© 2016 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 127/16 Die Neuregelung des § 177 Absatz 2 StGB-E Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 127/16 Seite 2 Die Neuregelung des § 177 Absatz 2 StGB-E Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 127/16 Abschluss der Arbeit: 15. August 2016 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 127/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Inhaltliche und systematische Probleme der Neuregelung des § 177 Absatz 2 StGB-E 5 2.1. Strafrahmen 5 2.2. Die im Wortlaut der Neufassung des § 177 Absatz 2 Nr. 2 StGB-E fehlende Widerstandsunfähigkeit des Missbrauchsopfer 7 2.3. Fehlen der „Gefahr einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung“ als Qualifikationsmerkmal im Rahmen des Missbrauchs 8 3. Verhältnis der neuen Regelung des § 177 Absatz 2 StGB-E zu den übrigen Missbrauchstatbeständen 9 3.1. Verhältnis zum sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen, § 174 StGB 9 3.2. Verhältnis zu sexuellen Missbrauch von Gefangenen, behördlich Verwahrten oder Kranken und Hilfsbedürftigen in Einrichtungen, § 174a StGB 9 3.3. Verhältnis zum sexuellen Missbrauch unter Ausnutzung einer Amtsstellung,§ 174b StGB 10 3.4. Verhältnis zum sexuellen Missbrauch von Kindern, § 176 StGB 10 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 127/16 Seite 4 1. Einleitung Durch das Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches1 – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung - sollen die bisherigen Normen zum Sexualstrafrecht – insbesondere § 177 Strafgesetzbuch (StGB)2 und § 179 StGB - geändert werden. Bisher werden nicht alle strafwürdigen Handlungen, durch die die sexuelle Selbstbestimmung eines Opfers verletzt werden, von den derzeit geltenden Straftatbeständen erfasst.3 Strafbarkeitslücken bestehen nach der derzeitigen Gesetzeslage insbesondere dann, wenn das Opfer aufgrund überraschender Handlungen des Täters keinen Widerstand leisten kann oder wenn es nur aus Furcht von Widerstand absieht.4 Dies soll im Rahmen der Gesetzesreform geändert werden. Nach dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung5 sollten die strafwürdigen Handlungen, die nicht unter § 177 Absatz 1 Nummer 1 und 2 StGB fallen, tatbestandlich neu gefasst und in den geltenden Missbrauchstatbestand des § 179 StGB (Sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger Personen) integriert werden. Im Gegenzug plante der Gesetzesentwurf der Bundesregierung, § 177 Absatz 1 Nr. 3 StGB und § 240 Absatz 4 Satz 2 Nr. 1 StGB zu streichen. Hingegen sieht die Beschlussempfehlung und der Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz 6 vor, § 179 StGB aus dem Gesetz zu streichen und stattdessen seinen Anwendungsbereich in § 177 StGB zu integrieren.7 Hierbei soll insbesondere § 177 Absatz 2 StGB neu gefasst werden und so dem oben näher erläuterten Ziel der Sexualstrafrechtsreform Rechnung getragen werden. Der Bundestag hat das Gesetz nunmehr am 7. Juli 2016 in zweiter und dritter Lesung beschlossen .8 Für die Änderungen der §§ 177, 179 StGB wurde die Fassung verabschiedet, wie sie in der 1 In der Fassung, wie sie in der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Recht und Verbraucher -schutz (6. Ausschuss) vom 6. Juli 2016 enthalten ist, BT-Drs. 18/9097, S. 5 ff. 2 Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.November 1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 8. Juli 2016 (BGBl. I, S. 1610); abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet .de/stgb/index.html [letzter Abruf: 11. August 2016]. 3 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 25. April 2016, Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Strafgesetz -buches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung, BT-Drs. 18/8210, S. 8. 