© 2016 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 115/16 Mikroplastik in Kosmetika Rechtliche Rahmenbedingungen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 115/16 Seite 2 Mikroplastik in Kosmetika Rechtliche Rahmenbedingungen Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 115/16 Abschluss der Arbeit: 18. August 2016 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr , Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 115/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Definition von Mikroplastik 4 2.1. Primäres Mikroplastik 4 2.2. Sekundäres Mikroplastik 5 3. Mikroplastik in der Umwelt 5 4. Unionsrechtliche Rahmenbedingungen 6 4.1. Stoffrecht 6 4.2. Wasserrecht 7 4.3. Abfallrecht 8 4.4. Verbraucherschutzrecht 8 5. Vereinbarkeit einer nationalen Regelung mit Unionsrecht 9 5.1. Kompetenz der Mitgliedstaaten 9 5.1.1. Vorgaben der Kosmetik-Verordnung 10 5.1.2. Vorgaben der REACH-Verordnung 10 5.1.3. Möglichkeit vorläufiger nationaler Maßnahmen nach Art. 129 REACH-VO 12 5.1.4. Möglichkeit eines nationalen Verbots nach Art. 114 Abs. 5 AEUV 12 5.1.5. Möglichkeit einer verstärkenden Schutzmaßnahme nach Art. 193 AEUV 12 5.1.6. Zwischenergebnis 13 5.2. Vereinbarkeit mit europäischem Primärrecht 13 6. Verfassungsrechtliche Grenzen 13 7. Fazit 14 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 115/16 Seite 4 1. Einleitung Gegenstand des vorliegenden Sachstands ist die Frage, ob ein nationales Verbot von Mikroplastik in Kosmetika im Hinblick auf umweltschutzrechtliche Aspekte möglich ist und ob ein solches Verbot unionsrechtlich vertretbar wäre. Kunststoffe sind heute wesentlicher Bestandteil unserer Lebensumwelt, die vielfach im privaten, gewerblichen und industriellen Bereich eingesetzt werden. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass durchschnittlich drei Viertel des in den Ozeanen gefundenen Mülls aus Kunststoff besteht.1 Dabei werden neben großformatigen Plastikabfällen wie Plastikflaschen oder –tüten auch Mikropartikel nachgewiesen.2 Vor diesem Hintergrund wird im Folgenden die Definition von Mikroplastik erläutert und ein kurzer Überblick über die wichtigsten unionsrechtlichen und bundesgesetzlichen Rahmenbedingungen für Mikroplastik in Kosmetika gegeben. Sodann wird auf die Frage eines Verbotes von Mikroplastik in Kosmetika auf nationaler Ebene eingegangen. 2. Definition von Mikroplastik Als Mikroplastik werden synthetisch hergestellte Polymerstoffe bezeichnet, die in die Umwelt gelangt sind, bzw. das Potential haben, in die Umwelt zu gelangen.3 Nach der Meeresstrategie- Rahmenrichtlinie (MSRL)4 werden unter Mikroplastik Teilchen bis zu 5 mm Durchmesser verstanden . Eine allgemein anerkannte Definition besteht jedoch bislang nicht. In der Fachliteratur wird zwischen primärem und sekundärem Mikroplastik unterschieden.5 2.1. Primäres Mikroplastik Primäres Mikroplastik wird in mikroskopischer Größe industriell hergestellt und in verschiedenen Produkten sowie Verfahren verwendet. In kosmetischen Mitteln werden Mikroplastikpartikel 1 Europäische Kommission (Hrsg.), Grünbuch zu einer europäischen Strategie für Kunststoffabfälle in der Umwelt , COM(2013) 123 final/2, S. 6, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/transparency/regdoc/rep/1/2013/DE/1- 2013-123-DE-F1-1.Pdf. 2 Grünbuch der Kommission, Fn. 1, S. 7. 3 Umweltbundesamt, Mikroplastik: Entwicklung eines Umweltbewertungskonzepts, Texte 32/2016, Dessau-Roßlau 2016, S. 15, abrufbar unter: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/publikationen /texte_32_2016_mikroplastik_entwicklung_eines_umweltbewertungskonzeptes.pdf. 4 Richtlinie 2008/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Meeresumwelt (Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie - MSRL), (ABl. L 164, S. 19-40), abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUri- Serv.do?uri=OJ:L:2008:164:0019:0040:de:PDF. 5 Umweltbundesamt, Fn. 3, S. 15. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 115/16 Seite 5 in Körper- und Gesichtspeelings, Peelingduschgels, Seifen als Abrasivstoff eingesetzt. Hinzu kommt die Verwendung in Zahnpflegeprodukten sowie im Bereich der dekorativen Kosmetik wie z.B. Lippenstiften.6 Repräsentative Daten über die Einsatzmengen von Mikropartikeln aus Kunststoff liegen für diese Produktgruppen bislang nicht vor. 2.2. Sekundäres Mikroplastik Sekundäres Mikroplastik entsteht durch die Zersetzung und Fragmentierung größerer Kunststoffteile , das Auswaschen von Fasern aus Kleidung sowie den Abrieb von Autoreifen im Straßenverkehr .7 Abhängig von der geographischen Lage und den damit verbundenen klimatischen Bedingungen dauert die Zersetzung des Kunststoffes unterschiedlich lange.8 3. Mikroplastik in der Umwelt Gelangt Kunststoffabfall in die Umwelt, bleibt er dort für einen sehr langen Zeitraum bestehen, da er kaum biologisch abbaubar ist.9 Mikroplastik aus kosmetischen Mitteln gelangt typischerweise über die Abwasserentsorgung in die Kanalisation und mangels kompletter Filterung in den Kläranlagen in die Binnengewässer und Ozeane.10 Dort wird es von verschiedenen Meereslebewesen aufgenommen und gelangt so in die Nahrungskette.11 Die meisten Kunststoffpartikel lagern sich schließlich auf dem Meeresgrund ab.12 6 Umweltbundesamt, Fn. 3, S. 15. 7 Umweltbundesamt, Quellen für Mikroplastik mit Relevanz für den Meeresschutz in Deutschland, Texte 63/2015, Dessau-Roßlau 2015, S. 9, abrufbar unter: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien /378/publikationen/texte_63_2015_quellen_fuer_mikroplastik_mit_relevanz_fuer_den_meeresschutz_1.pdf. 8 Shah, A.A., Hasan, F., Hameed, A., Ahmed, S., Biological degradation of plastics: A comprehensive review, Biotechnology Advances 26 (3), 2008, S. 246- 265, abrufbar unter: https://www.researchgate.net/publication /5515372_Biological_Degradation_of_Plastics_A_Comprehensive_Review. 9 Wurpel G.,Van den Akker J.,Pors J., Ten Wolde, Plastics do not belong in the ocean, Towards a roadmap for a clean North Sea, IMSA Amsterdam 2011, S. 13, abrufbar unter: https://www.researchgate.net/file.PostFile- Loader.html?id=523ff9e5d3df3e4a118845ef&assetKey=AS%3A272142459965453%401441895227654. 10 Umweltbundesamt, Fn. 3, S. 19f. 11 UNEP, Marine Litter: A global challenge, Nairobi 2009, S. 13, abrufbar unter: http://www.unep.org/pdf/unep_marine_litter-a_global_challenge.pdf. 12 Grünbuch der Kommission, Fn. 1, S. 7. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 115/16 Seite 6 4. Unionsrechtliche Rahmenbedingungen Im Hinblick auf die rechtliche Rahmensetzung in Bezug auf Mikroplastik sind unterschiedliche Rechtsbereiche betroffen. 4.1. Stoffrecht Die REACH-Verordnung13(REACH-VO) bildet den Rahmen für ein europäisches Stoffrecht. Als Verordnung entfaltet sie gemäß Art. 288 Abs. 2 AEUV14 unmittelbare Wirkung und bedarf somit keiner weiteren Umsetzung in nationales Recht. Ziel ist es, ein hohes Schutzniveau der menschlichen Gesundheit und der Umwelt vor gefährlichen Chemikalien sicherzustellen. Die Verordnung regelt die Herstellung, das Inverkehrbringen und die Verwendung von Stoffen als solche, in Gemischen oder in Erzeugnissen. Das Zulassungsverfahren nach Art. 55 ff. REACH-VO sieht vor, Herstellungs- und Verwendungsverbote bezüglich bestimmter besonders besorgniserregender Stoffe zu verhängen, mit der Möglichkeit, einzelne individuelle Zulassungen zu gewähren (sog. Verbot mit Erlaubnisvorbehalt). Zentraler Bezugspunkt aller sich aus der Verordnung ergebenden Pflichten ist somit der Stoff, der in Art. 3 Nr. 1 definiert wird als „chemisches Element und seine Verbindungen in natürlicher Form oder gewonnen durch ein Herstellungsverfahren, einschließlich der zur Wahrung seiner Stabilität notwendigen Zusatzstoffe und der durch das angewandte Verfahren bedingten Verunreinigungen (…).“ Bestimmte Eigenschaften von Stoffen, wie Größe oder Form, werden nicht vorausgesetzt. Mikroplastik fällt damit grundsätzlich unter den Stoffbegriff der Verordnung. Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage ausgeführt , dass die Verbots- und Beschränkungsmöglichkeiten der REACH-Verordnung auf die Verhinderung von Risiken zielen, die sich aufgrund gefährlicher Stoffeigenschaften bei Exposition von Mensch oder Umwelt gegenüber dem jeweils zu regelnden Stoff ergeben können. Nach derzeitigem Kenntnisstand würden die Polymere, aus denen die in Kosmetikprodukten verwendeten Mikroplastikbestandteile bestehen, gefährliche Stoffeigenschaften dieser Art in der Regel nicht 13 Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung , Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Chemikalienagentur, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission (ABl. Nr. L 396 S. 1, ber. 2007 Nr. L 136 S. 3), zuletzt geändert durch Art. 1 ÄndVO (EU) 2016/1017 vom 23. 6. 2016 (ABl. Nr. L 166 S. 1), abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32006R1907&from=de. 14 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) in der Fassung aufgrund des am 1.12.2009 in Kraft getretenen Vertrages von Lissabon (Konsolidierte Fassung bekanntgemacht im ABl. EG Nr. C 115, S. 47) zuletzt geändert durch die Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Kroatien und die Anpassungen des Vertrags über die Europäische Union, des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (ABl. L 112 S. 21); abrufbar unter http://eur-lex.europa .eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:12012E/TXT&from=DE. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 115/16 Seite 7 aufweisen.15 Hinsichtlich der Polymere ist die Europäische Kommission der Ansicht, dass es zunächst weiterer wissenschaftlicher Erkenntnisse bedürfe, die die Risiken von Polymeren für Mensch und Umwelt darlegen (Art. 138 Abs. 2 REACH-VO). Weiträumige Luftverunreinigungen mit persistenten organischen Schadstoffen sind in der POP- Verordnung16 geregelt, welche Vorgaben hinsichtlich der Herstellung, des Inverkehrbringens, der Verwendung und der Freigabe von persistenten organischen Schadstoffen enthält. Auch im Zusammenhang mit Mikroplastik im Meer ist bekannt, dass persistente organische Schadstoffe zur Anhaftung an Mikroplastik neigen und der Schadstoffgehalt am Partikel um ein vielfaches höher sein kann als im umgebenden Wasser.17 4.2. Wasserrecht Die Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL)18 sieht einen ganzheitlichen Meeresschutz für die EU vor. Ziel ist es, durch Maßnahmenprogramme der Mitgliedstaaten bis 2020 einen „guten Umweltzustand “ der Meeresumwelt zu erreichen. Die Meeresumwelt bezieht dabei sowohl den Artenschutz als auch den marinen Biodiversitätsschutz ein. Abfälle im Meer werden in der Richtlinie als wichtiges Kriterium (Deskriptor) für den guten Umweltzustand genannt, wobei in Deskriptor 10 ausdrücklich Mikroplastik und die Notwendigkeit der Bewertung seiner potentiellen Toxizität genannt wird. Weiterhin verfolgt die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL)19 der Europäischen Gemeinschaft das Ziel, die Verschmutzung der Gewässer zu verhindern bzw. zu reduzieren, eine nachhaltige Nutzung zu fördern und die Umwelt zu schützen. So beinhaltet Art. 10 WRRL bestimmte Emissionsgrenzwerte für das Einleiten in die Oberflächengewässer auf Grundlage der zur Verfügung stehenden Technologien. Gemäß Art. 11 WRRL sind die Mitgliedstaaten dazu angehalten, Maßnah- 15 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Peter Meiwald, Nicole Maisch, Steffi Lemke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Erkenntnisse der Bundesregierung über Mengen, Verbleib und Auswirkungen von Mikroplastik, BT-Drucksache 18/2985, abrufbar unter http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/18/029/1802985.pdf. 16 Verordnung (EG) Nr. 850/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über persistente organische Schadstoffe und zur Änderung der Richtlinie 79/117/EWG (ABl. Nr. L 158), abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32004R0850&from=DE. 17 