© 2017 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 128/17 Grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 128/17 Seite 2 Grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 128/17 Abschluss der Arbeit: 27. Oktober 2017 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 128/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Das Genehmigungsverfahren um BoAplus 5 2.1. Das Vorhaben BoAplus 5 2.2. Das Öffentlich-rechtliche Genehmigungsverfahren 5 2.2.1. Das Regionalplanverfahren 5 2.2.2. Die Kommunale Bauleitplanung 6 2.2.3. Das Immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren 7 3. Grundzüge der Umweltverträglichkeitsprüfung 8 3.1. Das Verfahren der UVP im Allgemeinen 8 3.2. Die grenzüberschreitende UVP 9 4. Die Umweltverträglichkeitsprüfung im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren von BoAplus 10 4.1. UVP-pflichtiges Vorhaben 10 4.2. Erfordernis einer grenzüberschreitenden UVP 10 5. Fazit 12 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 128/17 Seite 4 1. Einleitung Anlass der Sachstandsmitteilung ist das in Planung befindliche Vorhaben ,,BoAplus" für den Neubau eines Braunkohle-Blocks in der Kreisstadt Bergheim/Niederaußem durch den Energiekonzern RWE. Dieser betreibt am Standort ein Braunkohlekraftwerk, welches aktuell 3.669 Megawatt (MW) an elektrischer Energie produziert.1 Innerhalb der EU verursacht das Kraftwerk dabei die dritthöchste CO2-Emmission.2 Durch die Umsetzung von BoAplus soll in Niederaußem das modernste und umweltfreundlichste Braunkohlekraftwerk der Region entstehen. Im Juli 2016 wurde für das Vorhaben die erforderliche immissionsschutzrechtliche Genehmigung beantragt; im Oktober/November 2017 soll nun als nächster Schritt die Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt werden.3 Von besonderem Interesse ist in diesem Zusammenhang, inwiefern im Genehmigungsverfahren eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) vorzunehmen ist. Mit Blick auf den geplanten Standort Niederaußem in rund 40 km Entfernung der deutsch-niederländischen Grenze, drängt sich hierbei insbesondere die Frage auf, ob eine grenzüberschreitende UVP erforderlich ist. Die Beurteilung dessen kann nur anhand von Umständen des Einzelfalls erfolgen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages gemäß Ziffer 1.8 ihres Leitfadens keine Rechtsauskünfte im Einzelfall erteilen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass zur Beantwortung der konkreten Fragen ausführliche Sachverhaltsermittlungen notwendig wären, die hier nicht durchgeführt werden können. Gleichwohl soll nachfolgend die allgemeine Rechtslage summarisch dargestellt werden. Zunächst wird hierzu der Stand des Genehmigungsverfahrens um BoAplus aufgezeigt. Im Anschluss werden die Grundzüge der UVP vorgestellt. Hierbei wird der Fokus insbesondere auf die speziellen Anforderungen bei grenzüberschreitenden Sachverhalten zu richten sein. Sodann wird die konkrete UVP-Pflicht im Fall von BoAplus untersucht. Schließlich erfolgt ein Fazit. 1 Zu den Fakten des Kraftwerks vgl. die Übersicht von RWE, abrufbar unter http://www.rwe.com/web/cms/de/60132/rwe-power-ag/energietraeger/braunkohle/standorte/kw-niederaussem/ (Stand 27. Oktober 2017). 2 Süddeutsche Zeitung vom 01. April 2016, Deutsche Kraftwerke gehören zu den schädlichsten in ganz Europa, abrufbar unter http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/studie-deutsche-kraftwerke-gehoeren-zu-den-schmutzigsten -in-ganz-europa-1.2930237 (Stand 27. Oktober 2017). 3 Meldung Rheinische Post vom 27. September 2017, abrufbar unter http://www.presseportal .de/pm/30621/3745935 (Stand 27. Oktober 2017). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 128/17 Seite 5 2. Das Genehmigungsverfahren um BoAplus 2.1. Das Vorhaben BoAplus Mit dem Vorhaben BoAplus strebt RWE am Standort Niederaußem eine Erweiterung des bestehenden Braunkohlekraftwerks um einen neuen Kraftwerksblock mit Kapazität vom 1.100 MW an.4 Durch die Anlage soll das Kraftwerk flexibler, effizienter und umweltfreundlicher werden. Es handelt sich um eine Weiterentwicklung des Braunkohlenkraftwerks mit optimierter Anlagentechnik (BoA), bei dem durch ein innovatives Verfahren der Kohleneinsatz bei gleicher Stromproduktion um 30 Prozent – rund drei Millionen Tonnen pro Jahr – sinken soll.5 Mit Aufnahme des kommerziellen Betriebs der Neuanlage soll zugleich die Stilllegung von vier 300-MW-Blöcken erfolgen.6 Vor diesem Hintergrund wirbt RWE für BoAplus als maßgeblichen Beitrag zur Energiewende und zum Klimaschutz. Insgesamt führe das Vorhaben dank innovativer Technik zu weniger Kohlenverbrauch , weniger Emissionen und Immissionen und deutlich weniger sichtbaren Schwaden. Gleichzeitig würde auch langfristig die Beschäftigung im Land wie in der Region gesichert.7 2.2. Das Öffentlich-rechtliche Genehmigungsverfahren Das öffentlich-rechtliche Genehmigungsverfahren für BoAplus gliedert sich in drei Stufen8: 2.2.1. Das Regionalplanverfahren Auf erster Stufe steht das Regionalplanverfahren. Ein Regionalplan ist aus dem Raumordnungsplan und den darin enthaltenen Leitvorstellungen für das Landesgebiet zu entwickeln, § 8 Abs. 2 4 Eine Kurzübersicht der Fakten enthält die Informationsbroschüre „Frühe Öffentlichkeitsbeteiligung BoAplus“, S. 14, abrufbar unter https://www.rwe.com/web/cms/mediablob/de/2781190/data/1113712/2/boaplus/kontakt /mediencenter/Fruehe-Oeffentlichkeitsbeteiligung-BoAplus.pdf (Stand 27. Oktober 2017). 5 Vgl. Pressemitteilung RWE vom 07. Oktober 2011, abrufbar unter http://www.rwe.com/web/cms/de/1121766/boaplus/aktuelles/ (Stand 27. Oktober 2017). Zum technischen Hintergrund vgl. ausführlich die Informationsbroschüre „BoAplus – Hochtechnologie für die Stromerzeugung von heute und morgen“, abrufbar unter http://www.rwe.com/web/cms/medialob /de/1110140/data/1109028/2/boaplus/ueber-boaplus/im-detail/BoAplus-Hochtechnologie-fuer-die-Stromerzeugung -von-heute-und-morgen.pdf (Stand 27. Oktober 2017). 6 Vgl. Pressemitteilung RWE vom 07. Oktober 2011, abrufbar unter http://www.rwe.com/web/cms/de/1121766/boaplus/aktuelles/ (Stand 27. Oktober 2017). 7 Ebendort. 8 Eine Übersicht ist insofern der Informationsbroschüre „Frühe Öffentlichkeitsbeteiligung BoAplus“, S. 6 f., abrufbar unter https://www.rwe.com/web/cms/mediablob/de/2781190/data/1113712/2/boaplus/kontakt/mediencenter /Fruehe-Oeffentlichkeitsbeteiligung-BoAplus.pdf (Stand 27. Oktober 2017), zu entnehmen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 128/17 Seite 6 S. 1 ROG9. Mit einem Regionalplan wird damit die landesweite Raumordnungsplanung für einen überschaubaren Raum konkretisiert.10 Für die Umsetzung von BoAplus war zunächst die Änderung des Regionalplans am Standort Bergheim/Niederaußem erforderlich. RWE regte dementsprechend am 07. Oktober 2011 die Änderung des Regionalplans bei der Bezirksregierung Köln an.11 Die entsprechende Planänderung wurde vom Regionalrat des Regierungsbezirks Köln am 05. Juli 2013 beschlossen und der Landesplanungsbehörde angezeigt.12 Die Bekanntgabe erfolgte am 30. Oktober 2013 im Gesetz- und Verordnungsblatt des Landes Nordrhein-Westfalen.13 2.2.2. Die Kommunale Bauleitplanung Auf zweiter Ebene schloss sich die kommunale Bauleitplanung an. Gegenstand der Bauleitplanung ist die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde.14 