© 2016 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 – 134/16 Rechtslage zur Vaterschaftsanerkennung nach dem Eintritt des Todesfalls der Mutter Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 – 134/16 Seite 2 Rechtslage zur Vaterschaftsanerkennung nach dem Eintritt des Todesfalls der Mutter Aktenzeichen: WD 7 - 3000 – 134/16 Abschluss der Arbeit: 29. August 2016 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 – 134/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Rechtslage zur Anerkennung der Vaterschaft 4 2.1. Aktuelle Rechtslage 4 2.2. Vaterschaft eines vor dem 1. Juli 1998 geborenen Kindes 5 3. Ergebnis 7 4. Möglichkeit des einstweiligen Rechtschutzes 7 5. Anlagen 8 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 – 134/16 Seite 4 1. Einleitung Gegenstand des vorliegenden Sachstandes ist die Rechtslage der Vaterschaftsanerkennung, wobei hier insbesondere untersucht wird, ob die Vaterschaft auch nach dem Tod der Mutter eines Kindes anerkannt werden kann. 2. Rechtslage zur Anerkennung der Vaterschaft 2.1. Aktuelle Rechtslage Die Vaterschaft eines Kindes ist in § 1592 BGB1 geregelt: „Vater eines Kindes ist der Mann, 1. der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist, 2. der die Vaterschaft anerkannt hat oder 3. dessen Vaterschaft nach § 1600d oder § 182 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gerichtlich festgestellt ist.“ Bei der Vaterschaftsanerkennung gem. § 1592 Nr. 2 BGB handelt es sich um ein einseitiges zustimmungsbedürftiges Rechtsgeschäft.2 Zustimmungsbedürftig deswegen, weil für die Anerkennung der Vaterschaft nach § 1595 Abs. 1 BGB die Zustimmung der Mutter des Kindes erforderlich ist. Nach § 1595 Abs. 2 BGB kann ausnahmsweise darüber hinaus auch die Zustimmung des Kindes erforderlich sein. „(1) Die Anerkennung bedarf der Zustimmung der Mutter. (2) Die Anerkennung bedarf auch der Zustimmung des Kindes, wenn der Mutter insoweit die elterliche Sorge nicht zusteht.“ Fraglich ist, ob nach dem Tod der Mutter die Vaterschaftsanerkennung ausgeschlossen bzw. nicht mehr möglich ist oder ob die Vaterschaftsanerkennung weiterhin möglich bleibt und die Zustimmung der Mutter durch die Zustimmung des Kindes ersetzt werden kann. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i n der Fassung der Bekanntmachung vom 02.01.2002 (BGBl. I S. 42, ber. S. 2909 und BGBl. 2003 I S. 738), zuletzt geändert durch Art. 3 VG-Richtlinie-UmsetzungsG vom 24.05.2016 (BGBl. I S. 1190). 2 Hahn, in: Beck´scher Online-Kommentar BGB, (Hrsg.) Bamberger/Roth, 39. Edition, Stand: 1. Mai 2016, § 1592, Rn. 4. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 – 134/16 Seite 5 Hierzu bestehen in Literatur und Rechtsprechung unterschiedliche Auffassungen.3 Teilweise wird im Falle des Todes der Mutter ihre Zustimmung für entbehrlich angesehen, sodass an deren Stelle die Zustimmung des Kindes nach § 1595 Abs. 2 BGB trete.4 Damit wäre eine Vaterschaftsanerkennung nach §§ 1592 Nr. 2, 1994 ff. BGB auch nach dem Tod der Mutter denkbar . Der überwiegende Teil der Literatur und Rechtsprechung hingegen verneinen in einem solchen Falle die Möglichkeit der Ersetzung der Zustimmung der Mutter und damit auch die wirksame Vaterschaftsanerkennung.5 Hierbei wird insbesondere auf den Entwurf zum KindRG6 verwiesen, wonach eine Möglichkeit zur Ersetzung der Zustimmung nicht vorgesehen ist.7 Anstelle der Vaterschaftsanerkennung sei der als Vater in Betracht kommende Mann auf das gerichtliche Vaterschaftsfeststellungsverfahren nach §§ 1592 Nr.3 angewiesen.8 Abgesehen von der umstrittenen Zustimmungsbedürftigkeit bzw. Entbehrlichkeit der Zustimmung im Falle des Todes der Mutter, stellt sich aber die entscheidende Frage, ob die das Zustimmungserfordernis regelnde Vorschrift des § 1595 BGB überhaupt anwendbar ist. 2.2. Vaterschaft eines vor dem 1. Juli 1998 geborenen Kindes Zu diesem Zeitpunkt trat das sog. Kinderrechtsreformgesetz (KindRG) vom 16. Dezember 1997 in Kraft.9 Hierin regelt Art. 224 § 1 Abs. 1 EGBGB10, welcher ebenfalls durch das KindRG eingeführt 3 Einen guten Überblick zum Meinungsstand bietet: Rauscher, in: Staudinger, BGB, Buch 4. Familienrecht, Neubearbeitung 2011, §§ 1589-1600d, § 1595, Rn. 13 sowie Frank, StAZ, 2013 S. 135. 