© 2021 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 136/20 Einzelfragen zu Art. 103 Absatz 2 des Grundgesetzes im Falle von Blankettstraftatbeständen Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 136/20 Seite 2 Einzelfragen zu Art. 103 Absatz 2 des Grundgesetzes im Falle von Blankettstraftatbeständen Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 136/20 Abschluss der Arbeit: 21. Januar 2021 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 136/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Verweisungen auf Rahmenbeschlüsse und Richtlinien der Europäischen Union und ihre Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgebot nach Art. 103 Abs. 2 GG 5 3. Vereinbarkeit des § 261 Abs. 9 Nr. 2 StGB-E mit dem Bestimmtheitsgebot nach Art. 103 Abs. 2 GG unter dem Gesichtspunkt der Verwendung von Verweisungsketten 7 4. Vereinbarkeit des § 261 Abs. 9 Nr. 2 StGB-E mit dem Bestimmtheitsgrundsatz nach Art. 103 Abs. 2 GG im Übrigen 10 5. Verweisungen auf Rahmenbeschlüsse und Richtlinien der Europäischen Union, wenn diese noch nicht umgesetzt sind 11 6. Fazit 12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 136/20 Seite 4 1. Einleitung Eine Tat kann gemäß Art. 103 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG)1 nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Das in Art. 103 Abs. 2 GG normierte Bestimmtheitsgebot beinhaltet nach dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) „die Verpflichtung , wesentliche Fragen der Strafwürdigkeit oder Straffreiheit im demokratisch-parlamentarischen Willensbildungsprozess zu klären und die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, dass Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen“.2 Dabei muss der Wortlaut der Strafvorschrift so gestaltet werden, dass die Normadressaten in der Regel bereits aufgrund des Wortlauts der gesetzlichen Vorschrift erkennen können, ob ein Verhalten zu einer Strafbarkeit führt oder nicht.3 Einfachgesetzlich ist das Bestimmtheitsgebot in § 1 des Strafgesetzbuchs (StGB)4 enthalten. Sogenannte Blankettstrafgesetze ersetzen nach dem BVerfG „die Beschreibung des Straftatbestandes durch die Verweisung auf eine Ergänzung im gleichen Gesetz oder in anderen – auch künftigen – Gesetzen oder Rechtsverordnungen, die nicht notwendig von derselben rechtsetzenden Instanz erlassen werden müssen“. 5 Solche Blankettstrafgesetze sind nach dem BVerfG weder gemäß Art. 103 Abs. 2 GG noch nach Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG per se unzulässig. 6 Nach Art. 103 Abs. 2 GG – und bei einer Anordnung von Freiheitsstrafen auch gemäß Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG – ist es aber erforderlich, dass der Gesetzgeber so deutlich bestimmt, was strafbar sein soll, dass sich die Fälle der Strafbarkeit sowie Art und Maß der Strafe bereits aufgrund des Gesetzes voraussehen lassen und nicht etwa erst aufgrund einer Rechtsverordnung, auf die verwiesen wurde (vgl. auch Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG).7 Wird dagegen durch das Blankettstrafgesetz zur Ergänzung auf eine Norm eines anderen Gesetzes verwiesen, ist dies insoweit ausreichend.8 1 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100- 1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 u. 2 Satz 2 des Gesetzes vom 29. September 2020 (BGBl. I S. 2048) geändert worden ist. 2 BVerfG, Beschluss vom 21.09.2016, Az. 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648, 3649 Rn. 38. 3 BVerfG, Beschluss vom 21.09.2016, Az. 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648, 3649, 3650 Rn. 38. 4 Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch Artikel 47 des Gesetzes vom 21. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3096) geändert worden ist. 5 BVerfG, Beschluss vom 25.07.1962, Az. 2 BvL 4/62, BVerfGE 14, 245, 252; BVerfG, Beschluss vom 21.09.2016, Az. 