© 2017 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 121/17 Minderjährige in Aufsichtsräten kommunaler Unternehmen – Beurteilung aus gesellschaftsrechtlicher Sicht Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 121/17 Seite 2 Minderjährige in Aufsichtsräten kommunaler Unternehmen – Beurteilung aus gesellschaftsrechtlicher Sicht Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 121/17 Abschluss der Arbeit: 16. Oktober 2017 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 121/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 1.1. Haftungsproblematik in Aufsichtsräten 4 1.2. Rechtsformen kommunaler Unternehmen 4 2. Regelung für die Aktiengesellschaft zu den persönlichen Voraussetzungen von Aufsichtsratsmitgliedern 5 3. Regelung für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu den persönlichen Voraussetzungen von Aufsichtsratsmitgliedern 6 4. Möglichkeit, für minderjährige Aufsichtsratsmitglieder über die §§ 112, 113 BGB eine partielle volle Geschäftsfähigkeit in Bezug auf die Tätigkeit im Aufsichtsrat zu gewähren 8 5. Zusammenfassung 10 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 121/17 Seite 4 1. Einleitung Vor dem Hintergrund einer Anfrage, inwieweit 16-Jährigen das passive Wahlrecht auf kommunaler Ebene zuerkannt werden kann, soll im Folgendem geklärt werden, ob die gewählten minderjährigen Abgeordneten auch von ihrer Fraktion in einen Aufsichtsrat einer kommunalen Gesellschaft gewählt werden dürften. Dabei geht es in dem vorliegenden Sachstand ausschließlich um die Frage, ob aus gesellschaftsrechtlicher oder allgemein zivilrechtlicher Sicht Minderjährige Mitglieder in Aufsichtsräten sein können. 1.1. Haftungsproblematik in Aufsichtsräten Die Problematik von Minderjährigen in Aufsichtsräten besteht insbesondere in der persönlichen Haftung der Aufsichtsratsmitglieder. Durch diese persönliche Haftung erlangt das Aufsichtsratsmitglied mit seinen Willenserklärungen im Aufsichtsrat, nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil i.S.d. § 107 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)1. Die Willenserklärung bedürfte deshalb der Einwilligung der gesetzlichen Vertreter; sie wäre ohne diese Einwilligung schwebend unwirksam, bei einseitigen Rechtsgeschäften i.S.d. § 111 Satz 1 BGB sogar unwirksam, ohne die Möglichkeit, ihre Wirksamkeit durch nachträgliche Genehmigung des gesetzlichen Vertreters zu erreichen. In diesem Zusammenhang ist zu klären, inwieweit die Vorschriften der §§ 112, 113 BGB, die für bestimmte Bereiche eine partielle unbeschränkte Geschäftsfähigkeit für Minderjährige ermöglichen, sich heranziehen lassen, damit auch Minderjährige in einen Aufsichtsrat berufen werden könnten . 1.2. Rechtsformen kommunaler Unternehmen Die in Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz (GG)2 verankerte Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden, ermöglicht diesen, bestimmte Aufgaben aus der allgemeinen Gemeindeverwaltung herauszunehmen und diese mehr oder weniger zu verselbständigen. Zu solchen Aufgaben gehören insbesondere Tätigkeiten der Daseinsvorsorge, wie sie zum Beispiel von den Stadtwerken, Entsorgungsbetrieben , Nahverkehrsbetrieben, Wirtschaftsförderungsgesellschaften, Krankenhäusern, Pflegeheimen , Wohnraumvermittlungsgesellschaften und Sparkassen wahrgenommen werden. Die Gemeinden können diese Aufgaben nicht nur in öffentlich-rechtlichen, sondern auch in privatrechtlichen Formen ausführen. Dabei spielt