Mit den Bauleitplänen sind dabei die vorgegebenen Ziele der Raumordnung, wie sie im Regionalplan festgesetzt sind, zu konkretisieren. Es wird zwischen Flächennutzungsplan und Bebauungsplan differenziert : Der Flächennutzungsplan ist der vorbereitende Bauleitplan.15 Er stellt für das Gemeindegebiet die sich aus der beabsichtigten städtebaulichen Entwicklung ergebende Art der Bodennutzung nach den voraussehbaren Bedürfnissen der Gemeinde in den Grundzügen dar, § 5 Abs. 1 Satz 1 BauGB16. Mit Beschluss vom 17.09.2012 hat der Rat der Kreisstadt Bergheim die entsprechende 9 Raumordnungsgesetz vom 22. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2986), zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 14a, 15 G zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung vom 20.7.2017 (BGBl. I S. 2808). 10 Goppel in: Spannowsky/Runkel/Goppel, Raumordnungsgesetz, 1. Auflage 2010, § 8, Rn. 29. 11 Pressemitteilung RWE vom 07. Oktober 2011, abrufbar unter http://www.rwe.com/web/cms/de/1121766/boaplus/aktuelles/ (Stand 27. Oktober 2017). 12 Vgl. S. 4 des Regionalplans für den Regierungsbezirk Köln, Teilabschnitt Region Köln, 5. Änderung, abrufbar unter: http://www.bezreg-koeln.nrw.de/brk_internet/leistungen/abteilung03/32/regionalplanung/aktueller_regionalplan /teilabschnitt_koeln/aenderungen/planaenderung_05/textliche_darstellung.pdf (Stand 27. Oktober 2017). 13 GV.NRW, Nr. 31 vom 30. Oktober 2013, S. 583, abrufbar unter: https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_vbl_detail _text?anw_nr=6&vd_id=14052&menu=1&sg=0&keyword=regionalplan (Stand 27. Oktober 2017). 14 Krautzberger in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 125. EL, Stand Mai 2017, Vor §§ 1-13a, Rn 6. 15 Krautzberger in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 125. EL, Stand Mai 2017, Vor §§ 1-13a, Rn. 12. 16 Baugesetzbuch vom 23. September 2004 (BGBl. I S. 2414), zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 3 G zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung vom 20.7.2017 (BGBl. I S. 2808). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 128/17 Seite 7 Änderung des Flächennutzungsplans beschlossen; die ortsübliche Bekanntmachung erfolgte am 05.10.2012.17 Der Flächennutzungsplan bedarf der Umsetzung durch den Bebauungsplan.18 Dieser regelt die konkrete Grundstücksnutzung durch rechtsverbindliche Festsetzungen.19 Mit Beschluss vom 17.09.2012 hat der Rat der Kreisstadt Bergheim die Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 261/Na „Anschlussfläche Braunkohlenkraftwerk Niederaußem“ beschlossen; die ortsübliche Bekanntmachung erfolgte am 05.10.2012.20 2.2.3. Das Immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren Schließlich erfolgt das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren, das sich nach den Vorgaben des BImSchG21 richtet. Das BImSchG trägt dem Schutz der Umwelt Rechnung, indem es spezielle Anforderungen an Industrieanlagen bzw. Infrastruktur und die damit verbundenen erheblichen Belastungen durch Luftschadstoffe, Lärm und Lichteinwirkungen stellt.22 Die Errichtung und der Betrieb von Anlagen, die in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Auswirkungen oder Gefahren hervorzurufen, werden daher unter einen besonderen Genehmigungsvorbehalt gestellt, § 4 Abs. 1 S. 1 BImSchG. Insofern enthält Anlage 1 zur 4. BImSchV23 einen abschließenden Katalog der konkret genehmigungsbedürftigen Anlagen; BoAplus ist gem. Nr. 1.1 genehmigungsbedürftig. 17 Vgl. S. 4 der Zusammenfassenden Erklärung zur 125. Flächennutzungsplanänderung „Anschlussfläche Braunkohlekraftwerk Niederaußem“ der Kreisstadt Bergheim, abrufbar unter http://www.o-sp.de/bergheim /plan/uebersicht.php?L1=6&pid=18787 (Stand 27. Oktober 2017). 