4 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, BT-Drs. 18/9097, S. 2. 5 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 25. April 2016, Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Strafgesetz -buches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung, BT-Drs. 18/8210, S. 5 f. 6 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, BT-Drs. 18/9097. 7 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, BT-Drs. 18/9097, S.6-9. 8 Plenarsitzung des Deutschen Bundestages, Stenographischer Bericht der 183. Plenarsitzung, Plenarprotokoll 18/183,1815 D ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 127/16 Seite 5 Beschlussempfehlung und im Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz vorgesehen war.9 Es wurde also § 177 StGB-E10 neu gefasst und dort wurden die Missbrauchstatbestände aus § 179 StGB verankert. Vor dem Hintergrund dieser skizzierten anvisierten Änderung der §§ 177, 179 StGB geht es in dem vorliegenden Sachstand um folgende Fragen: Ergeben sich inhaltliche und systematische Probleme daraus, dass der bisherige § 179 StGB in § 177 Absatz 2 StGB-E aufgegangen ist und somit Opfer von Nötigung und Opfer von Missbrauch in diesem Tatbestand gleich behandelt werden? Wie ist das Verhältnis dieses neuen § 177 Absatz 2 StGB-E zu den übrigen Missbrauchstatbeständen ? 2. Inhaltliche und systematische Probleme der Neuregelung des § 177 Absatz 2 StGB-E Geklärt werden soll, ob es zu inhaltlichen und systematischen Problemen kommt, weil der bisherige § 179 StGB gestrichen und dafür § 177 Absatz 2 StGB-E erweitert werden soll und damit Opfer von Nötigung und Opfer von Missbrauch in dem neuen Tatbestand gleich behandelt werden sollen. Die Veränderungen, die durch die Neuregelung herbeigeführt werden, betreffen folgende Aspekte: den Strafrahmen, die im Wortlaut der Neufassung des § 177 Absatz 2 Nr. 2 StGB-E fehlende Widerstandsunfähigkeit des Missbrauchsopfer, das Fehlen der „Gefahr einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung“ als Qualifikationsmerkmal im Rahmen des Missbrauchs. 2.1. Strafrahmen Die Streichung des § 179 StGB und dessen Aufnahme in § 177 Absatz 2 StGB-E führt auf den ersten Blick zur Implementierung eines geringeren Strafrahmens, als er bisher in § 179 Absatz 1 StGB vorgesehen ist. Während § 179 StGB zurzeit einen Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vorsieht, lautet § 177 Absatz 2 StGB-E auszugsweise: „Ebenso11 wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn 9 Plenarsitzung des Deutschen Bundestages, Stenographischer Bericht der 183. Sitzung, Plenar-Prot. 18/183, 18015 D. 10 Die Abkürzung „StGB-E“ macht deutlich, dass das Gesetzgebungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Es handelt sich bei der Vorschrift mithin noch nicht um geltendes Recht. 11 Hervorhebung von den Verfassern. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 127/16 Seite 6 (…) 2. der Täter ausnutzt, dass die Person aufgrund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert.“12 Der Strafrahmen entspricht somit – wie sich durch das Wort „ebenso“ ergibt – demjenigen aus Absatz 1 des § 177 Absatz 2 StGB-E. Dieser sieht einen Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren vor: „Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder zur Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt , wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.“13 Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Handlungen, die den Tatbestand des zurzeit noch geltenden § 179 StGB erfüllen, in Zukunft mit einem höheren Strafmaß geahndet werden können. Denn §177 Absatz 4 StGB-E sieht vor: „Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.