© 2020 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 111/20 Einzelfragen zu berufsrechtlichen Pflichten von Wirtschaftsprüfern Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 111/20 Seite 2 Einzelfragen zu berufsrechtlichen Pflichten von Wirtschaftsprüfern Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 111/20 Abschluss der Arbeit: 7. Oktober 2020 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 111/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Rechte und Pflichten von Wirtschaftsprüfern im Zusammenhang mit Erkenntnissen 4 2.1. Allgemeines zur Tätigkeit von Abschlussprüfern 4 2.2. Unabhängige Erstellung des Prüfungsberichts 5 2.3. Verpflichtende Implementierung eines internen Qualitätssicherungssystems 7 3. Ausübung der Berufsaufsicht über die Wirtschaftsprüfer 9 3.1. Allgemeine Berufsaufsicht 9 3.2. Fachbezogene Aufsicht der Abschlussprüferstelle 9 3.3. Unterrichtung der Staatsanwaltschaft 10 4. Berufsrechtliche Sanktionsmöglichkeiten 10 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 111/20 Seite 4 1. Einleitung Nach § 2 Abs. 1 des Gesetzes über eine Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer (Wirtschaftsprüferordnung – WPO)1 haben Wirtschaftsprüfer die berufliche Aufgabe, betriebswirtschaftliche Prüfungen , insbesondere solche von Jahresabschlüssen wirtschaftlicher Unternehmen, durchzuführen und Bestätigungsvermerke über die Vornahme und das Ergebnis solcher Prüfungen zu erteilen . Nachfolgend sollen Einzelfragen im Zusammenhang mit der Erlangung und/oder Weitergabe von unter anderem durch Hinweisgeber (sog. „Whistleblowern“) erhaltenen Informationen (vgl. dazu nachfolgend unter Ziffer 2), zur Zusammenarbeit der Wirtschaftsprüfer mit der Abschlussprüferaufsichtsstelle beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (vgl. dazu nachfolgend unter Ziffer 3) sowie zu den Folgen etwaiger Verstöße gegen Berufspflichten (vgl. dazu nachfolgend unter Ziffer 4) überblicksartig dargestellt werden. Bereits an dieser Stelle ist darauf zu verweisen, dass die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages nach ihren Verfahrensgrundsätzen keine Einzelfallprüfung vornehmen. Eine rechtliche Detailprüfung einzelner Ermittlungssachverhalte der zuständigen Aufsichtsbehörden kann daher nicht erfolgen. Die nachfolgenden Ausführungen beinhalten daher vielmehr eine summarische Darstellung von Einzelaspekten des Handelsgesetzbuchs (HGB)2, berufsrechtlicher Regelungen der WPO sowie der Satzung der Wirtschaftsprüferkammer über die Rechte und Pflichten bei der Ausübung der Berufe des Wirtschaftsprüfers und des vereidigten Buchprüfers (BS WP/vBP)3. 2. Rechte und Pflichten von Wirtschaftsprüfern im Zusammenhang mit Erkenntnissen 2.1. Allgemeines zur Tätigkeit von Abschlussprüfern Der Jahresabschluss und der Lagebericht von Kapitalgesellschaften, die nicht kleine im Sinne des § 267 Abs. 1 HGB4 sind, sind nach § 316 Abs. 1 Satz 1 HGB durch einen Abschlussprüfer zu prüfen .5 Hat keine Prüfung stattgefunden, so kann der Jahresabschluss nicht festgestellt werden, vgl. § 316 Abs. 1 Satz 2 HGB. Die Prüfung hat sich nach § 317 Abs. 1 Satz 2 HGB insbesondere darauf zu erstrecken, ob die gesetzlichen Vorschriften und sie ergänzende Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags oder der Satzung beachtet worden sind. Die Prüfung ist dabei so anzulegen, dass 1 Wirtschaftsprüferordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. November 1975 (BGBl. I S. 2803), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1403) geändert worden ist, abrufbar unter: http://www.gesetze-im-internet.de/wipro/ (letzter Abruf dieses Links und aller weiteren am 7. Oktober 2020). 