© 2018 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 116/18 Abmahnungen im Datenschutzrecht Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Möglichkeiten der Einschränkung von Abmahnungen wegen Datenschutzverstößen 11 4.1. Streitwertbegrenzung 11 4.2. Modifizierung des Verbandsklagerechts 13 4.3. Vorläufiger Ausschluss bzw. Beschränkung der Kostenerstattung 14 5. Fazit 16 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 116/18 Seite 4 1. Einleitung Mit dem Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO)1 und des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG nF)2 am 25. Mai 2018 befürchten Wirtschaftsvertreter kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU), Vereine und vergleichbare Institutionen eine „Abmahnwelle“ wegen fehlender und fehlerhafter Umsetzung der datenschutzrechtlichen Vorgaben. Vor diesem Hintergrund soll geprüft werden, wie im deutschen Recht eine Regelung getroffen werden kann, dass gegenüber KMU, Vereinen und ähnlichen Institutionen keine Abmahnungen bei Verstößen gegen das Datenschutzrecht vorgenommen werden können. Hierbei sollen auch europarechtliche Vorgaben berücksichtigt werden. In diesem Zusammenhang wird zunächst das Rechtsinstitut der Abmahnung im Allgemeinen vorgestellt (Ziffer 2). Danach wird die Möglichkeit der Abmahnung wegen Verstößen gegen das Datenschutzrecht für verschiedene Fallkonstellationen dargestellt (Ziffer 3). Schließlich wird geprüft , welche Möglichkeiten der Einschränkung solcher Abmahnungen denkbar wären (Ziffer 4). 2. Die Abmahnung nach deutschem Recht Die Abmahnung stellt eine formale Aufforderung dar, eine bestimmte Handlung oder ein bestimmtes Verhalten zu unterlassen.3 Grundsätzlich sind Abmahnungen für jeden Bereich zivilrechtlicher Unterlassungsansprüche und in jedem vertraglichen Dauerschuldverhältnis einsetzbar . Voraussetzung für eine Abmahnung ist daher ein Unterlassungsanspruch des Abmahnenden gegen den Abgemahnten. 2.1. Zivilrechtliche Unterlassungsansprüche Der allgemeine Unterlassungsanspruch im Zivilrecht wird regelmäßig auf § 1004 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)4 (analog) gestützt. Danach ist zunächst die wesentliche Anspruchsvoraussetzung , dass ein absolut geschütztes Recht, wie bspw. das Eigentum (§ 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB in direkter Anwendung) oder das allgemeine Persönlichkeitsrecht (APR, als 1 Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung), (ABl. Nr. L 119 S. 1, ber. ABl. Nr. L 314 S. 72 und ABl. 2018 Nr. L 127 S. 2); zuletzt aufgerufen am 07.06.2018: https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/ALL/?uri=CELEX%3A32016R0679. 2 Bundesdatenschutzgesetz vom 30. Juni 2017 (BGBl. I S. 2097); zuletzt aufgerufen am 07.06.2018: https://www.gesetze-im-internet.de/bdsg_2018/index.html. 3 Prasse/Steinbach-Martens, in: Schulze/Grziwotz/Lauda, BGB: Kommentiertes Vertrags- und Prozessformularbuch , 3. Aufl. 2017, § 323 Rn. 32, 34. 4 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2787) geändert worden ist; zuletzt aufgerufen am 07.06.2018: http://www.gesetze-im-internet.de/bgb/. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 116/18 Seite 5 ein von § 823 Abs. 1 BGB erfasstes „sonstiges Recht“ und damit § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB in analoger Anwendung), verletzt ist oder eine solche Verletzung droht.5 Einen zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch kann vor allem geltend machen, wer individuell, bspw. durch eine unzulässige Äußerung in der Medienberichterstattung6, durch eine Tatsachenbehauptung oder eine Meinungsäußerung , in seinem Persönlichkeitsrecht betroffen ist.7 Die Abmahnung ist in Deutschland daneben ausdrücklich als Voraussetzung für die Kündigung von Dauerschuldverhältnissen (§ 314 Abs. 2 BGB), bspw. im Arbeitsrecht, oder für den Rücktritt (§ 323 Abs. 3 BGB) von einem gegenseitigen Vertrag vorgesehen. So muss bspw. im Mietrecht der Unterlassungsklage regelmäßig eine Abmahnung vorausgehen. Bei der Abmahnung gegenüber dem Mieter handelt es sich um eine rechtsgeschäftsähnliche, dem Schutz des Mieters dienende, einseitige, empfangsbedürftige Erklärung, ein bestimmtes (mietvertragswidriges ) Verhalten zu unterlassen. Ähnlich wie im Arbeitsrecht hat die Abmahnung eine Warnfunktion. Neben der Warnfunktion soll die Abmahnung Streitigkeiten auf direktem Weg ohne Einschaltung eines Gerichts beilegen. Sie ist aus Sicht des Verletzten (der Abmahnende) notwendig, um dem Risiko zu begegnen, dass die gegnerische Seite (der Abgemahnte) in einem gerichtlichen Verfahren ihre Unterlassungspflicht sofort anerkennt. In dieser prozessualen Situation hätte der Verletzte nach § 93 der Zivilprozessordnung (ZPO)8 die bis dahin entstandenen