© 2016 Deutscher Bundestag WD 7 – 3000 – 126/16 Festlegung wissenschaftlicher Kriterien für endokrine Disruptoren Entwürfe der Kommission für EU-Rechtsakte Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Zivilgesellschaftliche Akteure 9 3.7. Industrie und Landwirtschaft 10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 126/16 Seite 4 1. Einleitung Die Kommission hat am 15. Juni 2016 Kriterien zur Bestimmung hormonstörender Wirkstoffe (endokriner Disruptoren) im Zusammenhang mit Pflanzenschutzmitteln und Biozidprodukten vorgelegt. Dabei handelt es sich um zwei Entwürfe für Rechtsakte, zum einen den Entwurf einer Verordnung zur Festlegung wissenschaftlicher Kriterien für die Bestimmung endokrinschädigender Eigenschaften und zur Änderung von Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 1107/20091 (im Folgenden Pflanzenschutz-Verordnung), C(2016) 3751 projet2, und zum anderen den Entwurf einer delegierten Verordnung zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 528/20123 (im Folgenden Biozid-Verordnung), C(2016) 3572 projet4. Nachfolgend wird ein Überblick über den Inhalt der vorgeschlagenen wissenschaftlichen Kriterien und deren Diskussion gegeben. 2. Entwürfe der Kommission für EU-Rechtsakte Die EU-Verordnungen für Pflanzenschutzmittel und Biozide sehen vor, dass Wirkstoffe mit endokrinschädigenden Eigenschaften grundsätzlich nicht zugelassen werden. Ausnahmen davon sind bei Biozidprodukten lediglich in Fällen möglich, in denen das Risiko für Menschen, Tiere und Umwelt unter näher zu bestimmenden Bedingungen vernachlässigbar ist5, bei Pflanzenschutzmitteln in Fällen, in denen die Exposition von Menschen und nicht zu bekämpfenden Organismen unter näher bestimmten Bedingungen vernachlässigbar ist6. Die von der Kommission vorgeschlagenen wissenschaftlichen Kriterien basieren auf der Definition endokriner Disruptoren der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Danach sind endokrine Disruptoren „von außen zugeführte Stoffe oder Gemische, die die Funktion des Hormonsystems verändern und dadurch gesundheitlich schädliche Wirkungen in einem intakten Organismus, bei 1 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates (ABl. L 309 vom 24.11.2009, S. 1). 2 Entwurf einer Verordnung (EU) der Kommission zur Festlegung wissenschaftlicher Kriterien für die Bestimmung endokrinschädigender Eigenschaften und zur Änderung von Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 (Text von Bedeutung für den EWR), C(2016) 3751 projet. 3 Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten (Text von Bedeutung für den EWR) (ABl. L 167 vom 27.6.2012, S. 1). 4 Entwurf einer delegierten Verordnung (EU) der Kommission zur Festlegung wissenschaftlicher Kriterien für die Bestimmung endokrinschädigender Eigenschaften gemäß Artikel 5 Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 (Text von Bedeutung für den EWR), C(2016) 3752 projet. 5 Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe a) Verordnung (EU) Nr. 528/2012. 6 Anhang II Nummer 3.6.5 erster Absatz und Nummer 3.8.2 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 126/16 Seite 5 den Nachkommen oder in (Teil-)Populationen verursachen“7. Es bedarf nach den Entwürfen der Kommission somit einer Kausalbeziehung zwischen endokriner Wirkungsweise und den schädigenden Wirkungen. Nur vermutete hormonstörende Eigenschaften von Stoffen sollen von der Regelung nicht erfasst werden. In ihrer Pressemitteilung vom 15. Juni 2016 führt die Kommission aus, dass die vorgestellten Kriterien auch festhalten, wie die Bestimmung eines endokrinen Disruptors erfolgen soll, nämlich unter Heranziehung