Informationen zu § 29 GWB-E Einführung der Beweislastumkehr und Klagemöglichkeit Privater - Ausarbeitung - © 2007 Deutscher Bundestag WD 7 - 135/07 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser: Informationen zu § 29 GWB-E Einführung der Beweislastumkehr und Klagemöglichkeit Privater Ausarbeitung WD 7 - 135/07 Abschluss der Arbeit: 25. Mai 2007 Fachbereich WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - Zusammenfassung - Das Verwaltungsverfahren vor den Kartellbehörden gliedert sich in das informelle und das formelle Verwaltungsverfahren und schließlich in das Kartellbeschwerdeverfahren. Der Beweisführungspflicht des Unternehmens sind hinsichtlich des Entlastungsbeweises im eigenen Interesse keine Grenzen gesetzt. Eine verstärkte Inanspruchnahme des privaten Rechtsschutzes ist dann zu erwarten, wenn dem ein behördliches Verfahren vorausging und insofern § 33 VI GWB anwendbar ist. Somit gilt die Beweislastumkehr faktisch auch im Rahmen des § 33 GWB, obwohl sie grundsätzlich, dem Gesetzesentwurf entsprechend, nur für die Kartellbehörden vorgesehen ist. Inhalt 1. Einleitung 4 2. Einführung der Beweislastumkehr 4 2.1. Wie würden die einzelnen Verfahrensschritte in der Praxis aussehen? 4 2.2. Gibt es Grenzen hinsichtlich der Beweisführungspflicht des Unternehmens? 5 3. Klagemöglichkeit Privater 5 3.1. Ist angesichts der Möglichkeit für zivilrechtliche Auseinandersetzungen mit einer Klageflut Privater zu rechnen? 5 3.2. Gilt dann auch für § 315 BGB, § 33 GWB die Beweislastumkehr? 6 - 4 - 1. Einleitung Das Bundeskabinett hat am 25.4.2007 eine Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) verabschiedet, die den Preismissbrauch in der Energieversorgung und im Lebensmittelhandel bekämpfen soll. Für den Energiesektor wird mit „§ 29 Energiewirtschaft“ eine neue Missbrauchsvorschrift eingeführt, die es den Kartellbehörden erleichtern soll, Missbräuche im Energiesektor eher und effektiver zu bekämpfen . 2. Einführung der Beweislastumkehr 2.1. Wie würden die einzelnen Verfahrensschritte in der Praxis aussehen? Grundsätzlich sind zwei Verfahrenswege denkbar: die Klage durch Private, hierauf wird gesondert in Frage 2 eingegangen, bzw. behördliches Einschreiten. Die Kartellbehörden des Bundes und der Länder (§ 48 GWB) sind Verwaltungsbehörden , so dass sich ihr Verfahren, soweit nicht das GWB wie in den §§ 54 bis 62 Sonderregelungen enthält, nach den Verwaltungsverfahrensgesetzen (VwVfG) des Bundes und der Länder richtet.1 Von diesem sogenannten formellen Verfahren muss man das sogenannte informelle Verwaltungsverfahren unterscheiden, das häufig dem formellen Verfahren vorausgeht und in dem bereits zahlreiche Fälle durch Gespräche zwischen den Kartellbehörden und den Beteiligten geklärt werden.2 Die Beweislastumkehr führt im Rahmen dieses Verfahrens dazu, dass für die Verstoßfeststellung ausreicht, was in den Regelbeispielen § 29 S.1 Nr. 1 und Nr. 2 steht: einerseits , dass die von den betroffenen Energieunternehmen erhobenen Geschäftsbedingungen sich ungünstiger darstellen als die vergleichbarer anderer. Hierunter fallen nunmehr, und somit für die Kartellbehörde vereinfachend, nicht nur Vergleichsunternehmen aus dem Energiesektor, sofern es sich ansonsten um einen vergleichbaren Markt handelt.3 Zum anderen genügen hohe Preis-Kosten-Verhältnisse, um von einer unangemessen hohen Entgeltforderung des Marktbeherrschers auszugehen. Die von den Kartellbehörden in dem Verwaltungsverfahren erlassenen Beschlüsse oder Verfügungen sind Verwaltungsakte.4 Rechtsmittel gegen diese ist jedoch nicht die Anfechtungsklage vor den Verwaltungsgerichten nach § 40 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), sondern die eigenartige Kartellbeschwerde zum zuständigen Oberlandesgericht (OLG) aufgrund der §§ 63 I und 76 GWB. 1 Begr.v.2004, BT-Dr. 15/3640, S. 63 (r.Sp. „Zu Buchstabe c“). 