© 2016 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 113/16 Straftaten aus Gruppen und die Garantien des Strafrechts Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 113/16 Seite 2 Straftaten aus Gruppen und die Garantien des Strafrechts Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 113/16 Abschluss der Arbeit: 11. August 2016 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutz, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 113/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Die strukturelle Vergleichbarkeit zwischen § 184j StGB-E und § 231 StGB 4 2.1. Problemaufriss zum Schuldprinzip 5 2.2. Problemaufriss zum Bestimmtheitsgrundsatz 6 3. Genese der Regelung des § 184j StGB-E 7 4. Struktur des § 184j StGB-E 10 5. Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgrundsatz 10 5.1. Das Tatbestandsmerkmal Personengruppe 11 5.1.1. Gruppenbildung durch gemeinsame Zweckfestlegung 13 5.1.2. Einheitlichkeit des Bedrängungsvorgangs 14 5.1.3. Zwischenfazit 15 5.2. Bedrängen einer anderen Person durch die Personengruppe 15 5.3. Bedrängen zur Begehung einer Straftat an ihr 17 5.3.1. Das Tatbestandsmerkmal „an ihr“ 17 5.3.2. Das Verhältnis des Tatbestandsmerkmals „einer Straftat“ zu „eine[r] Straftat nach den §§ 177, 184i StGB“, die die objektive Bedingung der Strafbarkeit begründet 18 5.3.3. Das Tatbestandsmerkmal „zur“ 19 5.4. Beteiligung des Täters an der Personengruppe 20 5.5. Förderung einer Straftat 21 5.5.1. Das Merkmal „eine Straftat“ 21 5.5.2. Der Begriff des „Förderns“ 22 5.6. Die objektive Bedingung der Strafbarkeit 23 6. Schuldprinzip und objektive Bedingung der Strafbarkeit 24 6.1. Herleitung und Bedeutung des Schuldprinzips 24 6.2. Objektive Bedingung der Strafbarkeit 25 6.3. Die objektive Strafbarkeitsbedingung in § 231 StGB 26 6.4. Objektive Bedingung der Strafbarkeit in § 184j StGB-E 27 6.4.1. Das Gefährdungspotential bei § 184j StGB-E 27 6.4.2. Unrechtsneutralität bzw. „Abzugsthese“ 29 7. Schlussbemerkung 30 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 113/16 Seite 4 1. Einleitung Der vorliegenden Ausarbeitung liegt eine Anfrage zu einer neuen Vorschrift, die in das Strafgesetzbuch (StGB)1 eingefügt werden soll, zugrunde. Es geht um den neuen Straftatbestand „Straftaten aus Gruppen“, § 184j StGB-E2, der mit dem „Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuchs – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung“ in das StGB aufgenommen werden soll. Das Gesetz einschließlich der Regelung des § 184j StGB-E wurde am 7. Juli 2016 in dritter Lesung angenommen.3 Die Regelung lautet wie folgt:4 „§ 184j StGB Straftaten aus Gruppen Wer sich an einer Personengruppe beteiligt, die eine andere Person zur Begehung einer Straftat an ihr bedrängt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn von einem Beteiligten der Gruppe eine Straftat nach den §§ 177 oder 184i begangen wird und die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.“ 2. Die strukturelle Vergleichbarkeit zwischen § 184j StGB-E und § 231 StGB Die beschlossene Fassung des § 184j StGB-E ähnelt in ihrer Formulierung und Struktur dem Tatbestand der Beteiligung an einer Schlägerei, § 231 StGB, der wie folgt lautet: „§ 231 Beteiligung an einer Schlägerei (1) Wer sich an einer Schlägerei oder an einem von mehreren verübten Angriff beteiligt, wird schon wegen dieser Beteiligung mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn durch die Schlägerei oder den Angriff der Tod eines Menschen oder eine schwere Körperverletzung (§ 226) verursacht worden ist. 1 Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 8. Juli 2016 (BGBl. I S. 1610); abrufbar unter https://www.gesetze-im-internet .de/stgb/ [letzter Abruf: 21. Juli 2016] 2 Die Abkürzung „StGB-E“ macht deutlich, dass das Gesetzgebungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist, es sich bei der Vorschrift folglich noch nicht um geltendes Recht handelt. 3 Plenarsitzung des Deutschen Bundestages, Stenographischer Bericht der 183. Sitzung, Plenar-Prot. 18/183, 18018 B/D. 4 In der Fassung, wie sie in der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) vom 6. Juli 2016 enthalten ist, BT-Drs. 18/9097, S. 10 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 113/16 Seite 5 (2) Nach Absatz 1 ist nicht strafbar, wer an der Schlägerei oder dem Angriff beteiligt war, ohne daß5 ihm dies vorzuwerfen ist.“ Beide Delikte kennen das Merkmal der Beteiligung: In § 231 Abs. 1 Satz 1 Variante 2 StGB muss sich der Täter an einem „von mehreren verübten Angriff“ beteiligen, dagegen beteiligt sich der Täter im Falle des § 184j StGB-E „an einer Personengruppe“. Genau wie in § 231 StGB der Eintritt der schweren Folge (Tod oder schwere Körperverletzung) sogenannte objektive Bedingung der Strafbarkeit ist, gilt dies ausweislich der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz vom 6. Juli 2016 (im Folgenden vereinfachend: Gesetzesbegründung )6 für die in § 184j StGB-E vorausgesetzte Straftat nach §§ 177, 184i StGB-E7. 2.1. Problemaufriss zum Schuldprinzip Die objektive Bedingung der Strafbarkeit könnte mit dem Schuldprinzip kollidieren. Strafbarkeit setzt als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips Schuld voraus.8 Nach dem verfassungsrechtlichen Schuldgrundsatz, den das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in ständiger Rechtsprechung aus Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG)9 und dem Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 1 und 3 GG, entwickelt hat, kann der Einzelne nur bei Vorliegen individueller Schuld strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.10 Das setzt voraus, dass der Täter entweder vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat. Im Hinblick auf eine objektive Bedingung der Strafbarkeit muss der 5 Da das StGB noch die alte Rechtschreibung enthält, wurde diese im Zitat beibehalten. 6 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, BT-Drs. 18/9097, S. 32. 7 Auch für die in § 184j StGB-E genannten Vorschriften, die §§ 177, 184i gilt, dass für sie das Gesetzgebungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist und sie somit entweder noch nicht so (§ 177) oder noch gar nicht (§ 184i) geltendes Recht enthalten. Deshalb sind die Vorschriften ebenfalls mit der Abkürzung „StGB-E“ versehen. 8 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 1966 – 2 BvR 506/63, BVerfGE 20, 323 (331) = juris Rn. 32-34; BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 1969 – 2 BvL 15/68, 2 BvL 23/68, BVerfGE 25, 269 (285f.) = juris Rn. 77 = Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1969, 1059 (1061); BVerfG, Beschluss vom 17.1.1979 – 2 BvL 12/77, BVerfGE 50, 205 (214f.) = NJW 1979, 1039 (1040); BVerfG, Beschluss vom 3. Juni 1992 – 2 BvR 1041/88, 2 BvR 78/89, BVerf GE 86, 288 (313) = NJW 1992, 2947 (2948); BVerfG, Beschluss vom 24.10.1996 – 2 BvR 1851/94, BVerfGE 95, 96 (140) = NJW 1997, 929 (930); Grzeszick, in: Maunz-Dürig Grundgesetz, 76. ErgLf., Stand: 12/2015, Art. 20 Rn. 124; Hirsch, Das Schuldprinzip und seine Funktion im Strafrecht, Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft (ZStW) 106, 746; Fischer, StGB, 63. Aufl. 2016, Vor § 13, Rn. 47. 9 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100- 1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 23. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2438); abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/gg/gesamt.pdf [letzter Abruf: 19. Juli 2016]. 10 BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 1959 – 1 BvR 197/53, BVerfGE 9, 167 (169) = NJW 1959, 619; BVerfG, Beschluss vom 3. Juni 1992 – 2 BvR 1041/88, 2 BvR 78/89, BVerfGE 86, 288 (313) = NJW 1992, 2947; BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 1996 – 2 BvR 1851/94, 2 BvR 1853/94, 2 BvR 1875/94, 2 BvR 1852/94 = BVerfGE 95, 96 (140) = NJW 1997, 929. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 113/16 Seite 6 Täter jedoch weder vorsätzlich noch fahrlässig handeln.11 Inwieweit eine solche Regelung dann gleichwohl mit dem Schuldgrundsatz zu vereinbaren ist, wurde von Rechtsprechung und Literatur bereits für § 231 StGB ausführlich diskutiert. Die herrschende Meinung (h.M.) geht von der Verfassungsmäßigkeit der dortigen Regelung aus, weil der Schlägerei bzw. dem Angriff eine potentielle Gefährdung innewohne, die es rechtfertige, bereits die Beteiligung an einer solchen Schlägerei unter Strafe zu stellen.12 Ob eine entsprechende Argumentation auch für die Neuregelung des § 184j StGB-E möglich ist, bleibt zu prüfen. 2.2. Problemaufriss zum Bestimmtheitsgrundsatz Angesichts des gravierenden Eingriffs in die Grundrechte des Betroffenen, der mit der Verhängung und Vollziehung einer strafrechtlichen Sanktion verbunden ist, gibt es sowohl im materiellen Strafrecht als auch im Strafverfahrensrecht einzelne Rechtsinstitute zum Schutz des Betroffenen . Diese sind in der Regel sowohl einfachgesetzlich, aber auch grundgesetzlich abgesichert. Zu diesen fundamentalen Rechtsinstituten zählt der im vorangegangenen Gliederungspunkt genannte Schuldgrundsatz. Ein weiterer wichtiger Pfeiler der Strafrechtsgarantien ist der in Art. 103 Abs. 2 GG speziell für das Strafrecht ausgeprägte Bestimmtheitsgrundsatz, wonach eine Tat nur bestraft werden kann, wenn die Straftat gesetzlich bestimmt13 war, bevor die Tat begangen wurde. Im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz bleibt zu klären, ob die verwendeten Tatbestandsmerkmale hinreichend bestimmt sind. Dies gilt im Rahmen des § 184j StGB-E jedenfalls für die Tatbestandsmerkmale „Personengruppe“, „beteiligt“ und „bedrängt“, bei denen es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe handelt, die der weiteren Klärung durch Auslegung bedürfen. Hinzu kommt, dass die Formulierung „die eine andere Person zur Begehung einer Straftat an ihr bedrängt “ möglicherweise mehrdeutig ist, weil nicht auf den ersten Blick klar erkennbar ist, auf wen sich die Wendung „an ihr“ bezieht. Sie könnte sich - grammatikalisch betrachtet - auf jedes weibliche Substantiv beziehen, also auf „Straftat“, „Personengruppe“ oder „eine andere Person“. Hier muss, ebenso wie bei den unbestimmten Rechtsbegriffen, geklärt werden, ob durch Auslegung der Norm dem Bestimmtheitsgrundsatz Genüge getan werden kann. 11 Vgl. Rönnau, Grundwissen – Strafrecht: Objektive Bedingungen der Strafbarkeit, Juristische Schulung (JuS) 2011, 697; Satzger, Die objektive Bedingung der Strafbarkeit, JURA 2006, 108 (109); Eisele, in: Schönke- Schröder, Strafgesetzbuch, 29. Aufl. 2014, Vorb. zu §§ 13 ff. Rn. 126; Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, Die Straftat und ihr Aufbau, 44. Auflage 2014 Rn. 148. 12 Vgl. Eschelbach, in: Beck’scher Online-Kommentar StGB (=BeckOK.StGB), 31. Edition, Stand: 01.06.2016, § 231 Rn. 2; Fischer, StGB, 63. Aufl. 2016, § 231 Rn. 1; Stree/Sternberg-Lieben, in: Schönke-Schröder, StGB, 29. Aufl. 2014, § 231 Rn. 1. 13 Hervorhebung von den Verfassern. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 113/16 Seite 7 Bevor die Regelung des § 184j StGB-E auf ihre Vereinbarkeit mit den genannten verfassungsrechtlich verankerten Strafrechtsgarantien geprüft wird, werden zunächst die Entstehung der Regelung des § 184j StGB-E sowie dessen Struktur vorgestellt. Anschließend erfolgt zunächst die Überprüfung , inwieweit der Wortlaut des § 184j StGB-E den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes genügt. Unter Rückgriff auf die dabei gewonnenen Erkenntnisse wird sodann geprüft, inwieweit die objektive Bedingung der Strafbarkeit mit dem Schuldprinzip zu vereinbaren ist. 3. Genese der Regelung des § 184j StGB-E Die Vorschrift des § 184j StGB-E wurde erst zum Ende des parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens in den nunmehr beschlossenen Regierungsentwurf14 eingebracht. Der vom Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) vorgelegte Referentenentwurf15 enthielt keine Regelung, die der heutigen Fassung des § 184j StGB-E entsprochen hätte. Auch der Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 25. April 2016 sah noch keine dem § 184j StGB-E entsprechende Regelung vor.16 In den abweichenden Gesetzesentwürfen der Fraktion DIE LINKE17 und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN18 war eine solche Regelung ebenfalls nicht enthalten. Der Bundesrat regte in seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf an, auch Möglichkeiten der Sanktionierung von „sexuellen Übergriffen aus Gruppen“ in den Gesetzesentwurf mit einzubeziehen.19 Der Bundesrat bezog sich dabei explizit auf die Vorfälle in Köln während der Silvesternacht 2015/16 und regte Regelungen an, „nach der sich bereits derjenige - als Täter - strafbar macht, der 14 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, BT-Drs. 18/9097. 15 Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz, Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung. Der Referentenentwurf ist abrufbar unter http://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente /RefE_SchutzSexuelleSelbstbestimmung.pdf?__blob=publicationFile&v=4 [letzter Abruf: 21. Juli 2016]. 16 Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 25. April 2016, Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung, BT-Drs. 18/8210. 17 Gesetzentwurf der Abgeordneten Halina Wawzyniak, Cornelia Möhring, Frank Tempel, Dr. André Hahn, Ulla Jelpke Jan Korte, Petra Pau, Martina Renner, Kersten Steinke und der Fraktion DIE LINKE vom 16. Februar 2016, Entwurf eines … Strafrechtsänderungsgesetzes zur Änderung des Sexualstrafrechts (… StrÄndG), BT-Drs. 18/7719. 18 Gesetzentwurf der Abgeordneten Katja Keul, Ulle Schauws, Renate Künast, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), Monika Lazar, Irene Mihalic, Özcan Mutlu, Dr. Konstantin von Notz, Hans-Christian Ströbele und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 1. Juli 2015, Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches zur Verbesserung des Schutzes vor sexueller Misshandlung und Vergewaltigung, BT-Drs. 18/5384. 19 Stellungnahme des Bundesrates vom 13. Mai 2016, Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches - Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung BR-Drs. 162/16 (B), S. 9 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 113/16 Seite 8 sich an einer Gruppe beteiligt, aus der heraus oder durch die, sexuelle Handlungen an einer anderen Person, gegen oder ohne deren Willen, vorgenommen werden.“20 Auf diese Forderungen gingen die zur Sitzung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz am 1. Juni 2016 geladenen Sachverständigen in ihren schriftlichen Stellungnahmen bereits teilweise ein. Der Sachverständige Eisele hält für Gruppenphänomene nur insoweit einen Straftatbestand für notwendig, als es zu Beweisschwierigkeiten von Täterschaft und Teilnahme kommen kann.21 Seine Stellungnahme spricht sich dafür aus, einen solchen Straftatbestand an der Konstruktion des Landfriedensbruchs (§ 125 StGB) zu orientieren, anstatt auf eine der Beteiligung an einer Schlägerei (§ 231 StGB) vergleichbare Ausgestaltung zurückzugreifen.22 Demgegenüber schlägt Hörnle vor, Gruppenphänomene über eine an § 231 StGB angelehnte Gesetzeskonstruktion zu erfassen, allerdings die Beteiligung auf einen von mehreren verübten Angriff zu beschränken .23 Ihr Formulierungsvorschlag lautet: „Wer sich an einem von mehreren verübten Angriff auf eine andere Person beteiligt, wird schon wegen dieser Beteiligung mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn durch den Angriff die sexuelle Selbstbestimmung der anderen Person missachtet worden ist.“24 Der weitere Sachverständige Ohlenschlager befürwortet in seiner Stellungnahme eine Strafvorschrift , die Gruppenphänomene erfasst, und weist diesbezüglich auf die „vergleichbare Regelung “ des § 231 StGB hin.25 Abgeordnete der Regierungsfraktion haben sodann in der Sitzung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz ein Eckpunktepapier verteilt, das die Forderung nach einer strafrechtlichen 20 Stellungnahme des Bundesrates vom 13. Mai 2016, Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetz-buches - Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung BR-Drs. 162/16 (B), S. 10. 21 Eisele, Jörg. Schriftliche Stellungnahme vom 13. Mai 2016 zur Sachverständigenanhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages, abrufbar unter https://www.bundestag .de/blob/425524/a950a0666f21cb3e7b7f177118dec89b/eisele-data.pdf [letzter Abruf: 21. Juli 2016]. Eisele ist Professor an der juristischen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen. 22 Eisele, Stellungnahme, S. 22. 23 Hörnle, Tatjana, Schriftliche Stellungnahme vom 31. Mai 2016 für die öffentliche Anhörung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages am 1. Juni 2016, S. 13, abrufbar unter https://www.bundestag.de/blob/425248/45dd98986c19bc744e079c804490fd19/hoernle-data.pdf [letzter Abruf: 21. Juli 2016]. Hörnle ist Professorin an der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin. 24 Hörnle, Stellungnahme, S. 13. 25 Ohlenschlager, Erik, Schriftliche Stellungnahme vom 25. Mai 2016 zur Sachverständigenanhörung am 1. Juni 2016, S. 6 f., abrufbar unter https://www.bundestag.de/blob/424640/2e159207c633d31ffef3ee32c66bf284/ohlenschlager -data.pdf [letzter Abruf: 21. Juli 2016]. Ohlenschlager ist Leitender Oberstaatsanwalt in Bamberg. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 113/16 Seite 9 Sanktionierung Mitglieder von Gruppen, aus der (bzw. durch die) Sexualdelikte begangen werden , enthält.26 In dem Eckpunktepapier lautet der Formulierungsvorschlag für eine entsprechende Norm wie folgt: „Wer sich an einer Personengruppe beteiligt, aus der heraus oder durch die sexuelle Handlungen an einer anderen Person gegen oder ohne deren Willen vorgenommen werden, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.“27 In der öffentlichen Anhörung haben sich die Sachverständigen zum Teil kritisch, zum Teil zustimmend zu diesem Vorschlag geäußert.28 In der heutigen Formulierung ist § 184j StGB-E durch Änderungsantrag der Fraktionen CDU/CSU und SPD in den Gesetzesentwurf eingebracht worden.29 Sodann hat der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz am 6. Juli 2016 nach Beratung im Ausschuss die Zustimmung zum abgeänderten Gesetzesentwurf der Bundesregierung, der nun erstmals die Einführung des § 184j StGB-E in seiner heutigen Fassung enthielt, empfohlen.30 Am 7. Juli 2016 stimmte der Bundestag nach zweiter und dritter Beratung über die Gesetzesentwürfe von Bundesregierung, der Fraktion DIE LINKE und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ab und entschied sich in geteilter Abstimmung für die Annahme des Regierungsentwurfs. Mit den Stimmen der Regierungsfraktionen wurde auch die Einfügung von § 184j StGB-E bei 119 Gegenstimmen und zwei Enthaltungen beschlossen .31 26 Dr. Eva Högl, Elisabeth Winkelmeier-Becker, Elke Ferner, Annette Widmann-Mauz, Dr. Carola Reimann, Karin Maag, Dr. Johannes Fechner, Sönke Rix, Eckpunktepapier vom 1. Juni 2016 zur Reform des Sexualstrafrechts, S. 3 f., abrufbar unter https://www.bundestag.de/blob/425890/08ddc9a8cced2c4ca8305b5ec2dccace/tischvorlagedata .pdf [letzter Abruf: 21. Juli 2016]. 27 Eckpunktepapier zur Reform des Sexualstrafrechts, S. 8. 28 Vgl. dazu das Wortprotokoll der Sitzung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) vom 1. Juni 2016, Protokoll-Nr. 18/101, abrufbar unter https://www.bundestag .de/blob/434028/46778dbfeb02d4f3c2a1bbe8f9bb1820/wortprotokoll-data.pdf [letzter Abruf: 21. Juli 2016], insbesondere die Beiträge der Sachverständigen Ohlenschlager (S. 19 und 31 f.), Rabe (S. 20), Hörnle (S. 26), Eisele (S. 27) und Clemm (S. 35 f.). 29 Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, BT-Drs. 18/9097, S. 20. 30 Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, BT-Drs. 18/9097, S. 10 f. 31 Plenarsitzung des Deutschen Bundestages vom 7, Juli 2016, Stenographischer Bericht der 183. Sitzung , Plenar- Prot. 18/183, 18019 A. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 113/16 Seite 10 4. Struktur des § 184j StGB-E Strafrechtliche Normen sind - jedenfalls für Vorsatzdelikte - zusammengesetzt aus einem objektiven und einem subjektiven Tatbestand. Der objektive Tatbestand enthält die gesetzlichen Merkmale , insbesondere die Tathandlung und den Taterfolg, den der Täter verwirklicht haben muss, damit eine Strafbarkeit in Betracht kommt. Auf subjektiver Seite ist in der Regel Vorsatz hinsichtlich der Merkmale des objektiven Tatbestandes erforderlich (vgl. § 16 StGB), gegebenenfalls können besondere subjektive Merkmale hinzutreten. Wie bereits in der Einleitung angemerkt, bedient sich § 184j StGB-E daneben einer besonderen Regelungstechnik, indem er, ausweislich der Gesetzesbegründung32, eine sogenannte objektive Bedingung der Strafbarkeit definiert. Die objektive Bedingung der Strafbarkeit besteht hier in der Begehung einer Tat nach den §§ 177, 184i StGB-E durch einen Beteiligten der Gruppe.33 Der objektive Tatbestand der Norm fordert demnach nur, dass der Täter sich an einer Personengruppe beteiligt, die eine andere Person bedrängt, und zwar zur Begehung an einer Straftat an ihr und dass der Täter durch seine Beteiligung an der Gruppe eine Straftat fördert . Auf diese vier Punkte muss sich der Vorsatz des Täters beziehen, weitere besondere subjektive Merkmale enthält die Norm nicht. Daneben tritt – vorsatzunabhängig – die objektive Bedingung der Strafbarkeit, nämlich die Begehung einer Straftat nach den §§ 177, 184i StGB-E durch einen Beteiligten der Gruppe. 5. Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgrundsatz Zu untersuchen ist zunächst, ob § 184j StGB-E dem sogenannten Bestimmtheitsgrundsatz genügt. Dieser Grundsatz wird aus Art. 103 Abs. 2 GG abgeleitet, wonach die Bestrafung einer Tat voraussetzt , dass die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.34 Einfachgesetzlich wird diese Anforderung auch in § 1 StGB wiederholt. Unter dem Bestimmtheitsgrundsatz versteht man im Strafrecht das Gebot, eine Norm so zu fassen, dass für jedermann erkennbar ist, welches Verhalten durch die Norm sanktioniert wird, um das eigene Verhalten entsprechend gestalten zu können.35 Das BVerfG formuliert dies in den Worten: 32 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, BT-Drs. 18/9097, S. 32. 33 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, BT-Drs. 18/9097, S. 32. 34 Vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 8.12.2015 – 1 BvR 1864/14, NJW 2016, 1229. 35 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. April 1970 – 2 BvR 396/69, BVerfGE 28, 175 (183). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 113/16 Seite 11 „Jedermann soll vorhersehen können, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht ist.