Patientenverfügung Rechtliche Beurteilung einer Behandlung gegen den Willen des Patienten - Ausarbeitung - © 2006 Deutscher Bundestag WD 7 - 119/06 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Patientenverfügung Rechtliche Beurteilung einer Behandlung gegen den Willen des Patienten Ausarbeitung WD 7 - 119/06 Abschluss der Arbeit: 14.06.2006 Fachbereich WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - 3 - Inhaltsverzeichnis Seite 1. Einführung 4 2. Rechtlich Einordnung der Patientenverfügung 5 3. Die Patientenverfügung im Rahmen der rechtlichen Betreuung 6 3.1. Patientenverfügung 6 3.2. Sterbehilfe 7 3.3. Zwangsbetreuung 8 4. Zivilrechtliche Haftung 13 4.1. Haftung des Arztes 13 4.2. Haftung des Krankenhauses 14 4.2.1. Haftung des Betreuers 14 4.3. Strafrechtliche Verantwortlichkeit 14 - 4 - 1. Einführung Die Patientenverfügung war besonders in der 15. Wahlperiode Gegenstand umfangreicher parlamentarischer Beratungen. Der Fachbereich WD 7 hat deshalb unter anderem in der Reihe DER AKTUELLE BEGRIFF grundlegende Informationen zur Patientenverfügung veröffentlicht.1 Des Weiteren hat das Bundesministerium der Justiz für die Patientenverfügung und das hiermit in Zusammenhang stehende Betreuungsrecht praxisorientierte Informations-Leitfäden herausgegeben, auf die ebenfalls zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird.2 Bereits in einem grundlegenden Beschluss vom 17. März 2003 – XII ZB 2/03 - hat der Bundesgerichtshof vor dem Hintergrund einer vorliegenden Patientenverfügung zur Behandlung gegen den Willen des Patienten seine Rechtsauffassung in zwei Leitsätzen zum Ausdruck gebracht3: a) Ist ein Patient einwilligungsunfähig und hat sein Grundleiden einen irreversiblen tödlichen Verlauf angenommen, so müssen lebenserhaltende oder –verlängernde Maßnahmen unterbleiben, wenn dies seinem zuvor – etwa in Form einer sog. Patientenverfügung – geäußerten Willen entspricht . Dies folgt aus der Würde des Menschen, die es gebietet, sein in einwilligungsfähigem Zustand ausgeübtes Selbstbestimmungsrecht auch dann noch zu respektieren, wenn er zu eigenverantwortlichem Entscheiden nicht mehr in der Lage ist. Nur wenn ein solcher erklärter Wille des Patienten nicht festgestellt werden kann, beurteilt sich die Zulässigkeit solcher Maßnahmen nach dem mutmaßlichen Willen des Patienten, der dann individuell – also aus dessen Lebensentscheidungen, Wertvorstellungen und Überzeugungen – zu ermitteln ist. b) Ist für einen Patienten ein Betreuer bestellt, so hat dieser dem Patientenwillen gegenüber Arzt und Pflegepersonal in eigener rechtlicher Verantwortung und nach Maßgabe des § 19ß1 BGB Ausdruck und Geltung zu verschaffen. Seine Einwilligung in eine ärztlicherseits angebotene lebenserhaltende oder –verlängernde Behandlung kann der Betreuer jedoch nur mit Zustimmung des Vormundschaftsgerichts wirksam verweigern . Für eine Einwilligung des Betreuers und eine Zustimmung des Vormundschaftsgerichts ist kein Raum, wenn ärztlicherseits eine solche Behandlung oder Weiterbehandlung nicht angeboten wird – sei es dass sie von vornherein medizinisch nicht indiziert, nicht mehr sinnvoll oder aus sonstigen Gründen nicht möglich ist. Die Entscheidungszuständigkeit des Vormundschaftsgerichts ergibt sich nicht aus einer analogen 1 Vgl. DER AKTUELLE BEGRIFF Nr. 34/2004 vom 27.10.2004, Patientenverfügung , - Anlage 1 -. 2 Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Patientenverfügung, Stand: Januar 2006 - Anlage 2 -; Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Betreuungsrecht – Mit ausführlichen Infrmationen zur Vorsorgevollmacht , Stand. Januar 2006 - Anlage 3 -. 3 Vgl. BGH, Beschluss vom 17. März 2003 – XII ZB 2/03 - Anlage 4 -. - 5 - Anwendung des § 1904 BGB, sondern aus einem unabweisbaren Bedürfnis des Betreuungsrechts. 