© 2016 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 116/16 Rechtliche Grundlagen und Möglichkeiten für Klima-Klagen gegen Staat und Unternehmen in Deutschland Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 116/16 Seite 2 Rechtliche Grundlagen und Möglichkeiten für Klima-Klagen gegen Staat und Unternehmen in Deutschland Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 116/16 Abschluss der Arbeit: 3. August 2016 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 116/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Rechtsschutzziele und Klagegegner 5 2.1. Klagen gegen „Unternehmen“ 6 2.2. Klagen gegen „den Staat“ 7 3. Klima-Klagen gegen Unternehmen 7 3.1. Anspruchgrundlagen 7 3.1.1. Unterlassungsansprüche 8 3.1.2. Beseitigungs- bzw. Schadensersatzansprüche 9 3.1.2.1. Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB 9 3.1.2.2. Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB 10 3.1.2.3. Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB 11 3.1.2.4. Ansprüche aus dem Umwelthaftungsgesetz 11 3.1.3. Ansprüche auf Vornahme bestimmter Handlungen 12 3.2. Gerichtliche Geltendmachung 12 4. Klima-Klagen gegen den Staat 12 4.1. Schadensersatz bzw. Entschädigungsansprüche (Kompensation) 13 4.1.1. Schadensersatz nach § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG oder aus Vertragshaftung 13 4.1.2. Entschädigungsansprüche im Übrigen 15 4.1.2.1. Enteignung, Inhalts- und Schrankenbestimmungen sowie enteignungsgleicher Eingriff 15 4.1.2.2. Polizeirechtliche Entschädigungsansprüche 15 4.1.2.3. Aufopferung 16 4.1.3. Prozessuale Durchsetzung 16 4.2. Wiederherstellung und Unterlassung 17 4.2.1. Öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch 17 4.2.2. Folgenbeseitigungsanspruch 17 4.2.3. Prozessuale Durchsetzung 17 4.3. Ansprüche auf (protektives) Handeln 18 4.3.1. Polizeirechtliche Ansprüche 18 4.3.2. Verfassungsrechtliche Ansprüche 18 4.3.3. Prozessuale Durchsetzung 20 5. Fazit 20 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 116/16 Seite 4 1. Einleitung Der vorliegende Sachstand skizziert die rechtlichen Grundlagen und Möglichkeiten für „Klima- Klagen“ sowohl gegen „den Staat“ als auch gegen „Unternehmen“ in Deutschland. Der Begriff der „Klima-Klage“ wird dabei mangels näherer Begrenzungen weit in dem Sinne verstanden, dass er alle rechtlichen Möglichkeiten, auf klimarelevantes Verhalten zu reagieren, umfassen soll. Beispiele für derartige Klagen sind Klagen auf Schadensersatz bzw. Übernahme der Vorsorgekosten infolge des Klimawandels gegen die Emittenten von Treibhausgasen,1 aber auch Klagen auf Vornahme von klimaschützenden Maßnahmen2. Keine Berücksichtigung finden dagegen die Klagemöglichkeiten , die Individuen oder Verbänden im Rahmen umweltrechtlicher Prüfungsverfahren , etwa im Zuge von Planfeststellungsverfahren und der Bewertung von Umweltberichten, etwa nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG)3 zustehen. Lediglich kursorisch wird aufgrund der Spezialität der Materie auf das Umwelthaftungsgesetz (UmweltHG)4 eingegangen, während im Schwerpunkt die allgemeineren Ansprüche und Klagemöglichkeiten gerichtet auf die Verbesserung von Klimabedingungen bzw. auf Kompensation für klimabedingte Schäden untersucht werden. Dabei ist zu differenzieren zwischen den materiell-rechtlichen Ansprüchen, die einer Klima-Klage zugrunde liegen können sowie deren prozessualer Durchsetzung. Begrenzt wird die Untersuchung zudem auf Ansprüche von bzw. Klagen durch (natürliche oder juristische) Personen des Privatrechts. Keine Berücksichtigung finden daher Ansprüche und Klagemöglichkeiten , die staatliche Organe gegen Bürger, Unternehmen, andere staatliche Organe oder gar andere Staaten haben könnten. Soweit die Untersuchung auf Klagemöglichkeiten in Deutschland beschränkt ist, ist damit eine Darstellung der Möglichkeiten, vor deutschen Gerichten nicht verbunden; es erfolgt insbesondere keine Untersuchung der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte, die bei Rechtsstreitigkeiten mit grenzüberschreitendem Bezug eine Rolle spielen kann. Ebenso wenig werden Klagemöglichkeiten unter Anwendung ausländischen 1 Ein derartiger Rechtsstreit ist derzeit am Landgericht Essen anhängig, vgl. http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft /unternehmen/energiekonzern-peruaner-verklagt-rwe-wegen-klimaschadens-13927982.html (zuletzt abgerufen am 2. August 2016). 2 Ein solcher Fall ist erstinstanzlich in den Niederlanden bereits entschieden worden, vgl. dazu Saurer/Purnhagen , „Klimawandel vor Gericht – Der Rechtsstreit der Nichtregierungsorganisation ‚Urgenda‘ gegen die Niederlande und seine Bedeutung für Deutschland“, in: Zeitschrift für Umweltrechte (ZUR) 2016, S. 17 ff. 3 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. April 2013 (BGBl. I S. 753), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 20. November 2015 (BGBl. I S. 2069). 4 Umwelthaftungsgesetz vom 10. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2634), zuletzt geändert durch Artikel 9 Absatz 5 des Gesetzes vom 23. November 2007 (BGBl. I S. 2631). Gegen dessen Anwendung im Bereich der Klimaklagen Saurer /Purnhagen, „Klimawandel vor Gericht – Der Rechtsstreit der Nichtregierungsorganisation ‚Urgenda‘ gegen die Niederlande und seine Bedeutung für Deutschland“, in: Zeitschrift für Umweltrechte (ZUR) 2016, S. 17 (21), zweifelnd auch Chatzinerantzis/Herz, „Climate Change Lititgation – Der Klimawandel im Spiegel des Haftungsrechts “, in: Neue Juristische Online-Zeitschrift (NJOZ) 2010, S. 594 (596 ff.) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 116/16 Seite 5 Rechts sowie des Völkerrechts5, auf Grundlage internationaler Verträge6 oder des Rechts der europäischen Union7 dargestellt. Vielmehr wird die Untersuchung beschränkt auf Klagemöglichkeiten , die sich ausschließlich aus der Anwendung des innerdeutschen Prozessrechts und des nationalen Rechts ergeben. Demgemäß werden im Folgenden die Möglichkeiten von Privatrechtssubjekten untersucht, auf gerichtlichem Wege klimarelevante Ziele gegen verschiedene Klagegegner, nämlich „Unternehmen “ oder „den Staat“ durchzusetzen. Da lediglich die rechtlichen Möglichkeiten von Klima- Klagen im allgemeinen darzustellen sind, beschränken sich die Ausführungen darauf, das Spektrum der rechtlichen Möglichkeiten überblickartig darzustellen und dabei auf mögliche Probleme hinzuweisen, anstatt einen konkreten Fall einer rechtlichen Würdigung zu unterziehen. Dafür bietet es sich an, zunächst die Ziele einer solchen Klage in Relation zu den möglichen Klagegegnern näher darzustellen (unten unter 2.). Sodann wird auf dieser Grundlage zunächst die materielle Rechtslage von Ansprüchen gegen Unternehmen (unter 3.) sowie gegen den Staat (unter 4.) untersucht. Dabei wird jeweils auch auf die prozessuale Ausgestaltung der Geltendmachung solcher Ansprüche im Klagewege eingegangen. Die wichtigsten Ergebnisse werden im Fazit (unten unter 5.) zusammengefasst. 