© 2019 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 115/19 Regulierung von Legal Tech-Dienstleistungen in ausgewählten Staaten Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 115/19 Seite 2 Regulierung von Legal Tech-Dienstleistungen in ausgewählten Staaten Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 115/19 Abschluss der Arbeit: 14.08.2019 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 115/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Rechtliche Situation in Norwegen 4 3. Rechtliche Situation in Schweden 5 4. Rechtliche Situation im Vereinigten Königreich 5 5. Rechtliche Situation in der Schweiz 6 6. Fazit 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 115/19 Seite 4 1. Einleitung Der digitale Fortschritt wirkt sich auch im Bereich der Rechtsdienstleistungen aus. Legal Tech- Anbieter nutzen meist künstliche Intelligenz, um ihr Angebot weiterzuentwickeln und zu vergrößern . Die Legal Tech-Angebote umfassen regelmäßig eine Software, durch die beispielsweise Verträge generiert oder Ansprüche geprüft werden. Es handelt sich also um Konzepte, die den menschlichen Rechtsdienstleister zu ersetzen scheinen.1 Durch den Bezug dieser Angebote zu juristischen Tätigkeiten und Dienstleistungen stellt sich die Frage nach einer möglichen Regulierung . In Deutschland sind Legal Tech-Dienstleistungen nicht ausdrücklich geregelt, sodass sie den Vorschriften des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG)2 unterfallen dürften.3 In Norwegen ist die rechtliche Situation vergleichbar (Ziffer 3). Anders stellt sich die Rechtslage dar: in Schweden (Ziffer 3), im Vereinigten Königreich (UK) (Ziffer 4) und in der Schweiz (Ziffer 5).4 2. Rechtliche Situation in Norwegen In Norwegen sind die Dienstleistungen von Legal Tech-Anbietern nicht durch spezielle Vorschriften reguliert. Bieten Anwälte Legal Tech-Dienstleistungen an, unterfallen auch diese dem norwegischen „Code of Conduct“ für Rechtsanwälte der Rechtsanwaltskammer. Der Disziplinarrat der norwegischen Rechtsanwaltskammer („Advokatforeningens disiplinærutvalg“) ist für Beschwerden über Gebühren und Verstöße gegen den Verhaltenskodex zuständig. Dieser Verhaltenskodex ist nicht anwendbar auf Legal Tech-Dienstleister, die von Personen ohne Rechtsanwaltszulassung betrieben werden. Für solche Unternehmen ist in Norwegen nur das allgemeine Vertragsrecht anwendbar. 2015 wurde eine Arbeitsgruppe gegründet, die einen „Offical Norwegian Report“ bzgl. der Regulierung von allen Legal Tech-Dienstleistern (unabhängig von der Eigenschaft als Rechtsanwalt) erarbeiten sollte. Ein Gesetzesentwurf wurde dem Parlament aber bislang nicht vorgelegt. 1 Vgl. Kilian, Die Regulierung von Legal Tech Risiken und Nebenwirkungen von Sonderregeln - Plädoyer für eine ganzheitliche Betrachtung, Anwaltsblatt (AwBl) 1/19, S. 24. 2 Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen (Rechtsdienstleistungsgesetz - RDG) vom 12.12.2007 (BGBl. I S. 2840), zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes zur Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe vom 12.05.2017 (BGBl. I S. 1121), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/rdg/ (letzter Abruf: 17.07.2019). 3 Für weitere Informationen wird auf den Sachstand „Rechtsdienstleistungsgesetz und Legal Tech“, Az. WD 7 - 3000 - 111/19 vom 09.07.2019 verwiesen, abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource /blob/654316/ad2c5f4740d04d817ba6f7b6f18074cf/WD-7-111-19-pdf-data.pdf (letzter Abruf: 14.08.2019). 4 Die Angaben zur Rechtslage in den anderen Staaten basieren auf Auskünften der jeweiligen Parlamentsverwaltungen . Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 115/19 Seite 5 3. Rechtliche Situation in Schweden Auch Schweden hat keine speziellen Vorschriften für Legal Tech-Anbieter. Zudem existiert keine Regulierung für den Verbraucherschutz im Zusammenhang mit allgemeinen Rechtsdienstleistungen . Juristen müssen in Schweden keine speziellen Qualifikationen nachweisen und benötigen keine Erlaubnis, um rechtsberatend (und als Rechtsbeistand vor Gericht) tätig zu sein. Eine Differenzierung wird zwischen Juristen und Rechtsanwälten vorgenommen. Letztere müssen Mitglied der schwedischen Rechtsanwaltskammer („Advokatsamfundet“) sein. Die Mitgliedschaft setzt neben einem Wohnsitz in der Europäischen Union (EU), dem europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz auch eine bestandene Prüfung zum Richter, vergleichbar mit dem Abschluss Master of Laws (LL.M.), voraus. Die schwedische Rechtsanwaltskammer ist durch die nationale Prozessordnung reguliert. Bei Beschwerden von Mandanten kann der Fall vor dem Ausschuss für Verbraucherstreitigkeiten oder der nationalen Behörde für Verbraucherstreitigkeiten verhandelt werden. Eine Beschwerde bzgl. der Tätigkeit eines Legal Tech-Anbieters wurde bisher nicht eingereicht. Die allgemeinen schwedischen Gesetze sind auf die Legal Tech-Dienstleister anwendbar. Dazu gehört insbesondere das Verbrauchervertragsgesetz5, das allgemein auf Verträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern anwendbar ist. Analog kann auch das Verbraucherdienstgesetz6 auf Legal Tech-Dienstleistungen angewendet werden, wenn ein Verbraucher mit der Qualität der Leistung nicht zufrieden ist. Schließlich muss die Werbung für jede Art von juristischen Dienstleistungen im Einklang mit dem Marktgesetz7 stehen. 