2. Rechtlich Einordnung der Patientenverfügung Juristisch ist die Patientenverfügung eine Willenserklärung, mit der der Patient im Falle seiner Einwilligungsunfähigkeit den Arzt anweist, bestimmte medizinische Maßnahmen nach seinen persönlichen Vorstellungen vorzunehmen oder zu unterlassen. In Anlehnung an Art und Funktion der Patientenverfügung als Einwilligung oder Nichteinwilligung in eine ärztliche oder pflegerische Maßnahme wird mangels gesetzgeberischer Normierung für die Patientenverfügung selbst keine bestimmte Form als Wirksamkeitsvoraussetzung gesehen. Sie ist daher auch in mündlicher oder konkludenter Form möglich.4 Gerade aufgrund dieser fehlenden Normierung finden sich jedoch vielfältige Forderungen , wie eine wirksame Verfügung zu gestalten ist. So wird beispielsweise die Form eines Vermögenstestaments5 oder das Schriftformerfordernis des § 1904 Abs. 2 Satz 2 BGB, für welches eine Warnfunktion sprechen könnte6, diskutiert. Weiterhin wird die Auffassung vertreten, dass unverzichtbare Wirksamkeitsvoraussetzung die eigenhändige Unterschrift mit Vor- und Zunamen sowie eine Datumsangabe sei.7 Manche erachten überdies sogar die notarielle Beurkundung für notwendig, da hier der Notar einerseits im Hinblick auf § 4 Beurkundungsgesetz (BeurkG) die Einsichts- und Urteilsfähigkeit prüfen müsse, andererseits auch auf juristisch eindeutige Formulierungen hinwirken könne und ihm nach § 17 BeurkG eine rechtliche Beratungspflicht obliege .8 Andere sind sogar der Meinung, nur der Notar sichere „die umfassende Beratung“, wie sie das Gesetz in den §§ 1904 Abs. 2, 1906 Abs. 5 BGB verlange und wie sie allein der vom BGH am 17. März 2003 dekretierten komplexen Rechtslage gerecht werde.9 Die Hinzuziehung von Zeugen wird hingegen – soweit ersichtlich - nicht als Wirksamkeitsvoraussetzung angesehen, wobei dies aber z. T. aus Beweisgründen dem Verfasser der Patientenverfügung nahe gelegt wird.10 4 Meier, Betreuungsrechtliche Praxis (BtPrax) 2001, S. 181, 184. 5 Verneinend Uhlenbruck, Selbstbestimmtes Sterben, 1997, S. 305. 6 Siehe Berger, JZ 2000, S. 797, 802, der die von ihm als zwingende Wirksamkeitsvoraussetzung einer Patientenverfügung genannte vorherige Aufklärung durch den Arzt als Grund für die Entbehrlichkeit einer warnenden Schriftform anführt. 7 Siehe Uhlenbruck/Ulsenheimer in, Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, 2002, § 132 Rdnr.36; weiter Spickhoff, NJW 2000, S. 2297, 2302, der ausführt, dass wenn die Patientenverfügung überhaupt eine Bindungswirkung haben solle, Schriftform erforderlich sei. 8 Vgl. Baumann/Hartmann, DNotZ 2000, S. 594, 611. 9 Langenfeld in ZEV 2003, S. 449, 450. 10 So die Bundesärztekammer, BtPrax (Betreuungsrechtliche Praxis) 2000, S. 10 f.. - 6 - Im Ergebnis bleibt festzustellen, dass auch nach der Rechtsprechung des BGH die Errichtung einer Patientenverfügung formfrei ist; zu den Voraussetzungen der Verbindlichkeit von Festlegungen in einer Patientenverfügung wird insbesondere auch auf die Empfehlungen der durch das Bundesministerium der Justiz eingesetzten Arbeitsgruppe „Patientenautonomie am Lebensende“ verwiesen.11 3. Die Patientenverfügung im Rahmen der rechtlichen Betreuung Am 1. Juli 2005 trat das Zweite Betreuungsrechtsänderungsgesetz in Kraft.12 Im Mittelpunkt der Gesetzesänderung standen die Stärkung der Selbstbestimmung der betroffenen Menschen sowie die Entbürokratisierung des Betreuungswesens. Das Betreuungsrecht regelt, wie und in welchem Umfang für eine hilfsbedürftige Person vom Gericht ein Betreuer bestellt wird. Das Gericht legt auch den Umfang fest, in dessen Rahmen die fremden Angelegenheiten geregelt werden. Das Betreuungsrecht dient dazu, den betroffenen Personen den notwendigen Schutz und die erforderliche Fürsorge zu gewähren, ihnen zugleich aber auch ein größtmögliches Maß an Selbstbestimmung zu erhalten. Das persönliche Wohlergehen des hilfsbedürftigen Menschen steht dabei im Vordergrund. 