“36 Dies bedeutet indes nicht, dass im Strafrecht keine auslegungsfähigen bzw. -bedürftigen Rechtsbegriffe verwendet werden können.37 Vielmehr hängen die Anforderungen, die an die Bestimmtheit der Norm zu stellen sind, nach der Rechtsprechung des BVerfG von der „Besonderheit des jeweiligen Straftatbestands und von den Umständen ab, die zu der gesetzlichen Regelung führen “.38 Entscheidend ist daher, ob die Norm in ihrer Formulierung unter Anlegung der juristischen Auslegungsmethoden, insbesondere vor dem Hintergrund ihres Regelungszwecks, derart bestimmt ist, dass der Adressat der Vorschrift erkennen kann, welches Verhalten strafbar ist und welches nicht. Ihre Grenze findet die von der vollziehenden bzw. rechtsprechenden Gewalt vorzunehmende Auslegung in der Bestimmung der normativen Voraussetzungen der Strafbarkeit. Über die Voraussetzungen der Strafbarkeit muss der Gesetzgeber selbst entscheiden, indem er diese derart konkret beschreibt, dass der Anwendungsbereich der Strafvorschrift erkennbar ist und sich durch Auslegung ermitteln lässt.39 Das BVerfG geht daher in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass sicher gestellt werden soll, dass „…der Gesetzgeber selbst über die Strafbarkeit entscheide[n muss und] es der vollziehenden und der rechtsprechenden Gewalt verwehrt [ist], die normativen Voraussetzungen einer Bestrafung festzulegen.“ 40 Zu klären ist daher, ob die Tatbestandsmerkmale des § 184j StGB-E (sowie die in der Norm enthaltene objektive Bedingung der Strafbarkeit) den derart beschriebenen Anforderungen des verfassungsrechtlich garantierten Bestimmtheitsgrundsatzes genügen. 5.1. Das Tatbestandsmerkmal Personengruppe Damit ist zunächst die Frage aufgeworfen, was als „Personengruppe“ im Sinne der Norm zu gelten hat. Ausweislich der Gesetzesbegründung stellt sich der Gesetzgeber darunter eine „Mehrheit von mindestens drei Personen“ vor.41 Jedenfalls im Hinblick auf die Mindestanzahl der Personen, die zur Bildung einer Personengruppe erforderlich sind, dürfte die Norm (auch wenn sich dieses Erfordernis nicht aus dem Gesetz, sondern nur unter Hinzuziehung der Materialien, d.h. unter historischer Auslegung ergibt) dem Bestimmtheitsgrundsatz genügen. 36 BVerfG, Beschluss vom 22. Juni 1988 – 2 BvR 234/87, 2 BvR 1154/86, BVerfGE 78, 374 (382) = NJW 1989, 1663. 37 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. April 1970 – 2 BvR 396/69, BVerfGE 28, 175 (183). 38 BVerfG, Beschluss vom 15. April 1970 – 2 BvR 396/69, BVerfGE 28, 175 (183). 39 BVerfG, Beschluss vom 22. Juni 1988 – 2 BvR 234/87, 2 BvR 1154/86, BVerfGE 78, 374 (381 f.) = NJW 1989, 1663. 40 Ständige Rechtsprechung, vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Juni 1988 – 2 BvR 234/87, 2 BvR 1154/86, BVerfGE 78, 374 (382) = NJW 1989, 1663. 41 Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, BT-Drs. 18/9097, S. 32. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 113/16 Seite 12 Darüber hinausgehende Kriterien gibt die Begründung der Ausschussempfehlung allerdings nicht vor. Sie trifft lediglich in negativer Hinsicht eine Abgrenzung dergestalt, dass eine bloße „Ansammlung “ nicht ausreichen soll, um als Personengruppe angesehen zu werden.42 Offen bleibt damit aber, wie eine „Personengruppe“ von einer „Ansammlung“ abzugrenzen ist bzw. welches Kriterium für das Vorliegen einer Personengruppe ausschlaggebend ist. Ein Rückgriff auf anerkannte Kriterien für diesen Begriff scheidet aus, da dem Strafrecht der Begriff der „Personengruppe “ bislang fremd ist; gleiches gilt (im StGB) für den Begriff der „Ansammlung“. Der Begriff der „Ansammlung“ wird allerdings in anderen Rechtsgebieten verwendet, so etwa im Versammlungsrecht und im Recht der Ordnungswidrigkeiten (vgl. etwa § 113 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG)43). Im Versammlungsrecht wird der Begriff der „Ansammlung“ indes zur Abgrenzung gegenüber der (verfassungsrechtlichen Schutz genießenden) „Versammlung“ verwendet.44 Bei der „Personengruppe “ im Sinne des § 184j StGB-E dürfte es sich keinesfalls um eine (verfassungsrechtlich geschützte ) Versammlung im Sinne des Versammlungsrechtes handeln, so dass eine Übertragung der Abgrenzung von Versammlung und „Ansammlung“ nach den Grundsätzen des Versammlungsrechtes , das von einer deutlich anderen Blickrichtung die Rechtsfigur der Ansammlung entwickelt hat, kaum in Betracht kommen dürfte. Näher dürfte ein Rückgriff auf den Ansammlungsbegriff des OWiG liegen. Dieser wird als mit dem im StGB in §§ 124, 125 verwendetem Begriff der „Menschenmenge“ deckungsgleich angesehen .45 Für die „Menschenmenge“ geht die höchstrichterliche Rechtsprechung davon aus, dass eine solche gebildet wird von Personen, die ihrer Zahl nach nicht ohne weiteres überschaubar sind, in denen also Einzelne ohne weiteres kommen und gehen können und bei der unter den Teilnehmern Kommunikation nicht ohne weiteres möglich ist (quantitatives Element) und die sich durch engen räumlichen Zusammenhang als ein verbundenes Ganzes darstellen (qualitatives Element).46 Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Vorschriften der §§ 124, 125 StGB sowie die entsprechenden OWiG-Tatbestände zwar auch Individualrechtsschutz bezwecken mögen, grundsätzlich aber auch den Schutz der öffentlichen Ordnung im Blick haben.47 Dies scheint mit Blick auf § 184j StGB-E, der den Schutz der sexuellen Selbstbestimmung und damit eines Individualrechtsguts bezwecken dürfte, zweifelhaft. Daneben dürfte der Gesetzgeber auch und gerade 42 Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, BT-Drs. 18/9097, S. 32. 43 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Februar 1987 (BGBl. I S. 602), zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 13. Mai 2015 (BGBl. I S. 706), abrufbar unter http://www.gesetze -im-internet.de/owig_1968/ [letzter Abruf: 21. Juli 2016] . 44 Vgl. zum maßgeblichen Abgrenzungskriterium des gemeinsamen Zwecks etwa Depenheuer, in: Maunz-Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 76. ErgLf., Stand: 12/2015, Art. 8 Rn. 46 f. 45 Vgl. Gerhold, in: Beck’scher Online-Kommentar OWiG (=BeckOK.OWiG), 11. Edition, Stand: 15. April 2016, § 113, Rn. 4. 46 Vgl. Rackow, in: Beck’scher Online-Kommentar StGB (=BeckOK.StGB), 31. Edition, Stand: 1 Juni 2016, § 125 Rn. 7. 47 Vgl. etwa Schäfer, in: Münchener Kommentar zum StGB(=MünchKomm.StGB), 2. Aufl. 2012, § 124 Rn. 2 sowie § 125 Rn. 1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 113/16 Seite 13 eine räumlich abgrenzbare und in ihrem Bestand unüberschaubare Menschenmenge als Personengruppe im Sinne des § 184j StGB-E erfasst sehen wollen, sofern sie nur zur Begehung einer Straftat eine andere Person bedrängt. Folglich kann die „Menschenmenge“ im Sinne des StGB und damit auch die „Ansammlung“ im Sinne des OWiG schwerlich als die in der Gesetzesbegründung gemeinte „Ansammlung“ anzusehen sein. Wie die Abgrenzung von „Personengruppe“ und „Ansammlung“ vorzunehmen ist, lässt die Gesetzesbegründung folglich offen. Dem StGB sind indes Gruppenphänomene nicht grundsätzlich fremd. Das StGB kennt vielfach den Begriff der „Gruppe“, z.B. in den §§ 56c Abs. 2 Nr. 3, 68b Abs. 1 Nr. 3 StGB. Diese Vorschriften betreffen jedoch Bewährungsstrafen bzw. Führungsaufsicht, d.h. sie spielen auf Rechtsfolgenseite eine Rolle und können damit für strafbegründende Vorschriften nur begrenzt Auslegungshilfe sein. Die Regelungen in den §§ 88 Abs. 1, 127 StGB nehmen zwar nicht auf eine Tatbegehung durch die Gruppe selbst, aber (in § 88 Abs. 1 StGB) auf die sogenannten Rädelsführer bzw. Hintermänner einer Gruppe bzw. (in § 127 StGB) auf die Bildung bzw. Unterstützung einer Gruppe Bezug, sehen den Täter also wie § 184j StGB-E als Gruppenbeteiligten an, so dass eine Übertragung des in diesen Normen verwendeten Gruppenbegriffs erwägenswert scheint. Die §§ 130, 194 StGB haben dagegen nicht den Täter als Teil einer Gruppe im Blick, so dass auch hier ein Rückgriff auf bestehende Begrifflichkeiten problematisch erscheint. Darüber hinaus verwendet das StGB den Begriff der „Bande“ (vgl. nur exemplarisch §§ 232 Abs. 3 Nr. 3, 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB), den der „gemeinschaftlichen“ Tatbegehung (vgl. nur § 224 Abs. 1 Nr. 4, § 177 Abs. 2 Nr. 2 StGB) sowie den des „von mehreren verübten“ Angriffs (§ 231 StGB). Dabei lassen sich (jedenfalls ) zwei mögliche Auslegungsansätze unterscheiden: 5.1.1. Gruppenbildung durch gemeinsame Zweckfestlegung Soweit in strafbegründenden Vorschriften der Täter als Teil einer „Gruppe“ adressiert wird (so etwa in § 88 Abs. 1 StGB), wird die „Gruppe“ als ein aus mindestens drei Personen bestehender Zusammenschluss zu einem bestimmten Zweck beschrieben.48 Unter „Bande“ wird in der Rechtsprechung und in der Rechtswissenschaft eine Gruppe von Personen, die sich zur fortgesetzten, wenngleich im Einzelnen noch ungewissen, Begehung von Straftaten verbunden hat, verstanden .49 Erforderlich ist also auch hier ein Zusammenschluss der Bandenmitglieder in Form einer jedenfalls konkludenten Vereinbarung, einer Bandenabrede.50 Beim „gemeinschaftlichen“ Handeln wird ein bewusstes Zusammenwirken der Handelnden verlangt.51 Die Zugehörigkeit zu einer „Gruppe“ oder „Bande“ bzw. das „gemeinschaftliche“ Handeln setzt also eine Übereinkunft durch einen kommunikativen Akt voraus: Die „Mitglieder“ haben sich auf eine Zugehörigkeit verständigt. Unter Rückgriff auf die zu „Gruppen“ und „Banden“ sowie zur „gemeinschaftlichen“ Tatbegehung entwickelten Grundsätze liegt es nahe, auch für die Bestimmung der „Personengruppe“, 48 Vgl. etwa Fischer, StGB, 63. Aufl. 2016, § 88 Rn. 5 sowie § 127 Rn. 3. 49 Vgl. nur Fischer, StGB, 63. Aufl. 2016, § 244 Rn. 34 ff. mit zahlreichen weiteren Nachweisen auch zur Rechtsprechung . 50 Fischer, StGB, 63. Aufl. 2016, § 244 Rn. 36. 51 Fischer, StGB, 63. Aufl. 2016, § 224 Rn. 11 sowie § 177 Rn. 73. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 113/16 Seite 14 insbesondere hinsichtlich der Abgrenzung zur bloßen „Ansammlung“, auf einen wie auch immer gearteten Zusammenschluss der Personen durch eine gemeinsame Willensbildung abzustellen. Da die Personengruppe dadurch gekennzeichnet ist, dass sie „eine andere Person zur Begehung einer Straftat an ihr bedrängt“, müsste Zweck des Zusammenschlusses eben die Begehung der gemeinten Straftat und das damit einhergehende Bedrängen sein. Personengruppe im Sinne des § 184j StGB-E ließe sich folglich verstehen als ein Zusammenschluss von mindestens drei Personen , die sich zum Zwecke der Begehung einer Straftat unter Bedrängung anderer Personen zusammengefunden haben. Für eine solche Interpretation des Merkmals „Personengruppe“ mag die Konsistenz mit den bisherigen Gruppenbegriffen „Gruppe“ und „Bande“ (sowie der „gemeinschaftlichen“ Begehung) sprechen. Auch ermöglicht eine solche Lesart (von Beweisschwierigkeiten abgesehen) eine trennscharfe Abgrenzung von „Personengruppe“ und „Ansammlung“. Dagegen spricht jedoch die Gesetzesbegründung , die für die „Beteiligung“ an der Gruppe gerade keine Täterschaft bzw. Teilnahme im Sinne der §§ 25-27 StGB voraussetzt und ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken gerade nicht für erforderlich hält.52 Auch die Tatsache, dass die Vorschrift des § 184j StGB-E an § 231 StGB angelehnt ist,53 in der der „von mehreren verübte Angriff“ als Rechtsfigur genutzt wird, spricht dafür, wie im Rahmen des § 231 StGB auch bei der Auslegung des § 184j StGB-E nur eine Einheitlichkeit des Angriffs, des Angriffsgegenstandes und des Angriffswillens ausreichen zu lassen; eine Übereinkunft im Sinne einer gemeinsamen Willensbildung dagegen für entbehrlich zu halten. 5.1.2. Einheitlichkeit des Bedrängungsvorgangs Beim „von mehreren verübten“ Angriff bzw. bei der „Beteiligung an einer Schlägerei“ im Sinne des § 231 StGB wird gerade kein bewusster Zusammenschluss der Angreifer gefordert. Ausreichend für den Angriff ist vielmehr nur eine Einheitlichkeit des Angriffs, des Angriffsgegenstandes und des Angriffswillens.54 Gemeinschaftliches Handeln im Sinne von Mittäterschaft ist insofern nicht erforderlich. Auch die „Beteiligung“ an dem Angriff im Sinne des § 231 StGB soll nach herrschender Meinung nicht voraussetzen, dass ein subjektives Zusammenwirken der Angreifer bzw. der an der Schlägerei Beteiligten vorliege.55 Der Begriff der „Beteiligten an einem Angriff“ ist demnach weiter als der einer „Gruppe“ oder „Bande“ und grenzt die Gruppe der möglichen Täter nur nach objektiven Kriterien, nicht aber nach einer subjektiven Willensbildung innerhalb der Gruppe ab. Übertragen werden können diese Gesichtspunkte auf die „Beteiligung an der Personengruppe“ im Sinne des § 184j StGB-E allerdings nur unter weiteren Einschränkungen. Problematisch ist 52 Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, BT-Drs. 18/9097, S. 32. 