18 Krautzberger in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 125. EL, Stand Mai 2017, Vor §§ 1-13a, Rn. 13. 19 Vgl. Krautzberger in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 125. EL, Stand Mai 2017, Vor §§ 1-13a, Rn. 14. 20 Vgl. S. 4 der Zusammenfassenden Erklärung zum Bebauungsplan Nr. 261/Na „Anschlussfläche Braunkohlekraftwerk Niederaußem“ der Kreisstadt Bergheim, S. 4, abrufbar unter http://www.o-sp.de/bergheim /plan/uebersicht.php?S=89&L1=8&pid=18786 (Stand 27. Oktober 2017). 21 Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge vom 17. Mai 2013 (BGBl. I S. 1274), zuletzt geändert durch Art. 3 G zur Einführung einer wasserrechtlichen Genehmigung für Behandlungsanlagen für Deponiesickerwasser, zur Änd. der Vorschriften zur Eignungsfeststellung für Anlagen zum Lagern, Abfüllen oder Umschlagen wassergefährdender Stoffe und zur Änd. des Bundes-ImmissionsschutzG vom 18.7.2017 (BGBl. I S. 2771). 22 Vgl. die Beschreibung im Leitfaden für das Genehmigungs- und Anzeigeverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz , herausgegeben von der Landesarbeitsgemeinschaft der IHK Brandenburg, S. 3, abrufbar unter http://www.mlul.brandenburg.de/media_fast/4055/lf_ianlagen.pdf (Stand 27. Oktober 2017). 23 Vierte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen - 4. BImSchV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Mai 2017 (BGBl. I S. 1440). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 128/17 Seite 8 RWE hat im Juli 2016 die erforderliche Genehmigung für die Änderung des bestehenden Kraftwerks gem. § 16 Abs. 1 S. 1 BImSchG beantragt. Das Verfahren befindet sich aktuell unmittelbar vor bzw. auf der Stufe der Öffentlichkeitsbeteiligung durch Auslegung der Unterlagen.24 Hieran wird sich ein Erörterungstermin anschließen. Das Verfahren tritt sodann in die Umweltverträglichkeitsprüfung ein.25 3. Grundzüge der Umweltverträglichkeitsprüfung Die UVP ist als unselbstständiger Teil in das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren integriert.26 Das Verfahren der UVP richtet sich nach den Bestimmungen des UVPG27. Das Gesetzgliedert sich nunmehr seit Juli 2017 in sieben Teile. Von besonderem Interesse ist hier der zweite Teil (Umweltverträglichkeitsprüfung), der sich wiederum in zwei Abschnitte (§§ 4 – 14 zu den Voraussetzungen und §§ 15 – 28 zu den Verfahrensschritten) gliedert, sowie der fünfte Teil (grenzüberschreitende Umweltprüfungen). 3.1. Das Verfahren der UVP im Allgemeinen Gewichtiger Bestandteil des baurechtlichen Umweltschutzes ist das Instrument der Umweltverträglichkeitsprüfung . Im Genehmigungsverfahren von Industrieanlagen und Infrastrukturmaßnahmen gewährleisten UVPs den Einbezug von Behörden und Bürgerinnen und Bürgern, sowie die Berücksichtigung von Umweltberichten. Vorhersehbar schädliche Umweltauswirkungen sollen so frühzeitig erkannt werden, um von den Entscheidungsträgern hinreichend berücksichtigt werden zu können. Auf diesem Weg tragen UVPs maßgeblich zum Gesundheitsschutz und zum Erhalt der natürlichen Umwelt bei. Zugleich fördert das Verfahren die Transparenz der Entscheidung und trägt so zur Akzeptanz des jeweiligen Projekts in der Bevölkerung bei. Auch der Projektträger profitiert schließlich von der Umweltprüfung, da er im Wege der frühzeitigen Konfliktvermeidung Planungssicherheit erhält.28 Das konkrete Verfahren der UVP richtet sich nach §§ 15 24 Siehe hierzu Fn. 3. 25 Eine Übersicht zum Ablauf des Genehmigungsverfahrens ist dem Leitfaden der IHK Brandenburg (Fn. 22) auf S. 21 zu entnehmen. 