2. Rechtsschutzziele und Klagegegner Die rechtlichen Rahmenbedingen einer Klima-Klage im obigen Sinne hängen wesentlich ab von dem Ziel, das der Kläger mit der Klage verfolgt. Nur anhand des angestrebten Zieles lässt sich eingrenzen, welche materiell-rechtlichen Ansprüche in Betracht kommen und wie diese prozessual geltend gemacht werden können. Dabei lassen sich (unabhängig vom Anspruchsgegner) in erster Näherung drei verschiedene Konstellationen unterscheiden: Begehrt wird die zukünftige Unterlassung von klimaschädlichem Verhalten (beispielweise soll erreicht werden, dass die Emission von Treibhausgasen, die für den Erhalt des Klimas als schädlich angesehen werden, durch den Anspruchsgegner unterlassen wird). Materiellrechtlich bedarf es dafür eines Unterlassungsanspruchs, d.h. einer Anspruchsgrundlage , die in der Rechtsfolge einen Anspruch auf Unterlassung gewährt 5 Vgl. dazu etwa Frank, „Anmerkung zu den ‚Oslo Principles on Global Climate Change Obligations‘“, in: Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 2015, S. 1499 ff.; Frank/Schwarte, „Klimawandel und Völkerrecht - Anmerkung zu den ‚Legal Principles Relating to Climate Change‘ der International Law Association“ in: Zeitschrift für Umweltrechte (ZUR) 2014, 643 ff.; Guckelberger, „Entwicklungslinien im Umweltschutz“, in: Juristische Arbeitsblätter (JA) 2014, 647 (651 f.); 6 Vgl. etwa zum sogenannten Übereinkommen von Paris die Beiträge von Morgenstern/Dehnen, „Eine neue Ära für den Klimaschutze: Das Übereinkommen von Paris“, in Zeitschrift für Umweltrecht (ZUR) 2016, 131 sowie Schlacke, „Die Pariser Klimavereinbarung – ein Durchbruch? Ja (!), aber…“, in: Zeitschrift für Umweltrechte (ZUR) 2016, 65 ff. 7 Vgl. dazu Erbguth, Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Aufl. 2014, § 38; Frenz/Götzkes, „Die gemeinschaftsrechtliche Staatshaftung“, in: Juristische Arbeitsblätter (JA) 2009, S. 759 ff.; Sauer, „Staatshaftungsrecht“, in: Juristische Schulung (JuS) 2012, 695 (698). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 116/16 Seite 6 Begehrt wird Ersatz für bzw. Beseitigung von Schäden, die durch früheres klimaschädliches Verhalten des Anspruchsgegners entstanden sind (beispielweise soll Ersatz für infolge des Klimawandels überschwemmten Bodens gezahlt werden oder der Boden wieder trockengelegt werden). Materiell-rechtlich bedarf es insoweit einer Anspruchsgrundlage, die in der Rechtsfolge dem Anspruchsteller einen Anspruch auf Schadensersatz gewährt. Begehrt wird die Vornahme von klimaschützenden Maßnahmen durch den Anspruchsgegner (beispielsweise soll der Gesetzgeber Gesetze zum Klimaschutz erlassen oder die Verwaltung gegen klimaschädliches Verhalten vorgehen). In materiell-rechtlicher Sicht ist dazu erforderlich, dass eine Norm dem Anspruchsteller in der Rechtsfolge einen Anspruch auf Vornahme der begehrten Handlung einräumt. Welchen Regelungsmaterien die möglichen Anspruchsgrundlagen zu entnehmen sind, bestimmt sich dabei insbesondere danach, gegen wen sich der Anspruch richtet. Entsprechend der zugrunde liegenden Fragestellung ist zunächst zwischen Unternehmen und dem Staat mit folgenden Konkretisierungen zu unterscheiden: 2.1. Klagen gegen „Unternehmen“ Zunächst ist der Begriff des „Unternehmens“ für die vorliegende Untersuchung zu präzisieren. Unternehmen sollen hier verstanden werden als Privatrechtssubjekte, die unabhängig von der Organisationsform nicht als Verbraucher, sondern unternehmerisch, d.h. gewerblich tätig sind. Unternehmer können demnach natürlich Personen sein, sofern sie unternehmerisch tätig. Ebenso sollen darunter die (rechtsfähigen) Gesellschaften des Privatrechts verstanden werden, soweit diese gewerblich tätig sind. In jedem Fall handelt es sich damit (in Abgrenzung vom „Staat“) um Privatrechtssubjekte. Richtet sich der Anspruch gegen Unternehmen, dann handelt es sich, da der mögliche Anspruchsteller definitionsgemäß ebenfalls Privatrechtssubjekt ist, um ein Rechtsverhältnis zwischen zwei Privaten, das grundsätzlich durch das Privatrecht, insbesondere das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB)8 geregelt wird. Anspruchsgrundlagen sind also grundsätzlich dem Privatrecht zu entnehmen. Handelt es sich bei dem Unternehmen um eine Gesellschaft, so ist zudem zu beachten, dass Gesellschaften selbst nicht handeln können, sondern durch ihre Organe handeln. Ansprüche gegen eine Gesellschaft wegen eines bestimmten Verhaltens setzen also stets voraus, dass der Gesellschaft das Verhalten bestimmter natürlicher Personen zugerechnet werden kann. Das Gesellschaftsrecht kennt eine Reihe entsprechender Zurechnungsnormen (vgl. etwa grundlegend die Organhaftung nach § 31 BGB, die auf zahlreiche Gesellschaftsformen entsprechend anzuwenden ist). Sofern die im Folgenden zu prüfenden Ansprüche also ein entsprechendes Handeln des Anspruchsgegners erfordern bzw. auf ein bestimmtes Verhalten gerichtet sind, so wird die Zurechnung des Organhandelns vorausgesetzt und vereinfachend nur vom Handeln des Anspruchsgegners gesprochen. Entsprechendes gilt, soweit Ansprüche subjektive Merkmale, insbesondere etwa Verschulden, voraussetzen. 8 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 24. Mai 2016 (BGBl. I S. 1190). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 116/16 Seite 7 2.2. Klagen gegen „den Staat“ Soweit „der Staat“ im Wege einer Klima-Klage in Anspruch genommen werden soll, ist in mehrfacher Hinsicht zu konkretisieren: Als „Staat“ soll zunächst jedwede Gebietskörperschaft zählen, d.h. Bund, Länder etc. Gegen welchen Rechtsträger sich mögliche Ansprüche letztlich richten, hängt von der Art des Anspruchszieles, insbesondere von der Anspruchsgrundlage ab. Daneben ist zu berücksichtigen, dass der „Staat“ dem Bürger in hoheitlicher oder privatrechtlicher Form gegenübertreten kann. Für Klima-Klagen dürfte indes privatrechtliches Handeln des Staates nur von untergeordneter Bedeutung sein: In aller Regel werden Klima-Klagen zum Ziel haben, den Staat als Hoheitsträger zum Unterlassen zu zwingen, in die Haftung zu nehmen oder ihn zur Vornahme von Handlungen zu zwingen. Sofern der Staat privatrechtlich handelt, so gilt entsprechend Privatrecht, so dass auf die Ausführungen zu Klima-Klagen gegen Unternehmen verwiesen werden kann. Folglich erfolgt eine gesonderte Darstellung privatrechtlichen Handelns des Staates nicht. In der Regel agiert der Staat indes ohnehin hoheitlich. Wenn vom Kläger ein Handeln bzw. Unterlassen der Verwaltung verlangt wird, so handelt es sich im Grundsatz um eine öffentlichrechtliche Streitigkeit, die durch das allgemeine und besondere Verwaltungsrecht determiniert wird. Daneben treten das alle staatliche Gewalt bindende Verfassungsrecht sowie das Staatshaftungsrecht . Zu beachten ist bei gegen den Staat gerichteten Klima-Klagen weiterhin, dass der Staat durch die drei staatlichen Gewalten bestehend aus Exekutive, Legislative oder Judikative handelt. Denkbar wären also Klagen wegen Beeinträchtigung durch eine der drei Gewalten bzw. gerichtet auf Vornahme von Handlungen durch eine dieser Gewalten. Bei Klima-Klagen dürfte allerdings die Judikative kaum Relevanz erlangen; vielmehr dürften sich entsprechende Klagen entweder auf die Kompensation von Legislativ- bzw. Exekutiv-Unrecht oder auf ein bestimmtes Verhalten der Organe dieser Gewalten beziehen. Klagen wären zwar in beiden Fällen