Verfahrenskosten selbst zu tragen, wenn die gegnerische Seite ansonsten keinen Anlass zum Betreiben des gerichtlichen Verfahrens gegeben hat. In der Vergangenheit ist allerdings das Rechtinstitut der Abmahnung in erheblichem Umfang immer wieder missbraucht worden, so dass sich der Gesetzgeber mehrfach veranlasst sah, hiergegen vorzugehen.9 5 Als weitere zivilrechtliche Unterlassungsansprüche kommen in Betracht: für das Namensrecht § 12 Satz 2 BGB, für die Besitzstörung § 862 BGB. 6 Vgl. hierzu Fechner, Medienrecht, 16. Aufl. 2015, Rn. 104 ff.; ders./Wössner, Journalistenrecht – Ein Leitfaden für Medienschaffende: Social Web, Online, Hörfunk, Fernsehen, Print, 3. Aufl. 2015, S. 175 mit einem Beispiel für eine Unterwerfungserklärung. 7 Als Verletzungstatbestände kommen in Betracht: bei Beleidigungsdelikten § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 185 ff. des Strafgesetzbuches (StGB) , bei unzulässigen Bildnisveröffentlichungen § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 22 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie (KUG). 8 Zivilprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3202; 2006 I S. 431; 2007 I S. 1781), die zuletzt durch Artikel 11 Absatz 15 des Gesetzes vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2745) geändert worden ist; zuletzt aufgerufen am 07.06.2018: https://www.gesetze-im-internet.de/zpo/. 9 Vgl. bspw. BT-Drucks. 10/5771, S. 22: Einführung von § 13 Abs. 5 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) aF, dem späteren § 8 Abs. 4 Satz 1 UWG; BT-Drucks. 17/13057, S. 25: Einführung von § 8 Abs. 4 Satz 2 UWG; BT-Drucks. 17/13057, S. 30 f.: Einführung von § 51 Abs. 3 Satz 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 116/18 Seite 6 2.2. Unterlassungsvertrag/Unterwerfungserklärung Grundsätzlich ist ein Rechtsanwalt nicht berechtigt, beliebig andere Personen abzumahnen. Zur Abmahnung ist regelmäßig nur die von einer Verletzung von Datenschutzvorschriften betroffene (und ggf. anwaltlich vertretene) Person (der Verletzte) berechtigt, die durch das Verhalten der abzumahnenden Person (der Verletzer) in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt worden ist. Die Abmahnung stellt regelmäßig ein Angebot zum Abschluss eines Unterlassungsvertrages dar.10 Regelmäßig wird der Abmahnung vom Abmahnenden eine vorformulierte strafbewehrte Unterwerfungserklärung beigefügt. Der Abmahnende macht dem Abgemahnten also ein Angebot zum Abschluss eines Unterlassungsvertrages. Ein Unterlassungsvertrag kommt mit dem Inhalt zustande , wie er in der Unterwerfungserklärung ggf. ausgehandelt wurde. Es empfiehlt sich häufig substantiiert mit dem Abmahnenden eine Fristverlängerung zu vereinbaren, um die vorformulierte Unterwerfungserklärung überprüfen zu lassen. Eine derartige Überprüfung kann auch von einem Landes- oder Bundesbeauftragten für den Datenschutz vorgenommen werden. 2.3. Abmahnkosten Die Abmahnung wird in aller Regel von einem Anwalt im Auftrag des Verletzten vorgenommen. Bereits durch die Abmahnung selbst können Anwaltskosten entstehen. Die Gebühren für die anwaltliche Tätigkeit werden dabei nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG)11, insbesondere nach dessen Anlagen, berechnet. Nach dem Streitwert (oder außergerichtlich Gegenstandswert ) richtet sich die Höhe der Vergütung der Rechtsanwälte sowie ggf. die der Gerichtskosten. Mit dem Streitwert wird der Wert des Streitgegenstandes bemessen. Bei Datenschutzverletzungen als eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts dürfte die Festsetzung des Gegenstands- bzw. Streitwertes häufig problematisch sein (siehe ausführlicher Ziffer 4.1). Ist die Abmahnung berechtigt oder akzeptiert der Abgemahnte sie ohne weiteres, kann der Verletzte die Anwaltskosten ersetzt verlangen. Ursprünglich wurde die Abmahnung als eine Art Geschäftsführung ohne Auftrag verstanden, teilweise wurde sie auch als gewohnheitsrechtliches Instrument angesehen.12 Die höchstrichterliche Rechtsprechung greift auf diese Rechtsinstrumente nicht mehr ohne weiteres zurück, sondern stützt sich auf spezialgesetzlich geregelte Aufwendungsersatzansprüche, wie 10 Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 19.05.2010 - I ZR 140/08, Rn. 17 (juris Datenbank); BGH, Urteil vom 17.09.2009 - I ZR 217/07, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (GRUR) 2010, S. 355. 11 Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG) vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718, 788), das zuletzt durch Artikel 2 Absatz 8 des Gesetzes vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2739) geändert worden ist; zuletzt aufgerufen am 07.06.2018: https://www.gesetze-im-internet .de/rvg/. 