26 Bzgl. des rechtlichen Hintergrunds des UVPG wird auf den Sachstand WD7 - 3000 - 087/15, S. 4 verwiesen. 27 Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung vom 24. Februar 2010, (BGBl. I S. 94), zuletzt geändert durch Art. 2 G zur Durchführung der VO (EU) Nr. 1143/2014 über invasive gebietsfremde Arten vom 8.9.2017 (BGBl. I S. 3370). 28 Vgl. hierzu insgesamt die Kurzinformation zur Umweltprüfung UVP/SUP vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, abrufbar unter http://www.bmub.bund.de/themen/strategien-bilanzengesetze /umweltpruefungen-uvpsup/kurzinfo/ (Stand 27. Oktober 2017). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 128/17 Seite 9 ff. UVPG; zentrale Bestandteile sind dabei die Beteiligung der Behörden und der Öffentlichkeit, sowie die Vorlage eines UVP Berichts. 3.2. Die grenzüberschreitende UVP Speziell bei Vorhaben, die möglicherweise grenzüberschreitende Auswirkungen haben können, sind die Anforderungen der §§ 54 ff. UVPG zu wahren. Demnach benachrichtigt die zuständige deutsche Behörde frühzeitig die von dem anderen Staat benannte Behörde, wenn ein Vorhaben, für das eine UVP-Pflicht besteht, erhebliche grenzüberschreitende Umweltauswirkungen haben kann. Hierzu sind die Benachrichtigung und die geeigneten Unterlagen in deutscher Sprache und in einer Amtssprache des anderen Staates zu übermitteln. Zugleich wird die ausländische Behörde um Mitteilung gebeten, ob eine Beteiligung erwünscht wird.29 Ist dies der Fall, findet eine grenzüberschreitende Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung nach Maßgabe der §§ 55 bis 57 UVPG statt: Die Behördenbeteiligung richtet sich nach § 55 UVPG. Sie beinhaltet die umfassende Gelegenheit zur Stellungnahme. Soweit es erforderlich ist oder der andere Staat darum ersucht, führen die zuständigen obersten Bundes- und Landesbehörden zudem mit dem anderen Staat Konsultationen durch, bei denen insbesondere die grenzüberschreitenden Umweltauswirkungen des Vorhabens und die Maßnahmen zu deren Vermeidung oder Verminderung erörtert werden. Die grenzüberschreitende Öffentlichkeitsbeteiligung richtet sich nach § 56 UVPG. Hierbei kann die Öffentlichkeit des anderen Staates ihre Einwendungen in einer ihrer Amtssprachen übermitteln. Ist eine Beteiligung seitens des anderen Staates indes nicht erwünscht , so sieht § 55 Abs. 6 UVPG die Möglichkeit vor, dass sich die betroffene Öffentlichkeit des anderen Staates dennoch am inländischen Verfahren beteiligen kann. Um einen zügigen und konfliktfreien Ablauf von grenzüberschreitenden Umweltprüfungen zu gewährleisten, sind zudem zwischen Deutschland und verschiedenen Nachbarstaaten völkerrechtliche Vereinbarungen über den konkreten Verfahrensablauf geschlossen worden. So existiert für Deutschland und Niederlande aus dem Jahr 2013 die „Gemeinsame Erklärung über die Zusammenarbeit bei der Durchführung grenzüberschreitender Umweltverträglichkeitsprüfungen sowie grenzüberschreitender strategischer Umweltprüfungen im deutsch-niederländischen Grenzbereich zwischen dem Ministerium für Infrastruktur und Umwelt der Niederlande und dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit der Bundesrepublik Deutschland “, welche die Einzelheiten zur Durchführung regelt.30 Die Erklärung differenziert dabei zwischen Vorhaben, deren Standort bis zu 5 km von der Grenze entfernt liegen und solchen über diese Entfernung hinaus, sowie Vorhaben im Ems-Dollart-Gebiet. Bei UVP-pflichtigen Vorhaben, die bis zu 5 km entfernt von der Grenze liegen, soll demnach grundsätzlich eine Benachrichtigung der ausländischen Behörde erfolgen.31 Bei Vorhaben in weiterer Entfernung ist dies nur 29 So insgesamt § 54 UVPG. 30 Abrufbar unter http://www.euregio.eu/de/wohnen-infrastruktur/raumentwicklung/grenz%C3%BCberschreitende -umweltvertr%C3%A4glichkeitspr%C3%BCfung (Stand 27. Oktober 2017). 