gegen den „Staat“ zu richten , es können sich allerdings Unterschiede ergeben, auf die im Zuge der Darstellung hinzuweisen sein wird. 3. Klima-Klagen gegen Unternehmen 3.1. Anspruchgrundlagen Soll sich eine Klima-Klage gegen ein Unternehmen richten, bestimmten sich nach dem oben gesagten die in Betracht kommenden materiell-rechtlichen Ansprüche nach dem Privatrecht, insbesondere dem BGB. Ansprüche im Privatrecht entspringen grundsätzlich vertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien, vertragsähnlichen Verhältnissen oder dem Gesetz. Für Klima-Klagen gegen Unternehmen dürften vertragliche bzw. vertragsähnliche Verhältnisse zwischen Anspruchsteller und Anspruchsgegner in aller Regel nicht in Betracht kommen. Entscheidend sind daher gesetzliche Anspruchsgrundlagen. Dabei lassen sich entsprechend der obigen Differenzierung nach Anspruchszielen folgende Anspruchsgrundlagen unterscheiden: Unterlassungsansprüche (3.1.1.) Beseitigungs- bzw. Schadensersatzansprüche (3.1.2.) Ansprüche auf Vornahme bestimmter Handlungen (3.1.3) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 116/16 Seite 8 3.1.1. Unterlassungsansprüche Das BGB enthält Unterlassung als Rechtsfolge ausdrücklich insbesondere in den §§ 862 Abs. 1 Satz 2 sowie in § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB. Nach diesen Normen kann der Besitzer bzw. der Eigentümer für den Fall einer drohenden Störung des Besitzes bzw. des Eigentums von dem Störer die Unterlassung der Störung verlangen. Voraussetzung ist dabei die Störung des Besitzes bzw. des Eigentums durch ein dem Anspruchsgegner (dem Störer) zurechenbares Verhalten. Für Klima-Klagen bedeutet dies: Der Anspruchsteller muss Besitzer bzw. Eigentümer einer Sache sein und die Störung des Besitzes bzw. des Eigentums an dieser Sache muss drohen. Anspruchsinhaber ist demnach (nur) der Eigentümer bzw. der Besitzer. Die Ansprüche sind auch nicht abtretbar .9 Damit ist zugleich gesagt, dass ein Unterlassungsanspruch nur wegen der Störung des Klimas nicht in Betracht kommt. Am Klima als solchem besteht weder Besitz noch Eigentum. Zudem müsste der Anspruchsgegner (hier also: das Unternehmen bzw. dessen Organe) Störer sein. Wer als Störer anzusehen ist, gehört zu den umstrittensten Fragen des Privatrechts.10 Jedenfalls ist derjenige (unmittelbarer Handlungs-)Störer, der durch seine Handlung selbst schon die Beeinträchtigung besorgt.11 Dies dürfte bei Klima-Klagen aber häufig nicht der Fall sein. Vielmehr dürften sich Beeinträchtigungen vielfach erst aus dem Zusammenspiel weiterer Faktoren ergeben . Insbesondere ist davon auszugehen, dass es zu Beeinträchtigung von Eigentum bzw. Besitz an einer Sache erst durch den Klimawandel und dadurch beeinflusste Umstände kommt (Bsp.: Die Emission von Treibhausgasen führt zum Klimawandel, dieser zum Ansteigen des Meeresspiegels , dadurch kommt es zu Überschwemmungen am küstennahen Grundstück des Anspruchstellers ). Hinzuweisen ist darauf, dass im Rahmen des § 1004 BGB die Darlegungs- und Beweislast für die Störer-Eigenschaft des Anspruchsgegners beim Anspruchsteller liegt.12 Wer dagegen mit seiner Handlung beeinträchtigende Natureinwirkungen lediglich verstärkt hat, wird allenfalls als mittelbarer Störer in Anspruch genommen werden können.13 Dies setzt jedoch einen adäquaten Verursachungsbeitrag voraus.14 Ähnliches gilt, soweit die Störung von einer Sache ausgeht; in diesem Fall muss die Beeinträchtigung wenigstens mittelbar auf den Willen des Anspruchsgegners zurückgehen, damit dieser als (Zustands-)Störer gilt.15 Ob und wann dies bei Klima-Klagen anzunehmen ist, kann nicht allgemein beantwortet werden. Der Anspruchsteller 9 Palandt-Bassenge, BGB, 74. Aufl. 2015, § 862 Rdnr. 1 und § 1004 Rdnr. 2. 10 Vgl. dazu etwa Walter, „Zivilrechtliche Störerhaftung“, in: Juristische Arbeitsblätter (JA) 2012, S. 658 ff. 11 Palandt-Bassenge, BGB, 74. Aufl. 2015, § 1004 Rdnr. 16. 12 Palandt-Bassenge, BGB, 74. Aufl. 2015, § 1004 Rdnr. 52. 13 Palandt-Bassenge, BGB, 74. Aufl. 2015, § 1004 Rdnr. 18. 14 Palandt-Bassenge, BGB, 74. Aufl. 2015, § 1004 Rdnr. 18. 15 Palandt-Bassenge, BGB, 74. Aufl. 2015, § 1004 Rdnr. 19. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 116/16 Seite 9 müsste einen solchen Zusammenhang jedoch darlegen und beweisen,16 was zu nicht unerheblichen Problemen führen kann. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass nicht im Falle jedweder Beeinträchtigung auch ein Unterlassungsanspruch besteht: Soweit die Beeinträchtigung unwesentlich ist, was in der Regel dann der Fall ist, wenn die gesetzlich festgelegten Grenz- oder Richtwerte eingehalten werden, ist die Beeinträchtigung zu dulden (§ 906 BGB). Soll also etwa das Unterlassen von Emissionen beansprucht werden, so dürfte jedenfalls dann, wenn sich die Emissionen im Rahmen gesetzlich vorgegebener Höchstgrenzen bewegen, eine Duldungspflicht bestehen. Daneben ist von der Rechtsprechung in entsprechender Anwendung der §§ 1004, 823 BGB anerkannt , dass ein Unterlassungsanspruch auch bei drohender Gefahr eines widerrechtlichen Eingriffs in sonstige, von den §§ 823 ff. BGB geschützte Rechtsgüter besteht.17 Weitergehend bestehen daher auch Unterlassungsansprüche etwa bei einer drohenden Gefahr für Leben, Körper, Gesundheit oder sonstige Rechte (§ 823 Abs. 1 BGB). Dabei gilt auch hier, dass der Anspruch nur dem Inhaber des geschützten Rechtsguts zusteht.18 Auch bei (drohendem) Eingriff in sonstige Rechte ist daneben erforderlich, dass der drohende Eingriff dem Anspruchsgegner zurechenbar ist, dieser also als Störer anzusehen ist.19 Schließlich darf hinsichtlich des drohenden Eingriffs auch keine Duldungspflicht des Anspruchsstellers bestehen, der Eingriff muss sich also als objektiv rechtswidrig darstellen.20 Hier dürften sich bei Klima-Klagen die gleichen Probleme stellen, wie beim Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 2 BGB; auf die dazu bereits gemachten Ausführungen kann verwiesen werden. 3.1.2. Beseitigungs- bzw. Schadensersatzansprüche 3.1.2.1. Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB Ist die Störung bereits eingetreten, so bestehen im Falle des Störung des Besitzes bzw. des Eigentums Ansprüche darauf, die Störung zu beseitigen (§§ 862 Abs. 1 Satz 1, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Voraussetzungen des Beseitigungsanspruchs entsprechen denen des Unterlassungsanspruchs aus § 1004 Abs. 2 BGB mit dem einzigen Unterschied, dass die Störung bereits eingetreten sein muss und nicht lediglich drohen darf. Auch diesbezüglich kann daher auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. 16 Palandt-Bassenge, BGB, 74. Aufl. 2015, § 1004 Rdnr. 52. 17 Palandt-Sprau, BGB, 74. Aufl. 2015, Einf v § 823 Rdnr. 27. 18 Palandt-Sprau, BGB, 74. Aufl. 2015, Einf v § 823 Rdnr. 31. 19 Palandt-Sprau, BGB, 74. Aufl. 2015, Einf v § 823 Rdnr. 31. 20 Palandt-Sprau, BGB, 74. Aufl. 2015, Einf v § 823 Rdnr. 31. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 116/16 Seite 10 3.1.2.2. Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB Daneben können Schadensersatzansprüche aus deliktischer Haftung nach § 823 Abs. 1 und 2 BGB treten. § 823 Abs. 1 BGB gewährt einen Schadensersatz bei der Verletzung eines der in der Norm genannten Rechte und Rechtsgüter, soweit die Verletzung kausal auf dem Verhalten des Anspruchsgegners beruht, dieses rechtswidrig und schuldhaft war und zu einem kausalen Schaden geführt hat. Anspruchsinhaber ist auch hier der Inhaber des geschützten Rechtsguts. Problematisch dürfte sich gerade bei Klima-Klagen allerdings die Zurechnung der Rechtsgutsverletzung zu einem Verhalten des Anspruchsgegners darstellen, für die der Anspruchsteller darlegungsund ggf. beweisbelastet21 ist.22 Zurechnung erfordert jedenfalls Kausalität in dem Sinne, dass das Verhalten des Anspruchsgegners nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass die Rechtsgutsverletzung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entfiele.23 Daneben wird die Zurechnung von wertenden Kriterien wie Adäquanz sowie dem Schutzzweck der Norm bestimmt.24 Bei einer Beeinträchtigung des Klimas dürfte der Verursachungsbeitrag des Anspruchsgegners jedenfalls nicht evident zu bestimmen sein, insbesondere sofern der Anspruchsgegner im Rahmen des rechtlich Zulässigen, etwa mit behördlicher Genehmigung und unter Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften handelt. Teilweise wird jedoch eine Zurechnung als Mitverursacher etwa für die Emittenten von Treibhausgasen als möglich angesehen.25 Die Rechtswidrigkeit wird in der Regel durch die Rechtsgutsverletzung indiziert.26 Auch hier könnte jedoch mit Blick auf Klima-Klagen wiederum fraglich sein, ob die Rechtswidrigkeit nicht jedenfalls dann entfällt, wenn der Anspruchsgegner sich im Rahmen des rechtlich Zulässigen, etwa auf Grundlage einer behördlichen Genehmigung, bewegt hat.27 Jedenfalls dürfte in einem solchen Fall das erforderliche Verschulden problematisch sein: In aller Regel dürfte hinsichtlich der Rechtsgutsverletzung kein Vorsatz vorliegen, so dass nur Fahrlässigkeit als das Außer-Achtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt in Betracht kommt. Ob davon auch im Falle der 21 Palandt-Sprau, BGB, 74. Aufl. 2015 § 823 Rdnr. 80. 22 Eine solche Zurechnung bezweifeln etwa Chatzinerantzis/Herz, „Climate Change Lititgation – Der Klimawandel im Spiegel des Haftungsrechts“, in: Neue Juristische Online-Zeitschrift (NJOZ) 2010, S. 594 (595 ff.); dagegen Frank, „Climate Change Litigation – Klimawandel und haftungsrechtliche Risiken“, Neue Juristische Online- Zeitschrift (NJOZ) 2010, S. 2296 ff.; ders., „Klimahaftung und Kausalität“, in: Zeitschrift für Umweltrecht (ZUR) 2013, S. 28 ff. 23 Münchener Kommentar zum BGB-Wagner, Band 5, 6. Aufl. 2013, § 823 Rdnr. 57. 24 Münchener Kommentar zum BGB-Wagner, Band 5, 6. Aufl. 2013, § 823 Rdnr. 58 f. 25 Frank, „Climate Change Litigation – Klimawandel und haftungsrechtliche Risiken“, Neue Juristische Online- Zeitschrift (NJOZ), 2010, S. 2296 ff.; ders., „Klimahaftung und Kausalität“, in: Zeitschrift für Umweltrecht (ZUR) 2013, S. 28 ff. 26 Palandt-Sprau, BGB, 74. Aufl. 2015, Einf v § 823 Rdnr. 4. 27 Vgl. Chatzinerantzis/Herz, „Climate Change Lititgation – Der Klimawandel im Spiegel des Haftungsrechts“, in: Neue Juristische Online-Zeitschrift (NJOZ) 2010, S. 594 (595). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 116/16 Seite 11 Einhaltung gesetzlicher Vorschriften betreffend das schädigende Verhalten ausgegangen werden kann, erscheint zweifelhaft. Sodann muss der Anspruchsteller einen Schaden geltend machen können, der kausal und zurechenbar auf der Rechtsgutsverletzung beruht. Für beides trifft den Anspruchsteller im Grundsatz die Darlegungs- und ggf. Beweislast.28 Soweit ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB besteht, kann Schadensersatz nach den §§ 249 ff. BGB gefordert werden. Schadensersatzansprüche richten sich grundsätzlich auf die Beseitigung der eingetretenen Schäden (§ 249 Abs. 1 BGB, Grundsatz der Naturalrestitution). Folglich kann auch im Rahmen des Schadensersatzanspruchs nach § 823 Abs. 1 BGB (bei Vorliegen der anspruchsbegründenden Voraussetzungen) Beseitigung verlangt werden. Bei der Verletzung einer Person bzw. bei der Beschädigung einer Sache kann auch der zur Beseitigung erforderliche Gelbetrag, d.h. Schadensersatz in Geld verlangt werden (§ 249 Abs. 2 BGB). Gleiches ist möglich, wenn der Schädiger der Schadensbeseitigung innerhalb einer gesetzten Frist nicht nachkommt (§ 250 BGB) oder wenn die Beseitigung nicht möglich bzw. zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend ist (§ 251 BGB). 3.1.2.3. Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB Denkbar ist daneben ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit einem Schutzgesetz. Voraussetzung eines solchen Anspruchs ist die Verletzung eines Schutzgesetzes durch den Schädiger. Dabei muss es sich um solche Gesetze handeln, die gerade den Schutz des Anspruchstellers bezwecken. Ob und inwieweit dies der Fall ist, lässt sich nur durch Auslegung der Norm, deren Verletzung geltend gemacht wird, im Einzelfall feststellen und kann daher hier nicht allgemein beantwortet werden. Ob dies für Gesetze, die gerade den Erhalt des Klimas bezwecken (Vorschriften über zulässige Emissionswerte, effiziente Energienutzung u.ä.) dürfte jedenfalls dann zweifelhaft sein, wenn entsprechende Gesetze gerade dem Schutz des Klimas als solchem dienen. Im Übrigen gelten die oben Ausführungen zu § 823 Abs. 1 BGB entsprechend. 3.1.2.4. Ansprüche aus dem Umwelthaftungsgesetz Schließlich ist an Schadensersatzansprüche aus dem UmweltHG, insbesondere aus §§ 1,2 Umwelt HG zu denken. Diese Ansprüche sind jedoch zum einen der Höhe nach begrenzt (§ 15 Umwelt HG). Zudem werden nur die Umwelteinwirkungen, die von bestimmten Anlagen ausgehen, erfasst. Ob das UmweltHG für Klima-Klagen in Betracht kommt, lässt sich zudem nicht generell bestimmen, da es nur solche Schäden abdeckt, die durch Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 UmweltHG entstanden sind. Dies lässt sich nur anhand des Klagegrundes, d.h. des vom Anspruchsteller als anspruchsbegründend angesehen Verhaltens entscheiden. Unterstellt, dass eine Klima-Klage sich darauf stützt, von einer Anlage im Sinne des UmweltHG seien Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 UmweltHG ausgegangen, so hängt die Ersatzpflicht davon ab, ob der Schaden kausal auf die Umwelteinwirkung zurückzuführen ist. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen unter 3.2.2. zum Zurechnungszusammenhang verwiesen werden. 28 Palandt-Sprau, BGB, 74. Aufl. 2015 § 823 Rdnr. 80. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 116/16 Seite 12 3.1.3. Ansprüche auf Vornahme bestimmter Handlungen Ansprüche auf Vornahme bestimmter, über die Beseitigung eingetretener Störungen bzw. die Kompensation der dadurch resultierenden Schäden hinausgehender Handlungen dürften bei Klima-Klagen gegen Unternehmen eher eine untergeordnete Rolle spielen. Zwar sind auch solche Konstellationen denkbar (Bsp.: Klage gegen die Gesellschafter gerichtet darauf, dem Gesellschafter bestimmte Weisungen hinsichtlich klimaschonenden Verhaltens zu erteilen oder Klagen gegen ein Unternehmen mit dem Ziel, dass dieses in Zukunft nur noch klimaschonend hergestellte Produkte beziehen soll). Derartige Klageziele dürften sich mangels gesetzlicher Anspruchsgrundlagen , von Einzelfällen abgesehen, nur schwer umsetzen lassen und in Anbetracht der dargestellten Möglichkeiten von Schadensersatz bzw. Unterlassung nicht zielführend sein. 3.2. Gerichtliche Geltendmachung Bei den dargestellten Ansprüchen handelt es sich um bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten die nach § 13 des Gerichtsverfassungsgerichtes (GVG)29 vor den ordentlichen Gerichten unter Anwendung der Zivilprozessordnung (ZPO)30 prozessual geltend zu machen sind. Prozessführungsbefugt ist grundsätzlich der Anspruchsteller, der ein eigenes Recht im eigenen Namen geltend macht.31 Dies ist für die dargestellten Ansprüche grundsätzlich der Inhaber des gestörten bzw. verletzten Rechts oder Rechtsguts. Soweit die Ansprüche abtretbar sind, kann nach erfolgter Abtretung auch der Abtretungsempfänger, der Zessionar, die Ansprüche als eigene geltend machen, ist also prozessführungsbefugt. Die Geltendmachung durch einen Dritten, der nicht selbst Rechtsinhaber ist, lässt die ZPO nur unter den engen Grenzen der (gesetzlichen oder gewillkürten) Prozesstandschaft zu.32 Die Prozessführungsbefugnis dient gerade dazu, Popularklagen auszuschließen .33 Aus diesem Grund sind etwa Verbandsklagen im Zivilrecht nur unter engen Voraussetzungen und im Ausnahmefall zulässig. Derartige Ausnahmen finden sich etwa im Unterlassungsklagengesetz (UKlaG)34. Für die hier angesprochenen Ansprüche sind derartige Ausnahmen nicht ersichtlich. Klima-Klagen gegen Unternehmen sind daher (vorbehaltlich zulässiger Abtretungen) grundsätzlich vom Rechtsinhaber zu erheben. 4. Klima-Klagen gegen den Staat Soweit sich Klima-Klagen gegen den Staat richten können, lässt sich unterscheiden zwischen Ansprüchen , die einen monetären Ausgleich erlittener (klimabedingter) Schäden (Schadensersatz- 29 Gerichtsverfassungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 1975 (BGBl. I S. 1077), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 30. Mai 2016 (BGBl. I S. 1254). 30 Zivilprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3202; 2006 I S. 431; 2007 I S. 1781), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 5. Juli 2016 (BGBl. I S. 1578). 31 Musielak/Voit-Weth, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 51 Rdnr. 16 f. 32 Dazu Musielak/Voit-Weth, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 51 Rdnr. 14 ff. 33 Musielak/Voit-Weth, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 51 Rdnr. 14 m.w.N. 34 Unterlassungsklagengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. August 2002 (BGBl. I S. 3422, 4346), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 11. April 2016 (BGBl. I S. 720). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 116/16 Seite 13 bzw. Entschädigungsansprüche) zum Ziel haben, solchen, die die Beseitigung oder Unterlassung erlittener oder drohender bzw. eingetretener (wiederum klimabedingter) Störungen verfolgen und solchen, die ein staatliches protektives Handeln zum Schutz vor klimatischen Beeinträchtigungen haben. 4.1. Schadensersatz bzw. Entschädigungsansprüche (Kompensation) Auf einen Ausgleich in Geld gerichtete Ansprüche gegen den Staat können durch das Staatshaftungsrecht vermittelt werden. Dieses beinhaltet Ansprüche gegen den Staat aufgrund eines Verhaltens staatlicher Organe. Hinsichtlich Klagen mit dem Ziel der Kompensation von Klimaschäden ist dabei insbesondere an Ansprüche aufgrund eines Verhaltens der Exekutivorgane und der Legislativorgane zu denken. Bei rechtmäßigem staatlichen Handeln sind Ansprüche regelmäßig auf eine Entschädigung in Geld beschränkt, während bei rechtswidrigem Handeln ggf. auch die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes möglich ist (dazu unten unter 4.2.). In Betracht kommen (jedenfalls) folgende, auf einen Ausgleich in Geld gerichtete Ansprüche: 4.1.1. Schadensersatz nach § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG oder aus Vertragshaftung Prototypisch für die Kompensation einer durch rechtswidriges staatliches Verhalten ausgelösten Störung ist im deutschen Recht die Amtshaftung nach § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 des Grundgesetzes (GG)35. Die Konstruktion dieses Anspruchs besteht in der Begründung eines Anspruchs gegen einen Beamten (§ 839 Abs. 1 Satz 1 BGB) und der Überleitung der daraus resultierenden Verbindlichkeit auf den Staat (Art. 34 Satz 1 GG). Die anspruchsbegründenden Voraussetzungen sind daher dem zivilrechtlichen Deliktsrecht nachgebildet: Erforderlich ist die (vorsätzliche oder fahrlässige) Verletzung einer drittbezogenen Amtspflicht und ein daraus resultierender Schaden (§ 893 Abs. 1 Satz 1 BGB). Bei fahrlässigen Handeln ist die Amtshaftung subsidiär, tritt also nur dann ein, wenn der Geschädigte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag (§ 839 Abs. 1 Satz 2 BGB). Mit Blick auf Klima-Klagen wäre für den einer solchen Klage zugrunde liegenden materiell-rechtlichen Anspruch folglich erforderlich, dass ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig eine klimarelevante und gleichzeitig drittbezogene Amtspflicht verletzt. Beamte im haftungsrechtlichen Sinne sind grundsätzlich alle Personen, denen öffentliche Gewalt anvertraut worden ist.36 Dazu zählen auch die Mitglieder von Bundes- bzw. Landesregierungen sowie Parlamentsabgeordnete.37 Grundsätzlich kann also sowohl für Exekutive-Akte wie für Legislativ-Akte Schadensersatz in 35 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 23. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2438). 36 Beck’scher Online Kommentar BGB-Reinert, § 839 Rdnr. 4; Münchener Kommentar zum BGB-Papier, § 839 Rdnr. 130. 37 Beck’scher Online Kommentar BGB-Reinert, § 839 Rdnr. 5. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 116/16 Seite 14 Geld verlangt werden. Der Beamte muss allerdings auch in Ausübung des Amtes gehandelt (oder etwas unterlassen)38 haben und dabei eine (drittbezogene) Amtspflicht verletzt haben. Drittbezug hat eine Amtspflicht grundsätzlich dann, wenn und soweit sie ihrem Zweck nach nicht nur den Interessen der Allgemeinheit, sondern jedenfalls auch den Interessen des Einzelnen dient.39 Ob die verletzte Amtspflicht Drittbezug hat, ist durch Auslegung zu ermitteln.40 Bei der Verletzung klimaschützender Amtspflichten könnte dies zweifelhaft sein, soweit das Klima als solches geschützt und die entsprechende Vorschrift nicht daneben auch noch Individualrechtsschutz vermitteln soll. Für legislatives Handeln ist darüber hinaus zu beachten, dass die Rechtsprechung dazu tendiert, eine Drittbezogenheit etwa beim Erlass von Gesetzen abzulehnen .41 Eine Amtshaftung etwa durch den Erlass verfassungswidriger Gesetze (oder wegen dem Fehlen gesetzlicher Klimaschutzvorschriften) dürfte insoweit nicht in Betracht kommen, so dass die Amtshaftung für Klima-Klagen nur bei Exekutiv-Akten Bedeutung erlangen dürfte.42 Darüber hinaus muss die Verletzung der (klima- und drittbezogenen) Amtspflicht kausal, d.h. abweichend vom Verlauf bei pflichtgemäßen Verhalten, einen Schaden verursacht haben.43 Inhaber eines solchen Anspruchs ist unter zweierlei Aspekten folglich nur der Geschädigte: Erstens muss die verletzte Amtspflicht den Geschädigten schützen, zweitens muss ein Schaden beim Anspruchsteller eingetreten sein. Ein weiterer Schadensatzanspruch gegen den Staat kann aus Vertragsverletzung resultieren. Im Rahmen verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse kann die Verletzung der aus dem Schuldverhältnis resultierenden Pflichten zu einer Schadensersatzhaftung aufgrund der (jedenfalls entsprechenden ) Anwendung des § 280 Abs. 1 BGB führen.44 Für Klima-Klagen dürften derartige Ansprüche indes nur eine untergeordnete Rolle spielen, da sie ein öffentlich-rechtliches Vertragsverhältnis voraussetzen. Derartige Vertragsverhältnisse im Bereich des Klimaschutzes dürften in aller Regel nicht bestehen. 