© 2020 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 110/20 Staatliche Maßnahmen bei strafbaren Handlungen durch Minderjährige und schuldunfähige Personen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 110/20 Seite 2 Staatliche Maßnahmen bei strafbaren Handlungen durch Minderjährige und schuldunfähige Personen Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 110/20 Abschluss der Arbeit: 20.10.2020 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 110/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis Fragenkomplex B: Maßnahmen gegen Minderjährige 4 1. Werden staatliche Maßnahmen ergriffen, wenn Personen unter 18 Jahren (im Folgenden: „Minderjährige“) Straftaten begehen? 4 2. Unter welchen Voraussetzungen kommt eine Anwendung der Maßnahmen auf Minderjährige, die strafbare Handlungen vornehmen, in Betracht? 5 3. Welche Arten von Maßnahmen sind anwendbar, wenn Minderjährige strafbare Handlungen vornehmen? 5 3.1. Welches ist die schärfste freiheitsbeschränkende Sanktion im Falle von strafbaren Handlungen durch Minderjährige und wo wird sie durchgeführt? 6 3.2. Welche unterschiedlichen Regelungen existieren für die Durchführung dieser Sanktion? 7 3.3. Gibt es während dieser Sanktion einen individuellen Bildungsplan? 8 3.4. Welche Rechte und Pflichten hat der Minderjährige bei der Durchführung dieser Sanktion? 8 3.5. Welches sind die Rechte und Pflichten der Eltern, der gesetzlichen Vertreter oder der Personen, die das Sorgerecht für den Minderjährigen haben, während der Durchführung dieser Maßnahme? 9 Fragenkomplex C: Maßnahmen gegen schuldunfähige Personen 9 1. Welche Arten von Sanktionen einer Straftat gibt es? 9 2. Welche Gründe für eine Schuldunfähigkeit gibt es? 10 3. Weitere Einzelfragen zu freiheitsentziehenden Maßnahmen, z.B. der Unterbringung 10 3.1 Unter welchen Voraussetzungen ist eine Freiheitsentziehung zum Schutz der Allgemeinheit, insbesondere bei im Tatzeitpunkt schuldunfähigen Personen möglich? 10 3.2 Welche Grenzen gelten in Bezug auf die Dauer dieser freiheitsentziehenden Maßregeln? 11 3.3. Wie werden diese freiheitsentziehenden Maßregeln umgesetzt? 12 3.4 Welche anderen relevanten Regelungen existieren in Bezug auf diese freiheitsentziehenden Maßregeln? 13 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 110/20 Seite 4 Die Wissenschaftlichen Dienste sind um die Beantwortung eines Fragenkatalogs zum Thema „Strafmaßnahmen gegen Ausländer, Minderjährige und schuldunfähige Personen“ gebeten worden . Zu Fragenkomplex A hat der Fachbereich WD 3 den Sachstand WD 3 - 3000 - 224/20 - Einzelfragen zur Abschiebungshaft - erstellt. Der Fachbereich WD 7 beantwortet nachfolgend im Rahmen seiner Zuständigkeiten die Fragenkomplexe B und C. Die Bearbeitung der Fragen orientiert sich an der vorgegebenen Gliederung des Fragenkatalogs. Fragenkomplex B: Maßnahmen gegen Minderjährige 1. Werden staatliche Maßnahmen ergriffen, wenn Personen unter 18 Jahren (im Folgenden: „Minderjährige“) Straftaten begehen? Nach § 19 des Strafgesetzbuchs (StGB)1 ist schuldunfähig, wer bei Begehung der Tat noch nicht vierzehn Jahre alt ist. Daher kann eine Person unter 14 Jahren (im Folgenden: „Kind“, vgl. § 176 Abs. 1 StGB) nicht strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Sofern Kinder eine grundsätzlich mit Strafe bedrohte Handlung vornehmen, kommen Maßnahmen des Familiengerichts nach §§ 1666, 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB)2 in Betracht, die darauf gerichtet sind, eine Gefahr für das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen abzuwenden . Sofern ein Jugendlicher eine Verfehlung begeht, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist, greift grundsätzlich das Jugendgerichtsgesetz (JGG)3, vgl. § 1 Abs. 1 JGG. Jugendlicher ist nach § 1 Abs. 2 JGG, wer zur Zeit der Tat vierzehn, aber noch nicht achtzehn Jahre alt ist. Das JGG enthält ein „selbstständiges System jugendadäquater Sanktionen“, zu denen Erziehungsmaßregeln , Zuchtmittel und Jugendstrafe gehören.4 Diese treten zu einem großen Teil an die 1 Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 