2 Emmerich, Kartellrecht, Beck 2006, § 42, Rn. 1. 3 Entwurf, S. 12 f. spricht insbesondere von Märkten, die ebenfalls ganz oder teilweise von Netzstrukturen geprägt sind (13). 4 Emmerich, aaO, Rn. 5. - 5 - Verfahrenstechnisch ist davon auszugehen, dass bereits im Rahmen der informellen Verhandlung die betroffenen Unternehmen entsprechende Bemühungen anstellen, um einen Verfügungserlass zu vermeiden. Die tatsächliche Erbringung des Gegenbeweises ist, obwohl sie den Verstoß zunächst voraussetzt, bereits während des formellen Verwaltungsverfahrens denkbar. Somit könnte bereits die den Verstoß zunächst feststellende behördliche Verfügung entfallen. Spätestens aber im Kartellbeschwerdeverfahren ist mit dem Versuch der Gegenbeweiserbringung durch Auskunftserteilung aller relevanten und entkräftenden Informationen zu rechnen. 2.2. Gibt es Grenzen hinsichtlich der Beweisführungspflicht des Unternehmens? Genaue Informationen zu dieser Frage liegen nicht vor. Allerdings ist davon auszugehen , dass die sachliche Rechtfertigung nach § 29 S.1 Nr. 1 GWB-E in ihren Grenzen der aus § 19 IV Nr. 4 GWB entspricht.5 Es liegt im Interesse des Unternehmens den Gegenbeweis zu erbringen, um den Missbrauch zu entkräften, bzw. zu rechtfertigen. Insofern entscheidet es selbst, wie weit die Ausführungen bei der Beweisführung gehen, somit auch die Erbringung von Informationen, deren Preisgabe normalerweise gegen die Unternehmensinteressen sprechen. 3. Klagemöglichkeit Privater 3.1. Ist angesichts der Möglichkeit für zivilrechtliche Auseinandersetzungen mit einer Klageflut Privater zu rechnen? Durch die Courage-Entscheidung6 des EuGH und die darauf folgende Stärkung des privaten Rechtsschutzes im Rahmen der 7.GWB-Novelle wurden die Rechtsschutzmöglichkeiten Privater bereits verstärkt. Ob private Einzelpersonen und Endverbraucher deshalb tatsächlich häufiger den Klageweg beschreiten werden ist ungewiss und wird teilweise unterschiedlich gesehen.7 Tendenziell ist aber zu erwarten, dass die Klageerleichterung des § 33 IV GWB (sog. follow-on-Klagen) in den Fällen zu einer Privatklage führt, wo eine behördliches Verfahren bereits stattgefunden hat. Es handelt sich dabei um die Feststellungswirkung von Entscheidungen über das Vorliegen eines Verstoßes. Bisher hat man im deutschen Recht solche Feststellungswirkungen abgelehnt.8 Die Feststellungswirkung erleichtert die private Rechtsverfolgung, perpetuiert aber auch Fehler 5 Bei § 29 GWB-E handelt es sich letztlich um eine Ausprägung der Generalklausel des § 19 I GWB, Entwurf, S. 9. 6 EuGH – Rs. C453/99, Slg. 2001, I-6297, Rn. 26 (Courage Crehan). 7 Vgl. mit weiteren Nachweisen Alexander, Die zivilrechtlichen Ansprüche im Kartellrecht nach der 7. GWB-Novelle, in Juristische Schulung 2007, S. 109, 111. 8 Exemplarisch BGH WuW/E BGH S. 690, 692 (Brotkrieg II) = NJW 1965, S. 2249 ff. - 6 - aus dem Verwaltungsverfahren und erhöht den Anreiz zur Abschöpfung des Instanzenzuges .9 Sollten folglich die einzelnen Kartellbehörden verstärkt Verstöße gemäß § 29 GWB-E feststellen, ist dementsprechend eine verstärkte Klagewelle privater Einzelpersonen als auch von Verbraucherschutzverbänden gemäß § 33 II GWB zu erwarten. 3.2. Gilt dann auch für § 315 BGB, § 33 GWB die Beweislastumkehr? § 29 GWB-E kann nicht unmittelbar entnommen werden, dass die Beweislastumkehr zur Verstoßfeststellung auch für § 315 BGB und § 33 GWB gilt. Die Gesetzesbegründung indes spricht lediglich von der Kartellbehörde.10 Dies ist aber aufgrund der Tatbestandswirkung durch § 33 IV GWB aber in der Mehrzahl der Fälle im Ergebnis unschädlich . 9 Hempel, Follow-on-Klagen im Kartellrecht, WuW 2005, S. 137 ff. 10 Entwurf, S. 12 (alles andere würde die Gefahr einer Popularklage durch Privatpersonen hervorzurufen ).