© 2019 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 132/19 Die Änderung der Leistungsbeschreibung und der Zuschlag im Vergabeverfahren Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 132/19 Seite 2 Die Änderung der Leistungsbeschreibung und der Zuschlag im Vergabeverfahren Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 132/19 Abschluss der Arbeit: 22.08.2019 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 132/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Änderung einer Ausschreibung während eines Vergabeverfahrens 4 3. Grundsatz des Zuschlags für das wirtschaftlichste Angebot 5 4. Fazit 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 132/19 Seite 4 1. Einleitung Um die Aufgaben des Bundes wahrnehmen zu können, schließen Bundesministerien regelmäßig Verträge mit privaten Unternehmen. Der Vertragsschluss erfolgt in der Regel über den Zuschlag im Rahmen eines Vergabeverfahrens. Vor diesem Hintergrund ist von Interesse, ob die Zuschlagerteilung im Rahmen eines Vergabeverfahrens bei nur einem vorliegenden Angebot mit dem Grundsatz des Zuschlags für das wirtschaftlichste Angebot vereinbar ist (Ziffer 3). Zuvor werden die Möglichkeiten der Änderung einer Ausschreibung während eines laufenden Vergabeverfahrens erläutert (Ziffer 2). Die Ausführungen beziehen sich dabei nur auf solche öffentlichen Aufträge, die die Schwellenwerte überschreiten , sodass das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)1 anzuwenden ist (vgl. § 106 GWB). 2. Änderung einer Ausschreibung während eines Vergabeverfahrens Die Leistungsbeschreibung im Sinne von § 121 GWB soll dem Bieter ermöglichen, aufgrund einer klaren Kalkulationsgrundlage eine qualifizierte Entscheidung über sein Angebot zu treffen. Der Auftragsgegenstand muss so eindeutig und erschöpfend wie möglich beschrieben werden, „sodass die Beschreibung für alle Unternehmen im gleichen Sinne verständlich ist und die Angebote miteinander verglichen werden können“ (§ 121 Abs. 1 Satz 1 GWB).2 In der Leistungsbeschreibung sind neben allen preisrelevanten Faktoren auch die Umstände und Bedingungen anzugeben , die für die Leistungserbringung wichtig sind. Rechtlich zulässig ist eine Änderung der Leistungsbeschreibung auch während des Vergabeverfahrens vor Ablauf der Angebotsfrist, wenn der Beschaffungsgegenstand durch den Auftraggeber nicht vollkommen verändert wird. Bei einer Änderung muss zudem auf die Einhaltung der Grundsätze der Gleichbehandlung, Transparenz und des Vertrauensschutzes geachtet werden. Der Auftraggeber muss die Änderung also allen beteiligten Unternehmen rechtzeitig mitteilen, sodass diese die neuen Umstände bei der Erstellung des Angebots, bei Präsentationen und Verhandlungen berücksichtigen können. Erscheint dies nicht möglich, kann die Verschiebung der Angebotsfrist notwendig sein. Durch das Diskriminierungsverbot (§ 97 Abs. 2 GWB) sind Änderungen unzulässig, die nur vorgenommen werden, um einzelne Unternehmen zu begünstigen bzw. zu benachteiligen.3 1 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 26.06.2013 (BGBl. I S. 1750, ber. S. 3245), zuletzt geändert durch Art. 10 des Gesetzes zur Einführung einer zivilprozessualen Musterfeststellungsklage vom 12.07.2018 (BGBl. I S. 1151), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet .de/gwb/__127.html (letzter Abruf: 21.08.2019). 2 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages (Hrsg.), Fragen zum Vergaberecht, Sachstand vom 03.07.2019, Az. WD 7 - 3000 - 109/19, S. 4, abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource /blob/654312/6bcba2e94007862909c8a0b872736eec/WD-7-109-19-pdf-data.pdf (letzter Abruf: 22.08.2019). 3 Trutzel, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 3. Auflage 2018, GWB, § 121 Rn. 16, 19; Stein/Wolf, in: Beck´scher Onlinekommentar Vergaberecht, GWB, § 121 Rn. 21. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 132/19 Seite 5 3. Grundsatz des Zuschlags für das wirtschaftlichste Angebot Für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen kommen neben dem offenen und nicht offenen Verfahren auch das Verhandlungsverfahren, der wettbewerbliche Dialog und die Innovationspartnerschaft , soweit letztere gesetzlich gestattet sind (§ 119 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 GWB). § 119 Abs. 3 bis Abs. 7 GWB normiert die verschiedenen Verfahrensarten wie folgt: Das offene Verfahren ist ein Verfahren, in dem der öffentliche Auftraggeber eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmen öffentlich zur Abgabe von Angeboten auffordert. Das nicht offene Verfahren ist ein Verfahren, bei dem der öffentliche Auftraggeber nach vorheriger öffentlicher Aufforderung zur Teilnahme eine beschränkte Anzahl von Unternehmen nach objektiven, transparenten und nichtdiskriminierenden Kriterien auswählt (Teilnahmewettbewerb), die er zur Abgabe von Angeboten auffordert. Das Verhandlungsverfahren ist ein Verfahren, bei dem sich der öffentliche Auftraggeber mit oder ohne Teilnahmewettbewerb an ausgewählte Unternehmen wendet, um mit einem oder