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648, 3650 Rn. 44. 6 BVerfG, Beschluss vom 03.05.1967, Az. 2 BvR 134/63, BVerfGE 22, 1, 18. 7 BVerfG, Beschluss vom 25.07.1962, Az. 2 BvL 4/62, BVerfGE 14, 245, 252; BVerfG, Beschluss vom 21.09.2016, Az. 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648, 3651 Rn. 47; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 03.05.1967, Az. 2 BvR 134/63, BVerfGE 22, 1, 18; Kunig/Saliger, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, 7. Auflage 2021, Art. 103 Rn. 35. 8 BVerfG, Beschluss vom 25.07.1962, Az. 2 BvL 4/62, BVerfGE 14, 245, 252. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 136/20 Seite 5 Der Bestimmtheitsgrundsatz nach Art. 103 Abs. 2 GG gilt bei Blanketttatbeständen „gleichermaßen für beide Teile der Strafnorm“.9 Die Vorschriften müssen Art. 103 Abs. 2 GG in ihrer Gesamtheit genügen.10 Solche Verweisungen auf andere Vorschriften sind nach dem BVerfG „als vielfach übliche und notwendige gesetzestechnische Methode anerkannt“, wenn klar erkennbar sei, welche Vorschriften im Einzelnen gelten sollten und wenn diese bereits ordnungsgemäß veröffentlicht worden seien, damit der Normadressat Zugang zu diesen habe.11 Im Folgenden wird zunächst erörtert, inwieweit Verweisungen in Straftatbeständen auf Rahmenbeschlüsse und Richtlinien der Europäischen Union grundsätzlich mit dem Bestimmtheitsgebot nach Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar sind (2.) Weiterhin wird der Frage nachgegangen, ob die nach Art. 1 des Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der strafrechtlichen Bekämpfung der Geldwäsche 12 vorgesehene Neufassung des § 261 Abs. 9 Nr. 2 des Strafgesetzbuchs (StGB-E) bereits unter dem Gesichtspunkt der Verwendung von Verweisungsketten gegen den Bestimmtheitsgrundsatz nach Art. 103 Abs. 2 GG verstößt (3.). Daraufhin wird die Vereinbarkeit des § 261 Abs. 9 Nr. 2 StGB-E mit dem Bestimmtheitsgebot im Übrigen unter besonderer Beachtung der Unterscheidung dynamischer und statischer Verweisungen erörtert (4.). Schließlich wird die Frage beleuchtet , ob es auch mit dem Bestimmtheitsgebot nach Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar ist, in Straftatbeständen auf Rahmenbeschlüsse oder Richtlinien der EU zu verweisen, wenn diese noch nicht umgesetzt sind (5.). 2. Verweisungen auf Rahmenbeschlüsse und Richtlinien der Europäischen Union und ihre Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgebot nach Art. 103 Abs. 2 GG Fraglich ist zunächst, ob eine Verweisung in Straftatbeständen auf Rahmenbeschlüsse und Richtlinien der Europäischen Union zur Begründung der Strafbarkeit mit dem Bestimmtheitsgebot nach Art. 103 Abs. 2 GG grundsätzlich vereinbar ist. Das BVerfG hat in Bezug auf Art. 103 Abs. 2 GG entschieden, dass der Gesetzgeber auch auf Vorschriften eines anderen Normgebers Bezug nehmen darf (z.B. Verweisung von Bundes- auf Landesrecht)13, da hierdurch lediglich darauf verzichtet werde, „den Text der in Bezug genommenen Vorschriften in vollem Wortlaut in die Verweisungsnorm aufzunehmen“.14 Dies gelte auch für Verweise auf „Normen und Begriffe des Rechts der Europäischen Union“, da nationales Recht und Unionsrecht in vielfältiger 9 Schmitz, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, 4. Auflage 2020, § 1 Rn. 65; BVerfG, Beschluss vom 17.11.2009, Az. 1 BvR 2717/08, NJW 2010, 754 Rn. 15. 10 Schmitz, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, 4. Auflage 2020, § 1 Rn. 65; BVerfG, Beschluss vom 17.11.2009, Az. 1 BvR 2717/08, NJW 2010, 754 Rn. 15. 11 BVerfG, Beschluss vom 21.09.2016, Az. 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648, 3650 Rn. 42. 12 Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der strafrechtlichen Bekämpfung der Geldwäsche, Bundestags-Drucksache 19/24180, abrufbar unter https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/241/1924180.pdf, letzter Abruf – auch für alle weiteren Internetlinks – 21. Januar 2021. 