38 Münchener Kommentar zum BGB-Papier, § 839 Rdnr. 9 f. 39 Münchener Kommentar zum BGB-Papier, § 839 Rdnr. 229. 40 Erbguth, Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Aufl. 2014, § 37 Rdnr. 12. 41 Beck’scher Online Kommentar BGB-Reinert, § 839 Rdnr. 60 ff. m.w.N. auch zur Rechtsprechung. 42 Für eine Ausnahme von Nichthaftung bei Legislativunrecht allerdings Saurer/Purnhagen, „Klimawandel vor Gericht – Der Rechtsstreit der Nichtregierungsorganisation ‚Urgenda‘ gegen die Niederlande und seine Bedeutung für Deutschland“, in: Zeitschrift für Umweltrecht (ZUR) 2016, S. 17 (22). 43 Beck’scher Online Kommentar BGB-Reinert, § 839 Rdnr. 278. 44 Erbguth, Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Aufl. 2014, § 43 Rdnr. 2. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 116/16 Seite 15 4.1.2. Entschädigungsansprüche im Übrigen Daneben sind Entschädigungsansprüche gegen den Staat denkbar. Solche können resultieren aus Enteignung, enteignendem bzw. enteignungsgleichem Eingriff oder einer sogenannten ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums, bei Inanspruchnahme als sogenannter Nicht-Störer durch das Polizeirecht sowie bei rechtswidrigem polizeirechtlichem Handeln und infolge von Aufopferung.45 Ob und inwieweit derartige Ansprüche als materiell-rechtliche Grundlagen für Klima-Klagen dienen können, lässt sich nicht allgemein, sondern nur am konkreten Einzelfall bestimmen. Die Ausarbeitung beschränkt sich daher auf folgende Hinweise: 4.1.2.1. Enteignung, Inhalts- und Schrankenbestimmungen sowie enteignungsgleicher Eingriff Ansprüche aus Enteignung (Art. 14 Abs. 3 GG) dürften für Klima-Klagen kaum in Betracht kommen . Enteignung wird verstanden als der finale Entzug einer Eigentumsposition durch den Staat. Gegenstand der Entschädigung ist die Enteignung und nicht klimarelevantes Verhalten des Staates bzw. klimabedingte Schäden. Entsprechendes gilt für ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmungen. Dieser (ohnehin nur für atypische Fälle anerkannte) Entschädigungsanspruch basiert auf einer Ausgestaltung von Inhalt und Grenzen des Eigentums durch den Gesetzgeber , der dem Adressaten ein Sonderopfer auferlegt, das eine Kompensation erfordert. Die Entschädigung beruht demnach auch hier nicht auf klimaschädlichem Verhalten des Staates, sondern auf der Ausgestaltung des Eigentums. Es erscheint eher unwahrscheinlich, dass eine solche Ausgestaltung des Eigentums Klimarelevanz dergestalt aufweist, dass ein Anspruch auf Kompensation dieser Ausgestaltung noch als Ausgleich für klimabedingte Eingriffe gelten kann. Allenfalls möglich erscheint ein Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff. Dieser durch die Rechtsprechung entwickelte Anspruch gewährt Entschädigung bei hoheitlichen und rechtswidrigen Eingriffen in das Eigentum. Denkbar wäre ein für Klima-Klagen relevanter Anspruch daher, wenn der Staat durch hoheitlichen, rechtswidrigen und das Klima betreffenden Eingriff in das Eigentum des Anspruchstellers eingreift (Beispiel: Der Staat emittiert bei hoheitlichem Handeln rechtswidrig das Klima beeinträchtigende Stoffe, durch den daraus resultierenden Klimawandel wird das Grundstück des Anspruchstellers unbewohnbar). Problematisch bei der Geltendmachung eines solchen Anspruchs dürfte sich jedoch auch hier der Nachweis der Zurechnung zwischen dem Verhalten des Staates zu der Eigentumsbeeinträchtigung des Anspruchstellers, ggf. auch die Rechtswidrigkeit des staatlichen Handelns darstellen. 4.1.2.2. Polizeirechtliche Entschädigungsansprüche Die polizeirechtlichen Entschädigungsansprüche richten sich nach den Polizeigesetzen der Länder . Diese enthalten in der Regel Ausgleichsansprüche soweit der Geschädigte als sogenannter Nicht-Störer in Anspruch genommen wird oder aber rechtswidrig als Störer in Anspruch genommen wird. In beiden Fällen wird die Inanspruchnahme auf polizeirechtlicher Basis vorausgesetzt. Soweit der Staat zur Gefahrenabwehr handelt, so sind klimarelevante Maßnahmen und damit deren Kompensation zwar denkbar (Beispiel: Die zuständige Behörde leitet auf Grundlage des Gefahrenabwehrrechts nach einem Unglücksfall in einer Produktionsstätte Treibhausgase entgegen 45 Übersicht etwa bei Sauer, „Staatshaftungsrecht“, in: Juristische Schulung (JuS) 2010, S. 695 ff. und S. 800 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 116/16 Seite 16 den gesetzlichen Vorschriften in die Atmosphäre, um die Gesundheit der verbliebenen Bediensteten zu schützen. Die Änderung der klimatischen Bedingungen führt zu einem Schaden am Grundstück des Anspruchsstellers). Obgleich hier Entschädigungsansprüche möglich erscheinen, dürften derartige Konstellation nicht unter dem Gesichtspunkt der Klima-Klage im eingangs festgelegten Sinne zu verstehen sein. Die ggf. eintretende (und jedenfalls beweisrechtlich problematische ) Veränderung des Klimas ist in solchen Konstellationen bloßer Reflex eines auf Gefahrenabwehr gerichteten Handelns. Zudem stellt sich wiederum die Frage, ob der bloße Beitrag zur Veränderung des Klimas (so sich ein solcher überhaupt darlegen lässt) eine Inanspruchnahme des Anspruchsstellers darstellt. 4.1.2.3. Aufopferung Ansprüche aus Aufopferung bzw. aufopferungsgleichem Eingriff kommen in Betracht, soweit hoheitliches Handeln einen rechtmäßigen bzw. rechtswidrigen hoheitlichen Eingriff in eine durch Art. 2 Abs. 2 GG geschützte Rechtsposition darstellt und beim Inhaber der Rechtsposition einen unmittelbaren Vermögensschaden hervorrufen und ihm (im Falle rechtmäßigen Handelns) ein Sonderopfer auferlegen. Bezogen auf Klima-Klagen wäre dies etwa denkbar, wenn staatliches Handeln zu Klimafolgen führt, die den Anspruchsteller in seinen Rechten aus Art. 2 Abs. 2 GG beeinträchtigen, was zu einem unmittelbaren Vermögensschaden des Anspruchstellers führt (und diesem damit ggf. ein Sonderopfer auferlegen). Voraussetzung wäre jedoch jedenfalls, dass staatliches Handeln zu einer Beeinträchtigung des Klimas geführt hat (was aus den bereits angesprochenen Gründen problematisch sein könnte) und dieses Handeln entweder rechtswidrig war oder jedenfalls zu einem Sonderopfer des Anspruchstellers geführt hat. In beiden Fällen ist zudem erforderlich , dass daraus ein (unmittelbarer) Vermögensschaden des Anspruchstellers resultiert. 