2 Handelsgesetzbuch in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 4100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 12. August 2020 (BGBl. I S. 1874) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/hgb/. 3 Satzung der Wirtschaftsprüferkammer über die Rechte und Pflichten bei der Ausübung der Berufe des Wirtschaftsprüfers und des vereidigten Buchprüfers (Berufssatzung für Wirtschaftsprüfer/vereidigte Buchprüfer – BS WP/vBP) vom 21. Juni 2016 (BAnz AT 22.07.2016 B1) in Kraft getreten am 23. September 2016 (BAnz AT 04.10.2016 B2), abrufbar unter: https://www.wpk.de/uploads/tx_templavoila/BS-WPvBP_04.pdf. 4 Nach § 267 Abs. 1 HGB sind kleine Kapitalgesellschaften solche, die mindestens zwei der drei nachstehenden Merkmale nicht überschreiten: 6 000 000 Euro Bilanzsumme; 12 000 000 Euro Umsatzerlöse in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag; im Jahresdurchschnitt fünfzig Arbeitnehmer. 5 Zur Bestellung und Auswahl der Abschlussprüfer vgl. insb. §§ 318, 319 HGB. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 111/20 Seite 5 Unrichtigkeiten und Verstöße gegen diese Bestimmungen, bei gewissenhafter Berufsausübung erkannt werden, vgl. § 317 Abs. 1 Satz 3 HGB. Eine Prüfung erfolgt im Sinne des § 323 Abs. 1 Satz 1 HGB gewissenhaft, „wenn sie nach bestem Wissen und Gewissen so durchgeführt wird, dass ihr Ziel, die Abgabe eines Prüfungsurteils, erreicht wird“.6 Es gilt ein objektiver Sorgfaltsmaßstab .7 Maßgeblich ist, was von dem Abschlussprüfer angesichts der übertragenen Aufgaben und der Ziele der Abschlussprüfung zu fordern ist.8 2.2. Unabhängige Erstellung des Prüfungsberichts Abschlussprüfer stellen eine unabhängige Kontrollinstanz dar, vgl. § 43 Abs. 1 Satz 1WPO.9 Nach § 2 Abs. 1 BS WP/vBP, die auf Grundlage des § 57 Absatz 3 Satz 1 der WPO erlassen wurde, dürfen sie demnach keine Bindungen eingehen, die ihre berufliche Entscheidungsfreiheit beeinträchtigen oder beeinträchtigen könnten. Sie haben ihre persönliche und wirtschaftliche Unabhängigkeit gegenüber jedermann zu bewahren. Nach § 321 Abs. 4a HGB hat der Abschlussprüfer im Prüfungsbericht seine Unabhängigkeit zu bestätigen. Das Erfordernis der Unparteilichkeit verlangt mithin, dass sich der Abschlussprüfer nicht von einzelnen Gruppeninteressen leiten lässt.10 Er darf nur seinem eigenen Urteil folgen und seiner Beurteilung ausschließlich sachliche Gesichtspunkte zugrunde legen.11 Ob eine Prüfung in diesem Sinne unparteiisch durchgeführt wurde, ist eine Frage des Einzelfalles.12 Gleichzeitig unterliegen Abschlussprüfer als Wirtschaftsprüfer der Verschwiegenheit, vgl. § 43 Abs. 1 Satz 1WPO. Sie dürfen Tatsachen und Umstände, die ihnen bei ihrer Berufstätigkeit anvertraut oder irgendwie sonst bekannt werden, daher insbesondere nicht unbefugt gegenüber Dritten offenbaren, vgl. § 10 BS WP/vBP. Eine Verletzung dieser Verschwiegenheitsverpflichtung wird nach § 203 Abs. 1 Nr. 3 Strafgesetzbuch (StGB)13 – Wirtschaftsprüfer sind auch danach ebenso wie z.B. Ärzte oder Rechtsanwälte ausdrücklich zur Verschwiegenheit verpflichtet – strafrechtlich sanktioniert. 6 Vgl. Böcking/Gros/Rabenhorst, in: Joost/Strohn, Handelsgesetzbuch, 4. Auflage 2020, § 323 HGB, Rn. 5. 7 Vgl. Poll, in: Häublein/Hoffmann-Theinert, Beck’scher Online-Kommentar HGB, 29. Edition, Stand: 15. Juli 2020, § 323 HGB, Rn. 9. HGB, Stand: 15. Dezember 2019, § 323 HGB, Rn. 36. 9 Vgl. etwa Bormann, in: Münchener Kommentar zum Bilanzrecht, 1. Auflage 2013, § 319 HGB, Rn. 64 ff. 10 Vgl. Bormann, in: beck-online.GROSSKOMMENTAR HGB, Stand: 15. Dezember 2019, § 323 HGB, Rn. 41. 11 Vgl. Morck/Bach, in: Koller/Kindler/Roth/Drüen, Handelsgesetzbuch, 9. Auflage 2019, § 323 HGB, Rn. 3. 