© 2018 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 111/18 Autonomes und automatisiertes Fahren auf der Straße – rechtlicher Rahmen Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 111/18 Seite 2 Autonomes und automatisiertes Fahren auf der Straße – rechtlicher Rahmen Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 111/18 Abschluss der Arbeit: 22. Mai 2018 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 111/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Die fünf Stufen des automatisierten Fahrens 4 2. Die Rechtslage 5 3. Zusammenfassung 8 4. Literatur- und Materialienverzeichnis 9 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 111/18 Seite 4 1. Die fünf Stufen des automatisierten Fahrens Unter „autonomen Fahren“ versteht man die fünfte und zugleich höchste Stufe des sog. automatisierten Fahrens. Diese Stufe 5 ist dadurch gekennzeichnet, dass die Fahrzeuge keinen Fahrer, sondern nur Passagiere haben. Abgesehen vom Festlegen des Zieles und Starten des Systems ist kein menschliches Eingreifen mehr erforderlich. Hierin liegt der Unterschied zur darunter liegenden Stufe 4, dem „vollautomatisierten Fahren“. Die Führung des Fahrzeugs (Quer- und Längsführung) wird zwar auch hier dauerhaft vom System übernommen, der Fahrer kann jedoch aufgefordert werden, die Führung zu übernehmen, wenn die Fahraufgaben vom System nicht mehr bewältigt werden können. Allerdings ist das System in der Lage, das Fahrzeug selbst aus jeder Ausgangssituation in einen risikominimalen Systemzustand zurückzuführen (z.B. indem es das Fahrzeug auf dem Seitenstreifen zum Stillstand bringt), wenn der Fahrer nicht die Führung übernimmt. Dies ist bei Stufe 3, dem „hochautomatisierten Fahren“, nicht gewährleistet. Auch hier übernimmt das System jedoch selbständig viele Fahrleistungen wie Bremsen, Lenken, Spurwechsel oder Überholen. Der Fahrer kann sich anderen Dingen zuwenden, wird aber bei Bedarf vom System aufgefordert, die Führung zu übernehmen. Bei der Stufe 2, dem „teilautomatisierten Fahren“, werden viele Funktionen wie Einparken, Spurhalten, allgemeine Längsführung, Beschleunigen, Abbremsen vom System übernommen (z.B. vom Stauassistenten), der Fahrer muss dieses aber ständig im Blick behalten. Die Stufe 1 schließlich, das „assistierte Fahren“, ist dadurch gekennzeichnet, dass lediglich bestimmte Assistenzsysteme (z.B. der Abstandsregeltempomat) bei der Bedienung des Fahrzeugs helfen. Als Stufe 0 wird das nicht automatisierte Fahren bezeichnet, bei dem der Fahrer alle Fahrfunktionen selbst ausführt, auch wenn unterstützende Systeme (z.B. ABS) vorhanden sind.1 1 Diese Stufeneinteilung hat ihren Ursprung in der „SAE J3016“, einer von der SAE International (früher: Society of Automotive Engineers) festgelegten Kategorisierung (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/SAE_J3016; letzter Zugriff am 17. Mai 2018). Diese hat sich der vom Verkehrsministerium eingesetzte „Runde Tisch Automatisiertes Fahren“ in der Sache zu eigen gemacht, wenn auch ohne Nummerierung der Stufen und ohne Erwähnung des autonomen Fahrens (vgl. Gasser u.a. [2018] S. 116). An dessen Klassifizierung hat sich ausweichlich der Gesetzesmaterialien zu § 1a StVG wiederum der Gesetzgeber orientiert (vgl. BTDrs. 18/11300 S. 12 f.). Vgl. zu den Stufen ferner Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (2017); Bach (2016) S. 2 f.; Schmid/Wessels (2017) S. 358; Balke (2018) S. 5 f.; Kaler/Wieser (2018) S. 369 f.; Lange (2018) S. 346 sowie Ungern -Sternberg (2017) S. 294 f., die allerdings bereits in der Stufe 4 eine Form des autonomen Fahrens sieht. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 111/18 Seite 5 2. Die Rechtslage Assistiertes und teilautomatisiertes Fahren (Stufen 1 und 2) steht mit dem deutschen Straßenverkehrsrecht sowie mit internationalen Vorgaben seit jeher grundsätzlich im Einklang.2 Denn das von der Straßenverkehrsordnung (StVO)3 und dem sog. Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr (WÜ)4 herkömmlich vorausgesetzte Beherrschen bzw. Führen des Fahrzeugs durch einen Fahrer5, also einen Menschen, ist beim assistierten und teilautomatisierten Fahren in der Regel gegeben. Anders liegen die Dinge, sobald das Level des hochautomatisierten Fahrens (Stufe 3) erreicht wird, da der technische Automatisierungsgrad es hier dem Fahrer gestattet, sich während der Fahrt anderen Dingen als dem Fahren zuzuwenden. Automatisiertes Fahren ab Stufe 3 musste daher bis vor kurzem als unzulässig, zumindest aber als problematisch angesehen werden.6 Durch Rechtsänderungen auf nationaler und internationaler Ebene in den Jahren 2016 und 2017 wurde der Raum für das automatisierte Fahren jedoch deutlich erweitert. Zu nennen ist hier zunächst die Änderung des Wiener Übereinkommens über den Straßenverkehr, die mit Wirkung vom 23. März 2016 für die Bundesrepublik in Kraft getreten ist.7 Mit Wirkung vom 21. Juni 2017 wurden dann die §§ 1a und 1b in das Straßenverkehrsgesetz (StVG)8 eingefügt.9 Nach § 1a Abs. 1 StVG ist der Betrieb eines Kraftfahrzeugs „mittels hoch- oder vollautomatisierter Fahrfunktion“ grundsätzlich zulässig, wenn die Funktion bestimmungsgemäß verwendet wird.10 Der Fahrer darf sich während des Betriebs dieser Fahrfunktion vom Verkehrsgeschehen 2 Bach (2016) S. 2; Lange (2018) S. 348 sowie (in Bezug auf das WÜ) Ungern-Sternberg (2017) S. 303 ff. (die allerdings für bestimmte, nicht übersteuerbare Fahrassistenzsysteme, z.B. Notbremssysteme, die Vereinbarkeit mit dem Beherrschungsgebot des WÜ anzweifelt [a.a.O. S. 306 f.]). 3 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) vom 6. März 2013 (BGBl. I S. 367), zuletzt geändert durch Verordnung vom 6. Oktober 2017 (BGBl. I S. 3549). 4 Übereinkommen vom 8. November 1968 über den Straßenverkehr (BGBl. 1977 II S. 809, 811). 5 Vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1, § 9 Abs. 5 StVO; Art. 8 Abs. 1, 5, Art. 13 WÜ; dazu: Lutz (2015) S. 122; Bach (2016) S. 5 f., 7 f. sowie – ausschließlich, dafür sehr ausführlich zum WÜ – Ungern-Sternberg (2017) S.297 f., 301 ff. 6 Vgl. Lutz (2015) S. 122; Bach (2016) S. 3, 8; Lange (2018) S. 347 f. 7 Vgl. Gesetz zur Änderung der Artikel 8 und 39 des Übereinkommens vom 8. November 1968 über den Straßenverkehr vom 7. Dezember 2016 (BGBl. I S. 1306); dazu: BTDrs. 17/8951, S. 8, 12; Ungern-Sternberg (2017) S. 307 ff..; Lutz (2015) S. 122 f.; Balke (2018) S. 6. 8 Straßenverkehrsgesetz (StVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. März 2003 (BGBl. I S. 310, 919), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. August 2017 (BGBl. I S. 3202). 9 Durch das Achte Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetz vom 16. Juni 2017 (BGBl. I S. 1648), das nach seinem Art. 2 am 21. Juni 2017 in Kraft getretenen ist. 10 Eine bestimmungsgemäße Verwendung läge z.B. nicht vor, wenn die automatische Fahrfunktion vom Hersteller nur für den Einsatz auf der Autobahn vorsieht, der Fahrer sie aber auch auf der Landestraße verwendet (König [2017] S. 125). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 111/18 Seite 6 und der Fahrzeugsteuerung abwenden.11 Er muss aber „wahrnehmungsbereit“ bleiben, so dass er die Fahrzeugsteuerung unverzüglich übernehmen kann, wenn ihn das System dazu auffordert.12 Dementsprechend muss das System so beschaffen sein, dass es die Erforderlichkeit einer eigenhändigen Fahrzeugsteuerung durch den Fahrzeugführer erkennt und diesem mit einer ausreichenden Zeitreserve auf die Erforderlichkeit der Steuerungsübernahme oder eine der Systembeschreibung zuwiderlaufende Verwendung der automatisierten Fahrfunktion hinweist.13 Ferner muss die automatische Fahrfunktion jederzeit