Umweltbundesamt Österreich, Mikroplastik in der Umwelt, Wien, 2015, S. 24, abrufbar unter: http://www.umweltbundesamt .at/fileadmin/site/publikationen/REP0550.pdf. 18 Richtlinie 2008/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Meeresumwelt (Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie ), (ABl. Nr. L 164 S. 19), abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUri- Serv.do?uri=OJ:L:2008:164:0019:0040:de:PDF. 19 Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik, (ABl. Nr. L 327 S. 1), abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/resource.html?uri=cellar:5c835afb-2ec6-4577-bdf8- 756d3d694eeb.0003.02/DOC_1&format=PDF. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 115/16 Seite 8 men zu ergreifen, um das in Art. 4 WRRL genannte Ziel eines guten Gewässerzustands zu erreichen , wobei sie auf bestehende Rechtsvorschriften verweisen oder neue Maßnahmen einführen können. 4.3. Abfallrecht Hinsichtlich des Abfallrechts ist insbesondere die Abfallrahmenrichtlinie (ARRL)20 von Bedeutung , welche den Schutz der Umwelt und der menschlichen Gesundheit zum Ziel hat (Art. 1 ARRL). Danach sollen die schädlichen Auswirkungen der Erzeugung und Bewirtschaftung von Abfällen, worunter auch Kunststoffabfälle fallen, vermieden oder verringert werden und die Effizienz der Ressourcennutzung verbessert werden. Zudem regelt die Richtlinie die Abfallhierarchie , wonach der Vermeidung, Wiederverwendung und dem Recycling Vorrang vor der energetischen Verwertung und Beseitigung eingeräumt werden sollen. 4.4. Verbraucherschutzrecht Die Kosmetik-Verordnung21 stellt Mindestanforderungen an die Sicherheit kosmetischer Mittel und dient damit dem Gesundheits- und Verbraucherschutz. Vor Inverkehrbringen eines kosmetischen Mittels muss ein Sicherheitsbericht angefertigt und die Inhaltsstoffe angezeigt werden. Mikroplastik gehört dabei nicht zu den Stoffen, die geprüft werden müssen, allerdings gilt auch im Hinblick auf sie der Grundsatz, dass nur solche Kosmetika auf den Markt gebracht werden dürfen, die für die menschliche Gesundheit sicher sind. Nach derzeitigem Kenntnisstand stellt die Verwendung von Mikroplastikpartikeln in kosmetischen Mitteln jedoch für den Verbraucher kein gesundheitliches Risiko dar22, weshalb der Verbraucherschutz wohl ungeeignet ist, um ein Verbot zu rechtfertigen. 20 Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien (ABl. Nr. L 312 S. 3), abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUri- Serv/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2008:312:0003:0030:de:PDF. 21 Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über kosmetische Mittel (Abl. L 342 S. 59), abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUri- Serv.do?uri=OJ:L:2009:342:0059:0209:de:PDF. 22 Bundesamt für Risikobewertung, Polyethylenhaltige Mikrokunststoffpartikel: Gesundheitsrisiko durch die Verwendung von Hautreinigungs- und Zahnpflegemitteln ist unwahrscheinlich, Stellungnahme Nr. 032/2014 vom 3. Januar 2014, S. 1, abrufbar unter: http://www.bfr.bund.de/cm/343/polyethylenhaltige-mikrokunststoffpartikel -gesundheitsrisiko-durch-die-verwendung-von-hautreinigungs-und-zahnpflegemitteln-ist-unwahrscheinlich .pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 115/16 Seite 9 Für Lebensmittel sind insbesondere die Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 178/200223 relevant . Derzeit liegen allerdings noch keine gesicherten Erkenntnisse zum Vorkommen von Mikroplastikpartikeln in Lebensmitteln vor.24 Aus diesem Grund können eine gesundheitliche Bewertung und deren Folgen für ein Verbot von Mikroplastik zurzeit nicht stattfinden. 