die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) eine besonders große Rolle. Denkbar ist aber auch, das kommunale Unternehmen als gemeinnützige GmbH (gGmbH) oder als Aktiengesellschaft (AG) zu organisieren. Bei den genannten Gesellschaften ist die Haftung jeweils beschränkt. Diese Gesellschaftsformen eignen sich daher besonders für kommunale Unternehmen, weil die Kommunalverfassungen bzw. Gemeindeordnungen jeweils Vorschriften enthalten, wonach gemeindliche Unternehmen in Privatrechtsform in der Regel nur 1 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2787), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/BJNR001950896.html [letzter Abruf: 16. Oktober 2017]. 2 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100- 1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 13. Juli 2017 (BGBl. I S. 2347), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/gg/BJNR000010949.html [letzter Abruf: 16. Oktober 2017]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 121/17 Seite 5 zulässig sind, wenn die Haftung der Gemeinde auf einen bestimmten, ihrer Leistungsfähigkeit angemessenen Betrag begrenzt ist.3 Im Folgenden wird daher geprüft, inwieweit die gesetzlichen Vorgaben zu Aufsichtsräten einer AG oder einer GmbH die Beteiligung Minderjähriger ermöglichen und inwieweit über die §§ 112, 113 BGB eine partielle volle Geschäftsfähigkeit für die Mitgliedschaft in einem Aufsichtsrat anerkannt werden kann. 2. Regelung für die Aktiengesellschaft zu den persönlichen Voraussetzungen von Aufsichtsratsmitgliedern Gemäß § 100 Abs. 1 Aktiengesetz (AktG)4 können zu Mitgliedern in Aufsichtsräten von AGs nur natürliche geschäftsfähige Personen berufen werden. In einen Aufsichtsrat können damit nur volljährige Personen i.S.d. § 2 BGB berufen werden, die die volle Geschäftsfähigkeit besitzen. Auch Betreute nach den §§ 1896 ff. BGB können nicht zu Aufsichtsratsmitgliedern bestellt werden und zwar selbst dann nicht, wenn sie nur teilweise einem Einwilligungsvorbehalt nach § 1903 BGB unterliegen. Dies hat der Gesetzgeber in § 100 Satz 2 AktG ausdrücklich klargestellt. Hintergrund für die Regelung in § 100 AktG ist das Anliegen, die persönliche Verantwortlichkeit und Amtswahrnehmung aller Aufsichtsratsmitglieder zu sichern.5 3 Vgl. zum Beispiel die Regelungen in: § 92 Abs. 1 Nr. 3 BayGO. Gemeindeordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. August 1998 (GVBl. S. 796, BayRS 2020-1-1-I), zuletzt geändert durch Art. 17a Abs. 2 des Gesetzes vom 13. Dezember 2016 (GVBl. S. 335); abrufbar unter: http://www.gesetze-bayern.de/Content /Document/BayGO/true?AspxAutoDetectCookieSupport=1 [letzter Abruf: 16. Oktober 2017]. § 102 Abs. 1 Nr. 2 GO BW, Gemeindeordnung für Baden-Württemberg in der Fassung vom 24. Juli 2000, GBl. 2000, 581, ber. S. 698, abrufbar unter: http://www.landesrecht-bw.de/jportal/;jsessionid =8F789ED35062F7D9898A081727D7F90F.jp80?quelle=jlink&query=GemO+BW&psml=bsbawueprod .psml&max=true&aiz=true#jlr-GemOBWV8P102 [letzter Abruf: 16. Oktober 2017]. § 1027 Abs. 1 Nr. 2 GO NRW, Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, Bekanntmachung der Neufassung vom 14. Juli 1994, zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 15. November 2016 (GV. NRW. S. 966), in Kraft getreten am 29. November 2016, abrufbar unter: https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_text_anzeigen ?v_id=2320021205103438063#FV [letzter Abruf: 16. Oktober 2017]. 