13 BVerfG, Beschluss vom 21.09.2016, Az. 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648, 3650 Rn. 42 mit Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 01.03.1978, Az. 1 BvR 786/70, 1 BvR 793/70, 1 BvR 168/71, 1 BvR 95/73, BVerfGE 47, 285, 311 ff. 14 BVerfG, Beschluss vom 21.09.2016, Az. 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648, 3650 Rn. 42. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 136/20 Seite 6 Weise ineinandergreife und solche Verweise daher nicht anders beurteilt werden dürften als Verweisungen auf nationales Recht.15 Eine EU-Richtlinie ist gemäß Art. 288 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)16 für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel ihrer Umsetzung. Richtlinien der EU werden als Rechtsnormen angesehen.17 Rahmenbeschlüsse konnte der Rat nach dem ehemals geltenden Art. 34 Abs. 2 lit. b) des Vertrags über die Europäische Union (EUV)18 im Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen (vgl. die ehemalige Überschrift des Titels VI EUV19) zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten annehmen. Nach dieser Vorschrift sind auch Rahmenbeschlüsse für die Mitgliedstaaten hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlassen jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel und sind nicht unmittelbar wirksam. Die danach angenommenen Rahmenbeschlüsse behalten gemäß Art. 9 des Protokolls (Nr. 36) über die Übergangsbestimmungen20 so lange Rechtswirkung, bis sie in Anwendung der Verträge aufgehoben, für nichtig erklärt oder geändert werden.21 Aufgrund der Ähnlichkeit der Rahmenbeschlüsse mit Richtlinien22 spricht viel dafür, diesen ebenfalls Rechtsnormqualität zuzusprechen. Zumindest beinhalten die Rahmenbeschlüsse Begriffe des Rechts der Europäischen Union. Eine Verweisung in Straftatbeständen auf Richtlinien und Rahmenbeschlüsse der EU dürfte damit grundsätzlich mit dem Bestimmtheitsgebot gemäß Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar sein. 15 BVerfG, Beschluss vom 21.09.2016, Az. 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648, 3650 Rn. 42. 16 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (konsolidierte Fassung), ABl. C 326 vom 26.10.2012, S. 47, abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:12012E/TXT&from=DE. 17 Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Werkstand: 71. EL August 2020, Art. 288 AEUV Rn. 26; Weber, in: Creifelds, Rechtswörterbuch, 25. Edition 2020, Stichwort „Richtlinien der Europäischen Union“. 18 Vgl. die ehemalige konsolidierte Fassung des Vertrags über die Europäische Union, ABl. C 325 vom 24.12.2002, S. 5, abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=OJ:C:2002:325:FULL&from=EN. 19 Vgl. die ehemalige konsolidierte Fassung des Vertrags über die Europäische Union, ABl. C 325 vom 24.12.2002, S. 5; der Rahmenbeschluss kommt seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon als Handlungsform der EU nicht mehr in Betracht, vgl. Mayer, Der Vertrag von Lissabon im Überblick, JuS 2010, 189, 192. 20 Protokoll (Nr. 36) über die Übergangsbestimmungen, ABl. C 326 vom 26.10.2012, S. 322, abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/resource.html?uri=cellar:2bf140bf-a3f8-4ab2-b506-fd71826e6da6.0020.02/DOC_3&format =PDF. 21 Vgl. Albers, in: Brink/Wolff (Hrsg.), Beck‘scher Online-Kommentar Datenschutzrecht, 34. Edition, Stand: 01.05.2020, Grundlagen und bereichsspezifischer Datenschutz, Syst. L. Datenschutzbestimmungen der Polizeiund Nachrichtendienstgesetze des Bundes Rn. 28. 22 Bergmann, in: Bergmann (Hrsg.), Handlexikon der Europäischen Union, 5. Auflage 2015, Stichwort „Rahmenbeschlüsse “. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 136/20 Seite 7 3. Vereinbarkeit des § 261 Abs. 9 Nr. 2 StGB-E mit dem Bestimmtheitsgebot nach Art. 103 Abs. 2 GG unter dem Gesichtspunkt der Verwendung von Verweisungsketten Der federführend an den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz und zur Mitberatung an den Ausschuss für Inneres und Heimat überwiesene23 Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der strafrechtlichen Bekämpfung der Geldwäsche regelt den Straftatbestand der Geldwäsche neu (§ 261 StGB-E). Nach dem danach vorgesehenen § 261 Abs. 1 Satz 1 StGB-E wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer einen Tatertrag, ein Tatprodukt oder einen an dessen Stelle getretenen anderen Vermögensgegenstand verbirgt (Nr. 1), in der Absicht, dessen Auffinden, dessen Einziehung oder die Ermittlung von dessen Herkunft zu vereiteln, umtauscht , überträgt oder verbringt (Nr. 2), sich oder einem Dritten verschafft (Nr. 3) oder verwahrt oder für sich oder einen Dritten verwendet, wenn er dessen Herkunft zu dem Zeitpunkt gekannt hat, zu dem er ihn erlangt hat (Nr. 4). Den Vermögensgegenständen im Sinne des § 261 Abs. 1 StGB-E stehen nach § 261 Abs. 9 StGB-E Taterträge und Tatprodukte einer im Ausland begangenen Tat sowie an deren Stelle getretene andere Vermögensgegenstände gleich, wenn die Tat auch am Tatort mit Strafe bedroht ist (Nr. 1) oder nach einer der in der Norm genannten Vorschriften und Übereinkommen der Europäischen Union mit Strafe zu bedrohen ist (Nr. 2). Zu diesen in § 261 Abs. 9 Nr. 2 StGB-E genannten Vorschriften zählen insbesondere verschiedene Rahmenbeschlüsse und Richtlinien der Europäischen Union. Gegen eine Vereinbarkeit des § 261 Abs. 9 Nr. 2 StGB-E mit dem Bestimmtheitsgebot nach Art. 103 Abs. 2 GG könnte insoweit sprechen, dass die in § 261 Abs. 9 Nr. 2 StGB-E genannten Vorschriften teilweise wiederum auf weitere Vorschriften im selben oder in anderen Regelwerken verweisen. Beispielhaft sollen folgende Verweisungsketten hervorgehoben werden: § 261 Abs. 9 Nr. 2 lit. b) StGB-E enthält einen Verweis unter anderem auf Art. 1 des „Rahmenbeschlusses 2002/946/JI des Rates vom 28. November 2002 betreffend die Verstärkung des strafrechtlichen Rahmens für die Bekämpfung der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt (ABl. L 328 vom 5.12.2002, S. 1)“24. Art. 1 Abs. 1 dieses Rahmenbeschlusses verweist wiederum auf die in Art. 1 und 2 der „Richtlinie 2002/90/EG“25 beschriebenen Handlungen. Eine weitere Verweisungskette findet sich in § 261 Abs. 9 Nr. 2 lit. d) StGB-E, der unter anderem auf Art. 2 des „Rahmenbeschlusses 2004/757/JI des Rates vom 25. Oktober 2004 zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels (ABl. L 335 vom 11.11.2004, S. 8), der zuletzt durch die 23 Plenarprotokoll 19/193, S. 24433, 24441, abrufbar unter https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19193.pdf. 24 Rahmenbeschluss 2002/946/JI des Rates vom 28. November 2002 betreffend die Verstärkung des strafrechtlichen Rahmens für die Bekämpfung der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt (ABl. L 328 vom 05.12.2002, S. 1), abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32002F0946&from=DE. 25 Richtlinie 2002/90/EG des Rates vom 28. November 2002 zur Definition der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt (ABl. L 328 vom 05.12.2002, S. 17), abrufbar unter https://eurlex .europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=celex%3A32002L0090, vgl. (3) der Gründe des Rahmenbeschlusses 2002/946/JI. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 136/20 Seite 8 Delegierte Richtlinie (EU) 2019/369 (ABl. L 66 vom 7.3.2019, S. 3) geändert worden ist“26, verweist : Für die Bestimmung des Begriffs „Drogen“ in dieser Vorschrift muss auf Art. 1 Nr. 1 desselben Rahmenbeschlusses zurückgegriffen werden, welcher wiederum auf einen Anhang sowie das „Einheits-Übereinkommen der Vereinten Nationen von 1961 über Suchtstoffe in der durch das Protokoll von 1972 geänderten Fassung“ 27 sowie das „Übereinkommen der Vereinten Nationen von 1971 über psychotrope Stoffe“28 verweist. „Grundstoffe“ im Sinne des Art. 2 Abs. 1 lit. d) des Rahmenbeschlusses 2004/757/JI sind in Art. 1 Nr. 2 dieses Rahmenbeschlusses definiert als die in den Rechtsvorschriften der Gemeinschaft erfassten Stoffe, für die den Verpflichtungen nach Art. 12 des „Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen vom 20. Dezember 1988“29 nachzukommen ist. Weiterhin muss für die Bestimmung der Wendung „kriminelle Vereinigung“ in Art. 2 lit. a) des „Rahmenbeschlusses 2008/841/JI des Rates vom 24. Oktober 2008 zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität (ABl. L 300 vom 11.11.2008, S. 42)"30 auf den § 261 Abs. 9 Nr. 2 lit. e) StGB-E verweist, auf Art. 1 Nr. 1 dieses Rahmenbeschlusses zurückgegriffen werden. Außerdem verweist § 261 Abs. 9 Nr. 2 lit. h) StGB-E auf Art. 4 bis 9 Abs. 1 und 2 lit. b) sowie Art. 10 bis 14 der „Richtlinie (EU) 2017/541 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2017 zur Terrorismusbekämpfung und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI des Rates und zur Änderung des Beschlusses 2005/671/JI des Rates (ABl. L 88 vom 31.3.2017, S. 6)“31. Einige dieser genannten Vorschriften (z. B. Art. 6) der Richtlinie (EU) 2017/541 verweisen unter anderem auf Art. 3 Abs. 1 lit. i) dieser Richtlinie. Diese Vorschrift wiederum bezieht 26 Rahmenbeschluss 2004/757/JI des Rates vom 25. Oktober 2004 zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels (ABl. L 335 vom 11.11.2004, S. 8), der zuletzt durch die Delegierte Richtlinie (EU) 2019/369 (ABl. L 66 vom 07.03.2019, S. 3) geändert worden ist, einsehbar in der der konsolidierten Fassung, welche bereits die Änderung durch die Delegierte Richtlinie (EU) 2020/1687 (ABl. L 379 vom 13.11.2020, S. 55) berücksichtigt, abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:02004F0757-20201203&from=EN#B-4. 27 Einheits-Übereinkommen der Vereinten Nationen von 1961 über Suchtstoffe in der durch das Protokoll von 1972 geänderten Fassung, in englischer Sprache abrufbar unter https://www.incb.org/documents/Narcotic- Drugs/1961-Convention/convention_1961_en.pdf. 28 Übereinkommen von 1971 über psychotrope Stoffe (BGBl. II 1976, S. 1478), abrufbar unter https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl276s1477.pdf%27% 5D__1610468508713. 29 Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen (BGBl. II, 1993, S. 1137), abrufbar unter https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?start=//*%5B@attr_id=%27bgbl293s1136.pdf%27%5D#__bgbl__%2F %2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl293s1136.pdf%27%5D__1610529431607. 30 Rahmenbeschluss 2008/841/JI des Rates vom 24. Oktober 2008 zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität (ABl. L 300 vom 11.11.2008, S. 42), abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32008F0841&from=DE. 31 Richtlinie (EU) 2017/541 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2017 zur Terrorismusbekämpfung und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI des Rates und zur Änderung des Beschlusses 2005/671/JI des Rates (ABl. L 88 vom 31.03.2017, S. 6), abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/ALL/?uri=celex%3A32017L0541. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 136/20 Seite 9 sich auf verschiedene Regelungen der „Richtlinie 2013/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates“32, wobei sich auch hier ein Verweis auf eine weitere Vorschrift der Richtlinie 2013/40/EU findet. Eine Verwendung von Verweisungsketten dürfte wohl nicht von vornherein ausgeschlossen sein, da diese im Falle komplexer Regelungszusammenhänge insoweit von Vorteil sein können, als je nach Umsetzung der konkreten Regelungstechnik unter Umständen leichter erkennbar werden kann, welche Tatbestandsmerkmale erheblich werden.33 Das BVerfG geht im Falle mehrfach gestufter Blankette grundsätzlich davon aus, dass eine Bestimmtheit vorliege, sofern es den