12 Vgl. Bormann, in: beck-online.GROSSKOMMENTAR HGB, Stand: 15. Dezember 2019, § 323 HGB, Rn. 36. 13 Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch Artikel 5 des Gesetzes vom 10. Juli 2020 (BGBl. I S. 1648) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 111/20 Seite 6 Nach § 321 Abs. 1 Satz 1 HGB hat der Abschlussprüfer über Art und Umfang sowie über das Ergebnis der Prüfung zu berichten. Adressat des Berichts sind die gesetzlichen Vertreter der geprüften Gesellschaft, vgl. § 321 Abs. 5 Satz 1 HGB. Hat der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft den Prüfungsauftrag erteilt, so ist der Prüfungsbericht ihm vorzulegen (vgl. § 321 Abs. 5 Satz 2 1. Halbs. HGB), nachdem dem Vorstand Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden ist, vgl. Abs. 5 Satz 2 2. Halbs. HGB.14 Nach § 321 Abs. 1 Satz 3 HGB hat der Abschlussprüfer außerdem ausdrücklich über bei Durchführung der Prüfung festgestellte Unrichtigkeiten oder Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften sowie Tatsachen zu berichten, die den Bestand des geprüften Unternehmens oder des Konzerns gefährden oder seine Entwicklung wesentlich beeinträchtigen können oder die schwerwiegende Verstöße der gesetzlichen Vertreter oder von Arbeitnehmern gegen Gesetz, Gesellschaftsvertrag oder die Satzung erkennen lassen. „Bei besonders gravierenden Verstößen kann der Prüfer zudem verpflichtet sein, vor Abschluss der Abschlussprüfung an den Aufsichtsrat oder die Gesellschafter zu berichten. Dies gilt insbesondere dann, wenn zur Abwendung von Schaden für die Gesellschaft kurzfristig Gegenmaßnahmen eingeleitet werden müssen.“15 Eine generelle gesetzliche Pflicht zur externen Vorabmeldung bestimmter im Rahmen des Mandatsverhältnisses gewonnener Erkenntnisse an Aufsichtsbehörden besteht hingegen nicht.16 Einzig in den gesetzlich festgelegten Fällen des § 341k Abs. 3 HGB, wonach der jeweilige Abschlussprüfer die Aufsichtsbehörde von Versicherungsunternehmen17 unverzüglich über Erkenntnisse 14 Vgl. auch Ebke, in: Münchener Kommentar zum HGB, 3. Auflage 2013, § 321 HGB, Rn. 90. 15 Zitiert nach Bormann, in: beck-online.GROSSKOMMENTAR, Handelsgesetzbuch, Stand: 15. Dezember 2019, § 321 HGB, Rn. 29. 16 Vgl. etwa Bormann, in: beck-online.GROSSKOMMENTAR, Handelsgesetzbuch, Stand: 15. Dezember 2019, § 321 HGB, Rn. 30. 17 Zuständige Aufsichtsinstanz für Versicherungsunternehmen ist die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), vgl. § 294 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 111/20 Seite 7 im Sinn des § 321 Abs. 1 Satz 3 HGB zu unterrichten hat, sowie bei der Prüfung von Kreditinstituten (§ 29 Abs. 3 Kreditwesengesetz (KWG)18)19 besteht eine entsprechende Vorabmeldungspflicht .20 Im Falle einer schuldhaften Verletzung seiner Pflichten sieht sich der jeweilige Abschlussprüfer – ungeachtet einer etwaigen zivilrechtlichen Haftung – berufsrechtlichen Sanktionen nach den §§ 67 f. WPO ausgesetzt (vgl. dazu nachfolgend unter Ziffer 4). Hat der Prüfer vorsätzlich fehlerhaft berichtet, droht ihm zudem eine Strafbarkeit nach § 403 Aktiengesetz21 sowie § 332 HGB.22 2.3. Verpflichtende Implementierung eines internen Qualitätssicherungssystems Nach § 55b Abs. 1 WPO haben Berufsangehörige Wirtschaftsprüfer für ihre Praxis Regelungen zu schaffen, die die Einhaltung ihrer Berufspflichten gewährleisten, und deren Anwendung zu überwachen und durchzusetzen (sog. „internes Qualitätssicherungssystem“). Bei Berufsangehörigen, die Abschlussprüfungen nach § 316 HGB durchführen, haben die insoweit ergangenen Regelungen angemessene Grundsätze und Verfahren zur ordnungsgemäßen Durchführung und Sicherung der Qualität der Abschlussprüfung zu umfassen. Dazu gehören nach § 55b Abs. 2 Satz 2 Nr. 7 WPO zumindest auch Verfahren, die es den Mitarbeitern unter Wahrung der Vertraulichkeit ihrer Identität ermöglichen, potenzielle oder tatsächliche Verstöße 18 Kreditwesengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. September 1998 (BGBl. I S. 2776), das zuletzt durch Artikel 4 Absatz 7 des Gesetzes vom 10. Juli 2020 (BGBl. I S. 1633) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/kredwg/. 