4 Aktiengesetz vom 6. September 1965 (BGBl. I S. 1089), zuletzt geändert durch Artikel 9 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2446), Hinweis: Änderung durch Art. 8 G v. 11.4.2017 I 802 (Nr. 20) textlich nachgewiesen, dokumentarisch noch nicht abschließend bearbeitet; Änderung durch Art. 24 Abs. 16 G v. 23.6.2017 I 1693 (Nr. 39) mWv 3.1.2018 textlich nachgewiesen, dokumentarisch noch nicht abschließend bearbeitet; Änderung durch Art. 9 G v. 17.7.2017 I 2446 mWv 22.7.2017 (Nr. 48) textlich nachgewiesen, dokumentarisch noch nicht abschließend bearbeitet [letzter Abruf: 29. September 2017], abrufbar unter: https://www.gesetze-iminternet .de/aktg/BJNR010890965.html [letzter Abruf: 16. Oktober 2017]. 5 Henssler, in: Henssler / Strohn, Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, München 2016, § 100 AktG Rn. 2; Simons, in: Hölters, Aktiengesetz, 3. Auflage, München 2017, § 100 Rn. 6 f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 121/17 Seite 6 Deshalb sollen beschränkt Geschäftsfähige auch dann nicht in den Aufsichtsrat einer AG wählbar sein, wenn die gesetzlichen Vertreter zugestimmt oder eine Ermächtigung nach §§ 112, 113 BGB erklärt haben und die gegebenenfalls erforderliche Genehmigung des Familiengerichts vorliegt.6 Fraglich ist, ob durch die Satzung von der Regelung des § 100 Abs. 1 AktG abgewichen werden kann, so dass auch Minderjährige Mitglieder des Aufsichtsrats einer AG werden könnten, wenn entweder ihr gesetzlicher Vertreter zustimmt oder eine Ermächtigung nach §§ 112, 113 BGB vorliegt . Denn immerhin ist in § 100 Abs. 4 AktG vorgesehen, dass die Satzung persönliche Voraussetzungen für die Aufsichtsratsmitglieder bestimmen kann, sofern diese ohne Bindung von Wahlvorschlägen von der Hauptversammlung gewählt oder aufgrund der Satzung in den Aufsichtsrat entsandt worden sind. An der Formulierung wird deutlich, dass es in § 100 Abs. 4 AktG um weitere persönliche Merkmale geht, die über die Regelung des § 100 Abs. 1 AktG hinausgehen. Zu solchen persönlichen Merkmalen gehören zum Beispiel Sachkunde, aber auch Altersgrenzen7. So kann zum Beispiel ein Höchstalter oder ein Mindestalter festgesetzt werden, wobei das Mindestalter nicht unterhalb der Volljährigkeitsgrenze bestimmt werden darf. Sind kommunale Unternehmen Aktiengesellschaften, so ist daher eine Berufung von beschränkt Geschäftsfähigen nicht mit der Regelung des § 100 Abs. 1 AktG zu vereinbaren. Allerdings bietet das Aktienrecht den Kommunen vergleichsweise wenig Gestaltungsmöglichkeiten. Deshalb sind die meisten kommunalen Unternehmen, die privatrechtlich organisiert sind, Gesellschaften mit beschränkter Haftung. 3. Regelung für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu den persönlichen Voraussetzungen von Aufsichtsratsmitgliedern Nach § 52 Abs. 1 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG)8 sind, sofern nach dem Gesellschaftsvertrag ein Aufsichtsrat zu bestellen ist, verschiedene Vorschriften aus dem AktG entsprechend anzuwenden, insbesondere auch die Regelung des § 100 Abs. 1 AktG, wonach nur natürliche geschäftsfähige Personen in den Aufsichtsrat berufen werden können . § 52 Abs. 1 GmbHG betrifft fakultative Aufsichtsräte, wie sie für kommunale Unternehmen typisch sind. Bei einem fakultativen Aufsichtsrat sind die Gesellschafter grundsätzlich frei, in einer Satzung zu bestimmen, nach welchen Regeln jener funktionieren soll9. Damit stellt sich die Frage, ob in der 6 Habersack, in: Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 