“14 Demnach führt die Integration des § 179 StGB in die neue Regelung des § 177 Absatz 2 StGB-E letztlich dazu, dass Handlungen im Sinne des § 179 Absatz 1 StGB nunmehr als Verbrechen ausgestaltet sind. Das hat zur Konsequenz, dass durch den Richter eine höhere Mindeststrafe anzuwenden ist. Diese Straftaten werden also, entgegen dem ersten Anschein, durch die Neuregelung nicht geringer bestraft. Insofern wird dem Schutz der sexuellen Selbstbestimmung von Personen, die aufgrund einer Krankheit oder Behinderung zu einer Willensbildung unfähig sind, im Rahmen der neuen Norm genauso Rechnung getragen als zuvor. Folglich ergeben sich vor dem Hintergrund der Neuregelung des Strafrahmens keine Probleme daraus, dass § 179 StGB in § 177 Absatz 2 StGB-E aufgehen soll. Inhaltlich fällt zudem auf, dass § 177 Absatz 2 Nr. 5 StGB-E künftig lediglich das Opfer einer einfachen Nötigung umfasst. Wird dem Opfer gegenüber weder Gewalt angewendet noch ihm mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben gedroht, so ist durch die Gleichbehandlung der beiden 12 In der Fassung, wie sie in der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Recht und Verbraucher -schutz enthalten ist, BT-Drs. 18/9097, S. 6. 13 In der Fassung, wie sie in der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Recht und Verbraucher -schutz enthalten ist, BT-Drs. 18/9097, S. 6. 14 In der Fassung, wie sie in der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Recht und Verbraucher -schutz enthalten ist, BT-Drs. 18/9097, S. 7. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 127/16 Seite 7 Opfertypen im Rahmen des Absatzes 2 lediglich ein Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren möglich. Allerdings hat der Gesetzgeber für die Neufassung des § 177 StGB-E besondere Qualifizierungstatbestände geschaffen. So ist gemäß § 177 Absatz 4 StGB-E auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr zu erkennen, wenn die Unfähigkeit einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht. Ähnlich der oben dargestellten Situation wird also die Handlung gegen widerstandsunfähige Personen zu einem Verbrechen hochgestuft. Letztlich bleibt also auch durch die Neufassung der besondere Schutz widerstandsunfähiger Personen gewährleistet. 2.2. Die im Wortlaut der Neufassung des § 177 Absatz 2 Nr. 2 StGB-E fehlende Widerstandsunfähigkeit des Missbrauchsopfer Durch die Neufassung des § 177 Absatz 2 Nr. 2 StGB-E soll der Tatbestand des zurzeit geltenden § 179 StGB aufgegriffen werden.15 § 179 StGB lautete bisher wie folgt: „ Wer eine andere Person, die 1. wegen einer geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung einschließlich einer Suchtkrankheit oder wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder 2. körperlich zum Widerstand unfähig ist, dadurch missbraucht, dass er unter Ausnutzung der Widerstandsunfähigkeit sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.“ Die Strafbarkeit eines Täters hängt demnach nach der derzeitigen Gesetzeslage davon ab, dass das Opfer im Zeitpunkt der Tatbegehung aufgrund der in Nr. 1 und Nr. 2 genannten Beeinträchtigungen zum Widerstand unfähig ist.16 Aus dem Wortlaut der Neufassung des § 177 Absatz 2 Nr. 2 StGB-E geht hingegen nicht hervor, dass das Opfer eines Missbrauchs im Sinne des § 179 StGB widerstandsunfähig sein muss. Vielmehr genügt es dem Wortlaut nach, dass es aufgrund seines körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens eingeschränkt ist, oder – nach Absatz 4 - aufgrund einer Krankheit oder Behinderung unfähig ist, einen Willen zu bilden. Dies scheint auf den ersten Blick dazu zu führen, dass § 177 Absatz 2 StGB-E nunmehr geringere Voraussetzungen normiert. Zu beachten ist allerdings, dass im Rahmen des § 179 Absatz 1 StGB derjenige als widerstandsunfähig zu qualifizieren ist, der aus seelischen oder körperlichen Gründen – sei es auch nur vorübergehend – keinen zur Abwehr gegen einen sexuellen Missbrauch 15 In der Fassung, wie sie in der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Recht und Verbraucher -schutz enthalten ist, BT-Drs. 18/9097, S. 24. 