mehreren dieser Unternehmen über die Angebote zu verhandeln. Der wettbewerbliche Dialog ist ein Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge mit dem Ziel der Ermittlung und Festlegung der Mittel, mit denen die Bedürfnisse des öffentlichen Auftraggebers am besten erfüllt werden können. Nach einem Teilnahmewettbewerb eröffnet der öffentliche Auftraggeber mit den ausgewählten Unternehmen einen Dialog zur Erörterung aller Aspekte der Auftragsvergabe. Die Innovationspartnerschaft ist ein Verfahren zur Entwicklung innovativer, noch nicht auf dem Markt verfügbarer Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen und zum anschließenden Erwerb der daraus hervorgehenden Leistungen. Nach einem Teilnahmewettbewerb verhandelt der öffentliche Auftraggeber in mehreren Phasen mit den ausgewählten Unternehmen über die Erst- und Folgeangebote. Grundsätzlich muss also nach § 119 GWB im Rahmen eines Vergabeverfahrens der Teilnahmewettbewerb gegeben sein, sodass mehrere Unternehmen ein Angebot einreichen können. Nach § 127 Abs. 1 Satz 1 GWB muss der Zuschlag für das wirtschaftlichste Angebot erfolgen. Nach Satz 3 bestimmt sich dies nach dem besten Preis-Leistungsverhältnis. Durch § 127 Abs. 1 Satz 4 GWB erfolgt die Klarstellung, dass dabei auch qualitative, umweltbezogene oder soziale Aspekte berücksichtigt werden können. Wurden die Verfahrensvorschriften, insbesondere die §§ 14 bis 63 Vergabeverordnung (VgV)4 und die Verfahrensgrundsätze, z.B. die Gleichbehandlung aller Teilnehmer nach § 97 Abs. 2 4 Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergabeverordnung – VgV) vom 12.04.2016 (BGBl. I S. 624), zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung zur Änderung der Vergabeverordnung und der Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit vom 12.07.2019 (BGBl. I S. 1081), abrufbar unter: https://www.gesetze-iminternet .de/vgv_2016/ (letzter Abruf: 21.08.2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 132/19 Seite 6 GWB, eingehalten, ist kein Grund für die Unzulässigkeit eines Zuschlags ersichtlich - auch wenn der Zuschlag für das einzig vorliegende Angebot erteilt wird. Auch aus dem Wortlaut des § 127 GWB ist nicht ersichtlich, dass die Erteilung eines Zuschlags unzulässig wäre, wenn nur ein Angebot abgegeben wurde. Stellt das Angebot kein unwirtschaftliches Ergebnis des Verfahrens dar (vgl. § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VgV) und erfüllt es die Zuschlagskriterien (§ 127 Abs. 1 Satz 2 GWB), erscheint ein Zuschlag rechtlich zulässig. Für die Zulässigkeit eines solchen Zuschlags spricht zudem, dass im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens unter den Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 VgV die Vergabe eines öffentlichen Auftrags auch ohne Teilnahmewettbewerb möglich ist. Dies kommt nach Nr. 1 insbesondere in Betracht, wenn in einem offenen oder nicht offenen Vergabeverfahren gar keine oder nur ungeeignete Angebote abgegeben wurden. Weiterhin ist zwar nach § 51 Abs. 2 VgV eine Mindestzahl von grundsätzlich drei Bewerbern für die Gewährleistung des Wettbewerbs vorgeschrieben. Nach § 51 Abs. 3 Satz 2 VgV aber „kann der öffentliche Auftraggeber das Vergabeverfahren fortführen, indem er den oder die Bewerber einlädt, die über die geforderte Eignung verfügen“, sofern die Zahl geeigneter Bewerber unter der Mindestzahl liegt. „Andere Unternehmen, die sich nicht um die Teilnahme beworben haben, oder Bewerber, die nicht über die geforderte Eignung verfügen, dürfen nicht zu demselben Verfahren zugelassen werden“ (§ 51 Abs. 3 Satz 3 VgV). Der Auftraggeber ist schließlich nach § 63 Abs. 1 Nr. 1 VgV nur zur Beendigung berechtigt, wenn kein Angebot eingegangen ist, dass den Bedingungen entspricht. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH)5, wonach der Widerruf einer Ausschreibung auch zulässig sein soll, wenn nur noch ein Bewerber übrig bleibt, bezog sich auf eine österreichische Vorschrift, die in Deutschland kein Pendant hat.6 Der Zuschlag im Rahmen eines Vergabeverfahrens für ein Angebot oberhalb der EU-Schwellenwerte ist folglich zulässig - auch wenn es das einzige finale Angebot vor dem Ende der gesetzten Frist ist. Ein Verstoß gegen § 127 GWB ist nicht ersichtlich. 4. Fazit Wird der Zuschlag für ein Angebot, das oberhalb der EU-Schwellenwerte liegt, im Rahmen eines Vergabeverfahrens erteilt, ist dies zulässig, soweit die allgemeinen Verfahrensvorschriften eingehalten wurden und das Angebot die Zuschlagskriterien erfüllt. Dies gilt auch, wenn es sich um das einzige finale Angebot handelt. Eine Änderung der Rahmenbedingungen des Auftrags - und damit der Leistungsbeschreibung - ist vor dem Ende der Angebotsfrist möglich. Bei einer solchen Änderung müssen die allgemeinen Vergabegrundsätze beachtet werden, insbesondere der Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot. *** 5 EuGH, Urt. v. 16.09.1999 - Az. C-27/98, Neue Zeitschrift für Baurecht und Vergaberecht (NZBau) 2000, 153. 6 Mager, in: Beck´scher Vergaberechtskommentar, Band 2, 3. Auflage 2019, VgV 51 Rn. 24.