aller relevanten wissenschaftlichen Erkenntnisse, mit einer Gewichtung der Erkenntnisse nach ihrer Beweiskraft („Weight-of-evidence“-Ansatz) und mit einer robusten systematischen Überprüfung.8 3. Diskussion der Entwürfe Die von der Kommission vorgelegten Kriterien werden kontrovers diskutiert. Dabei sind insbesondere folgende Punkte Gegenstand der Debatte: Einhaltung der ihr unionsrechtlich vorgegebenen Durchführungsbefugnisse durch die Kommission, Vereinbarkeit der vorgeschlagenen Bestimmungen mit dem in der EU anzuwendenden Vorsorgeprinzip9, Einfluss der vorgeschlagenen Bestimmungen auf das Schutzniveau in anderen Regelungsbereichen zu Gesundheit und Umwelt, Abweichung der Kommission in den Rechtsaktentwürfen von den Handlungsoptionen der Roadmap von Juni 201410, Erhöhung der wissenschaftlichen Beweislast, um eine Substanz als schädlich einzustufen. 7 International Programme on Chemical Safety (IPCS), World Health Organization (WHO), Global assessment of state-of-the-science of endocrine disruptors, 2002, abrufbar unter: http://www.who.int/ipcs/publications /new_issues/endocrine_disruptors/en/. 8 „Kommission legt wissenschaftliche Kriterien für die Bestimmung endokriner Disruptoren in den Bereichen Pestizide und Biozide vor“, Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 15. Juni 2016 (IP/16/2152), abrufbar unter: http://europa.eu/rapid/press-release_IP-16-2152_de.htm. 9 Zur Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips in der EU siehe die Mitteilung der Kommission vom 2.2.2000, KOM (2000) 1 endgültig, abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52000DC0001&rid=1. 10 Abrufbar unter: http://ec.europa.eu/smart-regulation/impact/planned_ia/docs/2014_env_009_endocrine_disruptors _en.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 126/16 Seite 6 3.1. Bundesamt für Risikobewertung Das Bundesamt für Risikobewertung begrüßt die wissenschaftlichen Kriterien, die die Kommission für die Identifizierung endokriner Disruptoren aufgestellt hat.11 Die Festlegung dieser Kriterien sei eine verbindliche Grundlage für die Regulierung von hormonell schädigenden Stoffen, um ein hohes Schutzniveau für Verbraucherinnen und Verbraucher zu gewährleisten.12 Das Bundesamt für Risikobewertung geht davon aus, dass die vorgelegten Kriterien nach dem Prinzip „Ein Stoff- eine Bewertung“ für alle natürlich vorkommenden und synthetisch hergestellten Stoffe angewandt werden können, um so die Exposition gegenüber endokrinen Disruptoren insgesamt zu minimieren.13 Es sei zudem essentiell, für die zwei Rechtsakte harmonisierte technische Leitlinien für praktikable Entscheidungen aller EU-Behörden zu erarbeiten und abzustimmen , um eine transparente Identifizierung chemischer Stoffe zu ermöglichen.14 Eine solche Identifizierung solle auf Grundlage des von der Kommission vorgeschlagenen „Weight-of-evidence“- Ansatzes erfolgen, der zum Beispiel Qualität, Zuverlässigkeit, Reproduzierbarkeit und Schlüssigkeit der wissenschaftlichen Nachweise berücksichtige.15 3.2. Regierungen und Behörden anderer Mitgliedstaaten Die Umweltminister Frankreichs, Dänemarks und Schwedens wendeten sich in einem Brief an den EU-Kommissar für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Vytenis Andriukaitis, in dem sie begrüßten, dass die Kommission sich mit den vorgelegten Kriterien an der Definition der WHO orientiere und bei der Bestimmung endokriner Disruptoren die Wirkstärke nicht berücksichtige.16 Inhaltlich wurde bemängelt, dass nur Stoffe, von denen bekannt sei, dass sie hormonverändernd seien, erfasst und keine Regelung für mutmaßliche Wirkungen getroffen wurde.17 Die vorgeschlagene Änderung der sog. Pflanzenschutz-Verordnung könne den Schutz der menschlichen Gesundheit nicht ausreichend gewährleisten.18 11 Bundesamt für Risikobewertung (BfR), BfR begrüßt wissenschaftliche Kriterien der EU-Kommission für die Identifizierung endokriner Disruptoren, Mitteilung Nr. 015/2016 vom 17. Juni 2016, S. 1, abrufbar unter: http://www.bfr.bund.de/cm/343/bfr-begruesst-wissenschaftliche-kriterien-der-eu-kommission-fuer-die-identifizierung -endokriner-disruptoren.pdf. 12 BfR, Fn. 11, S. 1. 