4. Auflage, München 2014, § 100 Rn. 10; Simon, in: Hölters, § 100 Rn. 6 f.; Spindler, in: Spindler / Stilz, Aktiengesetz, 3. Auflage, München 2015, § 100 Rn. 9 f. 7 Henssler, in: Henssler / Strohn, Aktiengesetz, § 100 Rn. 12 f. 8 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 4123-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, geändert durch Artikel 10 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2446), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/gmbhg/BJNR004770892.html. 9 Koppensteiner/Schnorbus, in: Rowedder / Schmidt-Leithoff,. Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG), 5. Auflage, München 2013, § 52 Rn. 9. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 121/17 Seite 7 Satzung bestimmt werden kann, dass auch Personen, die beschränkt geschäftsfähig sind oder betreute Personen, die einem Einwilligungsvorbehalt unterliegen, Mitglieder eines Aufsichtsrats einer GmbH sein können. Mit ganz überwiegender Mehrheit wird in der Literatur davon ausgegangen, dass auch die Satzung eines fakultativen Aufsichtsrats nicht davon abweichen kann, dass nur natürliche geschäftsfähige Personen Mitglieder des Aufsichtsrats sein können10. Allerdings vertreten Zöller und Noack in ihrer Kommentierung zu § 52 GmbHG die Auffassung, die Satzung könne von den Voraussetzungen des § 100 Abs. 1 AktG dergestalt abweichen, dass auch nicht vollgeschäftsfähige Personen in den Aufsichtsrat berufen werden können. Für diese Personen handele dann der gesetzliche Vertreter11. Dabei gehen Zöller und Noack aber nicht darauf ein, inwieweit die §§ 112, 113 BGB herangezogen werden können, um eine partielle volle Geschäftsfähigkeit für das minderjährige Aufsichtsratsmitglied zu erreichen. Auch nach Henssler soll die Regelung des § 52 Abs. 1 GmbHG mit seinem Verweis auf § 100 Abs. 1 AktG grundsätzlich dispositiv sein. 12 Allerdings geht er nicht direkt auf die Frage ein, ob die Satzung den Aufsichtsrat auch für Minderjährige öffnen kann. Giedinghagen weist ebenfalls darauf hin, dass gesellschaftsrechtlich zunächst nichts dagegen spricht, dass eine nicht vollgeschäftsfähige Person, also Minderjährige oder Betreute, in den Aufsichtsrat einer Gesellschaft berufen werden. Denn die nicht voll geschäftsfähigen Personen könnten über ihre gesetzlichen Vertreter die Geschäftsführer kontrollieren. Das würde allerdings dazu führen, dass die nicht voll geschäftsfähigen Aufsichtsratsmitglieder für die Handlungen ihrer Vertreter haften müssten. Giedinghagen ist der Auffassung, dass deshalb aus Gründen des Minderjährigenschutzes eine Berufung nicht voll geschäftsfähiger Personen nicht in Frage komme, obwohl gesellschaftsrechtliche Gründe nicht gegen die Berufung in einen fakultativen Aufsichtsrat sprächen.13 Giedinghagen berührt in seinen Ausführungen ebenfalls die Regelungen der §§ 112, 113 BGB nicht. Die Auffassung von Giedinghagen, aus gesellschaftsrechtlicher Sicht sei nichts dagegen einzuwenden , dass Minderjährige Mitglied eines Aufsichtsrates sind, begegnen jedoch folgende Bedenken : Die Aufsichtsratsmitglieder, nicht der Aufsichtsrat selbst, haften der Gesellschaft für Schäden , die diese dadurch erleidet, dass sie ihren Pflichten nicht ausreichend nachgekommen sind, § 52 Abs. 1 GmbHG i.V.m. §§ 116 1 i.V.m. 93 Abs. 2 Satz AktG.14 Denn für die Aufsichtsratsmitglieder gilt die Regelung des § 93 AktG über die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder gemäß § 116 AktG sinngemäß. Die Aufsichtsratsmitglieder sind insbesondere 10 C. Jaeger, in: Beck-Online Kommentar zum GmbHG, Stand: 32. Edition, 1. August 2017, § 52 Rn. 6; Koppensteiner /Schnorbus, in: Rowedder / Schmidt-Leithoff, § 52 Rn. 12; Spindler, in: Münchener Kommentar zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung – GmbHG, Band 2, §§ 35-52, München 2012, § 52 Rn. 114 . 