4.1.3. Prozessuale Durchsetzung Prozessual geltend zu machen ist der Anspruch aus Amtshaftung nach § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG vor den Zivilgerichten, sachlich zuständig ist das Landgericht (Art. 34 Satz 3 GG, § 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG). Da es sich um einen Zivilprozess handelt, gelten die oben unter 3.4. gemachten Ausführungen zur prozessualen Durchsetzung eines Anspruchs unter Privaten entsprechend . Gleiches gilt nach Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG für die Entschädigung infolge von Enteignung oder enteignungsgleichem Eingriff sowie aus Aufopferung oder aufopferungsgleichem Eingriff und für die polizeirechtlichen Ausgleichsansprüche gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)46. Lediglich für (die kaum in Betracht zu ziehende) Entschädigung aufgrund einer ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmung ist gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz VwGO der Verwaltungsgerichtsweg eröffnet. 46 Verwaltungsgerichtsordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. März 1991 (BGBl. I S. 686), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 21. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2490). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 116/16 Seite 17 4.2. Wiederherstellung und Unterlassung Sollen im Wege der Klima-Klage die Wiederherstellung eines bestimmten Zustandes oder die Unterlassung künftiger Störungen gegen den Staat geltend gemacht werden, kommen folgende Ansprüche in Betracht: 4.2.1. Öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch Gegen den Staat kommt der sogenannte öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch zum Tragen. Die rechtliche Verankerung des öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs ist umstritten, gleichwohl ist er mittlerweile jedenfalls gewohnheitsrechtlich anerkannt47 und in seinen Voraussetzungen dem Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 2 BGB nachgebildet. Erforderlich ist demnach eine dem Staat zurechenbare drohende Störung des Eigentums bzw. der sonstigen durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsgüter, ohne dass eine Duldungspflicht des Rechtsinhabers bestünde.48 Bezogen auf Klima-Klagen bedeutet das: Der Staat müsste durch klimarelevantes Verhalten eine Störung von Rechten bzw. Rechtsgütern bewirken, die vom Inhaber der Rechte bzw. vom Rechtsgutträger nicht zu dulden ist. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen unter 3.1. verwiesen werden. 4.2.2. Folgenbeseitigungsanspruch Ebenfalls in der rechtlichen Verankerung umstritten, gleichwohl ebenso zumindest gewohnheitsrechtlich anerkannt ist der sogenannte Folgenbeseitigungsanspruch.49 Dieser Anspruch ist gerichtet auf die Wiederherstellung des bisherigen Zustandes, d.h. auf Restitution. Er ist strukturell mit dem öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch verwandt. Er setzt eine nicht duldungspflichtige , d.h. rechtswidrige Störung des Bürgers durch den Staat voraus und ist gerichtet auf die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes. Bezogen auf Klima-Klagen verlangt ein solcher Folgenbeseitigungsanspruch eine rechtswidrige Störung seitens staatlicher Organe durch klimarelevantes Verhalten. Auch hier stellen sich Probleme jedenfalls bei der Frage, inwieweit eine Störung auf staatliches Verhalten zurückgeht. Es kann insoweit auf die Ausführungen zum privatrechtlichen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB verwiesen werden (oben unter 3.2.1.). 4.2.3. Prozessuale Durchsetzung Der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch sowie der Folgenbeseitigungsanspruch sind im Wege der allgemeinen Leistungsklage vor den Verwaltungsgerichten gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO geltend zu machen.50 Nach herrschender Auffassung ist für eine solche in entsprechender Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO eine Klagebefugnis ebenfalls erforderlich.51 Auch hier dürfte 47 Erbguth, Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Aufl. 2014, § 41 Rdnr. 18. 48 Erbguth, Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Aufl. 2014, § 41 Rdnr. 19 ff. 49 Sauer, „Staatshaftungsrecht“, in: Juristische Schulung (JuS) 2010, S. 695 (697 f.). 50 Erbguth, Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Aufl. 2014, § 41 Rdnr. 16 und 22. 51 Redeker/v. Oertzen-v. Nicolai, VwGO, 16. Aufl. 2014, Rdnr. 45 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 116/16 Seite 18 eine Klima-Klage wohl nur vom Anspruchsinhaber, nicht aber von Verbänden oder Dritten geltend gemacht werden. 4.3. Ansprüche auf (protektives) Handeln Daneben kommen Ansprüche in Betracht, die sich auf die Vornahme bestimmter Handlungen richten, die nicht zum Ausgleich bestehender Schäden dienen, gleichwohl unter Klimaschutzgesichtspunkten Bedeutung erlangen können. Zu denken wäre etwa daran, den Staat zu verpflichten , im Wege der Exekutive ordnungsrechtlich gegen die Emittenten von Treibhausgasen vorzugehen oder seinen Einfluss auf von ihm beherrschte Unternehmen geltend zu machen bzw. im Wege der Legislative Gesetze mit entsprechenden Klimaschutzzielen zu erlassen, m.a.W. Handlungen gleich welcher Art vorzunehmen, die klimafördernden Maßnahmen dienen. 4.3.1. Polizeirechtliche Ansprüche Ein Anspruch auf protektives Handeln des Staates setzt Schutzpflichten des Staates voraus. Solche lassen sich möglicherweise aus dem Gefahrenabwehrrecht, subsidiär aus den Grundrechten ableiten. Das Polizeirecht enthält in aller Regel Eingriffsbefugnisse bei einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Für diesen Fall wird die zuständige Behörde zunächst einmal zum Eingriff ermächtigt. Soweit die öffentliche Sicherheit aber auch Individualrechte umfasst,52 lässt sich bei einer Gefahr für ein solches subjektives Recht auch ein Anspruch des Rechtsinhabers auf polizeiliches Einschreiten ableiten53. Das der zuständigen Behörde eingeräumte Ermessen wird zugunsten des Inhabers des bedrohten subjektiven Rechts auf Null reduziert und zwingt die Behörde zum Eingreifen.54 Das Eingreifen richtet sich gegen den Störer, d.h. gegen denjenigen , der für die Bedrohung (wenigstens mittelbar) verantwortlich ist. Bezogen auf Klima-Klagen könnte ein Anspruch auf staatliches Eingreifen etwa dann bestehen, wenn durch klimarelevantes Verhalten, etwa durch die Emission von Treibhausgasen, eine (klimatische) Gefahr dergestalt geschaffen wird, dass der dadurch bewirkte Klimawandel Rechte und Rechtsgüter des Anspruchstellers bedroht. Voraussetzung wäre jedoch auch hier, dass eine tatsächliche Gefahr für Individualrechtsgüter besteht. Das Klima als solches dürfte indes bereits kein Individualrecht sein, so dass allenfalls die Gefahr für ein durch klimatische Veränderung bedrohtes Individualrechtsgut den Anspruch begründen kann. Dafür wäre dann jedoch erforderlich, dass die klimatische Veränderung einem Dritten als Störer zugerechnet werden kann. Dabei stellen sich ähnliche Probleme wie bei der zivilrechtlichen Störer-Haftung (dazu oben 3.1. und 3.2.1.). Soweit durch die polizeirechtlichen Regelungen die Behörden berechtigen und verpflichten, kann Inhalt eines solchen Anspruchs grundsätzlich nur ein behördliches Eingreifen sein. 4.3.2. Verfassungsrechtliche Ansprüche Soweit nicht schon unter polizeirechtlichen Aspekten auf einfachgesetzlicher Grundlage ein Anspruch auf staatliches Handeln besteht, so könnte unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten 52 Vgl. etwa Maunz/Dürig-Depenheuer, GG, 76. ErgLf., Stand: 12/2015, Art. 8 Rdnr. 154. 