Normadressaten zumutbar sei, sich über den Regelungsinhalt zu informieren.34 Allerdings wird in Bezug auf mehrfach gestufte Blankette auch vertreten, dass sich bei diesen die Bestimmtheit immer weiter verflüchtige.35 So hat das BVerfG in einem Normenkontrollverfahren hinsichtlich des ehemals geltenden § 39 des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG)36 ausgeführt, dass das Zusammenwirken der unterschiedlichen Tatbestandsmerkmale und die große Zahl von Verweisungen auf andere Vorschriften in der Gesamtschau der Regelungstechnik Mängel in Bezug auf die – allerdings nach Art. 10 GG – erforderliche hinreichende Normenbestimmtheit und Normenklarheit ergäben .37 Die praktische Erkennbarkeit der maßgeblichen Rechtsgrundlage leide, sofern der Gesetzgeber die Festlegung des Regelungsinhalts lediglich „mit Hilfe zum Teil langer, über mehrere Ebenen gestaffelter, unterschiedlich variabler Verweisungsketten“ erreiche, „die bei gleichzeitiger Verzweigung in die Breite den Charakter von Kaskaden annehmen“.38 Gegenstand dieses Verfahrens war zwar keine Straftnorm, sondern eine Befugnisnorm zur Überwachung des Brief- und Telekommunikationsverkehrs;39 es wird vertreten, dass für das Strafrecht nichts anderes gelten könne.40 Eine gewisse Unübersichtlichkeit der von § 261 Abs. 9 Nr. 2 StGB-E erfassten Regelungen dürfte wohl anzunehmen sein. Ob die hier in Rede stehenden komplexen Verweisungen den 32 Richtlinie 2013/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. August 2013 über Angriffe auf Informationssysteme und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2005/222/JI des Rates (ABl. L 218 vom 14.08.2013, S. 8), abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=celex%3A32013L0040, vgl. Fußnote in Art. 3 Abs. 1 lit. i) der Richtlinie (EU) 2017/541. 33 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.03.2004, Az. 1 BvF 3/92, NJW 2004, 2213, 2218. 34 BVerfG, Beschluss vom 06.05.1987, Az. 2 BvL 11/85, BVerfGE 75, 329, 342 ff., 345; BVerfG, Beschluss vom 25.10.1991, Az. 2 BvR 374/90, NJW 1992, 2624; vgl. Schmitz, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, 4. Auflage 2020, § 1 Rn. 65. 35 Schmitz, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, 4. Auflage 2020, § 1 Rn. 65. 36 Ehemals geltender § 39 des Außenwirtschaftsgesetzes, zuletzt geändert durch das Zollfahndungsneuregelungsgesetz (ZFnrG) vom 16.08.2002 (BGBl. I, S. 3202), abrufbar bei juris; vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.03.2004, Az. 1 BvF 3/92, NJW 2004, 2213. 37 BVerfG, Beschluss vom 03.03.2004, Az. 1 BvF 3/92, NJW 2004, 2213, 2215, 2217. 38 BVerfG, Beschluss vom 03.03.2004, Az. 1 BvF 3/92, NJW 2004, 2213, 2218. 39 BVerfG, Beschluss vom 03.03.2004, Az. 1 BvF 3/92, NJW 2004, 2213, 2216, 2217. 40 Schmitz, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, 4. Auflage 2020, § 1 Rn. 65. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 136/20 Seite 10 oben dargelegten Anforderungen des BVerfG an die Bestimmtheit und Normenklarheit genügen, dürfte zumindest nicht zweifelsfrei zu bejahen sein. 4. Vereinbarkeit des § 261 Abs. 9 Nr. 2 StGB-E mit dem Bestimmtheitsgrundsatz nach Art. 103 Abs. 2 GG im Übrigen Fraglich ist, ob die Verweisungstechnik in § 261 Abs. 9 Nr. 2 StGB-E aus anderen Gründen, insbesondere aufgrund der Art der Verweisung, mit dem Bestimmtheitsgebot nach Art. 103 Abs. 2 GG unvereinbar ist. Dabei ist zwischen statischen und dynamischen Verweisungen zu unterscheiden. Bei ersteren macht sich der verweisende Gesetzgeber die Regelungen des anderen Normgebers in der Fassung zu eigen, wie sie zum Zeitpunkt des Gesetzesbeschlusses galt.41 Diese Verweisungsform ist nach Auffassung des BVerfG verfassungsrechtlich unbedenklich.42 Auch der BGH ist dieser Ansicht, da der Gesetzgeber in einem solchen Fall den Inhalt des in Bezug genommenen Rechts erkennen könne.43 Dynamische Verweisungen dagegen sind solche, die