11 Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, § 52 Rn. 34. 12 Henssler, in: Henssler / Strohn, Gesellschaftsrecht, § 52 GmbHG Rn. 2. 13 Giedinghagen, in: Michalski / Heidinger / Leible / J. Schmidt, GmbH-Gesetz, 3. Auflage 2017, § 52 Rn. 58. 14 Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, § 52 Rn. 70-72. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 121/17 Seite 8 zur Verschwiegenheit über erhaltene vertrauliche Berichte und vertrauliche Beratungen verpflichtet . Sie sind namentlich zum Ersatz verpflichtet, wenn sie eine unangemessene Vergütung festsetzen (§ 87 Absatz 1). Nach §§ 116 i.V.m. 93 Abs. 2 Satz 1 AktG haben die Aufsichtsratsmitglieder bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Aufsichtsratsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Deutlich wird an diesen Regelungen , dass der Gesetzgeber gesetzestechnisch die Haftungsfragen und die Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder , die gleichzeitig deren Rechte sind, miteinander in denselben Vorschriften verbunden hat. Dies verdeutlicht den inneren Zusammenhang zwischen Recht und Haftung: Weil das jeweilige Aufsichtsratsmitglied durch seine Stimme im Aufsichtsrat die Möglichkeit hat, auf die Geschäftsführung einzuwirken und diese zu kontrollieren, haftet es auch. Deshalb ist der Ansatz von Giedinghagen, der bei minderjährigen Aufsichtsratsmitgliedern deren Rechte auf die gesetzlichen Vertreter verlagern, die Haftung allerdings bei dem minderjährigen Aufsichtsratsmitglied belassen will, nicht nur aus Gründen des Minderjährigenschutzes, sondern auch aus gesellschaftsrechtlicher Sicht abzulehnen. Denn diese Trennung entspricht nicht den gesellschaftsrechtlichen Vorgaben, wonach die Haftung die Kehrseite der Rechte eines Aufsichtsratsmitglieds ist. Das Auseinanderfallen von Recht und Verpflichtung führt außerdem in einem Aufsichtsrat eines kommunalen Unternehmens dazu, dass nicht der gewählte Vertreter (des Gemeinderats, der Stadtverordnetenversammlung oder des Kreistags) die Geschäftsführung kontrolliert, sondern der gesetzliche Vertreter, der nicht einmal über eine demokratische Legitimation verfügt. 4. Möglichkeit, für minderjährige Aufsichtsratsmitglieder über die §§ 112, 113 BGB eine partielle volle Geschäftsfähigkeit in Bezug auf die Tätigkeit im Aufsichtsrat zu gewähren Wie bereits eingangs erwähnt, eröffnen die §§ 112, 113 BGB dem beschränkt Geschäftsfähigen den Weg, um für bestimmte Teilbereiche des Geschäftslebens unbeschränkt geschäftsfähig zu sein. Diese partielle unbeschränkte Geschäftsfähigkeit15 hat der Gesetzgeber für zwei Fälle vorgesehen : für den selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts oder für den Eintritt in ein Dienstoder Arbeitsverhältnis, sofern der gesetzliche Vertreter den Minderjährigen entsprechend ermächtigt . Bei der Mitgliedschaft in einem Aufsichtsrat handelt es sich nicht um ein Dienst- oder Arbeitsverhältnis i.S.d. § 113 BGB. Denn im Rahmen eines Aufsichtsratsmandats geht es anders als beim Dienst- oder Arbeitsverhältnis nicht um eine