© 2020 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 114/20 Gesellschaft mit beschränkter Haftung in „Verantwortungseigentum“ Gesellschaftsrechtliche Implikationen des Reformvorstoßes Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 114/20 Seite 2 Gesellschaft mit beschränkter Haftung in „Verantwortungseigentum“ Gesellschaftsrechtliche Implikationen des Reformvorstoßes Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 114/20 Abschluss der Arbeit: 29. Oktober 2020 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 114/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Konzept des Verantwortungseigentums 4 3. Aktueller Vorschlag für eine GmbH in Verantwortungseigentum 5 3.1. Wesentlicher Inhalt des Gesetzentwurfs 5 3.2. Rechtliche Bewertung 6 4. Zusammenfassung und Ausblick 9 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 114/20 Seite 4 1. Einleitung Anknüpfend an die Konzepte der Stiftung Verantwortungseigentum hat eine Gruppe von Hochschullehrenden im Juni 2020 einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Einführung einer „Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Verantwortungseigentum“ (VE-GmbH) im GmbH-Gesetz (GmbHG)1 vorsieht.2 Zentrales Merkmal dieser GmbH-Variante soll ein Asset- und Shareholderlock sein: Kapital und Gewinn der Gesellschaft werden in ihr gebunden, eine aus Profitgründen erfolgende Veräußerung von Gesellschaftsanteilen und der Eintritt von Kapitalgesellschaften als Gesellschafter ausgeschlossen, nachträgliche Änderungen hieran untersagt. Nachfolgend werden der Gesetzentwurf und seine bisherige Bewertung durch das gesellschaftsrechtliche Schrifttum dargestellt. 2. Konzept des Verantwortungseigentums Als Ausdruck „sozialen Unternehmertums“ existieren derzeit vor allem unter dem Schlagwort der Corporate Social Responsibility (CSR) weltweit Bestrebungen, unternehmerisches Handeln vom „Selbstzweck der Gewinnmaximierung“ zu entkoppeln und durch einen langfristig angelegten , einem allgemeinen öffentlichen Nutzen dienenden Unternehmenszweck zu ersetzen und so gegebenenfalls vermehrt auch Nachhaltigkeitsgesichtspunkten Rechnung zu tragen.3 In verschiedenen Rechtsordnungen sind besondere Regelungen für so genannte Benefit Corporations geschaffen worden.4 1 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 4123-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 10 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2446) geändert worden ist. 2 Sanders et al., Entwurf eines Gesetzes für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Verantwortungseigentum , 12.06.2020, abrufbar unter https://www.gesellschaft-in-verantwortungseigentum.de/der-gesetzesentwurf/ (Stand dieser und sämtlicher nachfolgenden Internet-Quellen: 29.10.2020). 3 Fleischer, Benefit Corporations zwischen Gewinn- und Gemeinwohlorientierung: Eine rechtsvergleichende Skizze, in: Recht und Gesetz – Festschrift für Ulrich Seibert, 2019, S. 219; Möslein, Reformperspektiven im Recht sozialen Unternehmertums, ZRP 2017, 175; Westermann, Nachhaltigkeit im Recht der Gesellschaft mit beschränkter Haftung – Überlegungen zur privatautonomen Gestaltung nachhaltiger Wirtschaftsunternehmen, GmbHR 2020, 1061; Barsan/Hertslet, Unternehmensinteresse, Gesellschaftszweck und Corporate Social Responsibility – Neue Entwicklungen im französischen Gesellschaftsrecht, IWRZ 2019, 256. 