X&doc.price=0.0&doc.hl=1. 33 Vgl. etwa Information Großhandelsverband Foodservice, „Zusätzliche verkaufsoffene Sonntage auch für den Selbstbedienungsgroßhandel (Cash & Carry)“, abrufbar unter: https://www.gvfoodservice.de/index.php/diagnostik -2/aktuelles.