12 Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Aufl. 2018, § 12 Rn. 1.110 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 116/18 Seite 7 bspw. § 97a Abs. 3 Satz 1 des Urheberrechtsgesetzes (UrhG)13 oder § 12 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)14. Die Streitfrage, ob ein Erstattungsanspruch aus dem Aufwendungsersatz der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 683 Satz 1, 670 BGB) besteht, hat sich damit weitgehend erübrigt. 3. Abmahnungen wegen Datenschutzverstößen Bei Abmahnungen wegen Datenschutzverstößen ist zu differenzieren, ob es sich bei dem Abmahnenden um den durch den Datenschutzverstoß Betroffenen (Ziffer 3.1) oder um Verbände, Einrichtungen etc. handelt, die nicht selbst betroffen sind, sondern vielmehr das Verbandsklagerecht wahrnehmen (Ziffer 3.2). Schließlich ist noch auf einen Sonderfall der Betroffenheit unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten einzugehen (Ziffer 3.3). 3.1. Abmahnung bei originärer Betroffenheit Art. 79 DS-GVO hat in Absatz 1 folgenden Wortlaut: „Jede betroffene Person hat unbeschadet eines verfügbaren verwaltungsrechtlichen oder außergerichtlichen Rechtsbehelfs einschließlich des Rechts auf Beschwerde bei einer Aufsichtsbehörde gemäß Artikel 77 das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf, wenn sie der Ansicht ist, dass die ihr aufgrund dieser Verordnung zustehenden Rechte infolge einer nicht im Einklang mit dieser Verordnung stehenden Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten verletzt wurden.“ Art. 79 DS-GVO statuiert insoweit eine Rechtsschutzgarantie. Dem Betroffen muss daher bei rechtswidriger Verarbeitung seiner auf seine Person bezogenen Daten gerichtlicher Rechtsschutz unmittelbar gegen den Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiter zustehen. Da die DS-GVO sowie das BDSG selbst keinen Unterlassungsanspruch bei rechtswidriger Datenerhebung, -verarbeitung oder -nutzung beinhaltet, richtet sich ein solcher Anspruch des Betroffenen weiterhin nach dem allgemeinen nationalen Unterlassungsanspruch in § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i. V. m. § 823 Abs. 1 BGB in analoger Anwendung.15 13 Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz - UrhG) vom 9. September 1965 (BGBl. I S. 1273), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 1. September 2017 (BGBl. I S. 3346) geändert worden ist; zuletzt aufgerufen am 07.06.2018: https://www.gesetze-im-internet.de/urhg/. 14 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. März 2010 (BGBl. I S. 254), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 17. Februar 2016 (BGBl. I S. 233) geändert worden ist; zuletzt aufgerufen am 08.06.2018: https://www.gesetze-im-internet.de/uwg_2004/. 15 Koreng, in: Gierschmann/Schlender/Stentzel/Veil, DSGVO, 2018, Art. 79 Rn. 32; Bamberger, in: BeckOK BGB, hrsg. v. Bamberger/Roth/Hau/Poseck, 45. Edition, Stand: 01.11.2017, § 12 Rn. 224, 228; Dendorfer-Ditges, in: Moll, Münchener Anwaltshandbuch Arbeitsrecht, 4. Aufl. 2017, § 35 Rn. 258 f.; Becker, in: Plath, BDSG/DSGVO, 2. Aufl. 2016, Art. 79 Rn. 2; Thüsing/Pötters, in: Thüsing, Beschäftigtendatenschutz und Compliance , 2. Aufl. 2014, § 21 Rn. 24. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 116/18 Seite 8 Hintergrund dieses Unterlassungsanspruchs ist, dass das Deliktsrecht in §§ 823 ff. BGB als Rechtsfolge zunächst nur die Gewährung von Schadensersatz vorsieht. Die deliktsrechtlich geschützten Rechte und Rechtsgüter wären jedoch unvollständig geschützt, wenn dem Betroffenen nur bei einer bereits eingetretenen Verletzung der Ersatz des entstandenen Schadens verbliebe. Daher ist seit langem anerkannt, dass der Unterlassungsanspruch des § 1004 BGB die deliktsrechtlich geschützten Rechte und Rechtsgüter in analoger Anwendung miterfasst, um bereits im Vorfeld eines etwaigen Schadensersatzes Unterlassung der Verletzung fordern zu können ([Quasi-]Negatorischer Rechtsschutz).16 Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht (APR, Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes 17) ist als ein „sonstiges Recht“ von § 823 Abs. 1 BGB erfasst.18 Eine besondere Ausprägung des APR ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, wonach der Einzelne das Recht hat, die eigenen Daten zu nutzen, Dritte von der unbefugten Nutzung auszuschließen und damit selbst über die seine Person betreffenden Daten zu entscheiden, und zu dessen Schutz die DS-GVO und das BDSG dienen.19 Kommt es bei der Verarbeitung personenbezogener Daten zu einem Verstoß gegen das Datenschutzrecht, ist damit das Recht auf informationelle Selbstbestimmung tangiert und dem Betroffenen steht ein Anspruch auf Unterlassung analog § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i. V. m. § 823 Abs. 1 BGB zu. Steht dem Betroffenen ein solcher Unterlassungsanspruch zu, kann er den Verantwortlichen auch entsprechend abmahnen. 