3.1. Patientenverfügung Der Betroffene kann unabhängig oder im Zusammenhang mit einer Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügungen durch eigene Erklärung in konkreten bzw. der Gattung nach bestimmten (möglicherweise in der Zukunft erforderlich werdenden) Maßnahmen einwilligen bzw. seine Einwilligung auch jetzt definitiv verweigern. Insbesondere kann jeder Bürger mit einer Patientenverfügung auch über die Einleitung und den Abbruch einer lebensverlängernden Maßnahme bei irreversiblem Koma entscheiden. Eine solche Patientenverfügung ist, wie aufgezeigt, keinem Formzwang unterworfen und daher auch als mündliche Erklärung verbindlich.13 Angesichts der Fortschritte der Medizin braucht sie sich auch nicht auf die konkrete Behandlungssituation der Zukunft beziehen, bindet aber die Beteiligten (Verwandte, Betreuer, Ärzte, Vormundschaftsgericht u. s. w.). 11 Vgl. Bericht der Arbeitsgruppe „Patientenautonomie am Lebensende“ vom 10. Juni 2004, Patientenautonomie am Lebensende – Ethische, rechtliche und medizinische Aspekte zur Bewertung von Patientenverfügungen , S. 16 ff. - Anlage 5 -. 12 Zweites Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts (Zweites Betreuungsrechtsänderungsgesetz – 2. BtÄndG) vom 21. April 2005, BGBl. I S. 1073. 13 BT-Drucksache 11/4528, S. 208. - 7 - Ob sie einer regelmäßigen Erneuerung bedarf ist umstritten. Hinzuweisen ist aber in jedem Fall darauf, dass solche Patientenverfügungen, wie alle anderen Willenserklärungen , gegebenenfalls auslegungsbedürftig sind.14 3.2. Sterbehilfe Unzulässig ist die aktive Sterbehilfe, grundsätzlich zulässig dagegen die indirekte und passive Sterbehilfe, d.h. mit dem Risiko der Lebensverkürzung verbundene palliative Maßnahmen bzw. der Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen nach irreversiblen Zerstörungen zentraler Lebensfunktionen. Auch zur Erhaltung des Lebens notwendige medizinische Maßnahmen stellen einen Eingriff in die körperliche Integrität des Patienten dar, die während der Dauer der Maßnahmen fortwährend der Einwilligung der Patienten bedürfen.15 Grundsätzlich entscheidet der Wille des Patienten, auch wenn die Verweigerung der Behandlung lebensgefährlich ist. Besitzt er die erforderliche Einwilligungsfähigkeit , darf beispielsweise die von ihm abgelehnte Dialyse auch nicht über § 1846 BGB erzwungen werden.16 § 1846 BGB lautet wie folgt: „Ist ein Vormund noch nicht bestellt oder ist der Vormund an der Erfüllung seiner Pflichten verhindert, so hat das Vormundschaftsgericht die im Interesse des Betroffenen erforderlichen Maßregeln zu treffen.“ Bei Bewusstlosigkeit wirken frühere Willensbekundungen fort. Das gilt insbesondere für Patientenverfügungen, an die auch ein bereits bestellter Betreuer gebunden ist. Die eigentliche Sterbeautonomie zeigt sich, wenn es um den Abbruch der künstlichen Ernährung bzw. ähnlichen Maßnahmen geht. Auch hier hat der Wille des Patienten Vorrang . Sofern eine eindeutige und wirksame Patientenverfügung des Betroffenen vorliegt, ist für diesen Aufgabenkreis eine Betreuung, auch eine vorläufige Betreuung, nicht erforderlich .17 Eine trotzdem angeordnete Betreuung müsste gemäß § 1908d Abs. 1 BGB sofort aufgehoben oder eingeschränkt werden. 14 Vgl. Palandt, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 65. Aufl., 2006, § Einf. vor § 1896 Rdnr. 9. 15 Vgl. Palandt, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 65. Aufl., 2006, § 823 Rdnr. 38 und 151. 16 Andere Auffassung AG Hamburg-Wandsbek “ Lebenserhaltende Maßnahmen gegen den Willen des Betroffenen“, Beschluss vom 16.2.2001 – 708 N 528, NJW-RR 2001, 1159. 17 Vgl. Palandt, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 65. Aufl., 2006, § 1896 Rdnr. 11; a.A. BVerfG-Ka NJW 2002, S. 206. - 8 - § 1908d Abs. 1 BGB hat folgenden Wortlaut: „(1) Die Betreuung ist aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen wegfallen. Fallen diese Voraussetzungen nur für einen Teil der Aufgaben des Betreuers weg, so ist dessen Aufgabenkreis einzuschränken.