53 Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, BT-Drs. 18/9097, S. 21 und 32. Siehe außerdem bereits oben unter 2. 54 Stree/Sternberg-Lieben, in: Schönke-Schröder, StGB, 29. Aufl. 2014, § 231 Rn. 3. 55 Vgl. Reichsgericht, Urteil v. 20. Februar 1899 – 2/99, RGSt 32, 33 (35) sowie Paeffgen, in: Kindhäuser /Neumann/Paeffgen, StGB, 4. Aufl. 2013, § 231 Rn. 8. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 113/16 Seite 15 insbesondere, dass § 184j StGB-E gerade keine Beteiligung des Täters an einem Angriff, sondern nur an einer Personengruppe verlangt. Es gibt also, anders als im Rahmen von § 231 StGB, zunächst einmal keinen einheitlichen Angriff, Angriffswillen und Angriffsgegenstand. Sinnvoll übertragen lässt sich dieser Ansatz daher nur, wenn man in der Beteiligung an der Personengruppe zugleich den Vorgang, der die Personengruppe charakterisiert, d.h. das Bedrängen einer anderen Person, miteinbezieht: Soweit die Personengruppe eine andere Person bedrängen muss, setzt dies ein einheitliches Bedrängen, einen einheitlichen „Bedrängungswillen“ und einen einheitlichen „Bedrängungsgegenstand“ voraus. Ein § 231 StGB entsprechendes Verständnis müsste also als „Personengruppe“ all diejenigen Personen ansehen, bei denen Einheitlichkeit des Bedrängens , des Bedrängungsgegenstandes und des Bedrängungswillens besteht. Es fragt sich dann allerdings, warum der Gesetzeswortlaut nicht an einer „Beteiligung von einer von mehreren verübten Bedrängung“ spricht und damit auf die Beteiligung an dem Bedrängen des Opfers abstellt, sondern nur verlangt, dass der Täter sich an einer Personengruppe beteiligt, die das Opfer (zur Begehung einer Straftat) bedrängt und der Täter dadurch eine Straftat fördert. Eine in diese Richtung gehende Formulierung hat Hörnle in ihrer Stellungnahme für den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz bereits vorgeschlagen.56 5.1.3. Zwischenfazit Die Ausführungen haben Folgendes gezeigt: Das Tatbestandsmerkmal „Personengruppe“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der verschiedene, nämlich jedenfalls die vorgestellten zwei Auslegungsmöglichkeiten eröffnet. Eine etablierte Rechtsprechung oder Literaturfassung zu dieser Frage existiert bislang nicht. Insofern ist (jedenfalls derzeit) zweifelhaft, ob dem Normadressaten durch die aktuelle Fassung der Norm klar vor Augen steht, welches Verhalten sanktioniert wird. Die Entscheidung darüber, welcher dieser Auslegungsmöglichkeiten letztlich der Vorzug zu geben ist, bleibt allerdings den Gerichten und Staatsanwaltschaften im Rahmen der Rechtsanwendung vorbehalten. Soweit im Wege der Auslegung nur die Konkretisierung der Norm erfolgt und nicht etwa die normativen Voraussetzungen der Strafbarkeit geschaffen werden , dürfte angesichts der Vielzahl der von der Norm zu erfassenden Fälle eine gewisse Weite des Tatbestandes erlaubt sein. Trotz der beschriebenen Auslegungsprobleme, die das Merkmal „Personengruppe“ bereitet, ist jedenfalls ein offensichtlicher Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz nicht ohne weiteres zu erkennen. 5.2. Bedrängen einer anderen Person durch die Personengruppe Die Personengruppe muss eine andere Person (zur Begehung einer Straftat, dazu sogleich unter 5.3.) „bedrängen“. Die Tatmodalität des „Bedrängens“ ist dem StGB als terminus technicus nicht bekannt. Das StGB enthält in § 98 Abs. 2 Satz 2 einen Strafaufhebungsgrund, für den Fall, dass der Täter zu seinem Verhalten „gedrängt“ worden ist. Ähnliches gilt für den Strafausschließungsgrund des § 218a Abs. 4 Satz 2 StGB, wonach das Gericht von Strafe absehen kann, wenn sich die Täterin in „besonderer Bedrängnis“ befunden hat. In beiden Fällen wird unter der „Bedrängnis“ 56 Vgl. dazu oben unter 3 sowie Stellungnahme Hörnle, S. 13. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 113/16 Seite 16 eine Notsituation verstanden, die zwar weder eine Rechtfertigung noch einen Entschuldigungsgrund gibt, sich aber aufgrund von schweren Belastungen als Notsituation darstellt.57 Überträgt man dies auf § 184j StGB-E, so könnte man „bedrängen“ als die Herbeiführung einer Notsituation (für die bedrängte Person) unterhalb der Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsschwelle auffassen . Gleichwohl könnten gegen eine solche Übertragung dieser Grundsätze Bedenken bestehen: In den genannten Vorschriften begründet die Bedrängung des Täters eine Strafaufhebung bzw. eine Strafausschließung. In § 184j StGB-E begründet die Bedrängung des Opfers durch die Personengruppe die Strafbarkeit des Täters. Beide Fälle sind nicht notwendig vergleichbar. Jedenfalls wird man im Rahmen des § 184j StGB-E nicht jede Notsituation als Bedrängung ansehen können, sondern nur solche, die sich für das Opfer aus der räumlichen Nähe zu der Personengruppe ergeben und aus der Konfrontation mit der Gruppe, d.h. mit einer Vielzahl von Personen, ergeben. Nach der Gesetzesbegründung wird eine andere Person dann bedrängt, wenn diese von der Personengruppe „an der Ausübung [der] Bewegungsfreiheit oder [ihrer] sonstigen freien Willensbetätigung gehindert wird.“58 Erforderlich soll dabei eine gewisse Hartnäckigkeit sein, kurzfristiges Versperren des Weges oder kurzfristige Einschüchterung sollen nicht reichen.59 Die Beschränkung der Bewegungsfreiheit erinnert an den Tatbestand der Freiheitsberaubung, für dessen tatbestandliche Vollendung erforderlich ist, dass dem Opfer die Möglichkeit genommen wird, sich seinem Willen entsprechend fortzubewegen.60 Ein derartiges Verständnis dürfte den Rechtsanwender nicht vor Schwierigkeiten stellen: Die Beeinträchtigung der Bewegungsfreiheit ist aus dem Tatbestand der Freiheitsberaubung geläufig; auch sind im Rahmen des § 239 StGB Bagatellgrenzen für ganz kurzfristige Beeinträchtigungen anerkannt.61 Vor dem Hintergrund, dass § 239 Abs. 1 Var. 2 StGB die Freiheitsberaubung „auf andere Weise“ zulässt, was, soweit ersichtlich, mit Blick auf den Bestimmtheitsgrundsatz bislang nicht kritisiert worden ist, dürfte dem Verständnis des Gesetzgebers, unter Bedrängen sei die (nachdrückliche) Beschränkung der Bewegungsfreiheit zu verstehen, der Bestimmtheitsgrundsatz nicht entgegenstehen. Zweifelhaft ist indes, inwieweit unter dem „Bedrängen“ nach dem gesetzgeberischen Willen auch jede Einschränkung der „sonstigen freien Willensbetätigung“ zu verstehen ist. Die freie Willensbetätigung ist jedoch auch bei der Nötigung (§ 240 StGB) das geschützte Rechtsgut62 und damit keine dem Strafrecht unbekannte Größe. Zwar ist bei der Nötigung die Beeinträchtigung der Willensbetätigung nur bei bestimmten Einwirkungen (Drohung mit einem empfindlichen Übel bzw. Gewalt) auf die Willensbildung strafrechtlich sanktioniert, die Beeinträchtigung der freien Willensbildung als Taterfolg in Form eines gegen den Willen erfolgenden Handelns, Duldens oder Unterlassens insoweit aber von der Nötigung bekannt. 57 Fischer, StGB, 63. Aufl. 2016, § 98 Rn. 11 sowie § 218a Rn. 39. 58 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, BT-Drs. 18/9097, S. 32. 59 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, BT-Drs. 18/9097, S. 32. 60 Zur Tathandlung bei der Freiheitsberaubung vgl. Fischer, StGB, 63. Aufl. 2016, § 239 Rn. 6. 61 Fischer, StGB, 63. Aufl. 2016, § 239 Rn. 6. 62 Fischer, StGB, 63. Aufl. 2016, § 240 Rn. 2. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 113/16 Seite 17 Bedrängt werden muss eine „andere Person“. Mit „Person“ ist jede natürliche Person gemeint. Das Wort „anders“ grenzt seinem Wortsinn nach die bedrängte Person zunächst vom Täter (des § 184j StGB-E), sodann auch von der „Personengruppe“ ab. Die Formulierung einer „anderen“ Person hat damit jedenfalls klarstellende Wirkung: Es dürfte im Hinblick auf die oben (unter 5.1.) vorgestellten Auslegungsmodelle kaum vorstellbar sein (und im Übrigen schwerlich strafwürdig), dass eine Person Teil einer Personengruppe ist und zugleich von dieser Personengruppe bedrängt wird. Bedrängt werden muss also eine vom Täter verschiedene, nicht an der Personengruppe beteiligte Person („Bedrängungsopfer“). Im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz bestehen gegen diese Formulierung keine Bedenken. Folglich ist davon auszugehen, dass das von § 184j StGB-E geforderte „Bedrängen“ zwar als unbestimmter Rechtsbegriff auslegungsbedürftig und schon deswegen weit gefasst ist, weil er alle möglichen Handlungen, die den Erfolg - Beeinträchtigung der Bewegungs- bzw. Willensfreiheit – herbeiführen, abdecken soll. Die Tatsache, dass ein solcher Taterfolg - in beiden, dem Gesetzgeber vor Augen stehenden Varianten - dem StGB bekannt ist, spricht dafür, dass die Norm insoweit dem Bestimmtheitsgrundsatz genügt. 5.3. Bedrängen zur Begehung einer Straftat an ihr Die Personengruppe muss eine andere Person „zur Begehung einer Straftat an ihr bedräng[en]“. Mit einer Straftat werden im juristischen Sprachgebrauch rechtswidrige Taten im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB bezeichnet, d.h. solche, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklichen.63 Mögliche Abgrenzungsschwierigkeiten können hier jedenfalls unter Rückgriff auf etablierte Auslegungsgrundsätze gelöst werden; das StGB verwendet den Begriff der „Straftat“ bereits vielfach (vgl. nur §§ 22, 25 Abs. 1 und 2, 211 Abs. 2 StGB). Insoweit dürfte die Norm dem Bestimmtheitsgrundsatz genügen. 5.3.1. Das Tatbestandsmerkmal „an ihr“ Soweit die Beteiligung an einer Personengruppe, die eine andere Person zur Begehung einer Straftat an „ihr“ bedrängt, erforderlich ist, so dürfte damit bei sachgerechter Auslegung der Norm (nur) die Begehung einer Straftat an der bedrängten Person gemeint sein.64 Selbst wenn der Sprachgebrauch es zulässt, dass im Normtext verwendete Pronomen „ihr“ nicht auf die bedrängte Person, sondern auf die Personengruppe zu beziehen, so ist ein solches Verständnis jedenfalls mit dem Zweck der Norm nicht vereinbar. Zweck der Norm ist es, ein Opfer vor einer Personengruppe zu schützen, die das Opfer bedrängt, um an ihm eine Straftat zu begehen. Auch die Beziehung des Pronomens auf die Straftat ergibt keinen Sinn. Das Pronomen „ihr“ kann sich daher nur auf die bedrängte Person beziehen. Damit ist zugleich eine Einschränkung der in Betracht kommenden Straftaten dergestalt verbunden , dass die Bedrängung zur Begehung einer Straftat „an“ der bedrängten Person erfolgen muss. „An“ einer Person können nur Straftaten begangen werden, die sich gegen diese Person richten 63 Die h.M. versteht Ordnungswidrigkeiten demnach nicht als Straftaten, vgl. BGH, Urteil vom 3. August 1978 – 4 StR 397/78, BGHSt, 28, 93 (94) = NJW 1978, 2518. 64 Diese Auslegung liegt auch nach Auffassung der Gesellschaft für Deutsche Sprache e.V. nahe, Telefonat mit der Gesellschaft für Deutsche Sprache am 13. Juli 2016. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 113/16 Seite 18 und deren strafrechtliche Sanktionierung also dem Individualschutz dient. Ob das Bedrängen der Begehung einer Tat dient, die sich gegen die bedrängte Person richtet (was regelmäßig der Fall sein dürfte), muss folglich durch Bestimmung des Schutzzweckes der in Betracht kommenden Strafnorm ermittelt werden. Insoweit bestehen allerdings in der Rechtswissenschaft wie der Rechtsprechung im Hinblick auf Strafnormen in aller Regel bereits ausführliche Grundsätze zu der Frage, ob eine Strafnorm dem Individualschutz dient. 