31 Ebendort, S. 10. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 128/17 Seite 10 dann der Fall, wenn nach Einschätzung der zuständigen Behörde konkret erhebliche Auswirkungen im Nachbarstaat zu befürchten sind.32 Bestehen insofern Zweifel, sollen sich die Behörden informell austauschen.33 4. Die Umweltverträglichkeitsprüfung im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren von BoAplus Sowohl im Verfahren für den Regionalplan, als auch auf Ebene der kommunalen Bauleitplanung hinsichtlich Flächennutzungsplan und Bebauungsplan war jeweils eine besondere Prüfung umweltrechtlicher Belange erforderlich.34 Im Verfahren zum Bebauungsplan erhob der Landesverband NRW des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland dabei den Vorwurf, die Umweltverträglichkeitsprüfung sei fehlerhaft; eine Ermittlung der Auswirkungen der verursachten Kohlenstoffdioxidemissionen habe nicht stattgefunden.35 Insgesamt fand bislang eine grenzüberschreitende Prüfung – soweit ersichtlich – nicht statt. Im derzeitigen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren steht die UVP noch aus. Ob hier eine grenzüberschreitende Prüfung erfolgen soll, ist nicht bekannt. 4.1. UVP-pflichtiges Vorhaben Das UVPG sieht für bestimmte Vorhaben eine obligatorische Prüfung vor. Gem. §§ 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 6 UVPG iVm. Anlage 1 Nr. 1.1.1 handelt es sich bei BoAplus um ein solch UVP-pflichtiges Vorhaben. Eine UVP ist demnach entsprechend der §§ 15 ff. UVPG durchzuführen. 4.2. Erfordernis einer grenzüberschreitenden UVP Ob darüber hinaus für BoAplus auch die Anforderungen einer grenzüberschreitenden UVP nach Maßgabe der §§ 54 ff. UVPG zu wahren sind, bemisst sich nach § 54 Abs. 1 S. 1 UVPG. Demnach 32 Ebendort, S. 11. 33 Ebendort, S. 11 f. 34 Vgl. die jeweiligen Umweltberichte, abrufbar unter https://www.bscw.nrw.de/pub/bscw.cgi/d4804495/TOP%2006_3_a.pdf (Regionalplan, Stand 27. Oktober 2017); http://www.o-sp.de/bergheim/plan/uebersicht.php?L1=6&pid=18787 (Flächennutzungsplan, Stand 27. Oktober 2017); http://www.o-sp.de/bergheim/plan/uebersicht.php?S=89&L1=8&pid=18786 (Bebauungsplan, Stand 27. Oktober 2017). 35 Stellungnahme zum Bebauungsplan „Anschlussfläche Braunkohlekraftwerk Niederaußem“ vom 28. März 2014, S. 10, abrufbar unter: https://www.bund-nrw.de/fileadmin/nrw/dokumente/braunkohle /2014_03_28_BPlan_BoAplus_Stellungnahme_BUND.pdf (Stand 27. Oktober 2017). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 128/17 Seite 11 ist eine grenzüberschreitende Prüfung vorzunehmen, wenn das Vorhaben erhebliche grenzüberschreitende Umweltauswirkungen haben kann: Grenzüberschreitende Umweltauswirkungen werden gem. § 2 Abs. 3 UVPG definiert als Umweltauswirkungen in einem anderen Staat. Unter Umweltauswirkungen sind gem. § 2 Abs. 2 S. 1 UVPG unmittelbare und mittelbare Auswirkungen eines Vorhabens oder der Durchführung eines Plans oder Programms auf die Schutzgüter zu verstehen. Dies schließt auch solche Auswirkungen des Vorhabens ein, die aufgrund von dessen Anfälligkeit für schwere Unfälle oder Katastrophen zu erwarten sind, soweit diese schweren Unfälle oder Katastrophen für das Vorhaben relevant sind. Zu den Schutzgütern im Sinne des UVPG zählen gem. § 2 Abs. 1 UVPG Menschen – insbesondere die menschliche Gesundheit, Tiere, Pflanzen und die biologische Vielfalt, Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft, kulturelles Erbe und sonstige Sachgüter sowie die Wechselwirkung zwischen den vorgenannten Schutzgütern. Die