© 2019 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 134/19 Strafrechtliche Aspekte des Umgangs mit Cannabis im internationalen Vergleich Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 134/19 Seite 2 Strafrechtliche Aspekte des Umgangs mit Cannabis im internationalen Vergleich Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 134/19 Abschluss der Arbeit: 23. September 2019 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 134/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Situation in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union 4 1.1. Besitz 4 1.2. Konsum 5 1.3. Grenze für den persönlichen Gebrauch und erhöhte Strafbarkeit 6 1.4. Anbau 7 1.5. Verkauf und Abgabe 7 1.6. Fahren nach Cannabiskonsum 9 2. Situation in den USA 10 3. Fazit 12 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 134/19 Seite 4 1. Situation in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union 1.1. Besitz In Deutschland wird nach § 29 Abs. 1 Nr. 3 Betäubungsmittelgesetz (BtMG)1 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein. Diese wird für Cannabis nur ausnahmsweise zu wissenschaftlichen oder anderen im öffentlichen Interesse liegenden Zwecken erteilt (§ 3 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, Anlage 1 BtMG). Durch einen Arzt kann zur medizinischen Behandlung Cannabis nach § 13 BtMG und der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV)2 verschrieben werden. Eine Ausnahmegenehmigung ist dann nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 lit. a BtMG nicht erforderlich. Bei Besitz nicht geringer Mengen und bei der Abgabe von Cannabis unabhängig von der Menge sind in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union Haftstrafen möglich.3 In einigen dieser Länder ist bei Besitz bereits kleiner Cannabismengen nur für den persönlichen Gebrauch eine Inhaftierung zugelassen, wie z. B. in Deutschland, Frankreich, Schweden oder in den Niederlanden.4 In Dänemark, Frankreich, Deutschland, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich sind Strafverfolgungsorgane jedoch angewiesen, in diesen Fällen keine Freiheitsstrafen zu verhängen, sondern ggf. durch andere Sanktionen zu reagieren.5 In den Niederlanden weist eine Richtlinie die Polizei an, Cannabis bei einer Menge unter fünf Gramm lediglich zu beschlagnahmen .6 In anderen Ländern, wie beispielsweise Italien, Tschechien, Spanien, Kroatien, Bulgarien, Malta, Slowenien und Portugal ist eine Inhaftierungsmöglichkeit nicht vorgesehen.7 1 Betäubungsmittelgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. März 1994 (BGBl. I S. 358), das zuletzt durch Artikel 8 des Gesetzes vom 9. August 2019 (BGBl. I S. 1202) geändert worden ist, abrufbar unter https://www.gesetze-im-internet.de/btmg_1981/BJNR106810981.html#BJNR106810981BJNG000601308, letzter Abruf: 17.09.2019. 2 Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung vom 20. Januar 1998 (BGBl. I S. 74, 80), die zuletzt durch Artikel 2 der Verordnung vom 2. Juli 2018 (BGBl. I S. 1078) geändert worden ist, abrufbar unter https://www.gesetzeim -internet.de/btmvv_1998/BJNR008000998.html, letzter Abruf: 17.09.2019. 3 European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction (im Folgenden „EMCDDA“), Cannabis legislation in Europe, An overview, im Jahr 2018 überarbeitete Fassung, S. 13, abrufbar unter http://www.emcdda.europa .eu/system/files/publications/4135/TD0217210ENN.pdf, letzter Abruf: 17.09.2019. 4 EMCDDA, Cannabis legislation in Europe, S. 12 „Figure 3“. 5 EMCDDA, Cannabis legislation in Europe, S. 13. 