4 So z.B.: BayObLG München, Beschluss vom 01.08.2002, Az. 2 T 487/02; Rauscher, a. a. O.; Wellenhofer, in: Münchener Kommentar zum BGB, (Hrsg.) Säcker/Rixecker/Oetker/Limperg, Band 8 (Redakteur Schwab), 6. Auflage 2012, 1595, Rn. 8. 5 So bspw.: LG Koblenz, Beschluss vom 01.08.2002, Az. 2 T 487/02 (= StAZ 2003, S. 303); Jauß, StAZ 2000, S. 157; Frank, a. a. O., Kissner, StAZ 2007, S. 303, Brudermüller, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Kurzkommentar , 75. Auflage 2016, § 1595, Rn. 3. 6 BT-Drs. 13/4899, S. 5. 7 BT-Drs. 13/4899, S. 54, 84. 8 Hahn, in: Beck´scher Online-Kommentar BGB, (Hrsg.) Bamberger/Roth, 39. Edition, Stand: 1. Mai 2016, § 1595, Rn. 4; BT-Drs. 13/4899, S. 54. 9 Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts. BGBl. I S. 2942; siehe dazu auch: Frank, StAZ 2013, S. 133. 10 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. September 1994 (BGBl. I S. 2494; 1997 I S. 1061), zuletzt geändert durch Artikel 55 des Gesetzes vom 8. Juli 2016 (BGBl. I S. 1594). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 – 134/16 Seite 6 wurde11, dass sich die Vaterschaft eines vor dem 1. Juli 1998 geborenen Kindes nach den bisherigen Vorschriften richtet.12 „(1) Die Vaterschaft hinsichtlich eines vor dem 1. Juli 1998 geborenen Kindes richtet sich nach den bisherigen Vorschriften.“ Die „bisherigen Vorschriften“ bzgl. der vor diesem Stichtag geborenen Kinder befinden sich im „Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder“ vom 19. August 1969, welches am 1. Juli 1970 in Kraft trat.13 Dies ergibt sich in Verbindung mit Art. 12 § 2 der Übergangsvorschriften zu diesem Gesetz.14 „Unter welchen Voraussetzungen ein Mann als Vater anzusehen ist, wird auch für Rechtsverhältnisse , die sich nach dem bisher geltenden Recht bestimmen, nach den Vorschriften dieses Gesetzes beurteilt.“ Die in diesem Gesetz maßgeblichen Vorschriften zur Vaterschaftsanerkennung sind die nachfolgend wiedergegebenen §§ 1600a S. 1, 1600c sowie 1600e Abs. 1 S. 1 BGB a. F.: § 1600a S. 1 BGB a. F. „Bei nichtehelichen Kindern wird die Vaterschaft durch Anerkennung oder gerichtliche Entscheidung mit Wirkung für und gegen alle festgestellt.“ § 1600c BGB a. F. „(1) Zur Anerkennung ist die Zustimmung des Kindes erforderlich. (2) Die Zustimmung ist dem Anerkennenden oder dem Standesbeamten gegenüber zu erklären .“ § 1600e Abs. 1 S. 1 BGB a. F. „(1) Die Anerkennungserklärung und die Zustimmungserklärung des Kindes müssen öffentlich beglaubigt werden.“ 11 Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts. BGBl. I S. 2961. 12 Vgl. hierzu: Hahn, in: Beck´scher Online-Kommentar BGB, (Hrsg.) Bamberger/Roth, 39. Edition, Stand: 1. Mai 2016, § 1594, Rn. 9. 13 BGBl. I S. 1243. 14 BGBl. I S. 1266. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 – 134/16 Seite 7 Die Anerkennung der Vaterschaft von Kindern, die vor dem 1. Juli 1998 geboren wurden, regelt sich somit nicht nach dem § 1595 Abs. 1, 2 BGB der neuen Fassung, sondern vielmehr nach dem § 1600c Abs. 1 BGB alter, obiger Fassung. Damit ist in dieser Konstellation für die Anerkennung der Vaterschaft nicht die Zustimmung der Mutter erforderlich, sondern vielmehr die beglaubigte Zustimmung(serklärung) des Kindes – neben der (beglaubigten) Anerkennung(serklärung) des in Betracht kommenden Vaters – ausreichend . Die beglaubigte Anerkennung des Vaters ist nach §§ 2, 10 Konsulargesetz15 wirksam. Die Zustimmung des Kindes kann sowohl vor dem Standesamt als auch vor dem zuständigen Amtsgericht öffentlich beglaubigt werden (vgl. § 44 Abs. 1 Personenstandsgesetz16 sowie § 62 Abs. 1 Nr. 1 Beurkundungsgesetz 17). Im Übrigen bestünde zumindest noch die weitere Möglichkeit der Vaterschaftsanerkennung im Wege des Vaterschaftsfeststellungsverfahrens nach §§ 1592 Nr. 3, 1600d BGB, § 182 Abs. 1 Fam FG18. 