5. Vereinbarkeit einer nationalen Regelung mit Unionsrecht Es ist zunächst zu klären, ob die Mitgliedstaaten im Verhältnis zur EU die Kompetenz zum Erlass eines nationalen Verbots von Mikroplastik in Kosmetikprodukten besitzen. Anschließend ist zu prüfen, ob eine solche nationale Maßnahme das Unionsrecht verletzen würde. Insbesondere kann durch ein Verbot von Mikroplastik in Kosmetikprodukten die Warenverkehrsfreiheit verletzt sein. 5.1. Kompetenz der Mitgliedstaaten Ein Verbot von Mikroplastik in Kosmetikprodukten aufgrund umweltrechtlicher Bedenken kann unter verschiedene Kompetenztitel des Unionsrechts fallen, insbesondere die Kompetenzverteilung zwischen der EU und den Mitgliedstaaten im Bereich des Binnenmarkts und des Umweltschutzes ist für die Frage von Bedeutung, ob Mitgliedstaaten ein solches Verbot erlassen können. Grundsätzlich besteht nach Art. 4 Abs. 2 lit e) AEUV im Umweltschutz eine geteilte Zuständigkeit von Europäischer Union und Mitgliedstaaten. Solange die EU ein Thema im Bereich Umwelt nicht geregelt hat, steht es den Mitgliedstaaten gemäß Art. 4 Abs. 2 lit e) AEUV i.V.m. Art. 2 Abs. 2 Satz 2 AEUV grundsätzlich frei, gesetzgeberisch tätig zu werden. Nach Protokoll Nr. 25 zum Vertrag von Lissabon25 erstreckt sich die Ausübung der Zuständigkeit der EU nur auf die durch den entsprechenden Rechtsakt der Union geregelten Elemente und nicht auf den gesamten Bereich einer geteilten Zuständigkeit. Auf Grundlage dieser unionsrechtlichen Vorgaben ist im Folgenden zu prüfen, ob die EU das Thema Mikroplastik in Kosmetika bereits (abschließend) geregelt hat oder nationale Maßnahmen diesbezüglich möglich sind.26 23 Verordnung (EG) Nr. 178/2002 Des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31, S. 1), abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CONS- LEG:2002R0178:20080325:de:PDF. 24 Bundesamt für Risikobewertung, Mikroplastikpartikel in Lebensmitteln, Stellungnahme Nr. 013/2015 vom 30. April 2015, S. 1, abrufbar unter: http://www.bfr.bund.de/cm/343/mikroplastikpartikel-in-lebensmitteln.pdf. 25 Protokoll Nr. 25 zum Vertrag von Lissabon (ABl. C 115 vom 9.5.2008, S. 307), abrufbar unter: http://eur-lex.europa .eu/resource.html?uri=cellar:88f94461-564b-4b75-aef7-c957de8e339d.0004.01/DOC_4&format=PDF. 26 Zur Schwierigkeit der Bestimmung, ob die EU eine abschließende Regelung getroffen hat, vgl. Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 52. EL., Stand: Januar 2014, Art. 4 AEUV, Rn. 8. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 115/16 Seite 10 5.1.1. Vorgaben der Kosmetik-Verordnung Zum einen könnte die Kosmetik-Verordnung einem nationalen Verbot von Mikroplastik entgegenstehen . Gemäß Art. 9 der Kosmetik-Verordnung dürfen die Mitgliedstaaten das Bereitstellen von kosmetischen Mitteln auf dem Markt nicht auf Grund der in der Kosmetik-Verordnung enthaltenen Anforderungen ablehnen, verbieten oder beschränken, wenn die kosmetischen Mittel den Bestimmungen dieser Verordnung entsprechen. Aus den Erwägungsgründen der Kosmetik- Verordnung ist ersichtlich, dass die Kosmetik-Verordnung kosmetische Produkte allein unter gesundheitlichen und verbraucherschutzrechtlichen Aspekten reguliert, während den Umweltauswirkungen keine Bedeutung zukommt.27 Demzufolge dürften nach Art. 9 der Kosmetik-Verordnung Verbote von kosmetischen Produkten durch die Mitgliedstaaten aufgrund umweltrechtlicher Erwägungen nicht durch die Kosmetik-Verordnung gesperrt sein. 5.1.2. Vorgaben der REACH-Verordnung Anders ist dies bei der REACH-Verordnung, der die Stoffe, welche in Kosmetikprodukten verwandt werden, unterliegen.28 Die REACH-Verordnung gilt für alle Stoffe, die nicht in Art. 2 REACH-Verordnung ausgeschlossen sind, wie z.B. radioaktive Stoffe. Um Überschneidungen mit der Kosmetik-Verordnung zu verhindern, enthält die REACH-Verordnung verschiedene Ausnahmen für Kosmetikprodukte, beispielsweise in Bezug auf Risiken für die menschliche Gesundheit 29 oder für gesundheitsschädliche Stoffe.30 Die REACH-Verordnung soll ausweislich ihres ersten Erwägungsgrunds ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und für die Umwelt sicherstellen. Sollen also Mikroplastikteile in Kosmetikprodukten auf nationaler Ebene aus Umweltschutzgründen verboten werden, ist zu prüfen, ob derartige Maßnahmen mit der REACH- Verordnung vereinbar sind. Die REACH-Verordnung untersagt den Mitgliedstaaten in Art. 128 Abs. 1, die Herstellung, die Einfuhr, das Inverkehrbringen oder die Verwendung eines unter die REACH-Verordnung fallenden Stoffes zu untersagen, zu beschränken oder zu behindern. Ausnahmsweise kann jedoch nach Art. 128 Abs. 2 REACH-Verordnung eine solche Maßnahme für den Schutz der Umwelt erfolgen, wenn die Anforderungen an die Herstellung, das Inverkehrbringen oder die Verwendung mit der REACH-Verordnung nicht harmonisiert werden. 