13 BfR, Fn. 11, S. 2. 14 BfR, Fn. 11, S. 2. 15 BfR, Fn. 11, S. 2. 16 Brief der Umweltminister Frankreichs, Dänemarks und Schwedens vom 20.6.2016, abrufbar unter: http://www.regeringen.se/globalassets/regeringen/dokument/miljo--och-energidepartementet/pdf/vytenisandriukaitis .pdf. 17 Brief der Umweltminister Frankreichs, Dänemarks und Schwedens vom 20.6.2016, Fn. 16. 18 Brief der Umweltminister Frankreichs, Dänemarks und Schwedens vom 20.6.2016, Fn. 16. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 126/16 Seite 7 Die französische Behörde für Ernährung, Umwelt-und Arbeitsschutz (ANSES) kritisierte, dass die Vorschläge der Kommission keine einheitlichen Kategorien von Kriterien für alle chemischen Substanzen, unabhängig ihres Gebrauchs, vorsehen würden.19 Sie sprach sich dafür aus, dass neben nachgewiesenen hormonverändernden Stoffen auch mutmaßliche endokrine Disruptoren erfasst werden sollten.20 Da hinsichtlich mutmaßlicher Disruptoren keine Regelung getroffen wurde, habe die Kommission nur einen Teil der WHO-Definition umgesetzt, was zu sehr strengen Identifikationskriterien führe.21 3.3. Ständige Ausschüsse der EU und Sachverständigengruppen der Mitgliedstaaten In der Sitzung des Ständigen Ausschusses für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel am 22. Juni 2016 wurde von mehreren Vertretern der Mitgliedstaaten kritisiert, dass viele Stoffe von den Definitionskriterien nicht erfasst würden, da die Beweislast zu hoch sei.22 Zudem wurden die unter 3.6.5. der Biozid-Verordnung vorgesehenen Ausnahmeregelungen kritisch diskutiert, die eine weitere Verwendung eines hormonschädigenden Biozids zulässt, sofern die Exposition einen bestimmten festzulegenden Schwellenwert nicht überschreitet.23 Zwei Mitgliedstaaten erklärten , dass sie eine Definition favorisierten, die zusätzlich zu den nachgewiesen schädlichen auch mutmaßlich schädliche Wirkstoffe erfasse.24 Die Sachverständigengruppe der Mitgliedstaaten im Rahmen der Member States Competent Authorities for the implementation of Regulation (EU) No 528/2012 diskutierte insbesondere über die möglichen Auswirkungen, die die Kriterien auf andere Regelungsbereiche haben würden sowie die Abweichungen der Kommission von der Roadmap von Juni 2014.25 Dabei äußerten mehrere Mitgliedstaaten Bedenken in Bezug auf die Tatsache, dass die Kriterien nur nachgewiesene, nicht aber mutmaßlich hormonstörende Wirkstoffe erfassten.26 Die Kommission erklärte hierzu, 19 French Agency for Food, Environmental and Occupational Health & Safety (ANSES), Opinion on “the definition of scientific criteria for defining endocrine disruptors”, Request No 2016-SA-0133, Maisons-Alfort 2016, S. 3 abrufbar unter: https://www.anses.fr/en/system/files/SUBCHIM2016SA0133EN.pdf. 20 ANSES, Fn. 19, S. 3. 21 ANSES, Fn. 19, S. 4. 22 Summary Report of the Standing Committee on Plants, Animals, Food and Feed held in Brussels on 22 June 2016, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/food/plant/docs/sc_phyto_20160622_pppl_sum.pdf. 23 Summary Report of the Standing Committee on Plants, Animals, Food and Feed held in Brussels on 22 June 2016, Fn. 22. 