16 Ziegler in: von Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck´scher Online Kommentar, 31. Edition, § 179, Rdnr. 9. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 127/16 Seite 8 ausreichenden Widerstandswillen bilden, äußern oder durchsetzen kann.17 Da auch § 177 Absatz 2 StGB-E an das Fehlen der Möglichkeit einer Willensbildung anknüpft, ähneln sich die Voraussetzungen für eine Strafbarkeit in der alten und neuen Fassung der Vorschriften. 2.3. Fehlen der „Gefahr einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung “ als Qualifikationsmerkmal im Rahmen des Missbrauchs § 179 Absatz 5 StGB enthält verschiedene Qualifikationen. Dort heißt es u.a. „Auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren ist zu erkennen, wenn (…) 3. der Täter das Opfer durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung oder einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung bringt.“ In § 179 Absatz 5 StGB erfasst als Qualifikation neben der „Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung “ auch die“ Gefahr einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung“. Dagegen enthält die neue Regelung in § 177 Absatz 7 Nr. 3 StGB zwar auch einen Qualifikationstatbestand , der allerdings nur die „Gefahr der schweren Gesundheitsschädigung“, nicht jedoch die „Gefahr einer erheblichen Schädigung der körperlichen und seelischen Entwicklung“ auflistet . Die neue Regelung lautet: „Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren in zu erkennen, wenn der Täter (…) 3. das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.“ Aber auch dadurch wird der Schutz von widerstandsunfähigen Personen nicht herabgesetzt. Denn die erhebliche Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung kann von der Gesundheitsschädigung nicht exakt unterschieden werden, vielmehr überschneiden sich beide Qualifikationen 18, so dass die erhebliche Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung auch bisher schon als Unterfall der Gesundheitsschädigung angesehen kann19. Die Gleichbehandlung von Missbrauchs- und Nötigungsopfern in § 177 Absatz 2 StGB-E führt daher auch bei Berücksichtigung der genannten Qualifikationsgründe nicht zu einem geringeren 17 Ziegler, in: v. Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck’scher Online Kommentar, 31. Edition, § 179 Rn. 7 mit weiteren Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur. 18 Auf diese Überschneidung weist Frommel hin, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch, 4. Auflage, 2013, § 176a, Rn. 13. 19 So etwa: Ziegler in: v. Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck´scher Online Kommentar, 31. Edition, § 176, Rdnr. 14- 15. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 127/16 Seite 9 Schutz von widerstandsunfähigen Personen. § 177 StGB-E enthält in seinen Absätzen 4 bis 9 besonders schwere Fälle, die sowohl auf ein Nötigungs- als auch auf ein Missbrauchsopfer anwendbar sind. 3. Verhältnis der neuen Regelung des § 177 Absatz 2 StGB-E zu den übrigen Missbrauchstatbeständen Für das Konkurrenzverhältnis des § 177 Absatz 2 StGB-E zu den übrigen Missbrauchstatbeständen muss insbesondere auf eben jenes der Missbrauchstatbestände zum zurzeit noch geltenden § 179 StGB abgestellt werden. Denn dieser wird sodann in § 177 Absatz 2 StGB-E implementiert werden. Bei Umsetzung des Entwurfs ist nicht anzunehmen, dass sich das Konkurrenzverhältnis von § 177 Absatz 2 StGB-E zu den übrigen Missbrauchstatbeständen (§§ 174 ff.) anders darstellt als das Verhältnis des § 179 StGB zu den §§ 174 ff. StGB. Denn insoweit wird sich auswirken, dass die Regelungen der §§ 179 Absatz 1 und 2 StGB in den § 177 Absatz 2 StGB-E aufgehen sollen. 