53 Schoch/Schneider/Bier-Wahl/Schütz, VwGO, 30. ErgLf., Stand: 02/2016, § 42 Rdnr. 88 ff. 54 Schoch/Schneider/Bier-Wahl/Schütz, VwGO, 30. ErgLf., Stand: 02/2016, § 42 Rdnr. 88 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 116/16 Seite 19 ebenfalls ein Anspruch auf protektives staatliches Handeln bestehen. Dabei wäre zunächst an Art. 20a GG zu denken. Die Verfassung adressiert in Art. 20a GG den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und der Tiere. Dabei handelt es sich jedoch um eine sogenannte Staatszielbestimmung .55 Als solche vermittelt die Norm dem einzelnen keinen einklagbaren Anspruch auf ein bestimmtes staatliches Handeln.56 Gleiches gilt für Verbände, die sich dem Schutz der Umwelt zum Ziel gesetzt haben.57 Allerdings vermitteln die Grundrechte subjektive Rechte.58 Zwar sind die Grundrechte als Abwehrrechte des Grundrechtsträgers gegenüber dem Staat konzipiert.59 Sie beinhalten jedoch auch eine Leistungsdimension dergestalt, dass der Staat die Grundrechte seiner Bürger schützen muss.60 Soweit also die Grundrechtsgarantien des Grundgesetzes für einen Grundrechtsträger gefährdet sind, muss der Staat auch geeignete Schutzmaßnahmen treffen.61 Bei Klima-Klagen wäre dabei etwa das Grundrecht auf Leben und Gesundheit62 (Art. 2 Abs. 2 GG) sowie das Grundrecht auf Eigentum (Art. 14 GG) zu berücksichtigen. Adressat eines solchen Schutzanspruchs sind grundsätzlich alle Staatsorgane, soweit sie zur Durchsetzung der erforderlichen Maßnahme berufen sind.63 Bezüglich Klima-Klagen wäre in erster Linie an den Gesetzgeber durch entsprechende Gesetzgebung zu denken.64 Soweit dieser in Anspruch genommen werden soll, ist allerdings zu berücksichtigen , dass der Legislative bei der Gestaltung von Gesetzen ein weiter Ermessensspielraum zukommt.65 Ob etwa eine (befürchtete) Beeinträchtigung von Leben und Gesundheit durch Umweltveränderungen einen Anspruch auf gesetzgeberisches Tätigwerden begründet, ist umstritten .66 Selbst wenn man eine Pflicht des Gesetzgebers zum Tätigwerden bejaht, so dürfte jedenfalls 55 Maunz/Dürig-Scholz, GG, 76. ErgLf., Stand: 12/2015, Art. 20a Rdnr. 32. 56 Maunz/Dürig-Scholz, GG, 76. ErgLf., Stand: 12/2015, Art. 20a Rdnr. 33. 57 Maunz/Dürig-Scholz, GG, 76. ErgLf., Stand: 12/2015, Art. 20a Rdnr. 33. 58 Maunz/Dürig-Schmidt-Aßmann, GG, 76. ErgLf., Stand: 12/2015, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 121. 59 Maunz/Dürig-Remmert, GG, 76. ErgLf., Stand: 12/2015, Art. 19 Abs. 2 Rdnr. 42 ff. 60 Ausführlich Stern, „Die Schutzpflichtenfunktion der Grundrechte: Eine juristische Entdeckung“, in: Die öffentliche Verwaltung (DÖV) 2010, S. 241 ff. 61 Maunz/Dürig-Di Fabio, GG, 76. ErgLf., Stand: 12/2015, Art. 2 Rdnr. 61. 62 Daran anknüpfend etwa Saurer/Purnhagen, „Klimawandel vor Gericht – Der Rechtsstreit der Nichtregierungsorganisation ‚Urgenda‘ gegen die Niederlande und seine Bedeutung für Deutschland“, in: Zeitschrift für Umweltrechte (ZUR) 2016, S. 17 (21). 63 Stern, „Die Schutzpflichtenfunktion der Grundrechte: Eine juristische Entdeckung“, in: Die öffentliche Verwaltung (DÖV) 2010, S. 241 (247). 64 Landmann/Rohmer-Gärditz, Umweltrecht, 79. ErgLf., Stand: 02/2016, Art. 20a GG Rdnr. 89. 65 Maunz/Dürig-Di Fabio, GG, 76. ErgLf., Stand: 12/2015, Art. 2 Rdnr. 61. 66 Dazu Maunz/Dürig-Di Fabio, GG, 76. ErgLf., Stand: 12/2015, Art. 2 Rdnr. 63. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 116/16 Seite 20 aufgrund der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers kein Anspruch auf ein bestimmtes Handeln des Gesetzgebers bestehen.67 4.3.3. Prozessuale Durchsetzung Ein Anspruch auf behördliches Eingreifen auf polizeirechtlicher Grundlage ist je nach begehrten Verwaltungshandeln entweder als allgemeine Leistungsklage oder als Verpflichtungsklage denkbar . In beiden Fällen wäre nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Erforderlich wäre zudem die Klagebefugnis des Klägers aufgrund der (direkten oder entsprechenden ) Anwendung von § 42 Abs. 2 VwGO. Die Klage wäre überhaupt nur zulässig, soweit der Kläger die Verletzung eines subjektiven Rechts geltend machen kann (und nur dann begründet, wenn der Kläger in seinen subjektiven Rechten verletzt ist, ein entsprechender Anspruch also besteht ). Auch insoweit dürfte die prozessuale Geltendmachung durch Verbände oder Dritte ausgeschlossen sein. Soweit ein aus der Verfassung abgeleiteter Anspruch auf das Tätigwerden der Legislative durchgesetzt werden soll, mithin also Verfassungsorgane adressiert werden, dürfte sich ein solcher Anspruch nur als Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG prozessual einkleiden lassen .68 Entscheidend dafür ist indes auch hier die Behauptung, durch die öffentliche Gewalt in Grundrechten verletzt zu sein. Der Beschwerdeführer muss also auch hier die Verletzung eines subjektiven (Grund-)Rechts geltend machen. Da eine Berufung auf Art. 20a GG nicht in Betracht kommt, wird man auch hier nur beeinträchtigte Grundrechtsträger als Beschwerdeführer akzeptieren können, Popularklagen (etwa durch Verbände o.ä.) entfallen. 5. Fazit Ein Überblick über Klima-Klagen, verstanden als Klagen, deren Ziel die Förderung von klimaschützenden Maßnahmen bzw. die Kompensation von klimabedingten Schäden ist, hat gezeigt, dass Klagen gegen Unternehmen grundlegende Unterschiede aufweisen gegenüber solchen, die sich gegen den Staat richten. Bei Kategorisierung der Anspruchsziele lassen sich indes für beide Bereiche jedenfalls in erster Näherung entsprechende Anspruchsgrundlagen identifizieren. Während bei Klagen gegen Unternehmen das Privatrecht die maßgebliche Rechtsquelle für Anspruchsgrundlagen ist, lässt sich bei Klagen gegen den Staat feststellen, dass insoweit das Staatshaftungsrecht , das Verfassungsrecht und ggf. auch das Gefahrenabwehrrecht sedes materiae sind. Unabhängig davon, ob sich Klagen gegen Unternehmen oder den Staat richten, ist an den Ersatz von Schäden oder die Unterlassung bestimmter, das Klima beeinträchtigender Handlungen zu denken. Hinsichtlich Klagen gegen den Staat ist daneben ein Anspruch auf protektives Handeln erwägenswert. Ob die Tatbestandsmerkmale der jeweiligen Anspruchsgrundlagen erfüllt sind, ist indes bereits bei allgemeiner Betrachtung fraglich, kann jedoch letztlich nur anhand eines konkreten Sachverhaltes im Einzelfall entschieden werden. 67 Stern, „Die Schutzpflichtenfunktion der Grundrechte: Eine juristische Entdeckung“, in: Die öffentliche Verwaltung (DÖV) 2010, S. 241 (248). 68 Saurer/Purnhagen, „Klimawandel vor Gericht – Der Rechtsstreit der Nichtregierungsorganisation ‚Urgenda‘ gegen die Niederlande und seine Bedeutung für Deutschland“, in: Zeitschrift für Umweltrechte (ZUR) 2016, S. 17 (20) m.w.N. auch zur Rechtsprechung. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 116/16 Seite 21 Ende der Bearbeitung.