3.2. Abmahnung durch unbetroffene Verbände, Einrichtungen etc. Nach § 2 Abs. 1 des Unterlassungsklagengesetzes (UKlaG)20 können die nach § 3 UKlaG aktivlegitimierten Stellen (bestimmte Einrichtungen und Verbände, die Industrie- und Handelskammern sowie die Handwerkskammern) unter anderem Unterlassungsansprüche geltend machen, wenn gegen Verbraucherschutzgesetze verstoßen wird. Zu diesen Verbraucherschutzgesetzen zählt seit Februar 2016 laut § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 11 UKlaG auch das Datenschutzrecht.21 Dies jedoch nicht pauschal, sondern mit Einschränkungen: Es muss um personenbezogene Daten eines Verbrauchers gehen, die ein Unternehmer erhebt, verarbeitet oder nutzt, und dies zu kommerziellen Zwecken. Dies kann sowohl bei kleinen als auch mittleren Unternehmen der Fall sein; lediglich 16 Förster, in: BeckOK BGB, hrsg. v. Bamberger/Roth/Hau/Poseck, 45. Edition, Stand: 01.11.2017, § 823 Rn. 50; Kötz/Wagner, Deliktsrecht, 13. Aufl. 2016, Rn. 405. 17 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100- 1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 13. Juli 2017 (BGBl. I S. 2347) geändert worden ist; zuletzt aufgerufen am 07.06.2018: https://www.gesetze-im-internet.de/gg/. 18 Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, § 823 Rn. 295; Kötz/Wagner, Deliktsrecht, 13. Aufl. 2016, Rn. 399. 19 Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, § 823 Rn. 295; Kötz/Wagner, Deliktsrecht, 13. Aufl. 2016, Rn. 398. 20 Unterlassungsklagengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. August 2002 (BGBl. I S. 3422, 4346), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2446) geändert worden ist; zuletzt aufgerufen am 07.06.2018: http://www.gesetze-im-internet.de/uklag/. 21 Gesetz zur Verbesserung der zivilrechtlichen Durchsetzung von verbraucherschützenden Vorschriften des Datenschutzrechts vom 17. Februar 2016 (BGBl. 2016 I S. 233). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 116/18 Seite 9 bei einem Idealverein i. S. v. § 21 BGB, der keine wirtschaftlichen Interessen verfolgt, ist darauf hinzuweisen, dass ein solcher Verein durch den fehlenden wirtschaftlichen Bezug nicht die Voraussetzungen der Nummer 11 im Unterlassungsklagengesetz erfüllt und deshalb grundsätzlich kein entsprechendes Vorgehen durch Verbände, Einrichtungen etc. zu befürchten hat. § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 11 UKlaG hat folgenden Wortlaut: „Verbraucherschutzgesetze im Sinne dieser Vorschrift sind insbesondere […] 11. die Vorschriften, welche die Zulässigkeit regeln a) der Erhebung personenbezogener Daten eines Verbrauchers durch einen Unternehmer oder b) der Verarbeitung oder der Nutzung personenbezogener Daten, die über einen Verbraucher erhoben wurden, durch einen Unternehmer, wenn die Daten zu Zwecken der Werbung, der Markt- und Meinungsforschung, des Betreibens einer Auskunftei, des Erstellens von Persönlichkeits- und Nutzungsprofilen, des Adresshandels , des sonstigen Datenhandels oder zu vergleichbaren kommerziellen Zwecken erhoben , verarbeitet oder genutzt werden, […].“ Wird in der des § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 11 UKlaG vorausgesetzten Weise gegen das Datenschutzrecht verstoßen, können die anspruchsberechtigten Stellen ohne eigene Betroffenheit ihr Verbandsklagerecht nutzen und vor Geltendmachung ihres Unterlassungsanspruchs als Vorstufe entsprechend abmahnen. Dies schließt allerdings nicht aus, dass die in ihren Datenschutzrechten verletzten Personen (in der Regel anwaltlich vertreten) selbst mittels Abmahnungen vorgehen (siehe Ziffer 3.1). Nach dem mittlerweile geltenden Art. 80 Abs. 2 DS-GVO können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Einrichtungen, Organisationen oder Vereinigungen i. S. v. Art. 80 Abs. 1 DS-GVO unabhängig von einem Auftrag einer betroffenen Person deren Rechte nach der DS-GVO wahrnehmen können. Für das bisherige Verbandsklagerecht bedeutet dies, das die nach § 3 UKlaG anspruchsberechtigten Stellen einen Unterlassungsanspruch wegen Datenschutzverstößen i. S. d. DS-GVO nur geltend machen können, sofern sie die Voraussetzungen an Einrichtungen, Organisationen oder Vereinigungen nach Art. 80 Abs. 1 DS-GVO erfüllen.22 Nach Art. 80 Abs. 2 DS-GVO bedarf es für das Verbandsklagerecht aber nicht nur eines objektiven Verstoßes gegen das Datenschutz- 22 Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Aufl. 2018, § 2 UKlaG Rn. 29a. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 116/18 Seite 10 recht – wie es bisher nach § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 11 UKlaG ausgereicht hätte –, sondern das Verbandsklagerecht ist akzessorisch zu einer (behaupteten) Verletzung subjektiver Rechte.23 Art. 80 Abs. 2 DS-GVO lautet insoweit: „Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass jede der in Absatz 1 des vorliegenden Artikels genannten Einrichtungen, Organisationen oder Vereinigungen unabhängig von einem Auftrag der betroffenen Person in diesem Mitgliedstaat das Recht hat, bei der gemäß Artikel 77 zuständigen Aufsichtsbehörde eine Beschwerde einzulegen und die in den Artikeln 78 und 79 aufgeführten Rechte in Anspruch zu nehmen, wenn ihres Erachtens die Rechte einer betroffenen Person gemäß dieser Verordnung infolge einer Verarbeitung verletzt worden sind.“ 3.3. Abmahnung bei Betroffenheit unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten Verstößt jemand gegen die Vorgaben des Datenschutzes, während sich andere Mitbewerber an die Bestimmungen halten, könnte der entsprechende Mitbewerber unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten durch diesen Datenschutzverstoß betroffen sein. Der Zweck des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) ist in § 1 festgehalten: „Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Es schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb.“ § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG hält für den Mitbewerber (und nicht nur für Verbände und Kammern , § 8 Abs. 3 Nr. 2-4 UWG, und damit weiter als das UKlaG) einen Unterlassungsanspruch gegen denjenigen fest, der nach § 3 UWG unzulässige geschäftliche Handlungen vornimmt. Geschäftliche Handlungen sind gemäß § 3 Abs. 1 UWG unzulässig, wenn sie unlauter sind. Unlauter handelt gemäß § 3a UWG, „ […] wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen .“ Die aus dem Unterlassungsanspruch des § 8 UWG resultierende Möglichkeit zur Abmahnung ist in § 12 Abs. 1 UWG ausdrücklich festgehalten. Es stellt sich daher die Frage, ob und wenn ja, inwieweit datenschutzrechtliche Bestimmungen Marktverhaltensregelungen i. S. d. § 3a UWG zum Schutze der Verbraucher sind. Nur wenn das Datenschutzrecht als Marktverhaltensvorschriften unter § 3a UWG fällt, ist das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) anwendbar, um das Datenschutzrecht durchzusetzen, und liefert dem Mitbewerber einen entsprechenden Unterlassungsanspruch. 23 Frenzel, in: Paal/Pauly, DS-DVO BDSG, 2. Aufl. 2018, Art. 80 Rn. 10 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 116/18 Seite 11 Bereits vor Inkrafttreten der DS-GVO war diese Frage in Literatur und Rechtsprechung strittig.24 Nach der Rechtsprechung ließ sich die Tendenz erkennen, bei der Verletzung von Datenschutzrecht eine Marktverhaltensvorschrift zu bejahen und einen Wettbewerbsverstoß anzunehmen; dies insbesondere dann, wenn Normen mit eindeutigem Werbebezug in Frage standen, wie bspw. bei § 28 BDSG aF.25 Bejaht man nach der nun geltenden DS-GVO die in Frage stehende Vorschrift als eine Marktverhaltensvorschrift , steht dem Mitbewerber ein Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 UWG und damit die Möglichkeit einer Abmahnung nach § 12 Abs. 1 UWG zu. Lehnt man dies jedoch ab, scheidet diese Möglichkeit aus.26 4. Möglichkeiten der Einschränkung von Abmahnungen wegen Datenschutzverstößen Auch bei der Untersuchung, wie die unter Ziffer 3 aufgezeigten Abmahnungsmöglichkeiten bei einem Datenschutzverstoß eingeschränkt werden können, ist nach den verschiedenen Konstellationen zu unterscheiden. 4.1. Streitwertbegrenzung Dem Betroffenen eines Datenschutzverstoßes muss nach Art. 19 Abs. 4 GG für sein dadurch tangiertes Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG umfassender Rechtsschutz zustehen. Besteht ein Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i. V. m. § 823 Abs. 1 BGB analog, würde aber die Möglichkeit der Abmahnung pauschal – wenn auch nur hinsichtlich kleinerer oder mittlerer Unternehmen, Vereinen und ähnlichen Institutionen – eingeschränkt werden, bestünde die Gefahr, den effektiven Rechtsschutz unzulässig zu verkürzen. Denkbar wäre, die Abmahnung als solche zwar nicht auszuschließen, ihren Gebrauch jedoch unattraktiver zu machen und dadurch einer „massenhaften Abmahnwelle“ vorzubeugen. Als Vorbild könnte die Streitwertbegrenzung in § 51 Abs. 3 Satz 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG)27 dienen. § 51 Abs. 2 und Abs. 3 GKG haben folgenden Wortlaut: 24 Podszun/de Toma, Die Durchsetzung des Datenschutzes durch Verbraucherrecht, Lauterkeitsrecht und Kartellrecht , Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2016, 2987 (2990 f.) mit Ausführungen zur bejahenden, ablehnenden sowie der herrschenden – je nach Einzelfall differenzierenden – Meinung. 