Erwerbstätigkeit. Deshalb erhält das Aufsichtsratsmitglied kein Entgelt, sondern – insbesondere bei Aufsichtsräten kommunaler Unternehmen – eine Aufwandsentschädigung. Wenn man daher eine – analoge – Anwendung der Vorschriften über die partielle Geschäftsfähigkeit Minderjähriger erwägt, liegt es näher, auf § 112 BGB zurückzugreifen . Denn mit § 112 BGB hat der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung getragen, dass sich 15 Zur partiellen unbeschränkten Geschäftsfähigkeit vgl. Wendtland, in: Beck-Online Kommentar zum BGB, Bamberger / Roth / Hau / Poseck, Stand: 43. Edition, 15. Juni 2017; § 112 Rn. 6; Mansel, in: Jauernig, Kommentar zum BGB,16. Auflage, München 2015, § 112 Rn. 4 f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 121/17 Seite 9 die Beschränkungen der Geschäftsfähigkeit nicht mit einer selbständigen unternehmerischen Tätigkeit vereinbaren lassen. Da es bei der Tätigkeit eines Aufsichtsrats um die Kontrolle einer unternehmerischen Tätigkeit geht, liegt es insoweit nahe, die Vorschrift des § 112 BGB auf das Aufgabenfeld im Aufsichtsrat analog anzuwenden. § 112 BGB lautet wie folgt: „§ 112 Selbständiger Betrieb eines Erwerbsgeschäfts (1) Ermächtigt der gesetzliche Vertreter mit Genehmigung des Familiengerichts den Minderjährigen zum selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts , so ist der Minderjährige für solche Rechtsgeschäfte unbeschränkt geschäftsfähig, welche der Geschäftsbetrieb mit sich bringt. Ausgenommen sind Rechtsgeschäfte, zu denen der Vertreter der Genehmigung des Familiengerichts bedarf. (2) Die Ermächtigung kann von dem Vertreter nur mit Genehmigung des Familiengerichts zurückgenommen werden. Die Bedeutung des § 112 BGB sollte jedoch auf der anderen Seite nicht überschätzt werden. Denn zum Schutz des Minderjährigen besteht auch die partielle unbeschränkte Geschäftsfähigkeit nach § 112 BGB letztlich nicht gänzlich unbegrenzt. Schließlich hat der Gesetzgeber in § 112 Abs. 1 Satz 2 BGB vorgesehen, dass solche Rechtsgeschäfte nicht von der partiellen unbeschränkten Geschäftsfähigkeit erfasst sind, zu denen der gesetzliche Vertreter der Genehmigung des Vormundschaftsrechts bedarf. Dabei handelt es sich um Geschäfte zwischen dem Kind und seinen Eltern als dessen gesetzliche Vertreter i.S.d. § 1643 BGB, um Geschäfte über Grundstücke, Schiffe oder Schiffsbauwerke i.S.d. § 1821 sowie um sonstige Geschäfte i.S.d. § 1822 BGB, wozu insbesondere die Kreditaufnahme (Nr. 8), die Ausstellung einer Schuldverschreibung auf den Inhaber und die Eingehung einer Wechselverbindlichkeit (Nr. 9) sowie die Erteilung einer Prokura (Nr. 11) gehören . In diesen Bereichen bleibt der Minderjährige daher trotz der Ermächtigung nur beschränkt geschäftsfähig. Es müsste also der gesetzliche Vertreter mit familiengerichtlicher Genehmigung handeln. Wegen dieser Beschränkungen kann ein Minderjähriger auch nicht wirksam zum Geschäftsführer einer GmbH bestellt werden, wie sich auch aus § 6 Abs. 2 Satz 1 GmbHG ergibt.16 Entsprechendes gilt für betreute Personen, vgl. § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 GmbHG. Vor diesem Hintergrund zeigt sich, dass auch die partielle unbeschränkte Geschäftsfähigkeit nach § 112 BGB nicht wirklich weiterhilft, um einem Minderjährigen die unbeschränkte Mitarbeit in einem Aufsichtsrat zu ermöglichen. Denn im Aufsichtsrat geht es häufig um solche Geschäfte, die nach § 112 Abs. 1 Satz 2 BGB der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts unterliegen, nämlich um Grundstücksgeschäfte der Gesellschaft, insbesondere aber auch Kreditaufnahmen und die Erteilung einer Prokura. Folglich bedürfte das minderjährige Aufsichtsratsmitglied, um diese Geschäfte der Geschäftsführung genehmigen oder ablehnen zu können, der Genehmigung durch das Familiengericht. Damit käme es wieder zu der oben beschriebenen problematischen Aufspaltung zwischen Recht und Haftung. 