3.1. Verhältnis zum sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen, § 174 StGB § 179 Absatz 1 StGB war bisher in Idealkonkurrenz mit dem sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen , § 174 StGB, möglich20. § 179 StGB Absatz 2 StGB konnte ebenfalls mit § 174 Absatz 2 StGB in Idealkonkurrenz stehen. Gleiches wird fortan auch in Bezug auf § 177 Absatz 2 StGB gelten . 3.2. Verhältnis zu sexuellen Missbrauch von Gefangenen, behördlich Verwahrten oder Kranken und Hilfsbedürftigen in Einrichtungen, § 174a StGB Auch im Verhältnis zum sexuellen Missbrauch von Gefangenen, behördlich Verwahrten oder Kranken und Hilfsbedürftigen in Einrichtungen, § 174a StGB, sind keine Veränderungen im Konkurrenzverhältnis zu erwarten. Bisher konnte § 179 Absatz 1 StGB in Idealkonkurrenz zu § 174a StGB stehen.21 Da § 179 Abs. 1 StGB in die neue Regelung des § 177 Abs. 2 StGB-E integriert worden ist, wird auch zwischen § 177 Abs. 2, 1. Alternative StGB-E und § 174a StGB Idealkonkurrenz bestehen können. 20 Eisele, in: Schönke/Schröder(Hrsg.), StGB, 29.Auflage, § 179, Rdnr. 16; Renzikowski, in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Auflage, § 179, Rdnr. 72. 21 Eisele, in: Schönke/Schröder(Hrsg.), StGB, 29.Auflage, § 179, Rdnr. 16. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 127/16 Seite 10 Dagegen konnte § 179 Absatz 2 StGB nicht in Idealkonkurrenz zu § 174a StGB stehen. Denn in § 179 Absatz 2 StGB wird voraussetzt, dass der Täter das Opfer dazu bestimmt, sexuelle Handlungen an einem Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen; Voraussetzung für § 179 Absatz 2 StGB ist also ein Drei-Personen-Verhältnis. § 179 Absatz 2 StGB wird von der zweiten Alternative in § 177 Absatz 2 StGB-E erfasst, wo ebenfalls ein Drei-Personen -Verhältnis erforderlich ist. Insoweit wird auch § 177 Absatz 2, 2. Alternative StGB-E ebenso wie § 179 Absatz 2 StGB nicht zu § 174a StGB in Idealkonkurrenz stehen können. 3.3. Verhältnis zum sexuellen Missbrauch unter Ausnutzung einer Amtsstellung,§ 174b StGB Entsprechendes gilt für § 174b StGB. Auch im Rahmen der ersten Alternative des neuen § 177 Absatz 2 StGB-E ist ebenso wie bei § 179 Absatz 2 StGB eine Idealkonkurrenz mit § 174b StGB möglich. Dagegen scheidet eine Idealkonkurrenz zwischen § 177 Absatz 2, 2. Alternative StGB-E ebenso aus wie zwischen § 179 Absatz 2 StGB und § 174b StGB, weil im Gegensatz zu § 177 Absatz 2, 2. Alternative StGB-E und zu § 179 Absatz 2 StGB die Regelung des § 174b StGB kein Drei-Personen-Verhältnis voraussetzt. 3.4. Verhältnis zum sexuellen Missbrauch von Kindern, § 176 StGB § 176 Absatz 1 StGB erfasst Handlungen zwischen Täter und Opfer, während § 176 Absatz 2 StGB ebenfalls ein Drei-Personen-Verhältnis beschreibt. Ebenso wie § 179 Absatz 1 StGB mit § 176 Absatz 1 StGB in Idealkonkurrenz stehen kann, gilt dies auch für § 177 Absatz 2, 1. Alternative StGB-E. Und in gleicher Weise kann zwischen § 177 Absatz 2, 2. Alternative StGB-E und § 176 Absatz 2 StGB Idealkonkurrenz angenommen werden, wie dies bisher zwischen § 179 Absatz 2 StGB und § 176 Absatz 2 StGB möglich war. Für die Qualifikationstatbestände des § 176a StGB22 und das erfolgsqualifiziertes Delikt in § 176b StGB23 gilt Entsprechendes. Ende der Bearbeitung 22 Ziegler in: v. Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck´scher Online Kommentar, 31. Edition, § 176a, Rdnr. 1, 3. 23 Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, 28. Auflage 2014, § 176b, Rn. 1.