25 Podszun/de Toma, NJW 2016, 2987 (2992); Robak, Neue Abmahnrisiken im Datenschutzrecht, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Praxis im Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht (GRUR-Prax) 2016, 139 (140). 26 So ausdrücklich Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Aufl. 2018, § 3a Rn. 1.40a, 1.74b. 27 Gerichtskostengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Februar 2014 (BGBl. I S. 154), das zuletzt durch Artikel 2 Absatz 7 des Gesetzes vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2739) geändert worden ist; zuletzt aufgerufen am 08.06.2018: https://www.gesetze-im-internet.de/gkg_2004/. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 116/18 Seite 12 „(2) In Verfahren über Ansprüche nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. (3) Ist die Bedeutung der Sache für den Beklagten erheblich geringer zu bewerten als der nach Absatz 2 ermittelte Streitwert, ist dieser angemessen zu mindern. Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts hinsichtlich des Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruchs keine genügenden Anhaltspunkte, ist insoweit ein Streitwert von 1 000 Euro anzunehmen , auch wenn diese Ansprüche nebeneinander geltend gemacht werden.“ § 51 Abs. 3 Satz 2 GKG legt damit einen Auffangstreitwert von 1000 Euro fest. Bei einem Verfahren um den wettbewerbsrechtlichen Beseitigungs- sowie Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 UWG ist immer dann ein Streitwert von 1000 Euro anzunehmen, wenn der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwertes nach Absatz 2 und Absatz 3 Satz 1 der Vorschrift keine genügenden Anhaltspunkte bietet. Bei der Einführung dieses Auffangstreitwerts war es ausdrückliches Ziel des Gesetzgebers, durch strengere Maßstäbe für die Festsetzung des Streitwerts die Abmahnkosten zu begrenzen und dadurch missbräuchlichen Abmahnungen entgegenzuwirken .28 Denn je höher der Streitwert, desto höher die Kosten, einschließlich die der Abmahnung , welche der Abmahnende sodann vom Abgemahnten ersetzt verlangt.29 Im Entwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken wurde zu dem zugrundeliegenden Problem und dessen Lösung vorgetragen: „Unseriöse Geschäftspraktiken in den Bereichen Inkassowesen, Telefonwerbung und Abmahnwesen sind immer wieder Gegenstand von Beschwerden der Bürgerinnen und Bürger. Diesen Praktiken ist gemeinsam, dass die betroffenen Bürgerinnen und Bürger, obwohl sie selbst entweder keine oder nur vergleichsweise geringfügige Rechtsverstöße begehen, erhebliche Verluste finanzieller oder immaterieller Art hinnehmen müssen oder zumindest der Gefahr solcher Verluste ausgesetzt sind. […] Der Gesetzentwurf sieht zur Eindämmung einiger unseriöser Geschäftspraktiken bestimmte Verbotstatbestände, die Verringerung finanzieller Anreize, mehr Transparenz sowie neue oder schärfere Sanktionen vor.“30 Die Verringerung des finanziellen Anreizes für (massenhafte) Abmahnungen sollte unter anderem durch die Einführung der Absätze 2 und 3 in § 51 GKG erreicht werden. Im Gesetzesentwurf wurde dazu ausgeführt: „In vielen lauterkeitsrechtlichen Streitigkeiten werden von abmahnenden Rechtsanwälten Gegenstandswerte festgelegt, die zu Gebühren führen, die von den Abgemahnten als ungerecht hoch empfunden werden und diese teilweise empfindlich treffen. […] Die Ermittlung der Gegenstands- bzw. Streitwerte bei Unterlassungsansprüchen in nichtvermögensrechtli- 28 BT-Drucks. 17/13057, S. 30 f. 29 Zum Zusammenhang von hohen Streitwerten und Abmahnmissbrauch siehe ausführlich Krbetschek/Schlingloff , Bekämpfung von Rechtsmissbrauch durch Streitwertbegrenzung?, Wettbewerb in Recht und Praxis (WRP) 2014, 1-7. 30 BT-Drucks. 17/13057, S. 1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 116/18 Seite 13 chen Streitigkeiten ist grundsätzlich schwierig. Dies gilt umso mehr bei Wettbewerbsverstößen , bei denen ein wirtschaftlicher Nachteil eines Mitbewerbers meist nicht messbar ist. […] Er [der Auffangwert von 1000 Euro] wird insbesondere in den Fällen zur Anwendung kommen , in denen ein Verstoß gegen Marktverhaltensregeln im Sinn des § 4 Nummer 11 UWG [aF, § 3a UWG nF] außerhalb des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vorliegt [wie bspw. bei einem Verstoß gegen das Datenschutzrecht], die Verzerrung des Wettbewerbs aber eher unwahrscheinlich ist, da sich ein vernünftiger Verbraucher oder sonstiger Marktteilnehmer durch den Verstoß in seiner Entscheidung über den Kauf einer Ware oder die Inanspruchnahme einer Dienstleistung nicht beeinflussen lassen wird. […] Es ist davon auszugehen , dass die Neuregelung in der Praxis in vielen Fällen zu einer deutlichen Herabsetzung der Streit- und Gegenstandswerte führen wird. Dadurch wird der finanzielle Anreiz für Abmahnungen verringert, der der Hauptgrund für die bestehenden Missstände in diesem Bereich ist.