24 Summary Report of the Standing Committee on Plants, Animals, Food and Feed held in Brussels on 22 June 2016, Fn. 22. 25 65th meeting of representatives of Members States Competent Authorities for the implementation of Regulation (EU) No 528/2012 concerning the making available on the market and use of biocidal products, 22 June 2016, S. 3- 4, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/health/endocrine_disruptors/docs/ev_20160622_mi_en.pdf. 26 65th meeting of representatives of Members States Competent Authorities for the implementation of Regulation (EU) No 528/2012 concerning the making available on the market and use of biocidal products, 22 June 2016, Fn. 25, S. 4. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 126/16 Seite 8 die vorgeschlagenen Kriterien stützten sich auf die Definition der WHO und würden den Geltungsbereich der Verordnungen trotz fehlender Regulierung mutmaßlich hormonstörender Wirkstoffe nicht einschränken.27 3.4. Mitglieder des Europäischen Parlaments Mitglieder des Europäischen Parlaments äußerten sich in zwei Briefen an die Mitglieder28 zu dem Kommissionsentwurf. Darin kritisieren sie die Entwürfe insbesondere aus zwei Gründen: Zum einen seien die vorgeschlagenen Kriterien zu restriktiv und nicht in Übereinstimmung mit der Praxis für vergleichbare Substanzen. Zum anderen habe die Kommission ihre unionsrechtlich vorgegebenen Befugnisse überschritten, indem sie Änderungen im Anhang II des Entwurfs zur Pflanzenschutz-Verordnung vorsehe, die von einem gefahrenbasierten zu einem risikobasierten Ansatz führten. Eine solche Entscheidung unterfiele jedoch dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren . 3.5. Wissenschaftler Die Endokrinologische Gesellschaft (Endocrine Society), die größte internationale Organisation aus Wissenschaftlern im Bereich der Endokrinologie, gab in einer Pressemitteilung zu bedenken, dass die vorgeschlagenen Kriterien derart strikt seien, dass ein effektiver Schutz der Menschen vor endokrinen Disruptoren nicht möglich sei.29 Als Resultat würden nur wenige Wirkstoffe identifiziert und von der Regulierung erfasst werden.30 Des Weiteren richtete sich eine Reihe von Wissenschaftlern in einem offenen Brief an den EU- Kommissar Andriukaitis, in dem sie ebenfalls kritisierten, dass aufgrund der hohen Beweislast 27 65th meeting of representatives of Members States Competent Authorities for the implementation of Regulation (EU) No 528/2012 concerning the making available on the market and use of biocidal products, 22 June 2016, Fn. 25, S. 4- 5. 28 Briefe der Abgeordneten des Europäischen Parlaments Eickhout, Pietikäinen, Poč, Hazekamp und Pedicini jeweils vom 21. Juni 2016 an die Vertreter der Mitgliedstaaten in den Competent Authorities for Biocidal Products (Regulation (EU) No 528/2012) (abrufbar unter: https://circabc.europa.eu/webdav/Circa BC/SANTE/BPR%20-%20Public/Library/CA%20meetings/Endocrine%20disruptors/CA-Sept-Doc.3.2- %20MEPs%20letter%20MS%20and%20COM%20ED%20criteria%20biocides%2021%20June%202016.pdf) sowie an die Mitglieder des Standing Committee on Plants, Animals, Food an Feed (abrufbar unter: http://www.greens-efa.eu/toxic-substances-15658.html). 29 Pressemitteilung der Endocrine Society, European Commission’s Overreaching Decision Fails to Protect Public Health, 15. Juni 2016, abrufbar unter: http://www.endocrine.org/news-room/current-press-releases/europeancommissions -overreaching-decision-fails-to-protect-public-health. 30 Pressemitteilung der Endocrine Society, Fn. 31. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 126/16 Seite 9 nur wenige endokrine Disruptoren erfasst würden, sowie bemängelten, dass es an einem schlüssigen Indentifikations- und Evaluationsprozess der einzelnen Wirkstoffe fehle.31 3.6. Zivilgesellschaftliche Akteure Die mit den Kommissionsentwürfen verbundenen unionsrechtlichen Fragestellungen werden in einem von Client Earth in Auftrag gegebenen Gutachten32 der Sonderforschungsgruppe Institutionenanalyse Darmstadt untersucht. Das Gutachten stellt die in der Roadmap von 2014 festgelegten Handlungsoptionen dar und nimmt eine rechtliche Bewertung der Kommissionskriterien vor. Die vorgelegten Kriterien stehen danach nicht im Einklang mit den Zielen und dem systematischen Kontext sowohl der Biozid- als auch der Pflanzenschutz-Verordnung. In Art. 5 der Biozid-Verordnung sowie im Anhang II der Pflanzenschutz-Verordnung seien neben nachgewiesenen hormonverändernden Stoffen auch solche mit einer mutmaßlich hormonverändernden Wirkung genannt. Derartige mutmaßlich hormonverändernde Stoffe würden von den Kriterien nicht erfasst. Die Kriterien gingen von einem gefahrenbasierten Ansatz aus und beruhten ausschließlich auf wissenschaftlichen Erwägungen. Insoweit entsprächen sie auch dem der Kommission gewährten Handlungsspielraum. Jedoch führe die Tatsache, dass nur mutmaßlich hormonverändernde Stoffe von den Kriterien nicht erfasst würden, zu einer Unterminierung des gefahrenbasierten Ansatzes. Daher habe die Kommission diesbezüglich die ihr übertragenen Kompetenzen überschritten . Die Kommission sei darauf beschränkt gewesen, nur nicht essentielle Bereiche der Verordnungen zu modifizieren. Durch das Außerachtlassen von mutmaßlich hormonverändernden Stoffen würden die Verordnungen allerdings derart verändert, dass ihr Kernbereich und damit fundamentale Leitlinien der bezweckten Politik betroffen seien. 33 Somit seien die Kriterien sogar strenger, als es die Roadmap von Juni 2014 vorsehe. 34 Auch durch die Änderung des Wortlautes des Anhangs II, 3.6.5. der Pflanzenschutzmittel-Verordnung von „Wirkstoffen, die schädliche Auswirkungen auf Menschen haben können (…)“ zu „Stoff mit für Menschen relevanten endokrinschädigenden Eigenschaften (…) sei nicht im Rahmen der Kompetenz der Kommission. 35 Die Kommission sei durch die Beschränkung auf nachgewiesene hormonverändernde Wirkstoffe von der WHO-Definition abgewichen. 36 31 Open letter in response to the proposed criteria for identification and regulation of endocrine disrupting chemicals , under the PPP and Biocides Regulations, 6. Juli 2016, abrufbar unter: http://policyfromscience.com/wpcontent /uploads/2016/07/Open-Letter-to-Andriukaitis-about-EDC-Criteria1.pdf. 32 Schenten, Julian; Führ, Martin, The European Commission Proposals and Legal Requirements Concerning the Determination of Scientific Criteria to Identify Endocrine Disruptive Properties of Active Substances, sofia- Studien 16-3, Darmstadt 2016, abrufbar unter: http://www.sofia-darmstadt.de/fileadmin/Dokumente /Studien/2016/Online_Schenten_and_Fuehr_Endocrine_disrupters_.pdf. 33 Schenten/Führ, Fn. 34, S. 34. 34 Schenten/Führ, Fn. 34, S. 34. 35 Schenten/Führ, Fn. 34, S. 35f. 36 Schenten/Führ, Fn. 34, S. 33. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 126/16 Seite 10 Das Pestizid Aktions-Netzwerk e.V. (PAN Germany) und Women in Europe for a Common Future e.V. (WECF Deutschland) üben starke Kritik an den Kommissionsentwürfen.37 Nachdem ursprünglich der Beleg einer hormonschädlichen Stoffeigenschaft für eine Regulierung ausgereicht habe, müsse nun die Relevanz eines schädlichen Effekts beim Menschen tatsächlich nachgewiesen werden, um ein Verwendungsverbot zu initiieren.38 Damit werde das unionsrechtliche Vorsorgeprinzip umgangen.39 Da zu erwarten sei, dass die Kriterien auch auf andere Regulierungen angewendet werden, sei eine effektive Reduzierung der Exposition durch endokrine Disruptoren nicht möglich.40 Der Europäische Verbraucherverband (BEUC) lehnt die Vorschläge der Kommission mit Hinweis auf die hohe Beweislast ab, da nur solche Stoffe erfasst würden, deren hormonverändernde Wirkung bereits bekannt sei, jedoch nicht solche, deren Wirkung nur mutmaßlich angenommen werde.41 Nur wenige Substanzen würden nach den Kommissionsvorschlägen überhaupt als endokrine Disruptoren eingestuft werden.42 3.7. Industrie und Landwirtschaft Vertreter der Pestizid-, der Chemikalien- und der Plastikindustrie, darunter der European Chemical Industry Council (Cefic), die European Crop Protection Agency (ECPA) und Plastics Europe veröffentlichten eine gemeinsame Erklärung, in der sie ihre Enttäuschung darüber ausdrücken, dass die Kriterien aufgrund der Ausnahmeregelungen noch immer keine eindeutige Klassifizierung von Wirkstoffen zuließen und daher keine Planungssicherheit hinsichtlich Produktentwicklung und Innovation bestehe.43 Wirkstoffe von hoher und von weniger hoher Belastung könnten anhand der WHO-Definition nicht unterschieden werden.44 Dadurch würden auch solche Stoffe 37 Gemeinsame Presseinformation von PAN Germany und WECF, Kein Schutz für Mensch und Umwelt: EU Kommission legt Vorschläge zur Identifizierung hormonell wirksamer Chemikalien vor, 15. Juni 2016, abrufbar unter : http://www.pan-germany.org/download/presse/PAN%20Germany-WECF-PI_KOM-Entwuerfe_EDC-Kriterien _160615_F.pdf. 38 Gemeinsame Presseinformation von PAN Germany und WECF, Fn. 39. 39 Gemeinsame Presseinformation von PAN Germany und WECF, Fn. 39. 40 Gemeinsame Presseinformation von PAN Germany und WECF, Fn. 39. 41 The European Consumer Organisation (BEUC), Hormone-disrupting chemicals: When will the EU act against these everyday toxicants? BEUC Position on the Regulation of Endocrine Disruptors, Brüssel 2016, S. 7, abrufbar unter: http://www.beuc.eu/publications/beuc-x-2016-077_beuc_regulation_of_edcs.pdf. 42 BEUC, Fn. 43, S. 7. 43 Cefic, European Crop Protection Agency (ECPA), Plastics Europe, Joint Statement EU chemical, crop protection and plastics industries react to European Commission proposal for Endocrine Disruptor criteria, 15 Juni 2016, abrufbar unter: http://www.cefic.org/Documents/Media%20Center/News/ED-Joint-Statement-Cefic-ECPA-Plastics Europe-15-June-2016.pdf. 44 Cefic, ECPA, Plastics Europe, Fn. 45. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 126/16 Seite 11 als endokrine Disruptoren identifiziert, die kein Risiko für die menschliche Gesundheit oder Umwelt darstellten.45 Folglich müsse auch die Wirksamkeit eines Stoffes bei der Definition von Kriterien berücksichtigt werden.46 Copa Cogeca, organisatorische Interessenvertretung der europäischen Landwirtschaft, betonte, dass sie statt des gefahrenbasierten Ansatzes der Kommission einen risikobasierten Ansatz befürworte .47 Weitere Beschränkungen für Pflanzenschutzmittel würden einen Wettbewerbsnachteil für europäische Landwirte zur Folge haben.48 - Ende der Bearbeitung - 45 Cefic, ECPA, Plastics Europe, Fn. 45. 46 Cefic, ECPA, Plastics Europe, Fn. 45. 47 European Farmers (Copa), European Agri-Cooperatices (Cogeca), Pressemitteilung vom 15 Juni 2016, Copa & Cogeca urge Member States to ensure all decisions on criteria to identify endocrine disruptors and authorization of them on EU market based on science using risk-based approach, abrufbar unter: http://www.copa-cogeca .be/Download.ashx?ID=1533663&fmt=pdf. 48 Copa Cogeca, Fn. 49.