19 Danach hat der Prüfer unverzüglich der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und der Deutschen Bundesbank anzuzeigen, wenn ihm bei der Prüfung Tatsachen bekannt werden, welche die Einschränkung oder Versagung des Bestätigungsvermerkes rechtfertigen, die den Bestand des Instituts gefährden oder seine Entwicklung wesentlich beeinträchtigen können, die einen erheblichen Verstoß gegen die Vorschriften über die Zulassungsvoraussetzungen des Instituts oder die Ausübung einer Tätigkeit nach dem KWG darstellen oder die schwerwiegende Verstöße der Geschäftsleiter gegen Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag erkennen lassen. Auf Verlangen der Bundesanstalt oder der Deutschen Bundesbank hat der Prüfer ihnen den Prüfungsbericht zu erläutern und sonstige bei der Prüfung bekanntgewordene Tatsachen mitzuteilen, die gegen eine ordnungsmäßige Durchführung der Geschäfte des Instituts sprechen. Diese Anzeige-, Erläuterungs- und Mitteilungspflichten bestehen auch in Bezug auf ein Unternehmen, das mit dem Institut in enger Verbindung steht, sofern dem Prüfer die Tatsachen im Rahmen der Prüfung des Instituts bekannt werden, vgl. § 29 Abs. 3 KWG. 20 Vgl. Bormann, in: beck-online.GROSSKOMMENTAR, Handelsgesetzbuch, Stand: 15. Dezember 2019, § 321 HGB, Rn. 30. 21 Nach § 403 Aktiengesetz wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer als Prüfer oder als Gehilfe eines Prüfers über das Ergebnis der Prüfung falsch berichtet oder erhebliche Umstände im Bericht verschweigt. 22 Vgl. Bormann, in: beck-online.GROSSKOMMENTAR, Handelsgesetzbuch, Stand: 15. Dezember 2019, § 321 HGB, Rn. 99. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 111/20 Seite 8 gegen die Verordnung (EU) Nr. 537/201423 oder gegen Berufspflichten sowie etwaige strafbare Handlungen oder Ordnungswidrigkeiten innerhalb der jeweiligen Praxis an geeignete Stellen zu berichten.24 Dies konkretisierend führt die Wirtschaftsprüferkammer25 insoweit im Hinblick auf Implementierung dieser Regeln in der berufsrechtlichen Praxis aus: „Ein Hinweisgebersystem soll der Praxisleitung Informationen zu möglichen oder tatsächlichen Pflichtverstößen durch Angehörige der Praxis verschaffen. Auf etwaige Pflichtverstöße von Mandanten bezieht sich das System nicht; diese sind im Rahmen der Prüfung unmittelbar zu adressieren. Die Praxisleitung soll durch diese Informationen in die Lage versetzt werden , den Sachverhalt aufzuklären, auf einen festgestellten Pflichtverstoß angemessen zu reagieren und das Risiko von Wiederholungen zu vermindern. (…) Hinweisgebersysteme tragen damit zur internen Qualitätssicherung, im Außenverhältnis zur Vermeidung von Haftungsfällen und Reputationsschäden bei. Schon die Einrichtung eines Hinweisgebersystems wirkt präventiv in dem Sinne, dass Pflichtverstöße wegen der erhöhten Gefahr, dass über sie berichtet wird, erst gar nicht begangen werden. Ein Hinweisgebersystem besteht aus Verfahrensregelungen, die in der Praxis bekannt gemacht und angewendet werden. Hierzu gehört die Benennung einer Stelle, an die berichtet werden kann, und die Festlegung des weiteren Vorgehens (insbesondere Zuständigkeit für die weitere Untersuchung, Entscheidung über etwaige Maßnahmen fachlicher oder auch