16 OLG Hamm, 15. Zivilsenat, Beschluss vom 13. April 1992, Az: 15 W 25/92, juris Leitsatz und Rn. 11;Wendtland , in: Beck-Online Kommentar zum BGB, § 112 Rn. 10. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 121/17 Seite 10 Schließlich ist nicht erklärbar, warum jemand, der, weil er nicht voll geschäftsfähig ist, selbst nicht zum Geschäftsführer einer Gesellschaft berufen werden kann, § 6 Abs. 2 Satz1 GmbHG, den Geschäftsführer aber kontrollieren können soll. Denn wer selbst nicht die Geschäfte führen kann, kann sie auch nicht überprüfen. Diese Verknüpfung zwischen Führen und Kontrolle der Geschäfte ist gerade für die Aufsichtsräte typisch. Denn, wie oben gesehen, gelten gemäß §§ 52 Abs. 1 GmbHG i.V.m. §§ 116 i.V.m 93 Abs. 2 Satz 1 AktG für die Aufsichtsratsmitglieder die Sorgfaltspflichten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters. 5. Zusammenfassung Insgesamt ergibt sich daher, dass aus bürgerlich-rechtlicher Sicht Minderjährige nicht Mitglied eines Aufsichtsrats eines kommunalen Unternehmens sein können: Handelt es sich um den Aufsichtsrat einer AG, ergibt sich dies bereits aus § 100 Abs. 1 AktG. Handelt es sich, wie bei kommunalen Unternehmen häufig anzutreffen, um einen fakultativen Aufsichtsrat einer GmbH, dann sprechen folgende Gründe gegen die Aufnahme eines Minderjährigen: o Die herrschende Meinung in der Literatur ist der Auffassung, auch in der Satzung könne nicht von der über § 52 Abs. 1 GmbHG geltenden Regelung des § 100 Abs. 1 AktG abgesehen werden, wonach nur voll geschäftsfähige Personen zu Aufsichtsratsmitgliedern berufen werden können. o Folgt man der Mindermeinung, dass in der Satzung auch bestimmt werden könne, Minderjährige in den Aufsichtsrat aufzunehmen, so kommt es zu der Situation, dass der gesetzliche Vertreter des Minderjährigen die Aufsicht übernimmt, obwohl er kommunalrechtlich nicht demokratisch legitimiert ist, und der Minderjährige gleichwohl persönlich haftet. Dies wird daher in der Literatur aus Gründen des Minderjährigenschutzes abgelehnt. Es widerspricht aber auch den Vorgaben des Gesellschaftsrechts, weil Aufsichtsrecht und Haftung in den einschlägigen Vorschriften miteinander verbunden werden und auch sachlich eine Einheit bilden. Sucht man eine Lösung über die partielle Geschäftsfähigkeit, so liegt es nahe, auf § 112 BGB zurückzugreifen. Allerdings kann der Minderjährige auch hier nicht selbständig solche Geschäfte der Geschäftsführung genehmigen, die der Genehmigung des Familiengerichts bedürfen; dazu gehören vor allem Grundstücks- und Kreditgeschäfte sowie die Erteilung einer Prokura, §§ 1643 BGB, 1821, 1822 Nrn. 8, 9, 11 BGB. Würde man diesen Weg folgen, käme es wieder zu der Trennung zwischen Aufsicht und Haftung. Schließlich ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen, dass ein Minderjähriger nicht zum Geschäftsführer einer GmbH bestellt werden kann (vgl. § 6 Abs. 2 Satz1 GmbHG). Wer aber selbst die Geschäfte nicht führen kann, kann sie oder sollte sie auch nicht kontrollieren (dürfen). ***