durch den Fahrzeugführer manuell übersteuerbar oder deaktivierbar sein.14 Denn der Fahrzeugführer ist nicht nur zur Übernahme der Steuerung verpflichtet, wenn ihn das System dazu auffordert, sondern auch dann, wenn er erkennt oder auf Grund offensichtlicher Umstände erkennen muss, dass die Voraussetzungen für eine bestimmungsgemäße Verwendung der hoch- oder vollautomatisierten Fahrfunktionen nicht mehr vorliegen .15 Auch insoweit hat er wahrnehmungsbereit zu sein.16 Die automatisierte Fahrfunktion muss ferner so beschaffen sein, dass sie die Bewältigung der Fahraufgabe – einschließlich Längsund Querführung – sowie die Einhaltung der an den Fahrzeugführer gerichteten Verkehrsvorschriften gewährleistet.17 Darüber hinaus muss die hoch- oder vollautomatisierte Fahrfunktion gemäß § 1a Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 StVG aber auch entweder „in internationalen, im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzuwendenden Vorschriften beschrieben sein und diesen entsprechen“ oder „eine Typgenehmigung gemäß Artikel 20 der Richtlinie 2007/46/EG […] erteilt bekommen haben.“ Mit den „internationalen […] Vorschriften“ meint § 1a Abs. 3 Nr. 1 StVG insbesondere die einschlägigen Vorgaben der Europäischen Union sowie die Regelungen der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (United Nations Economic Commission for Europe – UN- 11 § 1b Abs. 1 Halbsatz 1 StVG. 12 § 1b Abs. 1 Halbsatz 2, Abs. 2 Nr. 1 StVG. 13 § 1a Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, 5 und 6 StVG. 14 § 1a Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StVG. 15 § 1b Abs. 2 Nr. 2 StVG. 16 § 1b Abs. 1 Halbsatz 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 StVG. 17 § 1a Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 3 StVG. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 111/18 Seite 7 ECE).18 Beide Regelungsregime sind eng miteinander verzahnt, weil die Typgenehmigungs-Richtlinie 2007/46/EG19 ihrerseits vielfach auf UN-ECE-Regelungen Bezug nimmt.20 Von besonderer Relevanz ist im vorliegenden Zusammenhang die UN-ECE-Regelung Nr. 7921 über Lenkanlagen.22 „Autonome Lenkanlagen“ sind von ihrer bislang maßgebenden Fassung ausdrücklich ausgeschlossen.23 Der Einsatz von jederzeit durch den Fahrer übersteuerbaren „Fahrassistenz -Anlagen“ ist nur bis zu einer Geschwindigkeit von 12 km/h vorgesehen.24 Regelung Nr. 79 wird zurzeit überarbeitet.25 Künftig sollen – jederzeit übersteuerbare – automatisiere Lenkanlagen bis zu einer Geschwindigkeit von 130 km/h zulässig sein.26 Bis zur Umsetzung dieser Reformüberlegungen kommt für derartige automatisierte Fahrfunktionen somit nur die Erteilung einer Ausnahme-Typgenehmigung nach Art. 20 der Richtlinie 2007/46/EG in Betracht.27 Diese Vorschrift eröffnet die Möglichkeit, mit Zustimmung der Europäischen Kommission eine EG-Typgenehmigung für „neue Techniken oder Systeme“ zu erteilen, auch wenn die allgemeinen in der Richtlinie bzw. in den von ihr in Bezug genommenen UN- ECE-Regelungen definierten Anforderungen nicht erfüllt sind.28 § 1a Abs. 3 Nr. 2 StVG wiederum 18 Vgl. BTDrs. 18/11300, S. 13. 19 RICHTLINIE 2007/46/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 5. September 2007 zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge (Rahmenrichtlinie) (ABl. L 263 vom 9.10.2007, S. 1), zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2017/2400 der Kommission vom 12. Dezember 2017 (ABGl. L 349 vom 29.12.2017, S. 1). – Zum Reformprozess auf europäischer Ebene, bei dem unter anderem die Richtlinie durch eine Verordnung ersetzt werden soll, vgl. Europäische Kommission [2018] passim, insbesondere S. 6 Fn. 16. 20 Vgl. Art. 1 Satz 3, Art. 9 Abs. 1 Buchstabe a, Art. 34, Anhang IV Richtlinie 2007/46/EG; dazu auch: Ungern- Sternberg (2017) S. 300. 