auf andere Vorschriften in ihrer jeweils geltenden Fassung verweisen.44 Nach Einschätzung des BVerfG kann eine solche Regelungstechnik zur Folge haben, dass nicht mehr der Gesetzgeber selbst in eigener Verantwortung den Inhalt der Regelungen bestimmt, sondern ein Dritter.45 Dynamische Verweisungen seien deshalb zwar nicht per se ausgeschlossen, müssten aber „die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit, der Demokratie und der Bundesstaatlichkeit“ beachten; grundrechtliche Gesetzesvorbehalte könnten diesen Rahmen noch weiter begrenzen.46 In der Literatur wird vertreten, dass bei dynamischen Verweisungen die Anforderungen an den Blanketttatbestand auch bei einem Verweis auf EU-/EG- Recht besonders hoch anzusetzen seien.47 Weiterhin wird betont, dass aber auch ohne dynamische Verweisung der Gesetzgeber den Inhalt des Verbots selbst hinreichend genau zu bestimmen habe und dies nicht einem Organ der EU überlassen dürfe.48 In § 261 Abs. 9 Nr. 2 StGB-E sind die jeweiligen Vollzitate mit den Fundstellen der Richtlinien bzw. Rahmenbeschlüsse im Amtsblatt der Europäischen Union bzw. der Europäischen Gemeinschaften angegeben, wodurch der Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck kommt, auf die bereits 41 BVerfG, Beschluss vom 21.09.2016, Az. 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648, 3650 Rn. 43. 42 BVerfG, Beschluss vom 21.09.2016, Az. 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648, 3650 Rn. 43. 43 BGH, Beschluss vom 10.01.2017, Az. 5 StR 532/16, NJW 2017, 966, 968 Rn. 17. 44 BVerfG, Beschluss vom 21.09.2016, Az. 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648, 3650 Rn. 43. 45 BVerfG, Beschluss vom 21.09.2016, Az. 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648, 3650 Rn. 43. 46 BVerfG, Beschluss vom 21.09.2016, Az. 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648, 3650 Rn. 43. 47 Schmitz, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, 4. Auflage 2020, § 1 Rn. 66, 68. 48 Schmitz, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, 4. Auflage 2020, § 1 Rn. 68. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 136/20 Seite 11 in Kraft getretenen Fassungen der Richtlinien bzw. Rahmenbeschlüsse verweisen zu wollen.49 Insoweit liegen also statische Verweisungen vor. Weiterhin spricht Folgendes für eine hinreichende Bestimmtheit des § 261 Abs. 9 Nr. 2 StGB-E: In § 261 StGB-E werden die für eine Geldwäschetat tauglichen Tathandlungen durch den Gesetzgeber festgelegt. Auch sind in § 261 Abs. 1 in Verbindung mit § 261 Abs. 9 StGB-E bereits die für eine Geldwäschetat grundsätzlich tauglichen Vermögensgegenstände aufgeführt. Erforderlich für eine Gleichstellung der Taterträge und Tatprodukte einer im Ausland begangenen Tat sowie der an deren Stelle getretene andere Vermögensgegenstände im Sinne des § 261 Abs. 9 StGB-E mit den Vermögensgegenständen im Sinne des § 261 Abs. 1 StGB-E ist außerdem, „dass die im Ausland begangene Tat, wäre auf sie das deutsche Strafrecht anwendbar, strafbar wäre“.50 § 261 Abs. 9 Nr. 2 StGB-E verweist auf konkrete Artikel bestimmter Richtlinien oder Rahmenbeschlüsse. Der verbleibende zu bestimmende Regelungsgehalt dieser unmittelbar in § 261 Abs. 9 Nr. 2 StGB-E genannten Vorschriften ist insoweit begrenzt. 5. Verweisungen auf Rahmenbeschlüsse und Richtlinien der Europäischen Union, wenn diese noch nicht umgesetzt sind Fraglich ist weiterhin, ob es mit Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar ist, auf Rahmenbeschlüsse oder Richtlinien der EU zu verweisen, wenn diese noch nicht umgesetzt sind. Diesbezüglich ist zu beachten , dass das BVerfG – allerdings im Zusammenhang mit einer Prüfung der Vereinbarkeit einer BGH-Auslegung mit dem Verbot strafbegründender Analogie aus Art. 103 Abs. 2 GG – entschieden hat, dass es für eine wirksame Inbezugnahme in einem Blankettgesetz – in diesem Fall auf eine Bezugsnorm einer