9. Oktober 2020 (BGBl. I S. 2075) geändert worden ist, abrufbar unter https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/BJNR001270871.html, letzter Abruf – auch für alle weiteren Internetlinks – 19. Oktober 2020; englische Übersetzung, Stand: Die Übersetzung berücksichtigt die Änderung(en) des Gesetzes durch Artikel 2 des Gesetzes vom 19. Juni 2019 (BGBl. I, S. 844), abrufbar unter https://www.gesetzeim -internet.de/englisch_stgb/englisch_stgb.html. 2 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 12. Juni 2020 (BGBl. I S. 1245) geändert worden ist, abrufbar unter https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/BJNR001950896.html; englische Übersetzung, Stand: Die Übersetzung berücksichtigt die Änderung(en) des Gesetzes durch Artikel 4 Abs. 5 des Gesetzes vom 1. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3719), abrufbar unter https://www.gesetze-im-internet.de/englisch_bgb/englisch_bgb.html. 3 Jugendgerichtsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Dezember 1974 (BGBl. I S. 3427), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 9. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2146) geändert worden ist, abrufbar unter https://www.gesetze-im-internet.de/jgg/BJNR007510953.html; englische Übersetzung, Stand: Die Übersetzung berücksichtigt die Änderung(en) des Gesetzes durch Artikel 7 des Gesetzes vom 19. Juni 2019 (BGBl. I S. 840), abrufbar unter https://www.gesetze-im-internet.de/englisch_jgg/englisch_jgg.html. 4 Saliger, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen (Hrsg.), Strafgesetzbuch, 5. Auflage 2017, § 10 Rn. 5. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 110/20 Seite 5 Stelle des 3. Abschnitts des Allgemeinen Teils des StGB über die Rechtsfolgen der Tat und werden „unter Reduzierung strafender Gesichtspunkte vom Erziehungsgedanken beherrscht“.5 2. Unter welchen Voraussetzungen kommt eine Anwendung der Maßnahmen auf Minderjährige , die strafbare Handlungen vornehmen, in Betracht? Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl eines Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht nach § 1666 Abs. 1 BGB die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind. Nach § 3 Satz 1 JGG ist ein Jugendlicher strafrechtlich verantwortlich, wenn er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug ist, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Zur Erziehung eines Jugendlichen, der mangels Reife strafrechtlich nicht verantwortlich ist, kann der Richter gemäß § 3 Satz 2 JGG dieselben Maßnahmen anordnen wie das Familiengericht. 3. Welche Arten von Maßnahmen sind anwendbar, wenn Minderjährige strafbare Handlungen vornehmen? In Bezug auf Kinder gilt: Zu den gerichtlichen Maßnahmen nach § 1666 Abs. 1 BGB gehören gemäß § 1666 Abs. 3 BGB beispielsweise auch die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge und Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen. Auch kommen Maßnahmen nach § 1666a Abs. 1 BGB in Betracht, mit denen eine Trennung des Kindes von der elterlichen Familie verbunden ist. Im Falle der Begehung von Straftaten durch Jugendliche gilt Folgendes: Als Maßregeln der Besserung und Sicherung im Sinne des allgemeinen Strafrechts können gemäß § 7 Abs. 1 JGG die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt , die Führungsaufsicht oder die Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet werden (§ 61 Nr. 1, 2, 4 und 5 StGB). Auch kommt eine Sicherungsverwahrung in Betracht. So kann das Gericht beispielsweise im Urteil unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 StGB die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten und gegebenenfalls anordnen. Weiterhin kommen Erziehungsmaßregeln in Betracht. Das sind nach § 9 JGG die Erteilung von Weisungen und die Anordnung, Hilfe zur Erziehung im Sinne des § 12 JGG in Anspruch zu nehmen . Weisungen sind nach § 10 Abs. 1 Satz 1 JGG Gebote und Verbote, welche die Lebensführung des Jugendlichen regeln und dadurch seine Erziehung fördern und sichern sollen. Der Richter kann dem Jugendlichen nach § 10 Abs. 1 Satz 3 JGG beispielsweise auferlegen, bei einer Familie oder in einem Heim zu wohnen, eine Ausbildungs- oder Arbeitsstelle anzunehmen, an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen, sich zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen oder an einem Verkehrsunterricht teilzunehmen. Der Richter kann nach § 10 Abs. 2 Satz 1 JGG 5 Radtke, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, 4. Auflage 2020, § 10 Rn. 5. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 110/20 Seite 6 dem Jugendlichen auch mit Zustimmung des Erziehungsberechtigten und des gesetzlichen Vertreters auferlegen, sich einer heilerzieherischen Behandlung durch einen Sachverständigen oder einer Entziehungskur zu unterziehen. Weiterhin kann der Richter dem Jugendlichen nach § 12 JGG unter bestimmten Voraussetzungen auferlegen, Hilfe zur Erziehung in Form der Erziehungsbeistandschaft oder in einer Einrichtung über Tag und Nacht oder in einer sonstigen betreuten Wohnform in Anspruch zu nehmen. Der Richter ahndet die Straftat gemäß § 13 Abs. 1 JGG mit Zuchtmitteln, wenn Jugendstrafe nicht geboten ist, dem Jugendlichen aber eindringlich zum Bewusstsein gebracht werden muss, dass er für das von ihm begangene Unrecht einzustehen hat. Zuchtmittel sind nach § 13 Abs. 2 JGG die Verwarnung, die Erteilung von Auflagen und der Jugendarrest. Durch die Verwarnung nach § 14 JGG soll dem Jugendlichen das Unrecht der Tat eindringlich vorgehalten werden. Der Richter kann dem Jugendlichen gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 JGG auferlegen, nach Kräften den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, sich persönlich bei dem Verletzten zu entschuldigen, Arbeitsleistungen zu erbringen oder einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung zu zahlen. Der Jugendarrest ist zeitlich auf eine Dauer von höchstens vier Wochen begrenzt, vgl. § 16 (insbesondere Abs. 4) JGG. Auch können Jugendliche mit (freiheitsentziehender) Jugendstrafe nach §§ 17, 18 JGG bestraft werden. 3.1. Welches ist die schärfste freiheitsbeschränkende Sanktion im Falle von strafbaren Handlungen durch Minderjährige und wo wird sie durchgeführt? Bei Kindern können Maßnahmen des Familiengerichts nach §§ 1666, 1666a BGB auch in einer freiheitsentziehenden Unterbringung nach § 1631b BGB bestehen.6 Eine gesetzliche Regelung betreffend den Ort der Unterbringung ist aber nicht ohne Weiteres ersichtlich. Sofern Jugendliche Straftaten begehen, stellt die Jugendstrafe eine besonders einschneidende Maßnahme dar. Die Jugendstrafe ist nach § 17 Abs. 1 JGG Freiheitsentzug in einer für ihren Vollzug vorgesehenen Einrichtung. Der Richter verhängt Jugendstrafe nach § 17 Abs. 2 JGG, wenn wegen der schädlichen Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel zur Erziehung nicht ausreichen oder wenn wegen der Schwere der Schuld Strafe erforderlich ist. Ihr Höchstmaß beträgt fünf – bei bestimmten Verbrechen zehn – Jahre (vgl. § 18 Abs. 1 Satz 1 und 2 JGG). Der Vollzug der Jugendstrafe ist erzieherisch ausgestaltet .7 6 v. Heintschel-Heinegg, in: v. Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar StGB, 47. Edition, Stand: 01.08.2020, § 19 Rn. 29. 7 Werner, in: Weber (Hrsg.), Creifelds, Rechtswörterbuch, 24. Edition 2020, Stichwort „Jugendstrafe“. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 110/20 Seite 7 3.2. Welche unterschiedlichen Regelungen existieren für die Durchführung dieser Sanktion? Unterschiedliche Regelungen für die Durchführung einer freiheitsentziehenden Unterbringung von Kindern sind nicht ersichtlich. In Bezug auf Jugendliche ist zu beachten, dass die Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland auf dem Gebiet des Jugendstrafvollzugs eigene Regelungen getroffen haben. Dabei wird zwischen geschlossenem und offenem Vollzug unterschieden.8 Beim offenen Vollzug werden keine oder nur verminderte Vorkehrungen gegen Entweichungen getroffen. Die Jugendstrafgefangenen werden im Wesentlichen dann im offenen Vollzug untergebracht, wenn sie dessen besonderen Anforderungen genügen, insbesondere verantwortet werden kann zu erproben, dass sie sich weder dem Vollzug