4 Vgl. Fleischer, Benefit Corporations zwischen Gewinn- und Gemeinwohlorientierung: Eine rechtsvergleichende Skizze, in: Recht und Gesetz – Festschrift für Ulrich Seibert, 2019, S. 219 m.w.N. und Barsan/Hertslet, Unternehmensinteresse , Gesellschaftszweck und Corporate Social Responsibility – Neue Entwicklungen im französischen Gesellschaftsrecht, IWRZ 2019, 256 zum Beispiel Frankreichs. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 114/20 Seite 5 In diesen Kontext wollen sich auch neuere Initiativen eingeordnet wissen, die für ein so genanntes Verantwortungseigentum – englisch: Steward ownership5 – werben.6 Dessen Kernelement soll darin bestehen, dass Unternehmer unabänderlich auf den Zugriff auf das Unternehmensvermögen und auf Gewinnausschüttung verzichten, um die Selbstständigkeit des Unternehmens langfristig zu erhalten.7 Das als Antonym zum Vermögenseigentum8 so getaufte Konzept unterscheide sich damit sowohl vom klassischen Bild des hauptsächlich der Erwirtschaftung von Gewinnen der Eigentümer und Partner dienenden Unternehmens als auch – da Güter und Dienstleistungen zu Marktpreisen produziert und zugunsten einer langfristigen Sicherung der Unternehmenstätigkeit durchaus Gewinne erzielt werden sollten – vom herkömmlichen gemeinnützigen Sektor.9 Im Unterschied zu den internationalen Modellen der Benefit Corporations soll mit Verantwortungseigentum ein gesellschaftlich nützlicher Zweck aber nicht zwangsläufig verknüpft sein.10 3. Aktueller Vorschlag für eine GmbH in Verantwortungseigentum 3.1. Wesentlicher Inhalt des Gesetzentwurfs Der Gesetzentwurf sieht die Einfügung eines neuen Abschnitts 6 – Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Verantwortungseigentum – in das GmbH-Gesetz vor. Der Abschnitt soll mit den §§ 77a – 77o GmbHG-Entwurf11 insgesamt 15 neue Paragraphen enthalten, die dem „Regelungsprinzip der Nichtgeltung“ folgend bestimmte Regelungen des GmbHG für nicht anwendbar erklären und punktuell durch neue spezielle Regelungen ersetzen, die Geltung des Gesetzes aber im 5 Vgl. Purpose Foundation & RSF Social Finance, State of Alternative Ownership in the US – Emerging Trends in Steward-ownership and Alternative Financing, Learning Journey Report 2019, abrufbar unter https://2lm7za1624591zimq52rpjbg19lk-wpengine.netdna-ssl.com/wp-content/uploads/2019/10/LearningJourney Report_Oct2019.pdf. 6 Sanders, Eine Gesellschaft in Verantwortungseigentum im GmbHG, ZRP 2020, 140 f. 7 Sanders, Eine Gesellschaft in Verantwortungseigentum im GmbHG, ZRP 2020, 140 f. 8 Vgl. Sanders, Eine Gesellschaft in Verantwortungseigentum im GmbHG, ZRP 2020, 140; Stiftung Verantwortungseigentum , Eine Rechtsform für Verantwortungseigentum (abrufbar unter https://stiftung-verantwortungseigentum .de/fileadmin/user_upload/rechtsform_one-pager_stiftung_verantwortungseigentum_mai_2020.pdf). 9 Möslein, Reformperspektiven im Recht sozialen Unternehmertums, ZRP 2017, 175. 10 Vgl. Sanders, Gesetzentwurf für eine Gesellschaft mbH in Verantwortungseigentum, Allgemeine Überlegungen, S. 12 f. (abrufbar unter https://www.gesellschaft-in-verantwortungseigentum.de/der-gesetzesentwurf/); Habersack , „Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Verantwortungseigentum“ – ein Fremdkörper im Recht der Körperschaften , GmbHR 2020, 992 f. 11 Nachfolgend: GmbHG-E. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 114/20 Seite 6 Übrigen unangetastet lassen.12 Ein konstitutives Wesensmerkmal der VE-GmbH soll die dauerhafte Vermögensbindung sein – der sog. Asset lock (§ 77a Absatz 1 GmbHG-E).13 Verschiedene flankierende Regelungen dienen dazu, diese Bindung von Gewinn und Kapital abzusichern – so soll sie insbesondere weder aufgehoben noch abgeändert werden können (§ 77a Absatz 2 Satz 2 GmbHG-E). Aus dem gleichen Grund sind weitreichende Konzernierungs- und Verschmelzungsbeschränkungen vorgesehen (§ 77l GmbHG-E).14 Um die Selbstständigkeit der VE-GmbH langfristig zu sichern, wird der Asset lock durch einen „Shareholder- bzw. Anteils-lock“15 flankiert: Der Kreis möglicher Gesellschafter wird auf natürliche Personen, andere Verantwortungseigentums- Gesellschaften, Rechtsträger mit in gleicher Weise gesetzlich dauerhaft gebundenem Vermögen und Personengesellschaften beschränkt – Kapitalgesellschaften sind mithin ausgeschlossen (§ 77a Absatz 3 GmbHG-E).16 Für den Erbfall ist vorgesehen, dass die Gesellschafter die Vererblichkeit der Geschäftsanteile ausschließen können (§ 77b Absatz 4 GmbHG-E). Geschieht dies nicht, tritt ein Erbe nur dann in die Gesellschaft ein, wenn die Gesellschafter dem innerhalb von sechs Monaten nach Kenntnis des Erbfalls zustimmen (§ 77b Absatz 3 GmbHG-E). Wird die Zustimmung verweigert oder nicht erteilt, fallen die Geschäftsanteile der Gesellschaft zu, und die Erben haben lediglich einen Anspruch auf Erstattung der Einlage gegen die Gesellschaft (§§ 77b Absatz 3, 77i GmbHG-E). 3.2. Rechtliche Bewertung Neben zahlreichen sowohl befürwortenden als auch kritischen Stellungnahmen aus Wirtschaft, Politik und Medien17 zum grundsätzlichen Vorstoß für die Schaffung unternehmensbezogenen 12 Reiff, Entwurf eines Gesetzes für die GmbH in Verantwortungseigentum (VE-GmbH) vorgelegt, ZIP 2020, 1750. 13 Reiff, Entwurf eines Gesetzes für die GmbH in Verantwortungseigentum (VE-GmbH) vorgelegt, ZIP 2020, 1750, 1751; Habersack, „Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Verantwortungseigentum“ – ein Fremdkörper im Recht der Körperschaften, GmbHR 2020, 992, 994. 14 Habersack, „Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Verantwortungseigentum“ – ein Fremdkörper im Recht der Körperschaften, GmbHR 2020, 992, 993. 15 Begrifflichkeiten bei Westermann, Nachhaltigkeit im Recht der Gesellschaft mit beschränkter Haftung – Überlegungen zur privatautonomen Gestaltung nachhaltiger Wirtschaftsunternehmen, GmbHR 2020, 1061, 1064 sowie Habersack, „Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Verantwortungseigentum“ – ein Fremdkörper im Recht der Körperschaften, GmbHR 2020, 992. 16 Reiff, Entwurf eines Gesetzes für die GmbH in Verantwortungseigentum (VE-GmbH) vorgelegt, ZIP 2020, 1750, 1751. 17 Vgl. aus der erheblichen Anzahl entsprechender Veröffentlichungen nur Gehm, Zeiss als Vorbild, in: Die Welt vom 30.11.2019, S. 16; Brors/Holzki, Ruf nach neuer Rechtsform, in: Handelsblatt vom 02.10.2020, S. 3; Meyer, Die bessere GmbH? In: Die Welt vom 07.10.2020, S. 9; Neuerer, Justizministerium – Skepsis an neuer GmbH, in: Handelsblatt vom 07.10.2020, S. 11; Budras/Freytag/Preuß, Start-ups für Rechtsform-Reform, in: FAZ vom 07.10.2020, S. 15; Hoppe/Sigmund, Widerstand gegen die neue GmbH, in: Der Tagesspiegel vom 06.10.2020, S. 15. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 114/20 Seite 7 Verantwortungseigentums liegen auch dezidiert gesellschaftsrechtliche Analysen18 des vorliegend betrachteten Gesetzentwurfs zur Einführung einer VE-GmbH vor. Während der Entwurf hierbei mitunter als im Wesentlichen positiv bewertet und eine grundsätzlich anerkennenswerte, im Wesentlichen konsistente und sich mit ihrer Regelungstechnik gar „elegant in das GmbHG“ einfügende Konzeption konstatiert wird19, wird von anderer Seite bereits infrage gestellt, ob tatsächlich ein unabweisbarer Bedarf für die Einführung einer VE-GmbH bestehe20, zumal zur Umsetzung entsprechender Zielsetzungen das Stiftungsrecht einen passenderen Rechtsrahmen als das GmbH-Gesetz biete.21 Soweit vonseiten der Praxis Verbesserungsbedarf gesehen werde, sei eine Reform des Stiftungsrechts gegenüber der Neueinführung einer VE- GmbH vorzugswürdig: „Wem an der Erhaltung und nachhaltigen Entwicklung des selbständigen Unternehmens und seiner Werte über Generationen hinweg liegt, dieses Unternehmen aber nicht der nachfolgenden Generation anvertrauen möchte, sollte nach wie vor und ungeachtet eines gewissen Gestaltungsaufwands auf Stiftungslösungen verwiesen werden; die laufende Debatte über eine Reform des Stiftungsrechts könnte die tragenden Erwägungen und Ziele des Entwurfs durchaus berücksichtigen.“22 Auch gingen Hinweise der Initiatoren darauf, dass vergleichbare Unternehmen in Verantwortungseigentum im Ausland bereits bestünden, fehl: „Die im Jahr 2005 in Großbritannien eingeführte Community Interest Company (CIC) ist nur für soziale Zwecke (benefit for the community) vorgesehen und darf ihre Gewinne nur hierfür nutzen. Das in diesem Zusammenhang genannte österreichische Modell der Privatstiftung sieht im Gegensatz zur GmbH in Verantwortungseigentum Destinatäre mit Gewinnansprüchen vor, die für die Kontrolle des Stiftungsmanagements sorgen. Die dänischen Unternehmensstiftungen unterliegen der staatlichen Aufsicht durch eine Stiftungsbehörde.“23 18 Reiff, Entwurf eines Gesetzes für die GmbH in Verantwortungseigentum (VE-GmbH) vorgelegt, ZIP 2020, 1750; Habersack, „Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Verantwortungseigentum“ – ein Fremdkörper im Recht der Körperschaften, GmbHR 2020, 992, 995; Weitemeyer, Die GmbH in Verantwortungseigentum – Etikettenschwindel oder Verantwortungsbewusstsein? LTO vom 9.10.2020. 19 Reiff, Entwurf eines Gesetzes für die GmbH in Verantwortungseigentum (VE-GmbH) vorgelegt, ZIP 2020, 1750, 1751, 1754; Fischer/Fischer, Die GmbH in Verantwortungseigentum (VE-GmbH) im Rahmen der Umsetzung globaler Nachhaltigkeitsziele – eine mögliche neue Rechtsform für den Mittelstand, BB 2020, 2122, 2127. 20 Habersack, „Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Verantwortungseigentum“ – ein Fremdkörper im Recht der Körperschaften, GmbHR 2020, 992, 995; Weitemeyer, Die GmbH in Verantwortungseigentum – Etikettenschwindel oder Verantwortungsbewusstsein? LTO vom 9.10.2020. 21 Weitemeyer, Die GmbH in Verantwortungseigentum – Etikettenschwindel oder Verantwortungsbewusstsein? LTO vom 9.10.2020; Habersack, „Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Verantwortungseigentum“ – ein Fremdkörper im Recht der Körperschaften, GmbHR 2020, 992, 996 kritisiert, die VE-GmbH drohe aus der GmbH „eine körperschaftlich verfasste Stiftung zu machen.“ 22 Habersack, „Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Verantwortungseigentum“ – ein Fremdkörper im Recht der Körperschaften, GmbHR 2020, 992, 996 f. 23 Weitemeyer, Die GmbH in Verantwortungseigentum – Etikettenschwindel oder Verantwortungsbewusstsein? LTO vom 9.10.2020. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 114/20 Seite 8 Erhebliche Kritik wird auch am für den Gesetzentwurf zentralen Element des unabänderbaren Asset locks vorgebracht, der einen Verstoß gegen Grundprinzipien des Gesellschaftsrechts, insbesondere des Verbots der kollektiven Selbstentmachtung darstelle.24 Es sei fraglich, ob eine solche Regelung, wie vorgesehen, für einen Teil der Gesellschaften mit beschränkter Haftung geregelt werden könne.25 Eher aus wirtschafts- und wettbewerbspolitischer Perspektive heraus wird an dem „auf Ewigkeit unabänderlichen“ Asset- und Shareholder-lock unter Bezugnahme auf stiftungsrechtliche Grundsätze zudem kritisiert, jener könne einen nötigen Kapitalfluss in die VE- GmbH verhindern und Vermögen dauerhaft aus dem Wirtschaftskreis heraushalten26: „Wenn es in erster Linie darum geht, das Unternehmen gesichert fortführen zu können und eine Veräußerung oder Übernahme zu verhindern, ist dies kein geeigneter Stiftungszweck, weil nicht der gemeinnützige (zugunsten der Allgemeinheit) oder der privatnützige Zweck (zugunsten meist einer Familie) mit dem Unternehmen verfolgt werden soll, sondern die Rechtsform allein dem Unternehmen an sich und dem eingesperrten Kapital dienen soll und damit als Selbstzweckstiftung unzulässig wäre. Solche Vehikel sind mit der Abschaffung des früheren Familienfideikommiss des deutschen Adels aus guten Gründen ausgestorben, weil sie Vermögen dauerhaft aus dem Wirtschaftskreis herausgehalten haben und zu einer Versteinerung der Wirtschaft führten.“27 Schließlich würden in dem Entwurf auch die Interessen der Gläubiger eines Gesellschafters gänzlich vernachlässigt: dass die Gläubiger auch bei einer Pfändung des Gesellschaftsanteils keinen Zugriff auf den Vermögenswert hätten, schaffe auf Seiten der Gesellschafter „Fehlanreize, Kapital in eine Gesellschaft in Verantwortungseigentum einzubringen“.28 Auch die fehlende Festlegung eines übergeordneten Zwecks wird zum Teil kritisch gesehen: Um, wie von den Befürwortern reklamiert, „die Gewinnerzielung tatsächlich zum bloßen Mittel eines höheren Zwecks zu degradieren, erscheint es … naheliegend, additiv eine statuarische Festschreibung dieses Zweckes im Sinne einer raison d’être zu verlangen: Eine ‚Wertefamilie‘ sollte ihre Werte, ihre ‚Vision‘ möglichst genau kennen.“29 Noch weitergehender wird insofern in der „Titulierung als ‚Verantwortungseigentum‘“ gar „ein gewisser Etikettenschwindel“ erblickt: 24 Reiff, Entwurf eines Gesetzes für die GmbH in Verantwortungseigentum (VE-GmbH) vorgelegt, ZIP 2020, 1750, 1751, 1752 f.; Habersack, „Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Verantwortungseigentum“ – ein Fremdkörper im Recht der Körperschaften, GmbHR 2020, 992 f. 25 Reiff, Entwurf eines Gesetzes für die GmbH in Verantwortungseigentum (VE-GmbH) vorgelegt, ZIP 2020, 1750, 1751, 1752 f. 26 Habersack, „Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Verantwortungseigentum“ – ein Fremdkörper im Recht der Körperschaften, GmbHR 2020, 992, 995; Westermann, Nachhaltigkeit im Recht der Gesellschaft mit beschränkter Haftung – Überlegungen zur privatautonomen Gestaltung nachhaltiger Wirtschaftsunternehmen, GmbHR 2020, 1061, 1064; Weitemeyer, Die GmbH in Verantwortungseigentum – Etikettenschwindel oder Verantwortungsbewusstsein ? LTO vom 9.10.2020. 