21 Regelung Nr. 79 der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UN/ECE) — Einheitliche Bedingungen für die Genehmigung der Fahrzeuge hinsichtlich der Lenkanlage (ABl. L 137 vom 27.5.2008 S. 25). Auf sie wird in Anhangs IV Teil I Nr. 5 A der Richtlinie 2007/46/EG Bezug genommen. 22 Vgl. BTDrs. 18/11300 S. 15; Lutz (2015) S. 124; Ungern-Sternberg (2017) S. 299 f.. 23 Vgl. Absatz 0, 1.2.2, 2.3.3 UN/ECE-Regelung Nr. 79; dazu: Ungern-Sternberg (2017) S. 299. 24 Vgl. Absatz 0, 2.3.4, 5.1.6.1 Satz 1 UN/ECE-Regelung Nr. 79; Ungern-Sternberg (2017) S. 299. 25 Vgl. BTDrs. 18/11300, S. 15; Lange (2018) S. 348; ferner Kaler/Wieser (2018) S. 370: mit einer Anpassung der einschlägigen UN-ECE-Regelungen werde Ende 2018/Anfang 2018 gerechnet. 26 Ungern-Sternberg (2017) S. 301. 27 Lange (2018) S. 349. 28 Vgl. BTDrs. 18/11776, S. 10. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 111/18 Seite 8 stellt klar, dass auch auf einer derartigen Ausnahme-Typgenehmigung beruhende automatisierte Fahrfunktionen in Betrieb genommen werden können.29 Zuständige Behörde für die Erteilung von EG-Typgenehmigungen („normale“ wie auch solche nach Art. 20 der Richtlinie 2007/46/EG) ist in Deutschland das Kraftfahrt-Bundesamt.30 3. Zusammenfassung Seinem Wortlaut nach ebnet § 1a StVG also den Weg für den Einsatz von hoch- und vollautomatisierten Fahrfunktionen und ermöglicht damit automatisiertes Fahren auf den Stufen 3 und 4. Durch die in § 1b StVG statuierten Wahrnehmungsbereitschafts- und Übernahmepflichten kann der Fahrer das Potential dieses Fahrens, insbesondere das des vollautomatisierten, allerdings nicht voll ausschöpfen.31 Möglicherweise ist das der Grund dafür, weshalb im wissenschaftlichen Schrifttum die Ansicht geäußert worden ist, dass die Neuregelung nur für die Stufe 3 (also das hochautomatisierte Fahren) Rechtssicherheit schaffe, nicht aber für die Stufe 4 (also das vollautomatisierte Fahren)32. Der Wortlaut der Norm („hoch- oder vollautomatisierte Fahrfunktion“) und die Gesetzesmaterialien33 weisen indes eindeutig in die andere Richtung, nämlich dass sowohl Stufe 3 als auch Stufe 4 erfasst werden.34 Zwar wird in § 1a StVG das entscheidende Merkmal des vollautomatisierten Fahrens (die Fähigkeit des Systems, das Auto, falls erforderlich, in einen risikominimalen Systemzustand zurückzuführen) nicht erwähnt. Es ist jedoch zu bedenken, dass § 1a Abs. 2 StVG Mindestanforderungen definiert, die sowohl das hoch- als auch das vollautomatisierte Fahren kennzeichnen. Darüber hinaus gehende Funktionen, wie eben die beschriebene Rückführungsfähigkeit, sind dadurch nicht ausgeschlossenen. Lediglich das autonome Fahren (Stufe 5) wird eindeutig nicht von § 1a StVG erfasst.35 Sein wesentliches Kennzeichen, dass es nämlich keinen Fahrer mehr gibt, sondern nur noch Passagiere, wäre mit einem System, das die im Auto befindliche Person unter Umständen zur Übernahme 29 Zugleich dürfte er damit ausschließen, dass für Systeme, die nicht in internationalen Vorschriften beschrieben sind oder nicht mit diesen übereinstimmen, auch keine nationale (auf das Gebiet der Bundesrepublik beschränkte ) Kleinseriengenehmigung nach Art. 23 der Richtlinie 2007/46/EG erteilt werden kann. Denn als einzige Alternative zu § 1a Abs. 3 Nr. 1 StVG wird die EG-Typgenehmigung in Art. 20 der Richtlinie genannt. 30 Vgl. § 2 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 der EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung (EG-FGV) vom 3. Februar 2011 (BGBl. I S. 126), zuletzt geändert durch Verordnung vom 23. März 2017 (BGBl. I S. 522). 31 Vgl. Armbrüster (2017) S. 83; König (2017) S. 124. 32 Diese Auffassung vertreten Kaler/Wieser (2018) S. 370, 371, 373, allerdings ohne Begründung. 33 Vgl. BTDrs. 18/11300, S. 12 f., 21. 34 In diesem Sinne auch Armbrüster (2017) S. 85; König (2017) S. 124; Lange (2017) S. 346. 35 Vgl. BTDrs. 