“ Fehlt hingegen eine Patientenverfügung, so entscheidet vor allem in Notfällen der mutmaßliche Wille des Patienten.18 Zudem muss auch ein schon bestellter Betreuer den mutmaßlichen Willen des Betreuten berücksichtigen.19 Lässt sich jedoch auch der mutmaßliche Wille des Betreuten nicht feststellen, kann der Betreuer im Rahmen des Aufgabenkreises „Gesundheitssorge“ in Vertretung des Betreuten entscheiden. Die Einwilligung in den Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen setzt dabei nicht voraus, dass der Tod in kurzer Zeit bevorsteht.20 Die Entscheidung des Betreuers ist nach einem neueren Beschluss des BGH verbindlich, wenn sie in Übereinstimmung mit dem behandelnden Arzt ergeht, so dass er auch gegen den Willen des Pflegeheimpersonals verlangen kann, dass die künstliche Ernährung eines betreuten Apallikers eingestellt wird (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juni 2005 - XII ZR 177/03 -, - Anlage 6 - )21. Einer vormundschaftlichen Genehmigung bedarf es in diesen Fällen nicht. Sie ist nach der Auffassung des BGH nur im Falle eines Konflikts zwischen dem behandelnden Arzt und dem Betreuer erforderlich, wenn der Arzt die lebensverlängernden Maßnahmen für geboten erachtet und der Betreuer sich diesem Angebot verweigert. Der Tendenz in der Praxis, passive Sterbehilfe durch die Einstellung der künstlichen Ernährung generell von der vormundschaftlichen Genehmigung der Abbrucherklärung des Vorsorgebevollmächtigten22 bzw. des Betreuers, gegebenenfalls auch noch unter zusätzlicher Bestellung eines Verfahrenspflegers, abhängig zu machen,23 dürfte damit der Boden entzogen sein. 3.3. Zwangsbetreuung In Ausnahmefällen kann eine Zwangsbetreuung angeordnet werden. Zwangsbetreuung ist die staatliche Fürsorge gegen den Willen des Betreuten und, wie die frühere 18 Vgl. BGH NJW 1995, S. 204. 19 Vgl. hierzu LG Heilbronn NJW 2003, S. 3783. 20 Ebenso OLG Karlsruhe Beschluss vom 26.3.2004- 11 Wx 13/04, NJW 2004, S. 1882. 21 Vgl. auch BGH, Beschluss vom 1.2.2006 – XII ZB 236/05 -, NJW 2006, S. 1277 und hierzu Dodegge, Georg, Zwangsbehandlung und Betreuungsrecht, NJW 2006, S. 1627 ff. 22 Vgl. LG Heilbronn „Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen“ in NJW 2003, S. 3783; LG Ellwangen in FamRZ 2004, S. 732. 23 OLG Karlsruhe NJW 2004, S. 1882; ablehnend AG Ffm BTPrax 2004, 79. - 9 - Zwangspflegschaft, nicht schon per se verfassungswidrig.24 Die seinem Wohl dienenden Maßnahmen dürfen nicht daran scheitern, dass der Betroffene infolge seiner Krankheit oder Behinderung vielfach nicht in der Lage ist, seine Betreuungsbedürftigkeit einzusehen .25 Die zivilrechtlichen Vorschriften der rechtlichen Betreuung (§ 1896 ff. BGB) müssen jedoch besonders sorgfältig an den verfassungsrechtlichen Freiheitsgarantien gemessen werden.26 Denn nicht nur die Besorgung, sondern gerade auch die Beurteilung der eigenen Angelegenheiten gehört zum Kern der Selbstbestimmung einer Person. Tatbestandliche Voraussetzung für eine Zwangsbetreuung ist daher, dass der mit seiner Betreuung nicht einverstandene Betroffene auf Grund seiner Krankheit oder Behinderung seinen Willen nicht frei bestimmen kann,27 weil er beispielsweise die Notwendigkeit einer ärztlichen Behandlung nicht einzusehen vermag.28 Die Ausübung von Zwang zur Durchführung einzelner Betreuungsmaßnahmen im Rahmen einer bestehenden Betreuung ist jedoch außerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Fälle weder zulässig noch genehmigungsfähig.29 In folgenden gesetzlich geregelten Fällen ist die Durchführung von Zwangsbetreuungsmaßnahmen zulässig: § 1896 BGB hat folgenden Wortlaut: „ (1) 1Kann ein Volljähriger auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen, so bestellt das Vormundschaftsgericht auf seinen Antrag oder von Amts wegen für ihn einen Betreuer. 2Den Antrag kann auch ein Geschäftsunfähiger stellen. 3Soweit der Volljährige auf Grund einer körperlichen Behinderung seine Angelegenheiten nicht besorgen kann, darf der Betreuer nur auf Antrag des Volljährigen bestellt werden, es sei denn, dass dieser seinen Willen nicht kundtun kann. (1a) Gegen den freien Willen des Volljährigen darf ein Betreuer nicht bestellt werden. 