6 EMCDDA, Cannabis legislation in Europe, S. 12. 7 EMCDDA, Cannabis legislation in Europe, S. 12 „Figure 3“, S. 13. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 134/19 Seite 5 Der Besitz und Erwerb von Cannabis zum Eigengebrauch soll in den Niederlanden, Belgien, Spanien , Portugal und Tschechien „entkriminalisiert“ worden sein.8 Auch Portugal und Kroatien „entkriminalisierten“ den persönlichen Besitz.9 Nach dem European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction bedeutet „Decriminalisation“ im Allgemeinen nicht, dass ein Verhalten legal wird. Es können nicht-strafrechtliche Sanktionen Anwendung finden.10 1.2. Konsum In Deutschland ist der Konsum von Cannabis mangels ausdrücklicher Normierung nicht unter Strafe gestellt. Damit Besitz oder Erwerb im Sinne des § 29 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 BtMG als Vorbereitungshandlungen ausnahmsweise straflos bleiben, darf der Konsument keine eigenständige Verfügungsgewalt über das Betäubungsmittel erlangen.11 Er muss das Cannabis „in verbrauchsgerechter Menge von einem Dritten zum sofortigen Verbrauch“ erhalten und sofort zu sich nehmen .12 Auch in vielen weiteren Mitgliedstaaten der Europäischen Union wie beispielsweise den Niederlanden , Italien, Tschechien, Österreich, der Slowakei, Polen, Irland oder dem Vereinigten Königreich ist eine Sanktionierung des Cannabis-Konsums nicht vorgesehen.13 In Zypern, Frankreich, Finnland, Griechenland, Ungarn, Norwegen und Schweden stellt bereits der Konsum von Cannabis eine Straftat dar, die zu einer Freiheitsstrafe führen kann.14 In Lettland, Litauen und Portugal eröffnet ein Verstoß in Gestalt des Konsums von Cannabis lediglich die Möglichkeit zur Auferlegung der Verpflichtung zur Geldzahlung oder zu einer sonstigen geringfügigen Sanktion.15 In Spanien gilt dies, wenn der Konsum in der Öffentlichkeit erfolgt .16 8 So Böllinger, in: Drogenprohibition, Verfassungswidrige Verirrung des Strafrechts, Vorgänge 212, 2015 (Heft 4), S. 95, 100. 9 EMCDDA, Cannabis legislation in Europe, S. 14. 10 EMCDDA, Cannabis legislation in Europe, S. 14. 11 OLG Hamburg, Urteil vom 23.11.2007 - 1 Ss 129/07 (2-41/07 [REV]), NStZ 2008, 287. 12 OLG Hamburg, Urteil vom 23.11.2007 - 1 Ss 129/07 (2-41/07 [REV]), NStZ 2008, 287. 13 EMCDDA, Cannabis legislation in Europe, S. 12 „Figure 2“. 14 EMCDDA, Cannabis legislation in Europe, S. 12. 15 EMCDDA, Cannabis legislation in Europe, S. 12. 16 EMCDDA, Cannabis legislation in Europe, S. 12. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 134/19 Seite 6 1.3. Grenze für den persönlichen Gebrauch und erhöhte Strafbarkeit In Deutschland kann nach § 29 Abs. 5 BtMG das Gericht von einer Bestrafung nach Abs. 1 absehen , wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut , herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt . Nach der deutschen Rechtsprechung ist eine geringe Menge eine solche, die für den einmaligen bis höchstens dreimaligen Gebrauch geeignet ist.17 Für Cannabis wird als Grenzwert für die geringe Menge 45 Milligramm THC angesehen.18 Sofern dieser nicht festgestellt wird, wird teilweise eine Cannabisgemischmenge von bis zu sechs Gramm als geringe Menge erachtet19, teilweise aber auch von bis zu zehn Gramm20. Weiterhin kann die Staatsanwaltschaft oder das Gericht nach § 31a BtMG von der Strafverfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre, kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht und der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt. Nach § 29a Nr. 2 BtMG wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft, wer