5.3.2. Das Verhältnis des Tatbestandsmerkmals „einer Straftat“ zu „eine[r] Straftat nach den §§ 177, 184i StGB“, die die objektive Bedingung der Strafbarkeit begründet Die Regelung des § 184j StGB-E verlangt nur die Bedrängung zur Begehung „einer Straftat“ an der Person, die von der Personengruppe bedrängt wird. Der Wortlaut der Regelung erfordert also nicht, dass es sich bei dieser Straftat um eine Straftat nach den §§ 177, 184i StGB-E handelt. Letzteres ist nur für den Eintritt der objektiven Bedingung der Strafbarkeit erforderlich. Deshalb erfasst die Neuregelung nach ihrem Wortlaut auch folgende Konstellation: Jemand beteiligt sich an einer Personengruppe, die eine andere Person bedrängt, um diese zu bestehlen. Solange nur ein Beteiligter der Personengruppe bei dieser Fallgestaltung auch eine Straftat nach den §§ 177, 184i StGB-E begeht, ist eine Strafbarkeit der Beteiligten der Personengruppe möglich, und zwar auch dann, wenn gegen die von der Personengruppe bedrängte Person nicht eine Straftat nach den §§ 177, 184i StGB-E verübt worden ist, sondern irgendeine andere Straftat, etwa ein Diebstahl, eine Sachbeschädigung oder Körperverletzung. Bei der Person, die durch eine Straftat nach den §§ 177, 184i StGB-E verletzt worden ist, muss es sich also bei rein wörtlicher Auslegung nicht um eine durch die Personengruppe bedrängte Person handeln. Die wörtliche Auslegung erfasst daher eine Vielzahl von Situationen, und es stellt sich die Frage, inwieweit alle diese Situationen noch vom Zweck des Gesetzes, den Schutz vor sexueller Selbstbestimmung zu verbessern, erfasst sind. In der Gesetzesbegründung hat der Gesetzgeber jedoch gerade auch weite Konstellationen vor Augen gehabt, wenn es dort heißt: „Typischerweise werden mit diesem modus operandi neben den Sexualdelikten auch Vermögens- oder Körperverletzungsdelikte begangen. Dabei kommt es auf subjektiver Ebene aber nur darauf an, dass irgendeine Straftat gemeint ist“.65 Der zweite Satz sowie der Hinweis der Gesetzesbegründung, dass es bei § 184j StGB-E darum gehe, das Gefährdungspotenzial, das von Personengruppen im Hinblick auf die sexuelle Selbstbestimmung ausgehe, strafrechtlich zu sanktionieren66, spricht jedoch für eine einschränkende Auslegung dergestalt, dass es sich bei der Person, gegen die Straftaten nach den §§ 177, 184i StGB-E verübt worden sind, ebenfalls um die Person handeln muss, die von der Personengruppe bedrängt wird, auch wenn einzelne Beteiligte der Personengruppe diese Person nicht zur Begehung von Straftaten nach den §§ 177, 184i StGB-E bedrängen, sondern zur Begehung von anderen Delikten. Ob eine solche einschränkende Auslegung möglicherweise sogar vor dem Hintergrund der Verfassungsmäßigkeit einer objektiven Bedingung der Strafbarkeit geboten ist, wird unter dem Gliederungspunkt 6.4 geprüft. Selbst wenn man eine solche einschränkende Auslegung verlangt, so mögen hinsichtlich des Bestimmtheitsgrundsatzes zwar gewisse Bedenken insoweit bestehen, als dass der Norm- 65 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, BT-Drs. 18/9097, S. 32. 66 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz BT-Drs. 18/9097, S. 32. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 113/16 Seite 19 adressat nicht ohne weiteres die Grenze zum strafbaren Verhalten absehen kann, diese nämlich weiter fasst als sie bei einschränkender Auslegung ist. Allerdings ist die teleologische Reduktion gängige Methode der Auslegung und dürfte daher die Vorgabe, eine Auslegung sei zulässig, solange der Gesetzgeber und nicht vollziehende bzw. rechtsprechende Gewalt die Grenzen der Strafbarkeit bestimmen, noch einhalten. Zudem führt eine einschränkende Auslegung zu einer Eingrenzung der vom Wortlaut erfassten Sachverhalte und damit zu einer Begrenzung der Strafbarkeit . Sie erfolgt also nicht zu Lasten, sondern zu Gunsten des (potentiellen) Täters. Aus diesem Grund dürfte die Norm jedenfalls hinsichtlich des Bestimmtheitsgrundsatzes noch im gesetzgeberischen Spielraum liegen. 5.3.3. Das Tatbestandsmerkmal „zur“ Soweit das Bedrängen „zur“ Begehung einer Straftat erfolgen muss, so dürfte daraus zu schließen sein, dass zwischen dem Bedrängen und der Begehung einer Straftat ein finaler Zusammenhang bestehen muss. Auch insoweit kann auf aus anderen Normen anerkannte Auslegungsgrundsätze zurückgegriffen werden. Wer etwa das Mordmerkmal „zur Befriedigung des Geschlechtstriebs“ erfüllt, der muss die Tötung des Opfers zu diesem Zweck anstreben.67 Anders formuliert könnte man die Personengruppe auch derart beschreiben, dass diese eine andere Person bedrängen muss, um eine Straftat an selbiger zu begehen. Jedenfalls dem Wortlaut nach ergeben sich insoweit keine Auslegungsprobleme und damit auch keine Bedenken im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz . Problematisch dürfte indes sein, dass es sich damit letztlich um ein subjektives Element handelt: Das Bedrängen durch die Personengruppe muss also von einer gemeinsamen Willensbildung oder wenigstens Willensübereinstimmung dahingehend getragen sein, eine Straftat zu begehen. Dies ist unproblematisch, sofern man die Personengruppe ohnehin über eine gemeinsame Willensbildung abgrenzt (dazu oben 5.1.1.). In diesem Fall müsste dann verlangt werden, dass die Willensbildung der Mitglieder die Bedrängung einer anderen Person um an dieser eine Straftat zu begehen, umfasst. Definiert man die Personengruppe dagegen nur über die Einheitlichkeit von Bedrängung, Bedrängungswille und Bedrängungsgegenstand (dazu oben 5.1.2.), dann wird man den Finalzusammenhang nur dadurch herstellen können, dass man von jedem einzelnen Mitglied der Personengruppe verlangt, sein (mit den übrigen Mitgliedern der Personengruppe einheitlich erfolgendes) Bedrängen müsse erfolgen, um eine Straftat zu begehen. Es setzt sich also an dieser Stelle das Problem der Bestimmtheit der „Personengruppe“ fort, so dass die gleichen Bedenken bestehen (dazu oben 5.1.3.). Zweifelhaft ist zudem, ob die „eine Straftat“ an der Person vollendet sein muss oder ob ein Versuch oder sogar ein dem Versuch vorgelagertes Verhalten reicht. Die Formulierung „zur Begehung “ lässt durchaus auch die weitestete Variante zu. Dafür spricht auch die Gesetzesbegründung . Dort heißt es:68 „Auf subjektiver Ebene muss es der Täter mindestens billigend in Kauf nehmen , dass er zusammen mit der Gruppe eine andere Person bedrängt. Darüber hinaus muss der Täter im Hinblick auf das Bedrängen zum Ermöglichen oder 67 Vgl. dazu BGH, Urteil vom 17. September 1963 – 1 StR 301/63, BGHSt 19, 101 (105) = NJW 1963, 2236 (2237). 68 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, BT-Drs. 18/9097, S. 32. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 113/16 Seite 20 Erleichtern einer Straftat mit Vorsatz handeln. Dieser muss umfassen, dass er durch sein Zutun die Begehung einer Straftat ermöglicht oder erleichtert. Typischerweise werden mit diesem modus operandi neben den Sexualdelikten auch Vermögens- oder Körperverletzungsdelikte begangen. Dabei kommt es auf subjektiver Ebene aber nur darauf an, dass irgendeine Straftat gemeint ist. Als objektive Bedingung der Strafbarkeit muss von einem Beteiligten der Gruppe eine Straftat nach § 177 StGB-E oder nach § 184i StGB-E tatsächlich begangen worden sind. Diese Tat muss also nicht vom Vorsatz des Täters umfasst sein.“ Das bedeutet, dass die „eine Straftat“, zu deren Begehung die Personengruppe eine andere Person bedrängt, nicht vollendet sein muss, solange es sich nicht bei dieser um die die objektive Bedingung der Strafbarkeit begründende Straftat nach den §§ 177, 184i StGB-E handelt. Vielmehr ist es ausreichend, dass die Personengruppe getragen von dem bloßen Bestreben der Begehung einer Straftat eine andere Person bedrängt, ohne dass diese Straftat selbst überhaupt in das Versuchsstadium eingetreten ist. Ob dies mit dem Erfordernis, der Täter des § 184j StGB müsse seinerseits „eine Straftat […] fördern“ vereinbar ist, kann an dieser Stelle dahingestellt bleiben. Jedenfalls mit Blick auf den Bestimmtheitsgrundsatz dürften gegen die Norm hier keinen Bedenken bestehen , da sich jedenfalls unter Zugrundelegung der Gesetzbegründung, d.h. durch Auslegung ermitteln lässt, wo der Beginn des strafbaren Verhaltens liegt. 5.4. Beteiligung des Täters an der Personengruppe An der Personengruppe muss der Täter sich „beteiligen“. Als „Beteiligten“ sieht das StGB grundsätzlich den Täter und den Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfen) an, vgl. § 28 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 StGB. Aus der Gesetzesbegründung geht indes klar hervor, dass der Gesetzgeber den Begriff des „Sich-Beteiligens“ nicht in diesem Sinne verstanden wissen möchte, sondern vielmehr untechnisch im umgangssprachlichen Sinne benutzt.69 Der Begriff der Beteiligung ist dem StGB bereits aus § 231 StGB bekannt. Auch dort wird der Begriff der Beteiligung nicht im Sinne der §§ 25-27 StGB verstanden.70 Bei der Beteiligung an einem Angriff bzw. an einer Schlägerei im Sinne des § 231 StGB genügen die physische Anwesenheit und der physische oder psychische Beitrag zur Ausübung von Gewalt.71 Grundsätzlich kann demnach für den Begriff der „Beteiligung“ jedenfalls auf etablierte Rechtsprechung (wie Literatur) zurückgegriffen werden.72 Diese Grundsätze müssten allerdings auf § 184j StGB-E übertragbar sein. Daran könnten jedenfalls Zweifel bestehen, da die „Beteiligung“ sich in § 231 StGB auf einen Angriff bzw. eine Schlägerei, d.h. auf einen Vorgang bezieht, während sich in § 184j StGB-E dem Wortlaut nach die Beteiligung nur auf eine Personengruppe, d.h. 69 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, BT-Drs. 18/9097, S. 32. 70 Fischer, StGB 63. Aufl. 2016, § 231 Rn. 8. 71 Fischer, StGB 63. Aufl. 2016, § 231 Rn. 8. 72 Vgl. nur Fischer, StGB 63. Aufl. 2016, § 231 Rn. 8 mit weiteren Nachweisen auch zur Rechtsprechung. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 113/16 Seite 21 auf die Gruppenzugehörigkeit, und damit einen Zustand bezieht. Übertragbar dürften die zum Beteiligungsbegriff des § 231 StGB entwickelten Grundsätze nur dann sein, wenn sich die Beteiligung in § 184j StGB-E auch auf das Bedrängen durch die Personengruppe (zur Begehung einer Straftat) und damit ebenfalls auf einen Vorgang bezieht. Dies dürfte man jedenfalls dann bejahen, wenn man die Personengruppe bereits über das gemeinsame Bedrängen definiert (dazu bereits oben 5.1.2.). Sofern nämlich die Personengruppe darüber definiert ist, dass alle Mitglieder einheitlich eine andere Person bedrängen, dann setzt die Beteiligung ein entsprechendes Mitwirken an dem Bedrängen notwendig voraus. Sofern man den Begriff der Personengruppe losgelöst von dem Vorgang des Bedrängens, etwa anhand einer gemeinsam gebildeten Gruppenabrede, bestimmt (auch dazu oben 5.1.1.), dürfte die Beteiligung nicht in einem Beitrag zum Bedrängen, sondern bereits in der Abrede des Täters mit den übrigen Gruppenmitgliedern zu sehen sein. Ob der einen oder anderen Variante der Vorzug zu geben ist, kann hier dahinstehen; auch an dieser Stelle setzt sich letztlich nur die Problematik der Auslegung des Merkmals der „Personengruppe“ fort. Folglich gelten auch hier die dazu bereits oben unter 5.1.3. dargestellten Ergebnisse. Wichtig ist, dass nur dann von einer „Beteiligung“ gesprochen werden kann, wenn sich diese durch objektive oder subjektive Momente manifestiert, wenn der Betroffene also mehr tut, als nur „dabei zu stehen“. 