entziehen noch die Möglichkeiten des offenen Vollzugs zur Begehung von Straftaten missbrauchen werden.9 Aufenthalte außerhalb der Anstalt können genehmigt werden, beispielsweise unter bestimmten Voraussetzungen zur regelmäßigen Beschäftigung außerhalb der Anstalt.10 In manchen Bundesländern ist auch ein Jugendstrafvollzug in freier Form vorgesehen. In Baden-Württemberg beispielsweise können sich dabei Jugendliche freiwillig und alternativ zum regulären Jugendstrafvollzug einem besonderen Training in Einrichtungen der Jugendhilfe unterziehen, die auf pro-soziales Lernen im Rahmen einer „positiven Gruppenkultur“ setzen.11 8 Vgl. beispielsweise § 18 Berliner Jugendstrafvollzugsgesetz (JStVollzG Bln), verkündet als Artikel 2 des Gesetzes zur Weiterentwicklung des Berliner Justizvollzugs vom 4. April 2016 (GVBl. für Berlin, S. 152), abrufbar unter https://www.berlin.de/justizvollzug/service/recht/gesetze/jstvollzg-bln/artikel.517309.php oder § 7 Abs. 4 und § 14 des Gesetzes zur Regelung des Jugendstrafvollzuges in Nordrhein-Westfalen vom 7. April 2017 (JStVollzG NRW), Artikel 1 des Gesetzes vom 7. April 2017 (GV. NRW. S. 511), abrufbar unter https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_text_anzeigen?v_id=72020170529104938960. 9 Vgl. beispielsweise § 18 Abs. 2 JStVollzG Bln; vgl. auch § 14 Abs. 1 Satz 2 JStVollzG NRW. 10 Vgl. beispielsweise §§ 44 ff. JStVollzG Bln oder §§ 42 ff. JStVollzG NRW. 11 Vgl. Internetseite der Justizvollzugsanstalt Adelsheim, abrufbar unter https://jva-adelsheim.justizbw .de/pb/,Lde/Startseite/Vollzugseinrichtung/Jugendstrafvollzug+in+freien+Formen; vgl. auch § 7 Abs. 1 des Gesetzbuchs über den Justizvollzug in Baden-Württemberg, Buch 4, Jugendstrafvollzug (JVollzGB IV) vom 10. November 2009, GBl. für Baden-Württemberg 2009, 545, letzte berücksichtigte Änderung: Inhaltsübersicht angepasst , §§ 63 und 67 Buch 4 geändert, §§ 65 und 76 Buch 4 neu gefasst durch Artikel 5 des Gesetzes vom 21. Mai 2019, GBl. für Baden-Württemberg S. 189, 220, abrufbar unter http://www.landesrecht-bw.de/jportal/portal /t/n4q/page/bsbawueprod.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&fromdoctodoc =yes&doc.id=jlr-JVollzIVGBBW2009V2G56&doc.part=X&doc.price=0.0&doc.hl=0#jlr-JVollzIV- GBBW2009pP7. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 110/20 Seite 8 3.3. Gibt es während dieser Sanktion einen individuellen Bildungsplan? In Bezug auf Jugendstrafgefangene gibt es in den Bundesländern Regelungen zu Erziehungs-, Resozialisierungs -, Förder- oder Vollzugs- und Eingliederungsplänen.12 Diese enthalten etwa Angaben über Arbeitseinsatz, schulische und berufliche Aus- oder Weiterbildung bzw. schulische und berufliche Qualifizierungsmaßnahmen und Arbeitstherapie.13 3.4. Welche Rechte und Pflichten hat der Minderjährige bei der Durchführung dieser Sanktion? Die Grundrechte gelten sowohl im Falle von Freiheitsentziehungen bei Kindern als auch Jugendlichen fort. Hervorzuheben ist das unantastbare Recht auf Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG)14. Teilweise kann und wird in die Grundrechte aber eingegriffen, wie zum Beispiel in die Freiheit der Person nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und Art. 104 GG. Weiterhin haben die Bundesländer eigene Regelungen betreffend Rechte und Pflichten der Jugendlichen geschaffen . So existiert beispielsweise in den Landesgesetzen das Recht Jugendstrafgefangener, regelmäßig Besuch zu empfangen oder Schreiben abzusenden und zu empfangen.15 Auch gibt es in Berlin eine Vorschrift, nach der Persönlichkeitsrechte der Jugendstrafgefangenen bei Besichtigungen zu berücksichtigen sind.16 Auf der anderen Seite wird etwa eine Pflicht zur Mitwirkung der Jugendstrafgefangenen an der Erreichung des Vollzugsziels normiert.17 Ebenso existieren vorrangige Pflichten zur Teilnahme an schulischen und beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen in Form von Orientierungs-, Berufsvorbereitungs-, Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen oder speziellen Maßnahmen zur Förderung schulischer und beruflicher Entwicklung.18 12 Vgl. etwa § 5 JVollzGB IV, § 12 JStVollzG NRW, § 12 JStVollzG Bln, § 10 des Hessischen Jugendstrafvollzugsgesetzes (HessJStVollzG) vom 19. November 2007, Gesamtausgabe in der Gültigkeit vom 19.09.2019 bis 31.12.2020, Stand: letzte berücksichtigte Änderung: zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 5. September 2019 (GVBl. für das Land Hessen S. 225), abrufbar unter https://www.rv.hessenrecht.hessen .de/bshe/document/jlr-JStVollzGHEV4P33, § 8 des Gesetzes über den Vollzug der Jugendstrafe (HmbJSt- VollzG) vom 14. Juli 2009, HmbGVBl. 