24 Vgl. BVerfG NJW 1965, S. 2051. 25 BT-Drucksache 11/4528 S. 118. 26 Vgl. Bürgle, NJW 1988, S. 1881; Holzhauer, ZRP 1989, S. 455. 27 OLG Zweibrücken, FamRZ 2005, S. 748. 28 BayOLG, FamRZ 1996, S. 898; FamRZ 2002, S. 703. 29 Vgl. BGH NJW 2001, S. 888 zur zivilrechtlichen freiheitsentziehenden Unterbringung des Betreuten zur Zwangsmedikation. - 10 - (2) 1Ein Betreuer darf nur für die Aufgabenkreise bestellt werden, in denen Betreuung erforderlich ist. 2Die Betreuung ist nicht erforderlich, soweit die Angelegenheiten des Volljährigen durch einen Bevollmächtigten, der nicht zu den in § 1897 Abs. 3 bezeichneten Personen gehört, oder durch andere Hilfen, bei denen kein gesetzlicher Vertreter bestellt wird, ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können.“ (3) [...] (4) [...] Bei der Prüfung der Frage, ob eine Betreuung erforderlich ist, muss zwischen der Betreuungsbedürftigkeit und dem Betreuungsbedarf unterschieden werden. Eine Betreuung kann grundsätzlich nur für einen Volljährigen angeordnet werden. Die medizinischen Voraussetzungen der Betreuung müssen durch einen Sachverständigen festgestellt werden. Die fachmedizinische Beurteilung steht dabei aber in einem gewissen Spannungsverhältnis zu der durch das Zweite Betreuungsrechtsänderungsgesetz eingeführten Bestimmung, dass ein Betreuer nicht gegen den freien Willen des Volljährigen bestellt werden darf (§ 1896 Abs. 1a BGB). Beim Betreuungsbedarf geht es darum, welche Angelegenheiten im Einzelfall durch einen Betreuer zu besorgen sind. Gleichzeitig mit der Bestellung des Betreuers wird vom Vormundschaftsgericht der Aufgabenkreis des Betreuers bestimmt (§ 69 Abs. 1 Nr. 2 FGG). Die Betreuung zum Zwecke der Einleitung und der Zustimmung zu ärztlichen Maßnahmen wird umfassend vom Aufgabenkreis „Sorge und Gesundheit“ gedeckt. Der Aufgabenkreis Gesundheitssorge gilt nicht nur für die Anlasskrankheiten, sondern in der Regel auch für die sonst gesundheitlichen Angelegenheiten des Betreuten. Nach § 1904 BGB kann der Betreuer mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts in einen ärztlichen Eingriff oder eine Heilbehandlung des Betreuten einwilligen. § 1904 BGB hat folgenden Wortlaut: „ (1) 1Die Einwilligung des Betreuers in eine Untersuchung des Gesundheitszustands , eine Heilbehandlung oder einen ärztlichen Eingriff bedarf der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts, wenn die begründete Gefahr besteht, dass der Betreute auf Grund der Maßnahme stirbt oder einen schweren länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet. 2Ohne die Genehmigung darf die Maßnahme nur durchgeführt werden, wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist. (2) 1Absatz 1 gilt auch für die Einwilligung eines Bevollmächtigten. 2Sie ist nur wirksam, wenn die Vollmacht schriftlich erteilt ist und die in Absatz 1 Satz 1 genannten Maßnahmen ausdrücklich umfasst.“ - 11 - Die Bestimmung wirft in dreifacher Hinsicht Probleme auf, nämlich hinsichtlich der Entscheidungskompetenz, der Genehmigungsschwelle und der rechtlichen Bedeutung der Genehmigung. Medizinische Maßnahmen im Sinne von § 1904 BGB (auch von Nichtärzten) bedürfen der jederzeit widerruflichen Einwilligung des Betroffenen, für die es nicht auf die Geschäftsfähigkeit , sondern auf die natürliche Einsichtsfähigkeit in bezug auf die konkret zur Entscheidung stehende Maßnahme ankommt. Ist sie vorhanden, hat der Wille des Betreuten absoluten Vorrang.30 Auf eine Einwilligung des Betreuers kommt es in diesem Fall nicht an. Bei fehlender Einsichtsfähigkeit erteilt sein gesetzlicher Vertreter im Rahmen seines Aufgabenkreises oder Bevollmächtigung die Einwilligung. Zwangsbehandlungen Einwilligungsunfähiger werden vom Betreuungsgesetz also nicht grundsätzlich verboten .31 Dennoch ist auch im Bereich der Heilbehandlung der grundsätzliche Willensvorrang des Betreuten zu beachten, und zwar auch dann, wenn der Wille des Betreuten 1. sachlich auf Verweigerung eines