als Person über 21 Jahre mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 StGB erlangt zu haben. Eine nicht geringe Menge Cannabis liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ab 7,5 Gramm THC vor.21 In manchen Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind mengenmäßige Grenzwerte für den Besitz von Cannabis normiert, ab welchen eine Tat härter bestraft werden kann als unter dem Grenzwert (z. B. Litauen, Slowakei, Niederlande, Estland).22 Teilweise kann auch bei Besitz einer bestimmten Menge Cannabis zum Eigengebrauch unter einem gewissen Grenzwert eine nichtstrafrechtliche Sanktion Anwendung finden (z. B. Tschechien) oder wie in Deutschland die Verfolgung eingestellt werden (z. B. Österreich).23 17 OLG Hamm, Beschluss vom 04.04.2017 - 1 RVs 23/17, BeckRS 2017, 122294 Rn 8. 18 OLG Hamm, Beschluss vom 04.04.2017 - 1 RVs 23/17, BeckRS 2017, 122294 Rn 8. 19 OLG Hamm, Beschluss vom 04.04.2017 - 1 RVs 23/17, BeckRS 2017, 122294 Rn 8. 20 OLG Hamm, Beschluss vom 16.06.2015 – III-2 RVs 30/15 –, juris Rn 15. 21 BGH, Beschluss vom 01.08.2006 - 4 StR 261/06, NStZ-RR 2006, 350. 22 EMCDDA, Cannabis legislation in Europe, S. 14. 23 EMCDDA, Cannabis legislation in Europe, S. 14. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 134/19 Seite 7 Die Grenzwerte variieren zwischen den Staaten der Europäischen Union.24 Sie werden in den meisten Fällen als Richtwerte verstanden, von denen im Einzelfall abgewichen werden kann.25 Der Besitz von Cannabisharz wird in Litauen etwa bereits ab 0,25 Gramm verfolgt.26 In Ländern wie Slowenien, Griechenland oder Polen finden sich, obwohl das Gesetz Rechtsfolgen an kleine oder große Mengen knüpft, keine weitere konkretisierenden Normen in Form von Gesetzen oder Richtlinien.27 Eine Konkretisierung wird dort Gerichten oder Sachverständigen überlassen.28 1.4. Anbau In Deutschland gilt bei der Beurteilung, ob eine geringe Menge im Sinne der §§ 29 Abs. 5 und § 31a BtMG im Falle des Anbaus von Cannabispflanzen vorliegt, ebenfalls der oben genannte Grenzwert von 45 Milligramm THC.29 Einige Mitgliedstaaten der Europäischen Union definieren genaue Mengen an Cannabispflanzen, die zur Verfolgung oder Bestrafung führen. In Zypern stellt der Anbau von drei oder mehr Pflanzen ein „Abgabedelikt“ dar.30 Dänemark gibt in seinen Strafverfolgungsrichtlinien 100 Gramm Cannabispflanzen als Grenze für den Besitz zum Eigenbedarf vor.31 In Kroatien dagegen kann der Anbau von Cannabis für den Eigenbedarf unabhängig von der Menge mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren geahndet werden.32 In Portugal wiederum gilt die „Entkriminalisierung“ nicht für den Anbau.33 1.5. Verkauf und Abgabe Nach §§ 29-30a BtMG können in Deutschland bei Verkauf oder Abgabe von Cannabis je nach Ausgestaltung der Tat (insbesondere hohe Menge und „Verkaufsorganisation“) hohe Freiheitsstrafen drohen. In den Mitgliedstaaten der Europäischen Union variieren die angedrohten Strafen stark und richten sich insbesondere nach der gegenständlichen Cannabismenge. 24 EMCDDA, Cannabis legislation in Europe, S. 14. 25 EMCDDA, Cannabis legislation in Europe, S. 14. 26 EMCDDA, Cannabis legislation in Europe, S. 14. 27 EMCDDA, Cannabis legislation in Europe, S. 14. 28 EMCDDA, Cannabis legislation in Europe, S. 14. 29 Patzak, in: Körner/Patzak/Volkmer, Betäubungsmittelgesetz, 9. Auflage 2019, § 29a Rn 41. 30 EMCDDA, Cannabis legislation in Europe, S. 14. 31 EMCDDA, Cannabis legislation in Europe, S. 14. 32 EMCDDA, Cannabis legislation in Europe, S. 14. 33 EMCDDA, Cannabis legislation in Europe, S. 14. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 134/19 Seite 8 Die Höchststrafen für geringfügige Verstöße durch die Abgabe von Cannabis reichen von zwei bis drei Jahren Freiheitsstrafe in Spanien, Dänemark, Finnland, und Schweden bis zu lebenslanger Haft in Zypern und Malta.34 In Ungarn erhöht die Abgabe von mehr als sechs Gramm THC das Spektrum der möglichen Haftstrafe von bis zu zwei Jahren auf zwei bis acht Jahre.35 In Dänemark werden die Strafen erhöht, wenn Richtmengen von ca. zehn Kilogramm Cannabisharz oder 15 Kilogramm Cannabispflanzen bereitgestellt werden.36 Dabei tragen manche Länder dem Umstand Rechnung, dass der Konsum in Gruppen als Straftat wegen der Abgabe an andere angesehen werden kann.37 In Malta ist im Falle einer ersten Verfehlung noch nicht die grundsätzlich vorgesehene Mindestfreiheitsstrafe von sechs Monaten einschlägig , sofern der Täter vorhatte, die Droge an Ort und Stelle mit anderen zu konsumieren.38 Belgien hat den Straftatbestand des „Drogenkonsums in einer Gruppe“ mittlerweile abgeschafft.39 In den Niederlanden kann neben dem Anbau und Besitz von Cannabis auch die Abgabe als Straftat mit einer Freiheitsstrafe geahndet werden.40 Im Jahre 1979 wurde erstmals in örtlichen Richtlinien eine „Praxis der Toleranz“ niedergelegt, was zu den heutigen „Coffeeshops“ führte41, in denen Cannabis gekauft werden kann. Die Coffeeshops dürfen jedoch nicht für Cannabis werben, keine harten Drogen, grundsätzlich auch keinen Alkohol und nicht an Minderjährige verkaufen.42 Es dürfen nicht mehr als fünf Gramm an eine Person verkauft werden und der Coffeeshop nicht mehr als 500 Gramm Cannabis vorrätig halten.43 34 EMCDDA, Cannabis legislation in Europe, S. 16. 35 EMCDDA, Cannabis legislation in Europe, S. 16. 36 EMCDDA, Cannabis legislation in Europe, S. 16. 37 EMCDDA, Cannabis legislation in Europe, S. 16. 38 EMCDDA, Cannabis legislation in Europe, S. 16. 39 EMCDDA, Cannabis legislation in Europe, S. 16. 40 EMCDDA, Cannabis legislation in Europe, S. 15. 41 EMCDDA, Cannabis legislation in Europe, S. 15. 42 EMCDDA, Cannabis legislation in Europe, S. 15. 43 EMCDDA, Cannabis legislation in Europe, S. 15. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 134/19 Seite 9 1.6. Fahren nach Cannabiskonsum44 In Deutschland wird nach § 316 Abs. 1 des Strafgesetzbuchs (StGB)45 mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wer im Verkehr ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen. Sofern eine konkrete Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert hinzutritt, kommt auch eine Strafbarkeit nach § 315a und 315c StGB in Betracht, die einen Strafrahmen von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstraße vorsehen. Allein das Führen eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr unter der Wirkung von Cannabis – unabhängig von einer Fahruntüchtigkeit – stellt jedoch bereits eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße von bis zu 3.000 Euro geahndet werden kann, § 24a Abs. 2 und 4 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG)46. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 und § 6 Abs. 1 Nr. 1 lit. q StVG i. V. m. § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (FeV)47 ist auch ein Entzug der Fahrerlaubnis möglich, wenn sich der Kraftfahrzeugführer als ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeugs erweist. Dies ist nach Anlage 4 Nr. 9.2.1 der FeV insbesondere bei regelmäßigem Cannabiskonsum der Fall. Bei „gelegentlicher Einnahme von Cannabis“ nach Anlage 4 Nr. 9.2.2 FeV fehlt es nicht an der Eignung, wenn eine Trennung von Konsum und Fahren stattfindet und kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen, keine Störung der Persönlichkeit sowie kein Kontrollverlust vorliegt. In sämtlichen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist es verboten, Kraftfahrzeuge zu führen, wenn in Folge Cannabiskonsums die Fähigkeiten zur Fahrzeugführung herabgesetzt sind.48 Aber nicht in allen Ländern ist dies eine notwendige Voraussetzung für eine Strafbarkeit.49 Teilweise 44 Siehe zur deutschen Rechtslage im Straßenverkehr den Sachstand der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages (Hrsg.), Zur Verkehrstüchtigkeit unter Einfluss von Cannabis, - WD 7 - 3000 - 040/19 -, abrufbar unter https://www.bundestag.de/resource/blob/637902/597d53f5cf611ccbe0a0d1bd3197a624/WD-7-040-19- pdf-data.pdf, letzter Abruf: 17.09.2019. Dieser geht auch auf Grenzwerte und Messverfahren in den Niederlanden ein. 45 Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 19. Juni 2019 (BGBl. I S. 844) geändert worden ist, abrufbar unter https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/BJNR001270871.html, letzter Abruf: 17.09.2019. 46 Straßenverkehrsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. März 2003 (BGBl. I S. 310, 919), das zuletzt durch Artikel 5 Absatz 21 des Gesetzes vom 21. Juni 2019 (BGBl. I S. 846) geändert worden ist, abrufbar unter https://www.gesetze-im-internet.de/stvg/BJNR004370909.html, letzter Abruf: 20.09.2019. 47 Fahrerlaubnis-Verordnung vom 13. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1980), die zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 4. Juli 2019 (BGBl. I S. 1056) geändert worden ist, abrufbar unter https://www.gesetze-im-internet .de/fev_2010/BJNR198000010.html, letzter Abruf: 17.09.2019. 48 EMCDDA, Cannabis legislation in Europe, S. 16. 49 EMCDDA, Cannabis legislation in Europe, S. 16. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 134/19 Seite 10 ist bereits das Fahren nach dem Konsum von Drogen illegal, ohne dass dies Auswirkungen auf das Fahrverhalten gehabt haben muss.50 Dabei werden teilweise Schwellenwerte für den aufgefundenen THC-Gehalt festgelegt, ab dem eine Bestrafung möglich ist.51 In den Niederlanden findet sich beispielsweise in Art. 8 Abs. 1 und Abs. 5 des Straßen- und Verkehrsgesetzes ein allgemeines Verbot, unter Einfluss berauschender Substanzen zu fahren.52 Der Schwellenwert beträgt drei Nanogramm pro Milliliter, im Falle des Mischkonsums mit Alkohol, anderen Drogen oder Medikamenten ein Nanogramm pro Milliliter .53 Teilweise werden auch Abstufungen in den rechtlichen Regelungen vorgenommen, abhängig davon, ob THC überhaupt im Körper nachgewiesen werden kann (niedrigeres Strafmaß) oder ob ein Grenzwert überschritten ist, bei dem zwingend eine Beeinträchtigung gegeben ist (höheres Strafmaß).54 Dies ist beispielsweise in Belgien, Finnland, Spanien sowie dem Vereinigten Königreich der Fall.55 2. Situation in den USA In den USA ist der Umgang mit Cannabis nach dem Controlled Substances Act (CSA)56 illegal.57 Dennoch variieren die Regelungen betreffend Cannabis zwischen den einzelnen Bundesstaaten. In Kalifornien etwa ist nach Section 11362.1 des California Health & Safety Codes für Personen, die mindestens 21 Jahre alt sind, das Besitzen, Beschaffen und die Weitergabe von Cannabis an Personen, die ebenfalls 21 Jahre alt sind, legal, soweit gewisse Mengengrenzwerte eingehalten werden (z. B. 28,5 Gramm Cannabis oder acht Gramm konzentriertes Cannabis).58 Danach ist 50 EMCDDA, Cannabis legislation in Europe, S. 16. 