27 So auch: Kern, Kosmetische Mittel – eine Gefahr für die Umwelt?, DVBl. 2007, S. 1144 (1146). 28 Kern, Kosmetische Mittel – eine Gefahr für die Umwelt?, DVBl. 2007, S. 1144 (1147). 29 Art. 14 Abs. 5 lit. b REACH-VO. 30 Art. 67 Abs. 2 REACH-VO. Für die REACH-Verordnung im Allgemeinen so auch Kern, Kosmetische Mittel – eine Gefahr für die Umwelt?, in: DVBl. 2007, S. 1144 (1148). Zur Ausnahmen-Regelungstechnik in der REACH- Verordnung siehe auch Schlussanträge des GA Bobek vom 17. März 2016, Rs. C-592/14 – European Federation for Cosmetic Ingredients, Rn. 121. Danach kann die REACH-Verordnung hinter sektorale Rechtsvorschriften wie z.B. die Kosmetik-Verordnung zurücktreten, wenn der betreffende Aspekt dort geregelt ist. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 115/16 Seite 11 Voraussetzung für ein nationales Verbot von Mikroplastik in Kosmetikprodukten zum Schutz der Umwelt ist daher, dass die Herstellung, das Inverkehrbringen oder die Verwendung von Mikroplastik in der REACH-Verordnung nicht harmonisiert wurde.31 Mikroplastik fällt als Polymer grundsätzlich unter die REACH-Verordnung. Nach Art. 2 Abs. 9 der REACH-Verordnung sind Polymere von den Vorschriften über die Registrierung und Bewertung ausgenommen. Diese Ausnahme soll gelten „bis die wegen Risiken für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt registrierungsbedürftigen Polymere auf praktikable und kosteneffiziente Weise auf der Grundlage fundierter technischer und anerkannter wissenschaftlicher Kriterien ermittelt werden können“.32 Bei Vorliegen neuer Erkenntnisse kann die Kommission dazu nach Art. 138 Abs. 2 REACH-Verordnung Legislativvorschläge unterbreiten. Nach Art. 6 Abs. 3 REACH-Verordnung werden Herstellern oder Importeuren von Polymeren allerdings gewisse Registrierungspflichten in Bezug auf in Polymeren enthaltene Stoffe auferlegt. Außerdem darf z.B. Cadmium nach Anhang XVII Nr. 23 REACH-Verordnung nicht in Gemischen und Erzeugnissen verwendet werden, die aus bestimmten Polymeren bestehen. Darüber hinaus enthält die REACH- Verordnung eine Liste zulassungspflichtiger Stoffe, in die auch persistente, bioakkumulierbare und toxische (PBT) sowie sehr persistente und sehr bioakkumulierbare (vPvB) Stoffe aufgenommen werden müssen.33 Hierfür enthält die REACH-Verordnung auch Kriterien im Anhang XIII. Wird ein Stoff als besonders kritisch eingeschätzt, kann dieser Beschränkungen nach Art. 67 ff. REACH-Verordnung unterworfen werden. Die REACH-Verordnung regelt also die Verwendung von Mikroplastik als Polymer. Es besteht ein Zulassungssystem, das insbesondere auch PBT- und vPvB-Stoffe einschließt. Reicht dieser Schutz über ein Zulassungsverfahren nicht aus, könnten auch weitergehende Beschränkungen für solche Stoffe erfolgen. Fraglich ist, ob diese Vorgaben der REACH-Verordnung zu Polymeren bereits für die Annahme einer abschließenden Harmonisierung auf Unionsebene genügen. Es gibt bisher nur eine beschränkte Anzahl von Urteilen des EuGH zu der Auslegung des Art. 128 Abs. 1 und 2 REACH- Verordnung. In der Rechtssache Lapin luonnonsuojelupiriiri entschied der EuGH 2013, dass „die Anforderungen an die Herstellung, das Inverkehrbringen oder die Verwendung von Stoffen wie Arsenverbindungen, für die eine Beschränkung gemäß Anhang XVII dieser Verordnung [der REACH-Verordnung] gilt, durch das Unionsrecht harmonisiert werden.