5.5. Förderung einer Straftat Dem Wortlaut nach muss der Täter eines Delikts nach § 184j StGB-E eine Straftat durch seine Beteiligung an einer Personengruppe fördern. 5.5.1. Das Merkmal „eine Straftat“ Dies wirft zunächst die Frage auf, welche Straftat der Täter fördern muss. Drei Möglichkeiten kommen dabei in Betracht: die Förderung irgendeiner Straftat, die Förderung der Straftat, zum Zwecke deren Verwirklichung die Personengruppe eine andere Person bedrängt, sowie die von § 184j StGB-E als verwirklicht vorausgesetzte Sexualstraftat. Nicht erforderlich dürfte sein, dass der Täter gerade das Sexualdelikt nach §§ 177, 184i StGB-E, dessen Verwirklichung den Eintritt der objektiven Bedingung der Strafbarkeit auslöst, durch seine Beteiligung an der Gruppe fördert. Dies würde die Ausgestaltung des verwirklichten Sexualdelikts als objektive Bedingung der Strafbarkeit (und damit nicht vom Vorsatzerfordernis des § 15 StGB umfassten Umstandes) insoweit konterkarieren, als dass sich auf die Förderung einer Straftat durch Beteiligung an einer Personengruppe eben auch der Vorsatz des Täters beziehen muss. Zudem dürfte bei einer vorsätzlichen „Förderung“ des verwirklichten Sexualdelikts in aller Regel jedenfalls Beihilfe im Sinne des § 26 StGB vorliegen. Vielmehr sprechen Normzweck und Aufbau eher dafür, dass der Täter (durch seine Beteiligung) die von der Personengruppe im Wege der Bedrängung begangene bzw. beabsichtigte Straftat, gleich welche Tat dies ist, fördern muss. Fordert man für die Personengruppe eine Übereinkunft der beteiligten Personen (dazu oben bereits unter 5.1.1.), so liegt es nahe, dass der Täter des § 184j StGB-E auch diese Straftat fördern muss, da die Förderung ja gerade in seiner Beteiligung an der Personengruppe und damit in der Übereinkunft besteht. Gleiches gilt, soweit man für die Personengruppe lediglich ein einheitliches Bedrängungsvorgehen (dazu oben bereits unter 5.1.2.) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 113/16 Seite 22 verlangt, denn dann gehört der Täter überhaupt nur zur Gruppe, soweit er mit dieser einheitlich vorgeht. Ein solches Verständnis legt auch der Wortlaut nahe, wenn er fordert, der Täter müsse „dadurch“ eine Straftat fördern, dass er sich an der Gruppe beteiligt. Vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber gerade der erhöhten Gefahr durch Straftaten, die aus Gruppen heraus begangen werden, begegnen wollte, kann es für die Strafbarkeit nach § 184j StGB-E nicht ausreichend sein, dass der Täter nur irgendeine Straftat gefördert hat. So könnte es schwerlich ausreichend sein, dass der Täter möglicherweise durch die Bedrängung gleichzeitig eine andere, von der Bedrängung durch die Gruppe vollkommen losgelöste, etwa durch nicht gruppenbeteiligte Dritte bzw. an nicht durch die Gruppe bedrängten Personen, fördert. Soweit der Wortlaut darüber hinausgeht , wäre hier gegebenenfalls teleologisch zu reduzieren. Auch insoweit lässt sich daher der Tatbestand des § 184j StGB-E durch (einschränkende) Auslegung bestimmen, was, wie bereits oben unter 5.3.2. erläutert, hinsichtlich des Bestimmtheitsgrundsatzes zulässig ist. 5.5.2. Der Begriff des „Förderns“ Auch der Begriff des „Förderns“ ist auslegungsbedürftig. Zwar kennt das StGB den Begriff des Förderns, der (allerdings als Bezugspunkt subjektiver Tatbestandsmerkmale und ohne nähere Definition , d.h. wiederum als unbestimmter Rechtsbegriff) etwa in §§ 91 Abs. 1 Nr. 1, 130a Abs. 1 und 2 StGB verwendet wird. Hinsichtlich des § 184j StGB-E lassen sich allerdings bereits aus der Gesetzesbegründung verschiedene Aspekte ableiten: Die Gesetzesbegründung stellt dazu fest, der Täter müsse eine Straftat dadurch „fördern, dass er sich an der Personengruppe beteiligt und mindestens billigend in Kauf nimmt, dass aus der Gruppe heraus Straftaten begangen werden.“73 Damit sieht die Gesetzesbegründung, wie der Gesetzeswortlaut , die Förderungshandlung in der Beteiligung des Täters an der Personengruppe. Von der Handlung her ist daher eine Abgrenzung zwischen Fördern und Beteiligung nicht möglich (auch wenn unter dieser Lesart gleichwohl fraglich ist, ob das „Fördern“ neben der „Beteiligung an der Personengruppe“ überhaupt eigenständige Bedeutung hat). Vielmehr liegt die Förderung der Straftat in der Beteiligung an der Personengruppe (dies dürfte allerdings, je nach Auslegung des Begriffs der Personengruppe, entweder die gemeinschaftliche Entschließung zum Bedrängen bzw. ein einheitliches Bedrängen und damit entsprechend auch ein Handeln des Täters erfordern, dazu oben unter 5.1.). Dies erscheint auch konsequent, wenn man bedenkt, dass es Sinn und Zweck des § 184j StGB ist, das erhöhte Gefährdungspotential, das von Gruppen für Opfer einer Straftat ausgeht74, strafrechtlich zu erfassen. Diese Auslegung steht auch mit der wörtlichen Auslegung des Begriffs „fördern“ im Einklang. Denn gemeinhin versteht man unter fördern „ermöglichen oder erleichtern“. Der Gesetzgeber ist bei der Schaffung des § 184j StGB-E ja gerade davon ausgegangen, dass durch eine Beteiligung an einer Gruppe, die eine andere Person bedrängt, die Begehung von Straftaten erleichtert oder sogar erst ermöglicht, wenn es in der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz heißt: 73 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, BT-Drs. 18/9097, S. 32. 74 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, BT-Drs. 18/9097, S. 32. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 113/16 Seite 23 „Zum anderen sind solche Gruppen durch eine motivierend wirkende Dynamik gekennzeichnet, die durch die gegenseitige Bestärkung der Gruppenmitglieder gespeist wird und die dazu führt, dass der Einzelne anderenfalls bestehende Hemmungen überwindet bzw. gar nicht erst zulässt.“75 Neben der Beteiligung an der Personengruppe heißt es zum Merkmal „fördern“ in der Gesetzesbegründung , der Täter müsse mindestens billigend in Kauf nahmen, dass aus der Gruppe heraus Straftaten begangen werden. Damit ist der Vorsatz des Täters angesprochen, der sich eben nicht nur auf das bloße Dabeisein in der Gruppe beziehen muss, sondern auch darauf, dass möglicherweise aus dieser Gruppe heraus Straftaten begangen werden. 5.6. Die objektive Bedingung der Strafbarkeit Auch die objektive Bedingung der Strafbarkeit, nämlich die Begehung einer Straftat nach den §§ 177 oder 184i StGB-E müsste dem Bestimmtheitsgrundsatz genügen. Welches die Straftaten sind, deren Begehung die objektive Bedingung der Strafbarkeit eintreten lassen, ergibt sich aus dem Wortlaut eindeutig. Aus dem Wortlaut („begangen wird“) und aus der Gesetzesbegründung76 ergibt sich zudem, dass das Sexualdelikt tatsächlich verwirklicht sein muss. Zweifelhaft könnte mit Blick auf § 177 StGB-E allenfalls sein, ob der nach § 177 Abs. 3 StGB-E strafbare Versuch bereits ausreicht, um die objektive Bedingung der Strafbarkeit eintreten zu lassen. Die Gesetzesbegründung formuliert indes dass die „… Straftat nach § 177 StGB-E oder nach § 184i StGB-E tatsächlich begangen worden sein“ muss, was dagegen spricht, auch den Versuch eines Sexualdelikts nach § 177 StGB-E für die objektive Bedingung der Strafbarkeit genügen zu lassen. Auf der anderen Seite hat der Gesetzgeber nur auf § 177 StGB-E verwiesen, ohne den § 177 Abs. 3 StGB-E herauszunehmen. Was den Täter dieser Tat angeht, so muss es sich um einen an der Personengruppe Beteiligten handeln. Diesbezüglich kann auf die Diskussion der Beteiligung an einer Personengruppe hinsichtlich des Täters des § 184j StGB-E (oben unter 5.4.) verwiesen werden, da die Norm den Begriff der Beteiligung kaum unterschiedlich, sondern vielmehr einheitlich verwenden dürfte. 75 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, BT-Drs. 18/9097, S. 32. 76 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, BT-Drs. 18/9097, S. 32. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 113/16 Seite 24 6. Schuldprinzip und objektive Bedingung der Strafbarkeit 6.1. Herleitung und Bedeutung des Schuldprinzips Strafbarkeit setzt als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips Schuld voraus.77 Der Einzelne kann nur bei Vorliegen individueller Schuld strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.78 Konkret leitet das BVerfG den Schuldgrundsatz aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip her.79 Der Schuldgrundsatz erfordert außerdem, dass Tatbestand und Rechtsfolge gemessen an der Idee der Gerechtigkeit sachgerecht aufeinander abgestimmt sind.80 Die einen Täter betreffenden Folgen einer strafbaren Handlung müssen also zur Schwere der Rechtsgutsverletzung und zum individuellen Verschulden in einem angemessenen Verhältnis stehen; die Sanktion muss schuldangemessen sein. Insoweit deckt sich der Schuldgrundsatz mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 81 und konkretisiert damit für den Bereich strafrechtlicher Sanktionen die Angemessenheitskontrolle82. 77 Vgl. BVerfG, BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 1966 – 2 BvR 506/63, BVerfGE 20, 323 (331) = juris Rn. 32-34; BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 1969 – 2 BvL 15/68, 2 BvL 23/68, BVerfGE 25, 269 (285 f.) = juris Rn. 77 = NJW 1969, 1059 (1061); BVerfG, Beschluss vom 17.1.1979 – 2 BvL 12/77, BVerfGE 50, 205 (214f.) = NJW 1979, 1039 (1040); BVerfG, Beschluss vom 03-06-1992 - 2 BvR 1041/88, 2 BvR 78/89, BVerfGE 86, 288 (313) = NJW 1992, 2947 (2948); BVerfG, Beschluss vom 24.10.1996 - 2 BvR 1851/94, BVerfGE 95, 96 (140) = NJW 1997, 929 (930); Grzeszick, in: Maunz-Dürig, Grundgesetz, 76. ErgLf., Stand: 12/2015, Art. 20 Rn. 124; Hirsch, ZStW 106, 746; Fischer, StGB, 63. Aufl. 2016, Vor § 13, Rn. 47. 78 BVerfG, Beschluss vom 04. Februar 1959 – 1 BvR 197/53, BVerfGE 9, 167 (169) = NJW 1959, 619; BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 1969 – 2 BvL 15/68, 2 BvL 23/68, BVerfGE 25, 269 (285 f.) = juris Rn. 77; BVerfG, Beschluss vom 03-06-1992 – 2 BvR 1041/88, 2 BvR 78/89, BVerfGE 86, 288 (313) = NJW 1992, 2947 (2948); BVerfG, Beschluss vom 24.10.1996 - 2 BvR 1851/94, BVerfGE 95, 96 [140] = NJW 1997, 929 (930); BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 7. Oktober 2008 – 2 BvR 578/07, NJW 2009, 1061 (1062 f.). 79 BVerfG, BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 1966 – 2 BvR 506/63, BVerfGE 20, 323 (331), juris Rn. 32-34; BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 1969 – 2 BvL 15/68, 2 BvL 23/68, BVerfGE 25, 269 (285 f.) = juris Rn. 77 = NJW 1969, 1059 (1061); BVerfG, Beschluss vom 17.1.1979 – 2 BvL 12/77, BVerfGE 50, 205 (214f.) = NJW 1979, 1039 (1040); BVerfG, Beschluss vom 3. Juni 1992 – 2 BvR 1041/88, 2 BvR 78/89, BVerfGE 86, 288 (313) = NJW 1992, 2947 (2948); BVerfG, Beschluss vom 24.10.1996 - 2 BvR 1851/94, BVerfGE 95, 96 (140) = NJW 1997, 929 (930). 80 Vgl. bereits BVerfG, BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 1966 – 2 BvR 506/63 , BVerfGE 20, 323 (331) = juris Rn. 32-34; BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 1969 – 2 BvL 15/68, 2 BvL 23/68, BVerfGE 25, 269 (286) = NJW 1969, 1059 (1061); BVerfG, Beschluss vom 17.1.1979 – 2 BvL 12/77, BVerfGE 50, 205 (214f.) = NJW 1979, 1039 (1040); BVerfG, Beschluss vom 3. Juni 1992 - 2 BvR 1041/88, 2 BvR 78/89, BVerfGE 86, 288 (313) = NJW 1992, 2947 (2948). 81 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 1979 – 2 BvL 12/77, BVerfGE 50, 205 (215) = NJW 1979, 1039 (1040); BVerfGE 73, 206 (253) = NJW 1987, 43 (48); BVerfG, Beschluss vom 03-06-1992 – 2 BvR 1041/88, 2 BvR 78/89, BVerfGE 86, 288 (313) = NJW 1992, 2947 (2948); BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 07. Oktober 2008 – 2 BvR 578/07, NJW 2009, 1061 (1062 f.). 