medizinisch an sich gebotenen Eingriffs gerichtet ist und 2. wenn er der Form nach in einer Patientenverfügung zum Ausdruck gebracht worden ist. Die Befugnis des Betreuers/Bevollmächtigten zur Einwilligung wird im Übrigen durch § 1904 Abs. 1 S. 1 BGB nur für besonders gefährliche bzw. endgültige Eingriffe eingeschränkt . Nur hierfür bedarf er der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts. Ob ein medizinischer Eingriff der vormundschaftlichen Genehmigung bedarf, kann im Einzelfall für den Betreuer schwierig zu beurteilen sein. Er kann die Beratung durch das Gericht in Anspruch nehmen (§ 1837 Abs. 1 S. 1 BGB). In besonderen Fällen ist auch die Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts zulässig. § 1906 BGB regelt die materiellen Voraussetzungen der die Freiheit entziehenden privatrechtlichen Unterbringung in Abs. 1 und ähnliche Maßnahmen in Abs. 4. Daneben gibt es die öffentlich-rechtliche Unterbringung, deren Voraussetzungen das Landesrecht regelt. Sie dient der Gefahrenabwehr für Dritte und gegebenenfalls auch des Betroffenen selbst. Die Genehmigung der privatrechtlichen Unterbringung berechtigt jedoch nicht zu medizinischen Maßnahmen gegen den Willen des Untergebrachten. Hierfür bedarf es viel- 30 LG Kassel, FamRZ 1996, S. 1501. 31 BT-Drucksache 11/4528 S. 141. - 12 - mehr der Einrichtung einer Gesundheitsfürsorge; insoweit gilt das zu § 1904 BGB Gesagte . Eine Unterbringung ist nur zum Wohle des Betreuten zulässig, wenn diese nach den Tatbestandsvoraussetzungen des § 1906 BGB erforderlich ist. § 1906 BGB lautet wie folgt: „(1) Eine Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, ist nur zulässig, solange sie zum Wohl des Betreuten erforderlich ist, weil 1. auf Grund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung des Betreuten die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt, oder 2. eine Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder ein ärztlicher Eingriff notwendig ist, ohne die Unterbringung des Betreuten nicht durchgeführt werden kann und der Betreute auf Grund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der Unterbringung nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann. (2) Die Unterbringung ist nur mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts zulässig. [...]“ Die Unterbringung ist somit bei Selbstgefährdung (§ 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB) sowie bei notwendiger Untersuchung des Gesundheitszustands, Heilbehandlung oder ärztlichen Eingriffen (§ 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB) zulässig. Zum Wohl des Betreuten gehören die Erhaltung seiner Gesundheit und die Verringerung oder Beseitigung von Krankheit oder Behinderungen. Dieses Wohl darf nicht durch die mangelnde Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit des Betreuten gefährdet werden .32 Eine Behandlung ohne Freiheitsentziehung ist jedoch vielfach nicht möglich, wenn der Betroffene die Krankheit nicht wahrhaben will, wie dies häufig beim Alkoholismus oder Drogenabhängigkeit der Fall ist. In einem aktuellen Beschluss hat der BGH sich wiederholt mit diesem Thema auseinandergesetzt und klargestellt, dass der Betreuer als gesetzlicher Vertreter des Betreuten grundsätzlich befugt ist, in ärztliche Maßnahmen auch gegen den natürlichen Willen eines im Rechtssinne einwilligungsunfähigen Betreuten einzuwilligen. Nach Ansicht des BGH umfasst diese Befugnis im Rahmen einer genehmigten Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB ausnahmsweise auch das Recht, erforderlichenfalls einen der ärztlichen Maßnahmen entgegenstehenden Willen des Betreuten zu überwinden (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Februar 2006, XII ZB 236/05 (OLG Celle) - Anlage 7 -). 