“34 In der Rechtssache Canadian Oil Company Sweden kam der EuGH bezüglich einer nationalen Registrierungspflicht, die – mit einer anderen Zielsetzung – neben der Registrierungspflicht gemäß der REACH-Verordnung bestand, hingegen zu dem Ergebnis, dass „die Harmonisierung, zu der die Bestimmungen der REACH-Verordnung über die Verpflichtung zur Anmeldung und Registrierung chemischer Stoffe führen, so umfassend sie zur Schaffung eines integrierten Kontrollsystems dieser Stoffe im Hoheitsgebiet der Union im Hinblick auf die Gewährleistung eines sicheren Umgangs mit diesen Stoffen auch sein mag, nicht geeignet [ist], eine andere Registrierung auszuschließen, die die in Rn. 34 des vorliegenden Urteils genannten Merkmale aufweist und vor allem zur Schaffung eines 31 EuGH, Urt. v. 7. März 2013, Rs. C-358/11 – Lapin luonnonsuojelupiiri, Rn. 38. 32 Erwägungsgrund 41 der REACH-Verordnung. 33 Art. 57 lit. d, e REACH-VO. 34 EuGH, Urt. v. 7. März 2013, Rs. C-358/11 – Lapin luonnonsuojelupiiri, Rn. 38. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 115/16 Seite 12 Systems der Kontrolle dieses sicheren Umgangs in dem betreffenden Mitgliedstaat und zur Bewertung dieses Umgangs beiträgt, insbesondere um auf Unionsebene sachdienliche Verbesserungen dazu vorzuschlagen.“35 Die Vorgaben in der REACH-Verordnung zu Polymeren lassen eine Harmonisierung auf Unionsebene vermuten, die einem nationalen Verbot von Mikroplastik in Kosmetikprodukten entgegenstehen würde. Es kann im Rahmen dieses Gutachtens angesichts fehlender Rechtsprechung zu dieser Frage allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass in bestimmten Teilbereichen keine Harmonisierung bezüglich Polymeren in der REACH-Verordnung besteht und in diesen Teilbereichen mithin nationale Maßnahmen möglich wären. 5.1.3. Möglichkeit vorläufiger nationaler Maßnahmen nach Art. 129 REACH-VO Nach Art. 129 REACH-Verordnung kann ein Mitgliedstaat vorläufige Maßnahmen treffen, wenn er berechtigten Grund zur Annahme hat, dass hinsichtlich eines Stoffs auch bei Übereinstimmung mit den Anforderungen dieser Verordnung sofortiges Handeln erforderlich ist, um die die Umwelt zu schützen. Nach Abs. 2 dieses Artikels finden solche Maßnahmen nur vorübergehend Anwendung. Ein dauerhaftes nationales Verbot von Mikroplastik in Kosmetikprodukten kann daher nicht auf Art. 129 REACH-Verordnung gestützt werden. 5.1.4. Möglichkeit eines nationalen Verbots nach Art. 114 Abs. 5 AEUV Nach Ansicht der EuGH können neue Bedingungen für die Herstellung, das Inverkehrbringen oder die Verwendung eines Stoffes nach Art. 114 Abs. 5 AEUV auf der Grundlage neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse festgelegt werden.36 Erkenntnisse, die vor Erlass der REACH-Verordnung vorlagen, können nicht herangezogen werden.37 Eine Kompetenz für ein nationales Verbot von Mikroplastik kann daher nur auf Art. 114 Abs. 5 AEUV gestützt werden, wenn seit Erlass38 der REACH-Verordnung neue Erkenntnisse zu den umweltgefährdenden Aspekten von Mikroplastik vorliegen. 5.1.5. Möglichkeit einer verstärkenden Schutzmaßnahme nach Art. 193 AEUV Die Sperre für nationale Gesetzgebungsaktivitäten durch eine Tätigkeit der EU im Bereich der geteilten Zuständigkeiten gilt im Umweltbereich nicht ausnahmslos. Es besteht nach Art. 193 AEUV im Umweltbereich eine „Schutzverstärkungsmöglichkeit“.39 Demnach hindern (Umwelt-) Schutzmaßnahmen, die aufgrund des Art. 192 AEUV von der EU getroffen werden, die einzelnen 35 EuGH, Urt. v. 17. März 2016, Rs. C-472/14 – Canadian Oil, Rn. 38. 36 EuGH, Urt. v. 7. März 2013, Rs. C-358/11 – Lapin luonnonsuojelupiiri, Rn. 30. Dieses Urteil bezog sich auf Stoffe, die einer Beschränkung nach Anhang XVII der REACH-Verordnung unterliegen. Diese Aussage dürfte aber auch auf andere Teile der REACH-Verordnung anwendbar sein. 37 Vgl. Korte, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Auflage 2016, Art. 114 AEUV, Rn. 103. 38 Ungeklärt ist, ob jede nachfolgende Änderung der Verordnung diesen Erlasszeitpunkt chronologisch nach hinten verschiebt oder ob es darauf ankommt, wann letztmalig der betreffende Problemkreis in einer Änderungsverordnung geregelt wurde. 