disziplinarischer Art, gegebenenfalls Rückmeldung an den Hinweisgeber, wenn das Verfahren dies unter Wahrung der Vertraulichkeit der Identität zulässt). Dabei empfiehlt es sich, das Hinweisgebersystem mit dem System zum Umgang mit Beschwerden und Vorwürfen abzustimmen. Unter Effektivitätsgesichtspunkten reicht es nicht aus, den Mitarbeitern Hinweise auf potenzielle oder tatsächliche Pflichtverstöße lediglich zu ermöglichen. Die Regelungen des Qualitätssicherungssystems sollen die Mitarbeiter vielmehr zu einer Anzeige ermutigen, bei eindeutigen und schwerwiegenden Verstößen aber auch verpflichten (…). Andererseits dient das Hinweisgebersystem aber auch nicht dazu, in der Praxis auf dem dafür vorgesehenen Weg, insbesondere nach Konsultation, verantwortlich getroffene Entscheidungen in Frage zu stellen und noch einmal überprüfen zu lassen. Eine Hinweispflicht kann daher nur dann bestehen, wenn die Grenzen einer vertretbaren Rechtsauslegung überschritten sind und damit das Vorliegen einer Pflichtverletzung aus Sicht des Hinweisgebers eindeutig feststellbar ist. Wenn möglich, 23 Verordnung (EU) Nr. 537/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über spezifische Anforderungen an die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse und zur Aufhebung des Beschlusses 2005/909/EG der Kommission, abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/?uri=celex%3A32014R0537. 24 Vgl. hierzu insgesamt auch Farr/Niemann, „Neue Anforderungen an die Qualitätssicherung in der mittelständischen WP-/vBP-Praxis – IDW EQS 1 löst VO 1/2006 ab“, Das Deutsche Steuerrecht (DStR) 2017, 341, 346. 25 Die Wirtschaftsprüferkammer ist eine auf Grundlage von § 4 WPO eingerichtete Körperschaft des öffentlichen Rechts, deren Mitglieder alle Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften in Deutschland sind, vgl. https://www.wpk.de/wpk/aufgaben/. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 111/20 Seite 9 sind etwaige Meinungsunterschiede immer vorrangig im Team anzusprechen und zu klären .“26 3. Ausübung der Berufsaufsicht über die Wirtschaftsprüfer Hinsichtlich der Ausübung der Berufsaufsicht über die Wirtschaftsprüfer ist zu differenzieren. 3.1. Allgemeine Berufsaufsicht Für die Berufsaufsicht im Allgemeinen ist die Wirtschaftsprüferkammer zuständig, vgl. § 61a WPO. Liegen konkrete Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen Berufspflichten vor, ermittelt sie den Sachverhalt und entscheidet, ob berufsaufsichtsrechtliche Maßnahmen zu veranlassen sind.27 3.2. Fachbezogene Aufsicht der Abschlussprüferstelle Sofern und soweit die Wirtschaftsprüfer als Abschlussprüfer tätig werden, führt die organisatorisch beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle eingegliederte Abschlussprüferaufsichtsstelle (APAS)28 eine öffentliche fachbezogene Aufsicht über die Wirtschaftsprüferkammer, vgl. § 66a Abs. 1 Satz 1 WPO. Der gesetzlich festgelegte Auftrag der APAS ist mithin die Überprüfung der Einhaltung berufsrechtlicher Pflichten von Abschlussprüfern im Zusammenhang mit der Durchführung gesetzlicher Abschlussprüfungen bei Unternehmen von öffentlichem Interesse29 nach § 319a Abs. 1 Satz 1 HGB. „Der gesetzliche Auftrag der APAS ist nicht auf die Aufdeckung von Fehlern in der Rechnungslegung ausgerichtet. Sofern konkrete Anhaltspunkte für Verstöße gegen Berufspflichten bei der Durchführung gesetzlicher Abschlussprüfungen vorliegen, führt die APAS Berufsauf- 26 Vgl. Erläuterungen der Wirtschaftsprüferkammer - Körperschaft des öffentlichen Rechts, „Ausgestaltung eines internen Hinweisgebersystems („Whistleblowing“)“, abrufbar unter: https://www.wpk.de/mitglieder/praxishinweise /internes-hinweisgebersystem-whistleblowing/. 