Umweltauswirkungen müssten sodann auch erheblich sein. Die Erheblichkeit bestimmt sich nach einschlägigen Fachgesetzen.36 Seitens der Fachliteratur wird im Zweifel empfohlen, die Schwelle der Erheblichkeit zugunsten der Beteiligung niedrig anzusetzen.37 Ob BoAplus überhaupt Auswirkungen auf die Umwelt in den Niederlanden haben kann und ob diese ferner als erheblich einzustufen sind, bemisst sich nach den Umständen des Einzelfalls. Eine abschließende Beurteilung kann damit vorliegend nicht erfolgen. Dennoch ist grundsätzlich zu betonen, dass in der Gemeinsamen Erklärung zwischen Deutschland und den Niederlanden zwischen Sachverhalten mit einer Entfernung von 5 km bzw. über 5 km zur Grenze differenziert wurde. Der Erklärung liegt dabei der Standpunkt zu Grunde, dass UVP-pflichtige Vorhaben bis zu 5 km Entfernung stets erhebliche Auswirkungen entfalten. BoAplus weicht von der Benchmark mit einem Standort in 40 km Entfernung jedoch deutlich ab. Zudem ist zu bedenken, dass mit BoAplus die jetzigen Umweltauswirkungen des Kraftwerks Niederaußem insgesamt verringert werden sollen. Dies könnte – ungeachtet der noch zu würdigenden Umstände des Einzelfalls – grundsätzlich gegen die Annahme von erheblichen Auswirkungen sprechen. 36 Hofmann in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, UVPG, 83. EL, Stand Mai 2017, § 8 Rn. 7. Die grenzüberschreitende UVP war vor der diesjährigen Gesetzesnovelle in § 8 und § 9a UVPG (aF) geregelt. Vgl. zu den Kriterien der Erheblichkeit etwa den Umweltbericht zum Bebauungsplan, S. 22 – 24, abrufbar unter http://www.o-sp.de/bergheim/plan/uebersicht.php?S=89&L1=8&pid=18786 (Stand 27. Oktober 2017). 37 Hofmann in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, UVPG, 83. EL, Stand Mai 2017, § 8 Rn. 7. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 128/17 Seite 12 Verbleiben insgesamt Zweifel, ob erhebliche grenzüberschreitende Auswirkungen zu befürchten sind, sollte die zuständige Behörde vorliegend entsprechend der Bestimmungen der Gemeinsamen Erklärung im deutsch-niederländischen Bereich sich mit der zuständigen Behörde auf niederländischer Seite informell austauschen. 38 5. Fazit Für BoAplus ist im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren eine UVP entsprechend der Bestimmungen des UVPG durchzuführen. Sollten vom geplanten Kraftwerksblock erhebliche Auswirkungen in den Niederlanden zu erwarten sein, so müsste dort angefragt werden, ob sich die Niederlande grenzüberschreitend am Verfahren beteiligen möchten. Auch wenn die zuständige Behörde dies verneint, könnte dennoch eine grenzüberschreitende Öffentlichkeitsbeteiligung erfolgen. Ob letztendlich mit Auswirkungen auf niederländischer Seite zu rechnen ist und ob diese darüber hinaus auch als erheblich einzustufen sind, kann nur anhand der Umstände des Einzelfalls ermittelt werden. Eine abschließende Beurteilung entzieht sich damit dem vorliegenden Sachstand . Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass für die Projektplaner, die (grenzüberschreitende) UVP oft nur eine formale Hürde darstellt, die es ohne inhaltlich tief greifende Konsequenzen für das Projekt zu meistern gilt. 39 Im Übrigen steht dem Gesetzgeber ein weiter gestalterischer Ermessensspielraum zu, insbesondere die grenzüberschreitende UVP näher zu konkretisieren. *** 38 S. 11 f., abrufbar unter http://www.euregio.eu/de/wohnen-infrastruktur/raumentwicklung/grenz%C3%BCberschreitende -umweltvertr%C3%A4glichkeitspr%C3%BCfung (Stand 27. Oktober 2017). 39 Wikipedia, Umweltverträglichkeitsprüfung, abrufbar unter https://de.wikipedia.org/wiki/Umweltvertr %C3%A4glichkeitspr%C3%BCfung (Stand 27. Oktober 2017).