2009, S. 257, 280, letzte berücksichtigte Änderung: zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 17. Dezember 2018 (HmbGVBl. 2019 S. 5, 6), abrufbar unter http://www.landesrecht -hamburg.de/jportal/portal/page/bshaprod.psml;jsessionid =E359DF975C77B1805C6559C4FB8FC2CB.jp29?showdoccase=1&st=lr&doc.id=jlr-JStVollzGHA2009rahmen &doc.part=X&doc.origin=bs. 13 Vgl. § 5 Abs. 2 Nr. 4 JVollzGB IV, § 12 Abs. 2 Nr. 4 JStVollzG NRW, § 12 Abs. 1 Nr. 11, 12 und 13 JStVollzG Bln. 14 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100- 1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 u. 2 Satz 2 des Gesetzes vom 29. September 2020 (BGBl. I S. 2048) geändert worden ist, abrufbar unter https://www.gesetze-im-internet .de/gg/BJNR000010949.html; englische Übersetzung, Stand: Die Übersetzung berücksichtigt die Änderung (en) des Gesetzes durch Artikel 1 des Gesetzes vom 28. März 2019 (BGBl. I S. 404), abrufbar unter https://www.gesetze-im-internet.de/englisch_gg/index.html. 15 Vgl. beispielsweise §§ 30, 31, 36 JStVollzG Bln, §§ 17 und 21 JVollzGB IV. 16 § 116 Abs. 3 JStVollzG Bln. 17 § 5 Satz 1 JStVollzG Bln. 18 § 23 Abs. 1 Satz 1 JStVollzG Bln; vgl. auch § 29 Abs. 2 JStVollzG NRW. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 110/20 Seite 9 3.5. Welches sind die Rechte und Pflichten der Eltern, der gesetzlichen Vertreter oder der Personen , die das Sorgerecht für den Minderjährigen haben, während der Durchführung dieser Maßnahme? Auch Rechte und Pflichten der Personensorgeberechtigten von Jugendstrafgefangenen sind in Gesetzen der Länder geregelt. So existieren beispielsweise Regelungen, nach denen Personensorgeberechtigte , soweit dies möglich ist und dem Vollzugsziel nicht zuwiderläuft, in die Planung und Gestaltung des Vollzugs einzubeziehen sind.19 Auch gibt es Vorschriften, nach denen den Personensorgeberechtigten der Vollzugs- bzw. Eingliederungsplan und seine Fortschreibungen auf Verlangen übersandt wird.20 Weiterhin können teilweise Personensorgeberechtigten minderjähriger Jugendstrafgefangener Kosten für bestimmte medizinische Leistungen auferlegt werden.21 Personensorgeberechtigt sind in der Regel die Eltern. Sie haben gemäß § 1626 Abs. 1 Satz 1 BGB die Pflicht und das Recht, für den Minderjährigen zu sorgen (elterliche Sorge). Die elterliche Sorge umfasst nach § 1626 Abs. 1 Satz 2 BGB die Sorge für die Person (Personensorge) und das Vermögen des Minderjährigen (Vermögenssorge). Die elterliche Sorge umfasst weiterhin gemäß § 1629 Abs. 1 Satz 1 BGB die Vertretung des Minderjährigen. Fragenkomplex C: Maßnahmen gegen schuldunfähige Personen 1. Welche Arten von Sanktionen einer Straftat gibt es? Im Hinblick auf Rechtsfolgen von Straftaten existieren Regelungen in den §§ 38 bis 76b StGB, welche anwendbar sind, soweit nicht die Vorschriften des JGG greifen. Strafen knüpfen an bereits begangene Straftaten und an die Schuld des Täters an.22 Als Strafe kommt zunächst die Freiheitsstrafe nach den §§ 38, 39 StGB in Betracht. Daneben kennt das deutsche Strafrecht die Geldstrafe nach den §§ 40 ff. StGB. Einzige vom StGB als solche bezeichnete Nebenstrafe ist das Fahrverbot gemäß § 44 StGB. Nebenfolgen einer Verurteilung können nach § 45 StGB der Verlust der Amtsfähigkeit, der Wählbarkeit und des Stimmrechts sein. Maßregeln der Besserung und Sicherung zielen auf die zukünftige Vermeidung einer erneuten Straftatbegehung durch gefährliche Täter zum Schutz der Allgemeinheit ab.23 Hierzu gehören nach § 61 StGB die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, die Unterbringung in 19 § 3 Abs. 7 JStVollzG Bln; vgl. auch § 6 Abs. 3 JStVollzG NRW. 20 § 11 Abs. 8 JStVollzG Bln; vgl. auch § 12 Abs. 6 Satz 4 und 5 JStVollzG NRW. 21 § 72 Abs. 2 JStVollzG Bln. 22 Villmow, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen (Hrsg.), Strafgesetzbuch, 5. Auflage 2017, Vorbemerkungen zu §§ 38 ff. Rn. 6. 