3. Ergebnis Bei der in Ziffer 2.2 dargestellten Konstellation kann das Standesamt die Zustimmungserklärung des Kindes öffentlich beglaubigen und hat ferner die Vaterschaft gem. § 27 Personenstandsgesetz beim Geburtseintrag zu beurkunden. 4. Möglichkeit des einstweiligen Rechtschutzes Sofern die Beurkundung der Vaterschaft vom Standesamt abgelehnt wird, kann das nach § 50 Personenstandsgesetz zuständige Amtsgericht das Standesamt zur Vornahme dieser Handlung nach § 49 Abs. 1 Personenstandsgesetz anweisen: 15 Konsulargesetz vom 11. September 1974 (BGBl. I S. 2317), zuletzt geändert durch Artikel 4 Absatz 39 des Gesetzes vom 18. Juli 2016 (BGBl. I S. 1666). 16 Dort in: §44 Abs. 1 Personenstandsgesetz; Personenstandsgesetz vom 19. Februar 2007 (BGBl. I S. 122), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 20. November 2015 (BGBl. I S. 2010). 17 Beurkundungsgesetz vom 28. August 1969 (BGBl. I S. 1513), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 23. November 2015 (BGBl. I S. 2090). 18 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2586, 2587), zuletzt geändert durch Artikel 3 Abs. 14 des Gesetzes vom 26. Juli 2016 (BGBl. I S. 1824). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 – 134/16 Seite 8 „(1) Lehnt das Standesamt die Vornahme einer Amtshandlung ab, so kann es auf Antrag der Beteiligten oder der Aufsichtsbehörde durch das Gericht dazu angewiesen werden.“ Das Personenstandsgesetz verweist hinsichtlich eines gerichtlichen Verfahrens in § 51 Abs. 1 Personenstandsgesetz auf die Anwendung der Vorschriften über die das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG):19 „(1) Auf das gerichtliche Verfahren sind die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit anzuwenden .“ Fraglich ist indes, ob hinsichtlich der Vaterschaftsanerkennung gerichtlicher Rechtsschutz im Wege eines Eilverfahrens in Betracht kommt. Das Familienverfahrensgesetzt sieht grundsätzlich die Möglichkeit einer einstweiligen Anordnung nach den §§ 49 ff. FamFG vor. Der Erlass einer solchen einstweiligen Anordnung setzt ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden voraus. Dies dürfte bei einem sehr hohen Alter des Antragstellers vorliegen, da hier die Gefahr besteht, dass dieser vor der begehrten Beantragung der Vaterschaft vom Standesamt verstirbt. Problematisch könnte aber sein, dass mittels der gerichtlichen Anweisung zur Beschreibung der Vaterschaft im Geburtseintrag seitens des Standesamtes die Hauptsache vorweg genommen werden könnte20. Der einstweilige Rechtsschutz wäre dann abzulehnen. Gerichtliche Verfahren, in den in ähnlich gelagerten Fällen einstweiliger Rechtschutz gewährt wurde, sind nicht ersichtlich. 5. Anlagen - Anlage 1: Auszug des Gesetzes über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder vom 19. August 1969 (S. 1243, 1266) - Anlage 2: Auszug des Entwurfes eines Gesetzes zur Reform des Kindschaftsrechts (Kindschaftsrechtsreformgesetz – KindRG) - Anlage 3: Auszug Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts vom 16. Dezember 1997 (Kindschaftsrechtsreformgesetz – KindRG) 19 Das FamFG selbst verweist in § 111 Nr. 3 FamFG in Verbindung mit 23 a Abs. 1 Nr. 1 GVG19 ebenso auf die Zuständigkeit der Amtsgerichte hinsichtlich der Vaterschaftsanerkennung. 20 Vgl. Schlünder, in: Beck'scher Online-Kommentar FamFG, a. a. O., § 49, Rn. 2. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 – 134/16 Seite 9 - Anlage 4: Jauß, Wolfgang: Zustimmung des Amtsvormunds zum Vaterschaftsanerkenntnis , StAZ 2000, S. 157 - Anlage 5: LG Koblenz, Beschluss vom 1. August 2002 – 2 T 487/02, StAZ 2003, S. 303 - Anlage 6: Kissner, Peter: Vaterschaftsanerkennung nach dem Tod der Mutter des Kindes, StAZ 2007, S. 303 – 304 - Anlage 7: Frank, Rainer: Die Zustimmung des Kindes zur Vaterschaftsanerkennung in den Fällen des § 1595 Abs. 2 BGB, StAZ 2013, S. 133 – 136 -Ende der Bearbeitung-