32 BT-Drucksache 11/4528 S. 147. - 13 - 4. Zivilrechtliche Haftung Jeder nicht von einer wirksamen Einwilligung gedeckte Eingriff stellt zivilrechtlich eine „unerlaubte Handlung“ (§ 823 Abs. 1 BGB) dar, die zum Schadensersatz verpflichtet, an der der Bevollmächtigte/ rechtliche Betreuer teilnehmen oder die er durch den (nicht informierten) behandelnden Arzt als mittelbarer Täter begehen kann. 4.1. Haftung des Arztes Die Haftung des Arztes kann sich sowohl aus Vertrag (§ 280 Abs. 1 BGB) wegen der Verletzung der Pflicht aus dem Behandlungsvertrag, wie auch aus unerlaubter Handlung (§ 823 Abs. 1 BGB) ergeben. Hinsichtlich der unerlaubten Handlung geht die ständige Rechtsprechung davon aus, dass die freie Entscheidung über die Behandlung Ausprägung des Selbstbestimmungsrecht des Patienten ist. Das verfassungsrechtlich garantierte Selbstbestimmungsrecht schützt im Grundsatz das Recht, selbst über Angelegenheiten zu bestimmen, die der eigenen Persönlichkeitssphäre zugeordnet sind. Hierzu zählen auch Patientenverfügungen . Weder Krankheit noch ein ärztlicher Heilauftrag begründen ein eigenständiges Behandlungsrecht des Arztes. Deshalb erfüllt der ärztliche Heileingriff, gleichgültig ob pflichtwidrig vorgenommen oder nicht, stets den Tatbestand der Körperverletzung und damit des § 823 Abs. 1 BGB.33 Damit ist bei einem Eingriff auch dessen Rechtswidrigkeit indiziert. Die Rechtswidrigkeit entfällt nur bei Einwilligung des Patienten, die sich in der Regel aber nur auf eine Behandlung entsprechend den ärztlichen Berufspflichten bezieht und zu ihrer Wirksamkeit eine sachgerechte und vollständige Aufklärung durch den Arzt voraussetzt. Eingriffe gegen den erklärten Willen des einwilligungsfähigen Patienten sind unzulässig. Ein ärztlicher Heileingriff entgegen dem in einer Patientenverfügung geäußerten Willen stellt daher eine rechtswidrige Körperverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB dar, die eine zivilrechtliche Arzthaftung begründet. Ist der Patient - ohne hinterlassener Patientenverfügung - nicht in der Lage über seine Einwilligung selbst zu entscheiden, und auch ein naher Angehöriger nicht oder zu spät erreichbar, kann die Behandlung nach den allgemeinen Grundsätzen gleichwohl gerechtfertigt sein. So darf der Arzt je nach den Umständen von der mutmaßlichen Einwilligung des Patienten ausgehen, so dass in diesem Fall der Heileingriff gerechtfertigt ist. 33 So BGH NJW 1980, S. 1905. - 14 - 4.2. Haftung des Krankenhauses Der Träger eines Krankenhauses haftet gegenüber dem Patienten für Verletzungen der ihm obliegenden Pflichten, die je nach Umfang seines Verantwortungsbereichs verschieden sein können. Er haftet stets für Organisations- und Überwachungsfehler.34 Der Träger ist auch für Fehler im Rahmen der ärztlichen Leistungen verantwortlich. Eine Zurechnung des Verschuldens des Arztes erfolgt über §§ 31, 89 BGB. Gegebenenfalls haften das Krankenhaus und der Arzt als Gesamtschuldner, wenn der Arzt aufgrund eigener Pflichtverletzung auch selbst haftet.35 4.2.1. Haftung des Betreuers Der Betreuer haftet dem Betreuten für schuldhafte Pflichtverletzungen (§§ 1833, 1903i Abs. 1 S. 1 BGB). Praktisch am bedeutsamsten sind die Unterbringung36 und der Bereich der medizinischen Eingriffe (§ 1904 BGB). Hier kann der Betreuer durch Vornahme einer Behandlung ebenso haftbar gemacht werden, wie durch deren Unterlassung . Problematisch ist dabei, dass sich ein besonderes Haftungsrisiko daraus ergibt, dass das Betreuungsgesetz nicht zulässt, die Frage der Geschäftsfähigkeit des Betreuten konstitutiv zu klären. 4.3. Strafrechtliche Verantwortlichkeit Sofern keine durchgreifenden, auf schwerwiegende tatsächliche Anhaltspunkte gestützte Zweifel an der Wirksamkeit der Patientenverfügung bestehen, stellt sie eine den Arzt bindende Konkretisierung des Behandlungsauftrages dar37, etwa zur Unterlassung von diagnostischen Maßnahmen, Operationen oder Heilungsmaßnahmen mit ganz geringer und allenfalls vorübergehender Erfolgsaussicht.38 Patientenverfügungen können im Einzelfall jedoch in einen Konflikt mit der ärztlichen Berufspflicht geraten. Ein ärztlicher Heileingriff, mithin jede in die körperliche Unversehrtheit eingreifende ärztliche Behandlungsmaßnahme, erfüllt nach ständiger Rechtsprechung39 den objektiven Tatbestand einer Körperverletzung (§ 223 StGB). Dies gilt auch für eine kunstgerechte und erforderliche Maßnahme. Um eigenmächtige Eingriffe unter Verletzung des Selbstbestimmungsrechts der Patienten auszuschließen, bedarf der Heileingriff vielmehr 34 Eingehend Deutsch NJW 2000, S. 1745; Kern, MedR 2000, S. 347. 