“31 Die Regelung des § 51 Abs. 3 Satz 2 GKG betrifft derzeit diejenigen Abmahnenden, die sich auf einen Unterlassungsanspruch nach § 8 UWG stützen. Eine entsprechende Regelung könnte jedoch auch für die anderen vorgestellten Fallkonstellationen (siehe Ziffern 3.1 und 3.2) eingeführt werden. Für die einen Datenschutzverstoß geltend machenden Verbände könnte in § 2 UKlaG auf § 51 Abs. 3 Satz 2 GKG verwiesen werden, damit er auch für den Fall des § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 11 UKlaG entsprechende Anwendung fände. Auch könnte § 51 Abs. 3 Satz 2 GKG in seinem Anwendungsbereich weiter gefasst werden, sodass er bei einem Datenschutzverstoß neben dem wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch auch denjenigen des Unterlassungsklagengesetzes sowie den auf § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i. V. m. § 823 Abs. 1 BGB analog gestützten Unterlassungsanspruch erfassen würde. 4.2. Modifizierung des Verbandsklagerechts Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet Gerichtsschutz primär für das Individuum und trifft damit eine Systementscheidung für den Individualrechtsschutz: Es geht um den einzelnen Menschen und den Schutz seiner Rechtsstellungen.32 Die Popularklage, mit der jeder Rechtsverstoß durch jedermann gerügt werden kann, und die Verbandsklage, wie bspw. nach § 3 UKlaG, sind nicht durch Art. 19 Abs. 4 GG garantiert, denn hierbei werden ohne eigene Betroffenheit Rechte Dritter oder Allgemeininteressen geltend gemacht.33 Vor diesem Hintergrund wird der Ausnahmecharakter des § 3 UKlaG deutlich: Erst durch die Bestimmung in § 3 UKlaG, dass den dort genannten Stellen die in §§ 1, 2 UKlaG bezeichneten Ansprüche zustehen, können diese Verbände, Einrichtungen etc. die Ansprüche geltend machen, da sie selbst nicht in einem ihnen zustehenden Recht betroffen sind.34 Besteht ihre Anspruchs- 31 BT-Drucks. 17/13057, S. 30 f. 32 Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 81. Ergänzungslieferung September 2017, Art. 19 Abs. 4 Rn. 8. 33 Enders, in: Beck’scher Online-Kommentar Grundgesetz, hrsg. v. Epping/Hillgruber, 36. Edition, Stand: 15.02.2018, Art. 19 Rn. 66. 34 Micklitz/Rott, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2017, § 3 UKlaG Rn. 3. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 116/18 Seite 14 und damit Klagezuständigkeit lediglich aufgrund der gesetzlichen Zuweisung in § 3 UKlaG, ist als Kehrseite eine Beschränkung dieser Befugnis grundsätzlich möglich. Hinsichtlich der Vereinbarkeit einer solchen Einschränkung mit dem Unionsrecht ist zu verweisen auf die Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, „Ausnahmen von der Datenschutz-Grundverordnung – Nationale Sonderregelungen zur Abmahnung von KMU, Vereinen und ähnlichen Institutionen“ vom 28. Mai 2018 (Az. PE 6 - 3000 - 76/18), Ziffer 4 „Vereinbarkeit einer nationalen Ausnahmeregelung mit dem Unionsrecht“. 4.3. Vorläufiger Ausschluss bzw. Beschränkung der Kostenerstattung Steht dem Mitbewerber ein Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 UWG und damit die Möglichkeit einer Abmahnung nach § 12 Abs. 1 UWG zu (siehe Ziffer 3.3), kann für die berechtigte Abmahnung grundsätzlich Ersatz der Aufwendungen nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG verlangt werden. Um für Mitbewerber den finanziellen Anreiz für (massenhafte) Abmahnungen bei meist geringfügigen und den Wettbewerb kaum verzerrenden Verstößen gegen die DS-GVO zu verringern, könnte der diesbezügliche Aufwendungsersatz nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG zumindest vorübergehend ausgeschlossen werden. Die Abmahnmöglichkeit als solche bliebe also bestehen, doch könnte nicht der Ersatz der Abmahnkosten verlangt werden, wodurch etwaigen Missbrauchsfällen entgegengewirkt werden könnte. Diese Regelung könnte auf einen gewissen Zeitraum nach Inkrafttreten der DS-GVO beschränkt werden, wodurch die Einschränkung in ihrer Tragweite überschaubar bliebe, jedoch den betroffenen Unternehmen – hierbei vor allem zugunsten der KMU, Vereine und vergleichbaren Institutionen – genügend Zeit zur Anpassung an die DS-GVO gäbe. Als Vorbild könnte § 32e des Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)35 dienen, dessen Absatz 6 folgenden Wortlaut hat: „Der Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen einer Abmahnung nach § 12 Absatz 1 Satz 2 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb ist ab der Veröffentlichung eines Abschlussberichts über eine Sektoruntersuchung nach Absatz 5 für vier Monate ausgeschlossen.