18/11300, S. 14, 21; Armbrüster (2017) S. 83; Lange (2018) S. 345, 349; Kaler/Wieser (2018) S. 370. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 111/18 Seite 9 der Steuerung auffordert36, nicht in Einklang zu bringen.37 Es wird also zu Recht einhellig davon ausgegangen, dass autonomes Fahren nach wie vor grundsätzlich unzulässig ist.38 Lediglich für Parkflächen, die durch bauliche oder sonstige Einrichtungen vom übrigen öffentlichen Straßenraum getrennt sind, hat der Gesetzgeber den Verordnungsgeber ermächtigt, die Einrichtung und Nutzung von „fahrerlosen Parksystemen im niedrigen Geschwindigkeitsbereich“ zu erlauben.39 Gebrauch gemacht wurde hiervon noch nicht. 4. Literatur- und Materialienverzeichnis Armbrüster, Christian, Automatisiertes Fahren – Paradigmenwechsel im Straßenverkehrsrecht?, in: ZRP 2017, S. 83 ff. Bach, Moritz, Autonomes Fahren und gesetzliche Grundlagen, 2016 (https://www.uni-koblenzlandau .de/de/koblenz/fb4/ist/AGZoebel/Lehre/sommer2016/SeminarASidA/A1; letzter Zugriff am 16. Mai 2018). Balke, Rüdiger, Automatisiertes Fahren, Begriffsbestimmungen und haftungsrechtliche Fragestellungen im Zusammenhang mit dem automatisierten Fahren, in: SVR 2018, S. 5 f. Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, kompakt2, So fahren wir morgen, 2017 (https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Publikationen/G/kompakt-automatisiertes-fahren .pdf?__blob=publicationFile; letzter Zugriff am 16. Mai 2018). Europäische Kommission, Auf dem Weg zur automatisierten Mobilität: eine EU-Strategie für die Mobilität der Zukunft, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen vom 17. Mai 2018 (COM [2018] 283 final) –(http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52018DC0283&from=EN; letzter Zugriff am 22. Mai 2018). Gasser, Tom M. u.a., Bericht zum Forschungsbedarf, Runder Tisch Automatisiertes Fahren – AG Forschung, 2015 (https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/Digitales/bericht-zum-forschungsbedarf -runder-tisch-automatisiertes-fahren.pdf?__blob=publicationFile; letzter Zugriff am 17. Mai 2018). 36 Wie es § 1a Abs. 2 Nr. 4 und 5 StVG tut. 37 Armbrüster (2017) S. 83, 85. 38 Es wäre im Übrigen nicht nur von § 1a StVG nicht abgedeckt, sondern auch nicht von den jüngsten Änderungen des Wiener Übereinkommens (vgl. Armbrüster [2017] S. 83; Balke [2018] S. 6; Lange [2018] S. 348; ferner Ungern -Sternberg [2017] S. 310 ff. mit Darstellung der diesbezüglichen Reformüberlegungen) 39 § 6 Abs. 1 Nr. 14a StVG; dazu BTDrs. 18/11300 S. 23. Obwohl es sich um eine „fahrerlose“ Funktion handelt, bei der nicht einmal mehr eine Person im Auto sein muss, wird das Ganze von der Literatur allerdings nicht der Stufe 5, dem autonomen Fahren zugeordnete, sondern noch der Stufe 4, dem vollautomatischen Fahren (vgl. Schmid/Wessels [2017] S. 358; Balke [2018] S. 6; Lange [2018] S. 351). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 111/18 Seite 10 Kaler, Matthias von/Wieser, Sylvia, Weiterer Rechtssetzungsbedarf beim automatisierten Fahren, in: NVwZ 2018, 369 ff. König, Carsten, Die gesetzlichen Neuregelungen zum automatisierten Fahren, in: NZV 2017, S. 123 ff. Lange, Ulrich, Automatisiertes und autonomes Fahren – eine verkehrs-, wirtschafts- und rechtspolitische Einordnung, in: NZV 2017, S. 345 ff. Lutz, Lennart S., Autonomes Fahren als rechtliche Herausforderung, in: NJW 2015, S. 119 ff. Schmid, Alexander/Wessels, Ferdinand, Event Data Recording für das hoch- und vollautomatisierte Kfz – eine kritische Betrachtung der neuen Regelungen im StVG, in: NZV 2017, S. 357 ff. Ungern-Sternberg, Antje von, Völker- und europarechtliche Implikationen autonomen Fahrens, in: Oppermann, Bern H./Stender-Vorwachs, Jutta (Hrsg.), Autonomes Fahren, Rechtsfolgen, Rechtsprobleme, technische Grundlagen, 2017, S. 294 ff. ***