27 Vgl. hierzu auch die Erläuterungen der Abschlussprüferaufsichtsstelle APAS beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, „Anlassbezogene Berufsaufsicht“, abrufbar unter: https://www.apasbafa .bund.de/APAS/DE/Anlassbezogene_Berufsaufsicht/anlassbezogene_berufsaufsicht_node.html. 28 Die APAS wurde durch das Abschlussprüferaufsichtsreformgesetz (APAReG) vom 31. März 2016 zum 17. Juni 2016 eingerichtet. Das APAReG dient der Umsetzung der aufsichts- und berufsrechtlichen Vorschriften der Richtlinie 2014/56/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen sowie der Ausführung der unmittelbar anwendbaren Verordnung (EU) Nr. 537/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über spezifische Anforderungen an die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse und zur Aufhebung des Beschlusses 2005/909/EG der EU-Kommission. 29 Eine aktuelle Liste der Unternehmen von öffentlichem Interesse ist abrufbar unter: https://www.wpk.de/fileadmin /documents/Oeffentlichkeit/Wirtschaftspruefer/WPK_Liste_Unternehmen_oeffentliches_Interesse.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 111/20 Seite 10 sichtsverfahren nach § 66a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 und 3 WPO durch. (…) Der Gegenstand jeglicher aufsichtlicher Tätigkeit der APAS unterliegt der umfassenden Verschwiegenheitsverpflichtung der APAS (vgl. § 66b WPO) (…).“30 3.3. Unterrichtung der Staatsanwaltschaft Erhalten die Wirtschaftsprüferkammer oder die APAS Kenntnis von Tatsachen, die den Verdacht begründen, dass Berufsangehörige Straftaten im Zusammenhang mit der Berufsausübung begangen haben, teilen sie die Tatsachen nach § 65 Abs. 1 WPO der zuständigen Staatsanwaltschaft unverzüglich oder nach Ermittlung mit. Erhält die Staatsanwaltschaft Kenntnis von Tatsachen, die den Verdacht einer schuldhaften, eine berufsaufsichtliche Maßnahme nach § 68 Absatz 1 WPO rechtfertigenden Pflichtverletzung eines Mitglieds der Wirtschaftsprüferkammer begründen , teilt sie die Tatsachen der Abschlussprüferaufsichtsstelle mit. Soweit die Mitteilung den Zuständigkeitsbereich der Wirtschaftsprüferkammer betrifft, leitet die APAS die Mitteilung an die Wirtschaftsprüferkammer weiter, vgl. § 65 Abs. 2 WPO. 4. Berufsrechtliche Sanktionsmöglichkeiten Gegen einen Wirtschaftsprüfer, der seine Pflichten schuldhaft verletzt, wird eine berufsaufsichtliche Maßnahme verhängt, vgl. § 67 Abs. 1 WPO. Nach § 68 Abs. 1 WPO kann der Vorstand der Wirtschaftsprüferkammer gegen Berufsangehörige berufsaufsichtliche Maßnahmen verhängen, wenn diese mit ihrem Verhalten ihnen obliegende Pflichten verletzt haben. In Betracht kommende berufsaufsichtliche Maßnahmen sind nach § 68 Abs. 1 Satz 2 WPO insbesondere Rügen, Geldbußen bis zu 500.000 Euro, befristete Tätigkeits- und Berufsverbote sowie die vollständige Ausschließung aus dem Beruf. Bei der Festlegung der Art und der Höhe der Maßnahme hat der Vorstand der Wirtschaftsprüferkammer alle relevanten Umstände zu berücksichtigen und dabei insbesondere die Art, die Schwere und die Dauer der Pflichtverletzung, die Verantwortung der Berufsangehörigen für die Pflichtverletzung, die Höhe etwaiger durch die Pflichtverletzung erzielter Mehrerlöse oder verhinderter Verluste, das Vorliegen früherer Verstöße und die Finanzkraft der Berufsangehörigen mit einzubeziehen, vgl. § 68 Abs. 3 WPO. *** 30 Vgl. hierzu die „Stellungnahme zur Berichterstattung im Fall Wirecard“ der Abschlussprüferaufsichtsstelle APAS beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle vom 18. September 2020, abrufbar unter: https://www.apasbafa.bund.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/APAS/DE/20200918_stellungnahme.html.