51 EMCDDA, Cannabis legislation in Europe, S. 16. 52 Siehe Wegenverkeerswet in der Fassung vom 01.07.2019, abrufbar unter https://wetten.overheid .nl/BWBR0006622/2019-07-01, letzter Abruf: 18.09.2019. 53 Mütze, The drug driving situation in the Netherlands: regulating drug driving to protect all road users, abrufbar unter https://etsc.eu/wp-content/uploads/Vienna_Drug-Driving-in-the-Netherlands_Mutze.pdf, 17.11.2017, Folie 12, letzter Abruf: 18.09.2019. 54 EMCDDA, Cannabis legislation in Europe, S. 16. 55 EMCDDA, Cannabis legislation in Europe, S. 16. 56 Abrufbar unter https://uscode.house.gov/view.xhtml?path=/prelim@title21/chapter13&edition=prelim, letzter Abruf: 17.09.2019. 57 Vgl. Böllinger, in: Aufstieg und Fall des Cannabis-Verbots, NK Neue Kriminalpolitik, Jahrgang 30 (2018), Heft 3, S. 281, 285; Fijnaut in: Legalisation of Cannabis in Some American States, A Challenge for the European Union and its Member States? European Journal of Crime, Criminal Law and Criminal Justice 22 (2014), S. 207, 211. 58 Geändert durch Stats. 2017, Ch. 27, Sec. 133. (SB 94), gültig ab 27.06.2017, abrufbar unter https://leginfo.legislature .ca.gov/faces/codes_displayText.xhtml?lawCode=HSC&division=10.&title=&part=&chapter=6.&article=2, letzter Abruf: 17.09.2019. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 134/19 Seite 11 auch der Anbau von bis zu sechs Cannabispflanzen legal. Cannabis kann dort durch lizensierte Läden verkauft werden.59 Bei einem Besitz über den Grenzwerten von 28,5 Gramm Cannabis oder acht Gramm konzentriertem Cannabis droht nach Section 11357 des California Health & Safety Codes eine Freiheitsstrafe von höchstens sechs Monaten oder eine Geldstrafe von nicht mehr als 500 US-Dollar für Personen, die 18 Jahre oder älter sind.60 Bei Besitz durch Personen unter 21 Jahren kommen die Verpflichtung zur Drogenberatung, Drogenerziehung bzw. gemeinnütziger Arbeit (Personen unter 18 Jahre) oder eine Geldstrafe von höchstens 100 US-Dollar in Betracht (Personen, die 18 Jahre oder älter sind, sofern die Mengengrenzwerte noch nicht erreicht wurden ).61 Nach Article XVIII, Section 16 Colorado Constitution hat auch Colorado den Besitz und Erwerb von einer Unze Marihuana für den Eigengebrauch sowie das Anpflanzen von bis zu sechs Pflanzen legalisiert. Die unentgeltliche Weitergabe einer Unze Marihuana darf danach an Personen, die mindestens 21 Jahre alt sind, erfolgen.62 Der Verkauf erfolgt nach Article XVIII, Section 16 Colorado Constitution wiederum durch besondere Verkaufsstellen.63 Weiterhin hat Washington State den Freizeitgebrauch und den Verkauf von Cannabis zugelassen (laut der Internetseite „procon.org“64 und Section 69.50.360 des Uniform Controlled Substances Acts65 ebenfalls mit Mengenbeschränkungen).66 59 https://www.welt.de/vermischtes/article172083547/USA-In-Kalifornien-ist-Marihuana-Verkauf-jetzt-legal.html; Leung/Chiu/Stjepanović/Hall, in: Has the Legalisation of Medical and Recreational Cannabis Use in the USA Affected the Prevalence of Cannabis Use and Cannabis Use Disorders? Current Addiction Reports 2018, S. 403, 404. 60 Geändert durch Stats. 2017, Ch. 253, Sec. 15. (AB 133), gültig ab 16.09.2017, abrufbar unter https://leginfo.legislature .ca.gov/faces/codes_displayText.xhtml?lawCode=HSC&division=10.&title=&part=&chapter=6.&article=2, letzter Abruf: 19.09.2019. 61 Geändert durch Stats. 2017, Ch. 253, Sec. 15. (AB 133), gültig ab 16.09.2017, abrufbar unter https://leginfo.legislature .ca.gov/faces/codes_displayText.xhtml?lawCode=HSC&division=10.&title=&part=&chapter=6.