27 Weitemeyer, Die GmbH in Verantwortungseigentum – Etikettenschwindel oder Verantwortungsbewusstsein? LTO vom 9.10.2020 (Hervorhebung nachträglich hinzugefügt, Anm. d. Verf.). 28 Habersack, „Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Verantwortungseigentum“ – ein Fremdkörper im Recht der Körperschaften, GmbHR 2020, 992, 996. 29 Reiff, Entwurf eines Gesetzes für die GmbH in Verantwortungseigentum (VE-GmbH) vorgelegt, ZIP 2020, 1750, 1751, 1754. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 114/20 Seite 9 „Denn natürlich können die Verantwortungseigentümer freiwillig verantwortlich handeln und die heute auftretenden Initiatoren haben dies sicher fest vor. Aber dies tun viele deutsche Unternehmer heute schon in den unterschiedlichsten Unternehmensformen, und die Nachfolger können auch mit der neuen Rechtsform auf eine solche Unternehmensführung nicht dauerhaft verpflichtet werden.“30 Von anderer Seite aber wird die Zweckindifferenz gerade im Hinblick auf die darin liegende Offenheit für zukünftige Entwicklungen und Technologien aus Nachhaltigkeitsperspektive auch als positiv beurteilt.31 4. Zusammenfassung und Ausblick Das Konzept des Verantwortungseigentums im Gesellschaftsrecht erfreut sich regen allgemeinen und auch fachlichen Interesses. Während – auch seitens der juristischen Beratungspraxis32 – nicht selten grundsätzliche Offenheit für das Anliegen zu herrschen scheint und etwa von einer „sehr interessanten, sinnvollen, gleichwohl noch jungen gesellschaftspolitischen Initiative und Diskussion“33 gesprochen wird, werden in den bislang veröffentlichten – zahlenmäßig allerdings noch sehr überschaubaren und insofern nicht repräsentativen – gesellschaftsrechtlichen Bewertungen des vorgelegten Gesetzentwurfs auch gewichtige kritische Einwände vorgebracht. Es erscheint insofern zutreffend, wenn konstatiert wird, dass der Entwurf eines Gesetzes zur Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Verantwortungseigentum Fragen aufwirft, „die umfassender wissenschaftlicher Untersuchung bedürfen“34. Es ist zu erwarten, dass die Thematik mittel- bis langfristig Gegenstand eines sowohl rechtswissenschaftlichen als auch rechts- und wirtschaftspolitischen Diskurses sein wird. * * * 30 Weitemeyer, Die GmbH in Verantwortungseigentum – Etikettenschwindel oder Verantwortungsbewusstsein? LTO vom 9.10.2020 (Hervorhebung nachträglich hinzugefügt, Anm. d. Verf.). 31 Fischer/Fischer, Die GmbH in Verantwortungseigentum (VE-GmbH) im Rahmen der Umsetzung globaler Nachhaltigkeitsziele – eine mögliche neue Rechtsform für den Mittelstand, BB 2020, 2122 f. 32 Vgl. etwa Beisheim, Die „Gesellschaft in Verantwortungseigentum – von der Idee zu einem Gesetzentwurf“, 23.06.2020, abrufbar unter https://www.luther-lawfirm.com/newsroom/blog/detail/die-gesellschaft-in-verantwortungseigentum -von-der-idee-zu-einem-gesetzentwurf; Demuth, Verantwortungseigentum, https://www.rosepartner .de/verantwortungseigentum-gmbh-ve.html. 33 Beisheim, Die „Gesellschaft in Verantwortungseigentum – von der Idee zu einem Gesetzentwurf“, 23.06.2020, abrufbar unter https://www.luther-lawfirm.com/newsroom/blog/detail/die-gesellschaft-in-verantwortungseigentum -von-der-idee-zu-einem-gesetzentwurf. 34 Reiff, Entwurf eines Gesetzes für die GmbH in Verantwortungseigentum (VE-GmbH) vorgelegt, ZIP 2020, 1750, 1751, 1754.