35 Vgl. BGH NJW 2000, S. 2741. 36 Beck in BtPrax 2001, S. 195. 37 Vgl. Weißauer/Opderbecke, MedR 1995, S. 459. 38 Siehe dazu auch Laufs NJW 1999 S. 1761 f.; Hartmann NStZ 2000, S. 113 ff.; Richtlinien der Bundesärztekammer , Ziffer V, NJW 1998, S. 3406 ff. Beachte zum Beurteilungsspielraum des Arztes, ob die Voraussetzungen für die Anweisung vorliegen aber BVerfG NStZ-RR 2002, S. 169f.. 39 seit RG 25, 375; 38, 34; BGH 11, 112; 16, 309; 35, 246; NJW 2000, S. 885. - 15 - einer besonderen Rechtfertigung und zwar in der Regel durch die ausdrücklich oder stillschweigend erklärte Einwilligung des Patienten.40 Die herrschende Meinung im Schrifttum vertritt demgegenüber den Standpunkt, dass der ärztliche Heileingriff dem Tatbestand der Körperverletzung nicht unterfalle.41 Hiernach sei eine Handlung, die auf die Wiederherstellung oder Erhaltung des körperlichen Wohls abzielt und im Erfolgsfalle dieses Ziel auch erreicht oder zumindest körperliche Beschwerden lindert, ihrem „sozialen Sinngehalt nach das Gegenteil einer Körperverletzung “.42 Dahinter steht die Erwägung, Rechtsgut des § 223 StGB sei im Kern das Interesse der Person an körperlicher Integrität. Aus strafrechtlicher Sicht interessiert vor allem, ob sich der behandelnde Arzt strafbar macht, wenn er einen entscheidungsfähigen Patienten gegen den in einer Patientenverfügung zum Ausdruck gebrachten Willen behandelt. Die Beantwortung dieser Frage hängt von der Reichweite der Verbindlichkeit von Patientenverfügungen ab. Mittlerweile wird die Verbindlichkeit von Patientenverfügungen überwiegend angenommen . Auch nach der grundlegenden Entscheidung des BGH vom 17. März 2003 ist die Diskussion über die Verbindlichkeit von Patientenverfügungen noch immer nicht ganz zur Ruhe gekommen. Die Bindungswirkung einer Patientenverfügung als Grundsatz wird aber kaum noch in Frage gestellt. Diese „Bindungswirkung“ an den unmissverständlich geäußerten Willen des Betroffenen führt einerseits zwar zu einer Unterstützung und Absicherung des behandelnden Arztes, der bei einer juristisch anerkannten Verbindlichkeit einer Patientenverfügung gerade nicht mehr das Risiko der Feststellung des mutmaßlichen Willens tragen muss43, andererseits zieht sie aber auch die Konsequenz nach sich, dass sich der Arzt strafbar macht, der sich bewusst und gewollt über die konkreten Anweisungen in einer Patientenverfügung hinweggesetzt und den Patienten damit gegen seinen Willen behandelt. Bei der Nichteinwilligung entscheidungsunfähiger Patienten ist hinsichtlich der Frage nach der Rechtfertigung der tatbestandlich verwirklichten Körperverletzung auf die mutmaßliche Einwilligung abzustellen. Nach ständiger Rechtsprechung kann in dem Fall des Fehlens einer tatsächlichen Einwilligung, etwa weil der Patient nicht befragt werden kann, im Einzelfall eine mutmaßliche Einwilligung in Betracht kommen.44 Ihre 40 BGHZ 29, 46. 41 Vgl. Lilie in: Leipziger Kommentar zum StGB, vor § 223 Rdnr. 3ff.; Eser in: Schönke/Schröder, Kommentar zum StGB § 223, Rdnr. 30 ff.. 42 Vgl. Tröndle/Fischer, Kommentar zum StGB, 53. Auflage 2006, § 223 Rdnr. 11. 43 Dieser Aspekt wird allgemein als „Entscheidungshilfe für den Arzt“ umschrieben. 44 Vgl. BGHSt 35, 249; 45, 219; BGHZ 29, 185; Tröndle/Fischer, Kommentar zum StGB, § 223 Rdnr. 15. - 16 - Feststellung hat sich an den persönlichen Umständen und Interessen des Betroffenen (Wünschen, Bedürfnissen, Wertvorstellungen) zu orientieren. Ob die Körperverletzungshandlung im Ergebnis wegen mutmaßlicher Einwilligung zu rechtfertigen ist, ist letztlich jeweils eine Entscheidung des Einzelfalls.