4. Rechtliche Situation im Vereinigten Königreich Als Aufsichtsbehörde für Rechtsdienstleistungen fungiert im Vereinigten Königreich (UK) das Legal Services Board (LSB). Dieses hat im Geschäftsplan 2019/20 ein neues politisches Ziel eingeführt : Die Regulierung soll mit dem technischen Fortschritt Schritt halten.8 5 Lag om särskilda avtalsvillkor i konsumentförhållanden vom 15.12.1994, in Schwedisch abrufbar unter: https://www.riksdagen.se/sv/dokument-lagar/dokument/svensk-forfattningssamling/lag-19941512-om-avtalsvillkor -i_sfs-1994-1512 (letzter Abruf: 13.08.2019). 6 Konsumenttjänstlagen vom 11.07.1985, in Schwedisch abrufbar unter: https://www.riksdagen.se/sv/dokumentlagar /dokument/svensk-forfattningssamling/konsumenttjanstlag-1985716_sfs-1985-716 (letzter Abruf: 13.08.2019). 7 Marknadsföringslagen vom 05.06.2008, in Englisch abrufbar unter: https://www.government.se/4abc0a/contentassets /747603b3d1a04351b1773524c7de3c84/2008486-marketing-act (letzter Abruf: 13.08.2019). 8 Informationen zu Projekten, die für die Erreichung dieses Ziel durchgeführt werden, lassen sich abrufen unter: https://www.legalservicesboard.org.uk/our-work/current-work/technology-and-regulation (letzter Abruf: 14.08.2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 115/19 Seite 6 Grundsätzlich unterliegen sechs verschiedene Rechtsdienstleistungen („reserved legal activities“) nach Section 12 des Legal Services Act9 der aufsichtsrechtlichen Kontrolle der LSB und sind nur Anwälten gestattet, dazu gehört beispielsweise die Vertretung vor Gericht.10 Die aufsichtsrechtliche Kontrolle umfasst aber nicht nur die sechs Rechtsdienstleistungen, sondern auch die nicht regulierten Tätigkeiten von Rechtsanwälten. Rechtsdienstleistungen, die durch Legal Tech-Anbieter in Form von Apps angeboten werden, sind grundsätzlich nicht reguliert. Nur im Falle eines Vertragsschlusses unterliegen sie den allgemeinen Vorschriften. Die Solicitors Regulation Authority (eine der zugelassenen Aufsichtsbehörden ) beabsichtigt nicht, die Nutzung von sog. Künstlicher Intelligenz (KI) zu regulieren. Die Regulierung ist auf die Ergebnisse der Tätigkeit ausgerichtet, nicht auf die Art und Weise der Erreichung der Ziele. Erbringt jemand eine regulierte Tätigkeit mithilfe von KI, wird diese Tätigkeit genauso kontrolliert und reguliert, wie die Erbringung der Tätigkeit ohne KI. Werden neue Technologien zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen genutzt, sind die Verwender jeweils verantwortlich für die Art und Weise, wie sie ihre Dienstleistungen erbringen. Beschwerden sind ebenso zulässig, wie die Beschwerden gegen Rechtsdienstleistungen, die ohne KI erbracht werden . 5. Rechtliche Situation in der Schweiz Das Recht in der Schweiz ist allgemein technologieneutral konzipiert. Der Bereich der Rechtsberatung ist in der Schweiz weder allgemein noch für Legal Tech-Anbieter reguliert. Nur der Anwaltsberuf auf Bundes- und Kantonsebene sowie die Notartätigkeit auf Kantonsebene ist reguliert . Diese Vorschriften sind aber nicht auf die Tätigkeit der Legal Tech-Dienstleister anwendbar. Auch durch das Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Patentanwältinnen und Patentanwälte und dessen Ausführungsbestimmungen wurde das Angebot der Legal Tech-Dienstleister nicht reguliert. Eine Diskussion über eine solche Regulierung findet im Parlament derzeit nicht statt. 6. Fazit Im europäischen Vergleich zeigt sich eine ähnliche rechtliche Situation wie in Deutschland. Unterliegen die Tätigkeiten von Juristen einer Regulierung, sind die Dienstleistungen von Legal Tech-Anbietern regelmäßig auch davon erfasst. Im Übrigen gelten in den Ländern die allgemeinen Vorschriften zum Vertragsrecht. Auch Beschwerden gegen Legal Tech-Anbieter sind auf dem normalen prozessualen Weg der Länder möglich. *** 9 Legal Services Act von 2007, abrufbar unter: http://www.legislation.gov.uk/ukpga/2007/29/contents (letzter Abruf : 14.08.2019). 10 Für weitere Informationen: https://www.legalservicesboard.org.uk/enquiries/frequently-asked-questions/reserved -legal-activities (14.08.2019).