39 Calliess, in: Ruffert/Callies, EUV/AEUV, 5. Auflage 2016, Art. 2 AEUV, Rn. 13. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 115/16 Seite 13 Mitgliedstaaten nicht daran, verstärkte Schutzmaßnahmen beizubehalten oder zu ergreifen. Europäische Umweltschutzmaßnahmen sollen nicht verhindern, dass die Mitgliedstaaten durch weitergehende Maßnahmen in ihren Staaten ein höheres Umweltschutzniveau erreichen können.40 Voraussetzung für eine Schutzverstärkungsmaßnahme ist nach wohl überwiegender Literaturmeinung , dass sich die nationale Maßnahme auf Rechtsakte nach dem umweltrechtlichen Art. 192 AEUV bezieht.41 Da die REACH-Verordnung auf Art. 114 AEUV beruht,42 könnte ein nationales Verbot von Mikroplastik in Kosmetikprodukten, wenn dieses in einen durch die REACH-Verordnung harmonisierten Rechtsbereich fiele, nach dieser Ansicht nicht als Schutzmaßnahme nach Art. 193 AEUV gerechtfertigt werden. 5.1.6. Zwischenergebnis Eine nationale Kompetenz der Mitgliedstaaten zu einem Verbot von Mikroplastik in Kosmetikprodukten ist möglicherweise durch die REACH-Verordnung ausgeschlossen. Es könnten in dem Fall nur vorläufige Maßnahmen nach Art. 129 REACH-VO getroffen werden und neue Erkenntnisse könnten nach Art. 114 Abs. 5 AEUV Grundlage für ein Verbot sein. In beiden Fällen müsste die Kommission unterrichtet werden. 5.2. Vereinbarkeit mit europäischem Primärrecht Soweit das europäische Sekundärrecht die Frage eines Verbotes von Mikroplastik offenlassen würde, wäre eine nationale Regelung weiterhin am europäischen Primärrecht zu messen, insbesondere an den Anforderungen der Grundfreiheiten. Einschlägig ist hier in erster Linie die Warenverkehrsfreiheit , die mit Art. 34 und 36 AEUV einen durch langjährige Rechtsprechung konkretisierten Prüfungsmaßstab vorsieht. 6. Verfassungsrechtliche Grenzen Zu beachten sind zudem die verfassungsrechtlichen Grenzen des Umweltschutzes. Die Grundrechte in ihrer Funktion als Abwehrrechte setzen staatlichen Umweltschutzmaßnahmen Schranken . Ein Verbot von Mikroplastik in Kosmetika kann insbesondere von den Schutzbereichen der 40 EuGH, Urt. v. 22.6.2000, Rs. C-318/98 – Fornasar, Rn. 46. 41 Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 44. EL., Stand: Mai 2011, Art. 193 AEUV, Rn. 7 mit den weiteren Angaben zum Meinungsstand. 42 Bei Verabschiedung der REACH-Verordnung wurde diese auf die Vorgängernorm des art. 114 AEUV, den Art. 95 EGV gestützt. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 115/16 Seite 14 Berufsfreiheit (Art. 12 GG43), der Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) und der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) umfasst sein. Darüber hinaus kann auch der Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) die Umweltgesetzgebung einschränken. 7. Fazit Mikroplastik ist bereits Bestandteil der europäischen Umweltpolitik.44 Die Risiken, die in Kosmetika und in anderen Produkten verwendetes Mikroplastik birgt, sind erkannt, bislang mangelt es jedoch an umfassenden Kenntnissen über dessen Auswirkungen für Mensch und Umwelt. Es kann nicht abschließend geklärt werden, ob die Mitgliedstaaten die Kompetenz zum Verbot von Mikroplastik in Kosmetikprodukten besitzen. Es gibt jedoch Gründe für die Annahme, dass aufgrund der Vorgaben der REACH-Verordnung ein nationales Verbot von Mikroplastik in Kosmetika nicht mit dem Unionsrecht vereinbar wäre. - Ende der Bearbeitung - 43 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100- 1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 23. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2438), abrufbar unter http://www.gesetze-im-internet.de/gg/index.html. 44 Grünbuch der Kommission, Fn 1, S. 6; Europäisches Parlament, Bericht über eine europäische Strategie für Kunststoffabfälle in der Umwelt (2013/2113(INI)), abrufbar unter: http://www.europarl.europa.eu/sides/get- Doc.do?pubRef=-//EP//NONSGML+REPORT+A7-2013-0453+0+DOC+PDF+V0//DE.