82 Vgl. auch Appel, Verfassung und Strafe, 1998, S. 192ff.; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 7. Oktober 2008 – 2 BvR 578/07, NJW 2009, 1061 (1062 f.). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 113/16 Seite 25 Diesem verfassungsrechtlichen Schuldprinzip wird im Strafrecht dadurch Rechnung getragen, dass nur vorsätzliches Handeln strafbar ist, wenn nicht das Gesetz fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht, § 15 StGB. Für eine Vorsatzstrafbarkeit wird vorausgesetzt, dass der Täter bezüglich sämtlicher objektiver Tatbestandsmerkmale mit Wissen und Wollen handelt; die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit setzt voraus , dass der Täter die durch seinen Pflichtverstoß eingetretene Rechtsgutsverletzung oder -gefährdung nach seinen subjektiven Kenntnissen und Fähigkeiten vorhersehen und vermeiden konnte. 6.2. Objektive Bedingung der Strafbarkeit Im Strafgesetzbuch befinden sich Normen, die die Rechtsfigur der sogenannten objektiven Bedingung der Strafbarkeit enthalten. Das Besondere an dieser Rechtsfigur ist, dass sich der Vorsatz des Täters nicht auf die Umstände erstrecken muss, die die objektive Strafbarkeitsbedingung ausmachen .83 Denn diese ist zwar eine materielle Strafbarkeitsvoraussetzung, aber im Gegensatz zu anderen Deliktsmerkmalen für das Unrecht und die Schuld der Tat ohne Bedeutung.84 Damit stellt sich vor dem Hintergrund des Schuldgrundsatzes die Frage, inwieweit Umstände, die für die Schuld des Täters nicht relevant sind, gleichwohl eine Strafbarkeit begründen können. Die Vereinbarkeit mit dem Schuldgrundsatz hängt davon ab, ob sich die objektive Strafbarkeitsbedingung zu Lasten oder zu Gunsten des Täters auswirkt. Lediglich im erstgenannten Fall liegt eine Kollision mit dem Schuldgrundsatz vor. Wirkt die objektive Strafbarkeitsbedingung dagegen zu Gunsten des Täters, kann ein solcher Verstoß nicht angenommen werden. Die objektive Strafbarkeitsbedingung wirkt zu Lasten des Täters, wenn ein Handeln, das eigentlich nicht strafwürdig ist, erst durch sie zu einem strafwürdigen Delikt wird. Verhält es sich dagegen so, dass der Straftatbestand auch ohne die objektive Strafbarkeitsbedingung bereits strafwürdiges Verhalten enthält, der Gesetzgeber dieses strafwürdige Verhalten aber durch die objektive Strafbarkeitsbedingung auf bestimmte Fälle einschränkt, dann wirkt die Rechtsfigur der objektiven Strafbarkeitsbedingung zugunsten des Täters und genügt damit den Vorgaben des Schuldgrundsatzes. Aufgrund dieser Überlegung akzeptiert die h.M. die Rechtsfigur der objektiven Strafbarkeitsbedingung .85 83 Vgl. Rönnau, JuS 2011, 697; Satzger, JURA 2006, 108 (109); Eisele, in: Schönke-Schröder, StGB, 29. Aufl. 2014, Vorb. zu §§ 13 ff. Rn. 126; Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, 44. Auflage 2014, Rn. 148. 84 Vgl. Eisele, in: Schönke-Schröder, StGB, 29. Aufl. 2014, Vorb. zu §§ 13 ff. Rn. 124. 85 Vgl. Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht Allgemeiner Teil, 11. Auflage 2003 § 25 Rn. 3; Eisele, in: Schönke- Schröder, StGB, 29. Aufl. 2014, Vorb. zu §§ 13 ff. Rn. 125; Geisler: Zur Vereinbarkeit objektiver Strafbarkeitsbedingungen mit dem Schuldprinzip. 1998 S. 130 f.; Geisler, Objektive Strafbarkeitsbedingungen und >>Abzugsthese << - Methodologische Vorüberlegungen zur Vereinbarkeit objektiver Strafbarkeitsbedigungen mit dem Schuldprinzip, Goltdammer’Archiv für Strafrecht (GA) 2000, 166 (167); Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht-AT, 44. Auflage 2014, Rn. 149. Lediglich eine Mindermeinung vertritt die Auffassung, objektive Strafbarkeitsbedingungen seien mit dem Schuldprinzip nicht vereinbar. Insbesondere sei hier Bemman aus dem Jahr 1957 genannt, auf den Geisler (1998) S. 135 f. und Satzger Jura 2006, 108 (110) verweisen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 113/16 Seite 26 Ob die Strafbarkeitsbedingung tatsächlich die Strafbarkeit einschränkt, beurteilt die h.M. danach, ob unter der Voraussetzung, dass man sich die objektive Strafbarkeitsbedingung hinwegdenkt, ein Straftatbestand übrig bleibt, in dem das vertypte Unrecht strafwürdig ist und in einem angemessenen Verhältnis zu den Rechtsfolgen steht.86 Teilweise wird diese Methode als „Abzugsthese “ bezeichnet.87 Denn wenn dies zu bejahen ist, wirkt sich die objektive Strafbarkeitsbedingung nicht unrechtserhöhend, sondern lediglich unrechtsneutral88 aus und kann infolgedessen auch nicht mit dem Schuldgrundsatz kollidieren. 6.3. Die objektive Strafbarkeitsbedingung in § 231 StGB Der Tatbestand des § 184j StGB-E ist strukturell an den der Beteiligung an einer Schlägerei in § 231 StGB angelehnt.89 Dieser Straftatbestand setzt sich zusammen aus der Handlung – der Beteiligung an einer Schlägerei bzw. an einem von mehreren verübten Angriff – und dem Eintritt der schweren Folge, also des Todes oder einer schweren Körperverletzung im Sinne des § 226 StGB, die nach h.M. als objektive Strafbarkeitsbedingung ausgestaltet ist.90 Bezüglich des Eintritts der schweren Folge braucht der Täter also weder vorsätzlich noch fahrlässig zu handeln. Die Motivation für die Regelung des § 231 StGB lag in der generell komplizierten Situation, dem an einem Raufhandel Beteiligten den konkreten Eintritt der schweren Folge nachweisbar zuzurechnen . Unter Anwendung des Grundsatzes „in dubio pro reo“ konnten häufig die an dem Raufhandel Beteiligten nicht hinsichtlich des Eintritts der schweren Folge bestraft werden, obgleich sie durch ihre Tathandlung, nämlich die Beteiligung an dem Raufhandel, die Gefahr für die schwere Folge gesetzt haben. Paeffgen sieht daher in § 231 StGB auch den Charakter eines Vorfeldtatbestandes , bei dem die objektive Bedingung der Strafbarkeit eine materiellrechtlich formulierte Beweiserleichterung schafft.91 Folgt man der h.M. wonach die objektive Strafbarkeitsbedingung nicht mit dem Schuldgrundsatz kollidiert, wenn sie strafbegrenzend wirkt, müsste mithilfe der Abzugsthese geklärt werden, ob 86 So z.B.: Eisele, in: Schönke-Schröder, StGB, 29. Aufl. 2014, Vorbem. 13 ff., Rn.125; Geisler, GA 2000, 166 (167); Rönnau, JuS 2011, 697 (698); Satzger, Jura 2006, 108 (110 f.). 87 So z.B. Geisler, der die herrschende Meinung hinsichtlich der Vereinbarkeit objektiver Strafbarkeitsbedingungen mit dem Schuldprinzip analysiert hat, GA 2000, 166, 168. Aber auch: Rönnau, JuS 2011, 697 (698). 88 Vgl. Eisele, in: Schönke-Schröder, StGB, 29. Aufl. 2014, Vorb. zu den §§ 13 ff. Rn. 125; Geisler, GA 2000, 166 (172). 89 Hörnle, Stellungnahme, S. 13. Ohlenschläger, Stellungnahme, S. 6 f. In der Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz wird die Nähe zu § 231 StGB daran deutlich, dass für § 184j StGB auf das Gefahrenpotential abgestellt wird, BT-Drs. 18/9097, S. 32. 90 Vgl. Paeffgen, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 4. Aufl. 2013, § 231 Rn. 2, 20; Stree/Sternberg-Lieben, in: Schönke-Schröder, StGB, 29. Aufl. 2014, § 231 Rn. 1 mit weiteren Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur . 91 Vgl. Paeffgen, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 4. Aufl. 2013, § 231 Rn. 2. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 113/16 Seite 27 die objektive Strafbarkeitsbedingung in § 231 StGB unrechtsneutral wirkt und deshalb mit dem Schuldprinzip im Einklang steht. Das vertypte Unrecht dieser Norm besteht in der Beteiligung am Raufhandel und damit in der Regel in gegenseitigen Körperverletzungen. Damit handelt es sich bei dem Tatbestand des Raufhandels also in der Regel bereits um Handlungen, nämlich Körperverletzungen und Beteiligungen daran, die bereits für sich schon strafwürdig sind. Die angedrohte Strafe von Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren ist für diese Handlung auch angemessen. Denn die Körperverletzung wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft, § 223 StGB. Einer schweren Körperverletzung hat der Gesetzgeber sogar einen Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe eröffnet. Damit hat der Gesetzgeber in § 231 StGB nicht erst durch die Einfügung der objektiven Strafbarkeitsbedingung ein strafwürdiges Verhalten normiert. Vielmehr hat er durch diese Rechtsfigur ein in der Regel bereits strafwürdiges Verhalten, nämlich Körperverletzungen und Beteiligungen an derselben , darauf beschränkt, dass schwere Folgen eintreten. Bei dem Strafrahmen des § 231 StGB hat er sich nicht an den schweren Folgen, sondern an dem vertypten Unrecht orientiert. Folglich wirkt sich die objektive Strafbarkeitsbedingung – die Herbeiführung einer schweren Folge – nicht strafschärfend oder gar strafbegründend aus. Darüber hinaus begreift die h.M. § 231 StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt.92 Diese Einschätzung deckt sich mit der im vorangegangenen Abschnitt umschriebenen Abzugsthese bei § 231 StGB. Denn die abstrakte Gefahr, die die h.M. anlässlich der Schlägerei sieht, resultiert bereits aus dem objektiven Tatbestand der Beteiligung an einer Schlägerei. Diese geht, wie beschrieben, in der Regel mit gegenseitigen Körperverletzungen einher. Eine solche Situation birgt aber abstrakt die Gefahr in sich, dass sich daraus schwere Folgen ergeben. 6.4. Objektive Bedingung der Strafbarkeit in § 184j StGB-E In der geplanten Fassung des § 184j StGB-E wird die Begehung einer Straftat nach §§ 177, 184i StGB-E von irgendeiner Person aus der Personengruppe als objektive Bedingung der Strafbarkeit geregelt. In der Gesetzesbegründung heißt es: „Die Straftat nach §§ 177, 184i StGB-E muss tatsächlich begangen sein, um eine Strafbarkeit des Täters zu begründen (objektive Bedingung der Strafbarkeit).“93 Fraglich ist, ob diese objektive Strafbarkeitsbedingung mit dem Schuldprinzip vereinbar ist. 6.4.1. Das Gefährdungspotential bei § 184j StGB-E In der Begründung der Beschlussempfehlung wird darauf abgestellt, bei der Tatbegehung in Gruppen handele es sich zunächst um ein neues Phänomen. Der § 184j StGB-E trage dem Umstand Rechnung, dass bestimmte Sexualstraftaten, die aus einer Gruppe heraus begangen würden, 92 Paeffgen, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 4. Aufl. 2013, § 231 Rn. 2 mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung und der Literatur; Stree/Sternberg-Lieben, in: Schönke-Schröder, StGB, 29. Aufl. 2014, § 231 Rn. 1 ebenfalls mit weiteren Nachweisen. 93 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, BT-Drs. 18/9097, S. 32. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 113/16 Seite 28 für das Opfer ein „erhöhtes Gefahrenpotenzial bergen“.94 Denn zum einen sehe sich das Opfer nicht nur einem Angreifer gegenüber, sondern sei durch eine Vielzahl von Personen in seinen Verteidigungs- oder Fluchtchancen stark eingeschränkt. Solche Gruppen seien durch eine motivierend wirkende Dynamik gekennzeichnet, die durch die gegenseitige Bestärkung der Gruppenmitglieder gespeist werde und die dazu führe, dass Hemmungen überwunden würden bzw. gar nicht erst entstünden.95 Nach der Begründung der Beschlussempfehlung liegt also auch der Regelung des § 184j StGB-E der Gefährdungshaftungsgedanke zugrunde. Fraglich ist jedoch, ob im Rahmen von § 184j StGB-E das vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gefährdungspotential tatsächlich vorliegt. Für § 231 StGB hatte sich ergeben, dass dem objektiven Tatbestand tatsächlich eine Gefährdung innewohnt, die von der objektiven Strafbarkeitsbedingung aufgefangen wird. Überträgt man diesen Gedanken auf § 184j StGB-E, dann müsste die Verwirklichung des objektiven Tatbestands von § 184j StGB-E abstrakt die Gefahr bergen, dass gegen andere Personen Sexualstraftaten nach den §§ 177, 184i StGB-E verübt werden. Um dies beurteilen zu können, soll noch einmal die bereits oben erfolgte Auslegung der Vorschrift bemüht werden, die ergeben hatte, dass die Vorschrift einen weiten Anwendungsspielraum hat. Insbesondere hatte die Auslegung ergeben, dass es sich bei der Straftat, um deren Begehung willen eine andere Person von der Personengruppe bedrängt wird, nicht unbedingt um eine Sexualstraftat handeln muss. Vielmehr ist nach dem Wortlaut des § 184j StGB-E der Straftatbestand auch dann erfüllt, wenn die Bedrängung gegen eine Person zur Begehung anderer als Sexualdelikte erfolgt. Von dieser weiten Sicht ist auch der Gesetzgeber ausgegangen. Damit sind folgende Situationen vorstellbar und fraglich ist, ob sie alle die abstrakte Gefährdung für ein Sexualdelikt im Sinne der objektiven Strafbarkeitsbedingung bergen: Gegen die von der Personengruppe bedrängte Person wird ein Sexualdelikt nach den §§ 177, 184i StGB-E verübt, während sich das Bedrängen möglicherweise auch noch auf die Begehung eines anderen Delikts richtet. Die Personengruppe bedrängt zwei oder mehrere Personen, wobei gegen diese bedrängten Personen verschiedene Delikte gerichtet werden, auf jeden Fall aber wird mindestens gegen eine der bedrängten Personen eine Straftat nach den §§ 177, 184i StGB-E verübt (Beispiel : Zwei Freundinnen werden von einer Personengruppe bedrängt; die eine wird bestohlen , die andere sexuell belästigt i.S.d. § 184i StGB-E.). In beiden Situationen realisiert sich das Gefährdungspotential, das der Gesetzgeber vor Augen hatte. Der Wortlaut des § 184j StGB-E erfasst noch eine weitere Situation, nämlich diejenige, in der eine Personengruppe eine Person zur Begehung von Straftaten bedrängt; gegen eine weitere Person, die nicht von der Personengruppe bedrängt wird, wird eine Straftat nach den §§ 177, 184i-E StGB verübt. Wie bereits oben angemerkt (5.3.2.) ist insoweit aber möglicherweise eine einschränkende und damit verfassungskonforme Auslegung vor dem Hintergrund der Verfassungsmäßigkeit der objektiven Bedingung der Strafbarkeit geboten. 94 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, BT-Drs. 18/9097, S. 32. 95 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, BT-Drs. 18/9097, S. 32. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 113/16 Seite 29 Denn wenn § 184j StGB-E dem Umstand Rechnung tragen soll, dass bestimmte Sexualstraftaten, die aus Gruppen heraus begangen werden, für das Opfer ein erhöhtes Gefahrenpotential bergen, liegt es nahe zu fordern, dass sich die in der objektiven Strafbarkeitsbedingung genannten Straftaten gegen eine Person richten, die von der Gruppe bedrängt wurde. In einer Sexualstraftat hingegen , die sich gegen eine Person richtet, die nicht von der Gruppe bedrängt wurde und die sich damit nicht in der Bedrängungssituation befindet, kann sich eigentlich nicht das erhöhte Gefährdungspotential verwirklicht haben. Deshalb wird man die Regelung des § 184j StGB verfassungskonform dahin auslegen müssen, dass eine Straftat nach den §§ 177, 184i-E StGB nur dann die objektive Bedingung der Strafbarkeit erfüllt, wenn diese Straftat sich gegen eine Person gerichtet hat, die von der Personengruppe bedrängt worden ist. Diese verfassungskonforme Auslegung deckt sich auch mit den Ausführungen in der Gesetzesbegründung . Der Gesetzgeber wollte zwar durch die weite Fassung des § 187j StGB-E erreichen, dass auch diejenigen sich nach § 187j StGB-E strafbar machen, die sich an einer Personengruppe beteiligen, die eine andere Person bedrängt, um an dieser eine Straftat begehen zu können, auch wenn der Vorsatz nicht aller an der Personengruppe Beteiligten sich auf eine Tat i.S.d. §§ 177, 184i StGB-E gerichtet hat, sondern sie andere Straftaten im Blick hatten. In allen Formulierungen der Gesetzesbegründung wird jedoch deutlich, dass dem Gesetzgeber die Situation des Bedrängens durch die Personengruppe vor Augen stand, er also – wenn auch nicht explizit – ebenfalls davon ausgegangen ist, dass die für die objektive Strafbarkeitsbedingung erforderliche Straftat i.S.d. §§ 177, 184i StGB-E sich gegen eine Person richten muss, die von der Personengruppe bedrängt wird.96 6.4.2. Unrechtsneutralität bzw. „Abzugsthese“ Für § 231 StGB war dargelegt worden (6.3.), dass der objektive Tatbestand bereits das vertypte Unrecht enthält, das über die objektive Bedingung der Strafbarkeit auf bestimmte schwere Folgen , dort der Eintritt der schweren Folge, also des Todes oder einer schweren Körperverletzung im Sinne des § 226 StGB, eingeschränkt werden soll. Es hatte sich auch gezeigt, dass diese schweren Folgen nur das Resultat der bereits durch den objektiven Tatbestand ausgelösten abstrakten Gefahr sind. Überträgt man diese Überlegungen auf § 184j StGB, so ergibt sich Folgendes: Die geplante Gesetzesfassung regelt die Tathandlung als ein Bedrängen aus einer Gruppe heraus, um an dem Opfer irgendeine Straftat zu begehen. Diese Straftat kann bereits ein Sexualdelikt darstellen , muss es aber nicht zwangsläufig. Dagegen zielt die objektive Strafbarkeitsbedingung (Straftat nach §§ 177, 184i StGB-E) ausschließlich darauf ab, dass die Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung des Opfers sanktioniert wird. Dadurch entsteht das Problem, dass der objektive Tatbestand des § 184j StGB-E auch andere Rechtsgüter (körperliche Unversehrtheit, Vermögen , Eigentum, Fortbewegungsfreiheit, Handlungsfreiheit) im Blick haben kann als die objektive Strafbarkeitsbedingung. Damit stellt sich die Frage, ob die in § 184j StGB-E verankerte objektive Strafbarkeitsbedingung noch unrechtsneutral ist. 96 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, BT-Drs. 18/9097, S. 32. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 113/16 Seite 30 Folgt man dem Gesetzgeber, lässt sich die Unrechtsneutralität gleichwohl bejahen. In der Begründung der Beschlussempfehlung wird offensichtlich davon ausgegangen, dass bereits in dem Bedrängen einer anderen Person, um eine Straftat an dieser zu begehen, tatsächlich immer auch eine Gefährdung der sexuellen Selbstbestimmung liegt.97 Darüber, ob die Annahme über diese Gefährdung der sexuellen Selbstbestimmung, die der Gesetzgeber der Regelung des § 184j StGB-E zugrunde gelegt hat, tatsächlich der Realität entspricht, gibt es bisher keine empirischen Befunde. Grundlage sind nur die Erfahrungen mit der Silvesternacht in Köln und vergleichbaren Vorkommnissen in anderen Städten. Ob ein solches Gefährdungspotential faktisch gegeben ist, ist eine Frage rechtstatsächlicher Natur, die von den Wissenschaftlichen Diensten des Deutschen Bundestags nicht beantwortet werden kann. Auch wenn bisher der empirische Beweis dafür fehlt, dass die Bedrängungssituation immer eine Gefährdungssituation für die sexuelle Selbstbestimmung entfaltet, so bedeutet dies nicht, dass der Gesetzgeber diesbezüglich keine Regelung treffen dürfte. Zu berücksichtigen ist schließlich, dass dem Gesetzgeber ein weiter Entscheidungsspielraum verbleibt, welches Verhalten er kriminalisiert . Auch hinsichtlich der tatsächlichen Einschätzung von Situationen, insbesondere von Gefahrenpotentialen, ist ein solcher weiter Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers gegeben; anderenfalls könnte er gar nicht kriminalpolitisch tätig werden.98 Diesen weiten Spielraum hat der Gesetzgeber offensichtlich nutzen wollen. Er selbst spricht von einem „neuen und gewichtigen Phänomen“ bei Straftaten durch Gruppen, die durch bisherige Delikte nicht vollständig erfasst werden.99 Diesem neuen Phänomen wollte der Gesetzgeber durch eine neue Vorschrift Rechnung tragen, um das sexuelle Selbstbestimmungsrecht besser zu schützen. 7. Schlussbemerkung Der Gesetzgeber hat mit der Regelung des § 184j StGB-E auf ein neues Phänomen reagiert und die Beteiligung an Straftaten aus Gruppen wegen ihrer besonderen Gefährlichkeit für die sexuelle Selbstbestimmung unter Strafe gestellt. Der Tatbestand des § 184j StGB wird die Praxis zwar vor Auslegungsfragen stellen, wobei insbesondere der unbestimmte Rechtsbegriff der „Personengruppe“ verschiedene Probleme bereiten 97 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, BT-Drs. 18/9097, S. 32. 98 Das BVerfG hat bei der Überprüfung der Strafbarkeit von Cannabis-Delikten ausgeführt, dass es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers sei, den Bereich strafbaren Handelns unter Berücksichtigung der jeweiligen Lage im Einzelnen verbindlich festzulegen. Bei der vom Verhältnismäßigkeitsgrundsatz geforderten Beurteilung der Eignung und Erforderlichkeit des gewählten Mittels zur Erreichung des erstrebten Zwecks sowie bei der in diesem Zusammenhang vorzunehmenden Einschätzung und Prognose der dem Einzelnen oder der Allgemeinheit drohenden Gefahren stehe dem Gesetzgeber ein Beurteilungsspielraum zu, welcher vom BVerfG nur in begrenztem Umfang überprüft werden könne. BVerfG, Beschluss vom 9. März 1994 – 2 BvL 43/92 u.a., BVerfGE 90, 145 (173) = NJW 1994, 1577, 1579 mit weiteren Nachweisen. BVerfG (3. Kammer des Zweiten Senats), Beschluss vom 29. 6. 2004 – 2 BvL 8/02, NJW 2004, 3620, 3622 99 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, BT-Drs. 18/9097, S. 32. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 113/16 Seite 31 dürfte. Die Untersuchung hat aber auch ergeben, dass alle verwendeten Begriffe einer Auslegung unter Rückgriff auf den etablierten Auslegungskanon zugänglich sind und jedenfalls teilweise, etwa hinsichtlich des „Beteiligens“, an bekannte Begriffe des StGB angeknüpft werden kann. Ein Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz lässt sich daher nicht offensichtlich feststellen. Allerdings könnten die unbestimmten Rechtsbegriffe den Strafverfolgungsbehörden nicht nur bei der Auslegung, sondern auch auf der tatsächlichen Ebene Schwierigkeiten, insbesondere Beweisschwierigkeiten , bereiten, etwa bei der Frage, welche der Personen der Gesamtansammlung noch zu der Personengruppe i.S.d. § 184j StGB-E gehören. Diesem Dilemma werden die Strafverfolgungsorgane oft nur dadurch entgehen können, dass sie nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ von einer Verfolgung und Verurteilung absehen. Der Grundsatz „in dubio pro reo“ gehört ebenfalls zu den Grundprinzipien des Strafrechts.100 Hinsichtlich der in § 184j StGB verankerten objektiven Bedingung der Strafbarkeit ist ebenfalls kein offensichtlicher Verstoß gegen den Schuldgrundsatz erkennbar. Hier hatte sich zweierlei gezeigt : Für das vom Gesetzgeber hinsichtlich der sexuellen Selbstbestimmung angenommene Gefährdungspotential , das durch die Beteiligung an einer Personengruppe ausgelöst wird, die eine andere Person bedrängt, um Straftaten an dieser zu begehen, gilt, dass dem Gesetzgeber bei der Einschätzung und Prognose einer dem Einzelnen oder der Allgemeinheit drohenden Gefahr ein weiter Beurteilungsspielraum zusteht , welcher auch vom BVerfG nur in begrenztem Umfang überprüft werden kann. Bei verfassungskonformer Auslegung des § 184j StGB-E ist das Gefährdungspotential, das von der objektiven Strafbarkeitsbedingung abgeschöpft werden soll, nur dann gegeben, wenn die Straftaten nach den §§ 177, 184i StGB-E gegenüber einer Person verübt worden sind, die (ebenfalls) von der Personengruppe bedrängt worden ist. Für eine andere Lesart des § 184 StGB-E durch den Gesetzgeber geben die Gesetzesmaterialien allerdings auch nichts her. Ende der Bearbeitung. 100 Einfachgesetzlich lässt sich der Satz auf § 261 Strafprozessordnung (StPO) zurückführen, wonach die Überzeugung des Gerichts von der Schuld des Angeklagten eine notwendige Voraussetzung für dessen Verurteilung ist. Demzufolge gehen Zweifel an der Schuld des Verdächtigen zu dessen Gunsten. Dem Grundsatz in dubio pro reo wird teilweise ebenfalls Verfassungsrang zugemessen