WD 7 - 3000 – 134/18 (30. Mai 2018) © 2018 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Die Saatkrähe unterliegt als in Europa heimische, wildlebende Vogelart sowohl europäischem als auch bundesdeutschem Naturschutzrecht: Aus dem europäischen Recht ist etwa die Vogelschutzrichtlinie einschlägig (Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten, abrufbar unter https://eurlex .europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32009L0147&from=DE), aus dem Bundesrecht das Bundesnaturschutzgesetz (Bundesnaturschutzgesetz vom 29. Juli 2009 [BGBl. I S. 2542], das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 15. September 2017 [BGBl. I S. 3434] geändert worden ist [BNatSchG]). 1. Europarechtliche Einordnung Gemäß Artikel 7 Absatz 1 der Vogelschutzrichtlinie dürfen die in Anhang II der Richtlinie aufgeführten Arten grundsätzlich in der gesamten Gemeinschaft im Rahmen der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften bejagt werden. Für die im Anhang II Teil B der Richtlinie genannten Arten gilt dies gemäß Artikel 7 Absatz 3 der Vogelschutzrichtlinie jedoch nur für die bei der jeweiligen Art ausdrücklich genannten Mitgliedstaaten. Die Saatkrähe (Corvus frugileus) darf der im Anhang II Teil B der Richtlinie aufgeführten Tabelle zufolge demnach in Bulgarien, Estland, Frankreich , Litauen, Ungarn, Rumänien, der Slowakei, Schweden und im Vereinigten Königreich bejagt werden. Da Deutschland in der Tabelle auf S. 19 der Richtlinie nicht markiert ist, dürfen Saatkrähen in Deutschland aufgrund europäischen Rechts grundsätzlich nicht bejagt werden. Allerdings gestattet Artikel 9 Absatz 1 der Vogelschutzrichtlinie den Mitgliedstaaten, im Interesse der Gesundheit und der öffentlichen Sicherheit, zur Abwendung erheblicher Schäden an Kulturen, Viehbeständen, Wäldern, Fischereigebieten und Gewässern sowie zum Schutz der Pflanzen- und Tierwelt von Artikel 7 der Richtlinie abzuweichen, sofern es keine andere zufriedenstellende Lösung gibt. Liegen diese materiellen Voraussetzungen vor und wollen die Mitgliedstaaten von der Möglichkeit der Abweichung Gebrauch machen, ist gemäß Artikel 9 Absatz 2 der Richtlinie in den Abweichungen anzugeben, – für welche Vogelarten die Abweichungen gelten; Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Zum naturschutzrechtlichen Status von Saatkrähen Kurzinformation Zum naturschutzrechtlichen Status von Saatkrähen Fachbereich WD 7 (Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Bau und Stadtentwicklung) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 – die zugelassenen Fang- oder Tötungsmittel, -einrichtungen und -methoden; – die Art der Risiken und die zeitlichen und örtlichen Umstände, unter denen diese Abweichungen getroffen werden können; – die Stelle, die befugt ist zu erklären, dass die erforderlichen Voraussetzungen gegeben sind, und zu beschließen, welche Mittel, Einrichtungen und Methoden in welchem Rahmen von wem angewandt werden können; – welche Kontrollen vorzunehmen sind. 2. Regelungskompetenzen von Bund und Ländern Gemäß Artikel 74 Absatz 1 GG (Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 13. Juli 2017 (BGBl. I S. 2347) geändert worden ist) fällt sowohl der Naturschutz (Nr. 29) als auch das Jagdwesen (Nr. 28) in die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit . Demnach haben in diesen Bereichen die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung , solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat (Artikel 72 Absatz 1 GG). Selbst wenn der Bund hiernach von seiner Regelungskompetenz Gebrauch gemacht hat, können die Länder in den genannten Bereichen aber gemäß Artikel 72 Absatz 3 Nr. 1 und 2 GG wiederum durch Gesetz abweichende Regelungen treffen . Im Ergebnis können somit einzelne Bundesländer auf dem Gebiet des Jagd- und des Naturschutzrechts eigene Regelungen – sei es durch Gesetz, sei es durch Verordnung (Seiler, in BeckOK GG, 36. Edition, Stand: 15.02.2018, Art. 72 GG Rdn. 24.3) – treffen, die von den insofern bestehenden bundesrechtlichen Regelungen abweichen. Allerdings muss der Landesgesetzgeber aufgrund der Bundestreue (Artikel 20 GG) insoweit auch die europarechtlichen Verpflichtungen des Bundes beachten: „Das Gebot der Bundestreue setzt der Abweichungskompetenz eine äußerste Schranke. Insbesondere zwingt es die Länder (insofern ohne Unterschied zur originären Länderkompetenz ), europarechtliche Verpflichtungen des Bundes zu beachten. Bei der Abweichungskompetenz tritt noch eine Besonderheit hinzu: Weicht ein Land europarechtswidrig von einem europarechtskonformen Bundesgesetz ab, führt dies zur Nichtigkeit des Landesgesetzes kraft Vorrang der Verfassung (Bundestreue) und damit zur erneuten Anwendbarkeit des fortgeltenden Bundesgesetzes ...“ (Seiler, in BeckOK GG, 36. Edition, Stand: 15.02.2018, Art. 72 GG Rdn. 24.4) Im Ergebnis könnten im vorliegenden Bereich grundsätzlich sowohl der Bund als auch einzelne Bundesländer spezielle naturschutz- und/oder jagdrechtliche Regelungen zu Saatkrähen erlassen, soweit sich diese Regelungen im Rahmen der europarechtlichen und verfassungsrechtlichen Vorgaben bewegen. * * *