&article=2, letzter Abruf: 19.09.2019. 62 Abrufbar unter https://www.colorado.gov/pacific/sites/default/files/Section%2016%20-%20%20Retail.pdf, letzter Abruf: 17.09.2019. 63 Abrufbar unter https://www.colorado.gov/pacific/sites/default/files/Section%2016%20-%20%20Retail.pdf, letzter Abruf: 17.09.2019. 64 Abrufbar unter https://marijuana.procon.org/legal-recreational-marijuana-states-and-dc/, letzter Abruf: 20.09.2019. 65 Abrufbar unter https://app.leg.wa.gov/rcw/default.aspx?cite=69.50&full=true, letzter Abruf: 20.09.2019. 66 Fijnaut, in: Legalisation of Cannabis in Some American States, A Challenge for the European Union and its Member States? European Journal of Crime, Criminal Law and Criminal Justice 22 (2014), S. 207, 210; Leung/Chiu/Stjepanović/Hall, in: Has the Legalisation of Medical and Recreational Cannabis Use in the USA Affected the Prevalence of Cannabis Use and Cannabis Use Disorders? Current Addiction Reports 2018, S. 403, 404. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 134/19 Seite 12 Vermont und Washington D.C. haben Besitz und Anbau unter Mengenbeschränkungen zum Eigenbedarf , nicht aber den Verkauf zugelassen.67 Laut der Internetseite „procon.org“ hat der Großteil der amerikanischen Bundesstaaten mittlerweile Marihuana für den medizinischen Gebrauch legalisiert.68 Nach „procon.org“ lassen elf Bundesstaaten mittlerweile auch den Freizeitgebrauch zu.69 Viele Staaten erlauben weder medizinischen , noch freizeitbezogenen Cannabisgebrauch.70 Das Fahren im Straßenverkehr während einer Beeinträchtigung durch Cannabis ist in sämtlichen amerikanischen Staaten, die Cannabis in Grenzen zugelassen haben, verboten.71 3. Fazit Die Rechtslage betreffend Cannabis differiert sowohl zwischen den Ländern der Europäischen Union als auch zwischen den Bundesstaaten der USA. Im Ergebnis lehnen die Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Legalisierung von Cannabis für den Freizeitgebrauch allerdings ab.72 Teilweise wird Cannabis anderen Drogen rechtlich in Bezug auf Sanktionen gleichgestellt.73 Teilweise werden die Substanzen unterschiedlich behandelt.74 Frankreich und Schweden differenzieren bezüglich der Sanktionen rechtlich nicht zwischen verschiedenen Drogen.75 Das Konzept der Verkaufsstellen wie in den USA zeigt sich innerhalb der EU nur in den Niederlanden, wobei sich dieses in letzterem Fall mehr aus einer Duldung als aus einer „echten“ Legalisierung heraus entwickelte. * * * 67 Leung/Chiu/Stjepanović/Hall, in: Has the Legalisation of Medical and Recreational Cannabis Use in the USA Affected the Prevalence of Cannabis Use and Cannabis Use Disorders? Current Addiction Reports 2018, S. 403, 404; https://marijuana.procon.org/legal-recreational-marijuana-states-and-dc/#Washington, letzter Abruf: 20.09.2019. 68 Abrufbar unter https://medicalmarijuana.procon.org/view.resource.php?resourceID=000881, letzter Abruf: 17.09.2019. 69 Abrufbar unter https://marijuana.procon.org/legal-recreational-marijuana-states-and-dc/, letzter Abruf: 17.09.2019. 70 Abrufbar unter https://medicalmarijuana.procon.org/view.resource.php?resourceID=000881, letzter Abruf: 17.09.2019. 71 Leung/Chiu/Stjepanović/Hall, in: Has the Legalisation of Medical and Recreational Cannabis Use in the USA Affected the Prevalence of Cannabis Use and Cannabis Use Disorders? Current Addiction Reports 2018, S. 403, 404. 72 EMCDDA, Cannabis legislation in Europe, S. 4. 73 EMCDDA, Cannabis legislation in Europe, S. 11. 74 EMCDDA, Cannabis legislation in Europe, S. 11. 75 EMCDDA, Cannabis legislation in Europe, S. 11 „Figure 1“.