EU-Verordnung – nicht darauf ankommen soll, ob die „Bezugsnorm ihrerseits eine Rechtsfolge ausspricht und bereits oder noch gilt‘“.51 Wiederum52 wird argumentiert , dass bei der Verwendung von Verweisungen in Blankettnormen regelmäßig lediglich darauf verzichtet werde, den Text der Bezugsnorm „in vollem Wortlaut in die Verweisungsnorm aufzunehmen “, wobei der Text, auf den verwiesen wird, in die Verweisungsnorm inkorporiert werde.53 49 Vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 10.01.2017, Az. 5 StR 532/16, NJW 2017, 966, 968 Rn. 16 sowie Handbuch der Rechtsförmlichkeit vom 22.09.2008, bekannt gemacht im Bundesanzeiger (Jahrgang 60, ausgegeben am 22.10.2008), Rn. 239, 240, abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/Themen/Rechtsdurchsetzung UndBuerokratieabbau/HandbuchDerRechtsfoermlichkeit_deu.pdf?__blob=publicationFile&v=2. 50 Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der strafrechtlichen Bekämpfung der Geldwäsche, Bundestags-Drucksache 19/24180, S. 35, abrufbar unter https://dip21.bundestag .de/dip21/btd/19/241/1924180.pdf. 51 BVerfG, Beschluss vom 03.05.2018, Az. 2 BvR 463/17, NZG 2018, 831, 832 Rn. 19 ff., 24. 52 Vgl. auch Gliederungspunkt 2 dieses Sachstands. 53 BVerfG, Beschluss vom 03.05.2018, Az. 2 BvR 463/17, NZG 2018, 831, 832 Rn. 24; vgl. im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot gemäß Art. 103 Abs. 2 GG auch BVerfG, Beschluss vom 19.12.1991, Az. 2 BvR 836/85 NVwZ- RR 1992, 521. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 136/20 Seite 12 Letztere lege „autonom und unabhängig von der Bezugsnorm“ die Rechtsfolge fest.54 Entscheidend sei auch hier55 lediglich, dass eine frühere ordnungsgemäße Veröffentlichung der Bezugsnorm erfolgt sei.56 Wenn aber das BVerfG für eine wirksame Inbezugnahme maßgeblich darauf abstellt, dass eine ordnungsgemäße Veröffentlichung der Bezugsnorm erfolgt ist, unabhängig davon, ob diese „bereits oder noch ‚gilt‘“, so spricht dies dafür, dass eine Bezugnahme auf veröffentlichte Rahmenbeschlüsse oder Richtlinien der EU, die lediglich noch nicht umgesetzt wurden, ebenfalls zur Folge hat, dass ihr Normtext in die Verweisungsnorm inkorporiert wird und diese somit geeignet sind, als blankettausfüllende Normen zu dienen. 6. Fazit Verweisungen in Straftatbeständen auf Richtlinien und Rahmenbeschlüsse der EU sind grundsätzlich mit dem Bestimmtheitsgebot gemäß Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar. Dies gilt wohl selbst dann, wenn diese Rahmenbeschlüsse oder Richtlinien noch nicht umgesetzt sind. Im Hinblick auf die Verweisungen in § 261 Abs. 9 Nr. 2 StGB-E auf die dort genannten Vorschriften bestimmter Richtlinien und Rahmenbeschlüsse ist in Bezug auf eine Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgebot nach Art. 103 Abs. 2 GG zu beachten, dass diese Vorschriften zum Teil auf verschiedene weitere Regelungen im selben oder in anderen Regelwerken verweisen, was zu einer gewissen Unübersichtlichkeit führt. Ob die hier in Rede stehenden komplexen Verweisungen den dargelegten Anforderungen des BVerfG an die Bestimmtheit und Normenklarheit genügen, dürfte zumindest nicht zweifelsfrei zu bejahen sein. Für eine hinreichende Bestimmtheit des § 261 Abs. 9 Nr. 2 StGB-E im Übrigen spricht, dass § 261 StGB-E bereits die strafbaren Tathandlungen und grundsätzlich tauglichen Vermögensgegenstände selbst aufführt. Weiterhin nimmt § 291 Abs. 9 Nr. 2 StGB-E unmittelbar auf die in ihm aufgelisteten Vorschriften nur in Form eines statischen Verweises Bezug. *** 54 BVerfG, Beschluss vom 03.05.2018, Az. 2 BvR 463/17, NZG 2018, 831, 832 Rn. 24. 55 Vgl. auch Gliederungspunkt 1 dieses Sachstands. 56 BVerfG, Beschluss vom 03.05.2018, Az. 2 BvR 463/17, NZG 2018, 831, 832 Rn. 24; vgl. im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot gemäß Art. 103 Abs. 2 GG auch BVerfG, Beschluss vom 19.12.1991, Az. 2 BvR 836/85, NVwZ- RR 1992, 521.