WD 7 - 3000 - 118/20 (16.10.2020) © 2020 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. 1. Kartellrecht Gemäß § 20 Absatz 3 Satz 1 GWB ist es Unternehmen mit gegenüber kleinen und mittleren Wettbewerbern überlegener Marktmacht verboten, ihre Marktmacht dazu auszunutzen, solche Wettbewerber unmittelbar oder mittelbar unbillig zu behindern. Gemäß § 20 Absatz 3 Satz 2 Nr. 1 GWB liegt eine solche unbillige Behinderung insbesondere vor, wenn ein Unternehmen Lebensmittel im Sinne des § 2 Absatz 2 LFGB unter Einstandspreis anbietet – es sei denn, dies ist jeweils sachlich gerechtfertigt. Einstandspreis in diesem Sinne ist gemäß § 20 Absatz 3 Satz 3 GWB der zwischen dem Unternehmen mit überlegener Marktmacht und seinem Lieferanten vereinbarte Preis für die Beschaffung der Ware oder Leistung, auf den allgemein gewährte und im Zeitpunkt des Angebots bereits mit hinreichender Sicherheit feststehende Bezugsvergünstigungen anteilig angerechnet werden, soweit nicht für bestimmte Waren oder Leistungen ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist. Gemäß § 20 Absatz 3 Satz 4 GWB ist das Anbieten von Lebensmitteln unter Einstandspreis sachlich gerechtfertigt, wenn es geeignet ist, den Verderb oder die drohende Unverkäuflichkeit der Waren beim Händler durch rechtzeitigen Verkauf zu verhindern sowie in vergleichbar schwerwiegenden Fällen. Die Gesetzesbegründung führte zu dieser Regelung aus: „Der teilweise ruinöse Preiswettbewerb im Lebensmitteleinzelhandel, zu dem auch Verkäufe unter Einstandspreis durch große Handelsunternehmen beitragen, gefährdet auf Dauer die Existenzbasis vor allem kleiner und mittlerer Betriebe . Diese bedürfen eines besonderen Schutzes gegen einen Verdrängungswettbewerb durch marktmächtige Großunternehmen des Handels. Daher wird zukünftig auch der gelegentliche Verkauf von Lebensmitteln unter Einstandspreis grundsätzlich untersagt“ (Bundestags-Drs. 16/5847, S. 10). Die Regelung erfasst nur „Einzelhandelsunternehmen …, die an Endverbraucher verkaufen, nicht dagegen Hersteller und Großhändler. Zweifelhaft ist, ob auch bei der Belieferung von Großverbrauchern wie Großküchen oder Restaurants ein Verkauf unter Einstandspreisen nicht erfolgen darf. Eine Nichtanwendung des Abs. 3 S. 2 Nr. 1 auf die Belieferung von Großverbrauchern wird zum Teil mit der Begründung bejaht, dass insoweit ein Verbot vom wettbewerbspolitischen Zweck der Vorschrift nicht gedeckt sei und dass es zu einer unterschiedlichen Behandlung von Händlern und Herstellern führen würde, da Letztere von der Vorschrift erfasst würden. Dagegen Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Wettbewerbsrechtliche Preisuntergrenzen für den Verkauf von Lebensmitteln Kurzinformation Wettbewerbsrechtliche Preisuntergrenzen für den Verkauf von Lebensmitteln Fachbereich WD 7 (Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 lässt sich einwenden, dass kleine und mittlere Unternehmen auch dann dem Verdrängungswettbewerb großer Handelsunternehmen ausgesetzt sein können, wenn sie Restaurants oder Großküchen beliefern und dass auch bei der Lieferung an Privathaushalte die Situation besteht, dass Hersteller zu einem nicht kostendeckenden Preis ihre Produkte abgeben dürfen. Nach dem Gesetzeswortlaut ist Abs. 3 S. 2 Nr. 1 auch auf die Belieferung von Großverbrauchern anzuwenden, zudem dürfte eine Abgrenzung von Großverbrauchern und Nichtgroßverbrauchern auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen.“ (Loewenheim § 20 GWB Rn. 72) 2. Lauterkeitsrecht Rechtliche Untergrenzen für die Preisgestaltung bei Lebensmitteln können sich aus dem im UWG niedergelegten Recht des unlauteren Wettbewerbs hingegen nur ganz ausnahmsweise ergeben, da hier grundsätzlich die Preisgestaltungsfreiheit greift. Infolgedessen sind „auch Verkäufe unter Selbstkosten oder unter Einstands- bzw Einkaufspreis grundsätzlich zulässig und nur bei Vorliegen besonderer Umstände wettbewerbswidrig“ (Götting/Hetmank § 4 UWG Rn. 37). Dies wird auch aus dem in § 20 GWB enthaltenen Verbot gefolgert, da dieses nur für den dort genannten Adressatenkreis gelte und hieraus insofern im Umkehrschluss gefolgert werden könne und müsse, dass im Übrigen ein Verbot nicht vorliege: „Ganz selbstverständlich und wettbewerbsimmanent darf ein Unternehmer die Preise eines Wettbewerbers unterbieten . Gleiches gilt für den Verkauf unter Einstandspreis oder unter „Selbstkosten“ (Einstandspreis + Gemeinkosten ). Zu dieser Beurteilung nach UWG zwingt schon der kartellrechtliche Verbotstatbestand des § 20 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 GWB 2017. Dieser untersagt (nur) Unternehmen mit gegenüber kleinen oder mittleren Unternehmen überlegener Marktmacht den nicht nur gelegentlichen Verkauf unter Einstandspreis. Darüber hinaus ist seit 2007 der Verkauf von Lebensmitteln unter Einstandspreis stets verboten (§ 20 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 GWB 2017). Dies heißt im Umkehrschluss, dass in allen anderen Fällen der Verkauf unter Einstandspreis grundsätzlich zulässig ist. Gleiches gilt für eine Preisunterbietung. Auch diese ist im Grundsatz immer erlaubt. Über diese gesetzgeberische Wertung, die im GWB ihren Niederschlag gefunden hat, darf sich die Anwendung des UWG nicht hinwegsetzen.“ (Jänich § 4 UWG Rn. 162) Quellen: – GWB: Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1750, 3245), das zuletzt durch Artikel 2 Absatz 8 des Gesetzes vom 25. Juni 2020 (BGBl. I S. 1474) geändert worden ist. – LFGB: Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Juni 2013 (BGBl. I S. 1426), das zuletzt durch Artikel 97 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328) geändert worden ist. – UWG: Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. März 2010 (BGBl. I S. 254), das zuletzt durch Artikel 5 des Gesetzes vom 18. April 2019 (BGBl. I S. 466) geändert worden ist. – Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Preismissbrauch im Bereich der Energieversorgung und des Lebensmittelhandels, Bundestags-Drucksache 16/5847 vom 27. Juni 2007. – Götting/Hetmank: Kommentierung in Fezer/Büscher/Obergfell (Hrsg.), Lauterkeitsrecht: UWG, 3. Auflage 2016. – Jänich: Kommentierung in Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 3. Auflage 2020. – Loewenheim: Kommentierung in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/Meyer-Lindemann (Hrsg.), Kartellrecht , 4. Auflage 2020. * * *