“ § 32e Abs. 6 GWB wurde 2017 durch das Neunte Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen eingefügt.36 Hintergrund der Einführung dieser Regelung war ebenfalls, dass mögliche missbräuchliche Abmahnwellen unterbunden werden sollten. In der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie wurde insoweit ausgeführt: „Zudem muss sichergestellt sein, dass die von einer Sektoruntersuchung nach Absatz 5 betroffenen Unternehmen während der Untersuchung davor geschützt sind, von Dritten wegen 35 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1750, 3245), das zuletzt durch Artikel 10 Absatz 9 des Gesetzes vom 30. Oktober 2017 (BGBl. I S. 3618) geändert worden ist; zuletzt aufgerufen am 12.06.2018: https://www.gesetze-im-internet.de/gwb/. 36 Neuntes Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 1. Juni 2017 (BGBl. I S. 1416, 1420). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 116/18 Seite 15 eines möglichen Verstoßes, der Gegenstand der Sektoruntersuchung ist, kostenpflichtig abgemahnt zu werden, wenn es diesen Dritten allein darauf ankommt, Aufwendungsersatz für die Abmahnung verlangen zu können. Die Unternehmen sollen nach Abschluss einer Sektoruntersuchung ausreichend Zeit haben, sich mit den Ergebnissen der Untersuchung auseinanderzusetzen und möglicherweise erforderliche Änderungen eigenständig vorzunehmen. Es ist daher erforderlich, mögliche Anreize für Abmahnungen, die im Zusammenhang mit dem Gegenstand einer Sektoruntersuchung nach Absatz 5 stehen und die allein auf den Ersatz von Aufwendungen zielen, von vornherein auszuschalten.“37 Der finanzielle Anreiz für (massenhafte) Abmahnungen könnte nicht nur durch einen vorläufigen Ausschluss der Kostenerstattung, sondern auch durch eine entsprechende Beschränkung verringert werden. Denkbar wäre eine Bestimmung, wonach erst die zweite und jede weitere Abmahnung kostenpflichtig und somit die erste Abmahnung nicht erstattungsfähig wäre. Die Idee, eine solche Regelung in das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) einzuführen, ist nicht völlig neu. So wurde bereits 1986 im Entwurf eines Gesetzes zur Änderung wirtschaftsund verbraucherrechtlicher Vorschriften vorgeschlagen, in § 13 Abs. 5 UWG eine Regelung zu schaffen, wonach der von den Gerichten nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag gewährte Aufwendungsersatz für die erste Abmahnung ausgeschlossen sein sollte.38 Im Gesetzesentwurf wurde insofern ausgeführt: „Der Entwurf sieht in § 13 Abs. 5 die Abschaffung des von der Rechtsprechung auf der Grundlage der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB) zuerkannten Aufwendungsersatzes für die erste Abmahnung vor, weil die Mißbräuche der Abmahnbefugnis durch Verbände (sog. Gebührenvereine) und einzelne Mitbewerber […] nicht völlig eingedämmt werden konnten. […] Der Entwurf beschränkt sich darauf, mit der vorgeschlagenen Abschaffung des Aufwendungsersatzes für die erste Abmahnung den finanziellen Anreiz zu beseitigen, der den Mißbräuchen zugrunde liegt. Entfällt dieser finanzielle Anreiz und bringt damit das „Abmahngeschäft“ allenfalls Kosten, aber keinen Gewinn, so werden Abmahnungen nur noch in Fällen ausgesprochen werden, in denen der Abmahnende oder die Verbandsmitglieder durch die Wettbewerbshandlung so beeinträchtigt sind, daß sie die Mühen und Kosten ihrer Abstellung auf sich nehmen.“39 Ein in dieser Weise ausgestalteter § 13 Abs. 5 UWG wurde in der Beschlussempfehlung des Rechtsausschuss jedoch abgelehnt.40 Der Rechtsausschuss führte dazu aus, dass die Abschaffung des Aufwendungsersatzes für die Kosten der ersten Abmahnung bei den betroffenen Verbänden und Organisationen nahezu einhellig auf Ablehnung gestoßen sei, da durch diese Lösung angesichts der bereits weitgehend beseitigten Missbräuche die legitime Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen durch Mitbewerber und vor allem durch seriöse Verbände in Fällen unlauteren 37 BT-Drucks. 18/11446, S. 26 f. 38 BT-Drucks. 10/4741, S. 11. 39 BT-Drucks. 10/4741, S. 17. 40 BT-Drucks. 10/5771, S. 22. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 116/18 Seite 16 Wettbewerbs übermäßig erschwert werde.41 Alternativ wurde die Ausgestaltung eines Missbrauchstatbestandes vorgestellt, der in der Folge als § 13 Abs. 5 UWG (aF) verabschiedet wurde und dem heutigen § 8 Abs. 4 Satz 1 UWG (nF) entspricht.42 5. Fazit Bei Abmahnungen wegen Datenschutzverstößen ist stets zu differenzieren, wer aufgrund welcher Rechtspositionen wegen etwaiger Datenschutzverstöße abmahnt. Für die verschiedenen Abmahnbefugnisse sind unterschiedliche Einschränkungsmöglichkeiten denkbar. Das generelle Problem des Missbrauchs von Abmahnbefugnissen ist jedoch nicht erst mit dem Inkrafttreten der DS-GVO aufgetreten und hat bereits in der Vergangenheit zum Einschreiten des Gesetzgebers geführt. *** 41 BT-Drucks. 10/5771, S. 22. 42 Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Aufl. 2018, § 8 Rn. 4.1.