23 Ziegler, in: v. Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar StGB, 47. Edition, Stand: 01.08.2020, § 61 Rn. 1. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 110/20 Seite 10 einer Entziehungsanstalt, die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, die Führungsaufsicht, die Entziehung der Fahrerlaubnis und das Berufsverbot. Die Einziehung nach den §§ 73 ff. StGB ist in erster Linie auf die Entziehung bestimmter in die Tat verwickelter Gegenstände gerichtet.24 2. Welche Gründe für eine Schuldunfähigkeit gibt es? Gemäß § 20 StGB handelt ohne Schuld, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder wegen Schwachsinns oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. Im Hinblick auf die Schuldunfähigkeit von Personen unter 14 Jahren nach § 19 StGB und eine mögliche fehlende strafrechtliche Verantwortlichkeit von Jugendlichen nach § 3 Satz 1 JGG vgl. Gliederungspunkt 1 und 2 dieses Sachstands. 3. Weitere Einzelfragen zu freiheitsentziehenden Maßnahmen, z.B. der Unterbringung 3.1 Unter welchen Voraussetzungen ist eine Freiheitsentziehung zum Schutz der Allgemeinheit , insbesondere bei im Tatzeitpunkt schuldunfähigen Personen möglich? Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) begangen, so ordnet das Gericht gemäß § 63 Satz 1 StGB die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, dass von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten , durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine erhebliche Tat in diesem Sinne, so trifft das Gericht eine solche Anordnung gemäß § 63 Satz 2 StGB nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 StGB für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht gemäß § 66b Satz 1 StGB die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 StGB wegen mehrerer bestimmter in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB genannter Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 StGB führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und die Ge- 24 Eser/Schuster, in: Schönke/Schröder (Hrsg.), Strafgesetzbuch, 30. Auflage 2019, Vorbemerkungen zu § 73 - § 76b Rn. 2. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 110/20 Seite 11 samtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Weiterhin ermöglicht die Vorschrift des § 66 StGB unter den dort genannten Voraussetzungen die Unterbringung schuldfähiger25 gefährlicher Hangtäter in der Sicherungsverwahrung für die Zeit nach Verbüßung der Strafe.26 Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht gemäß § 64 Satz 1 StGB die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nach § 64 Satz 2 StGB nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 StGB zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen. 3.2 Welche Grenzen gelten in Bezug auf die Dauer dieser freiheitsentziehenden Maßregeln? Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf gemäß § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB zwei Jahre nicht übersteigen. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist nach § 67d Abs. 1 Satz 3 StGB um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird. Das Gericht erklärt die Unterbringung gemäß § 67d Abs. 5 Satz 1 StGB für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 StGB nicht mehr vorliegen. Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht nach § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht , dass der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie nach § 67d Abs. 6 StGB für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig , wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich 25 Esser, Sicherungsverwahrung, JA 2011, 727, 728. 26 Vgl. Ziegler, in: v. Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar StGB, 47. Edition, Stand: 01.08.2020, § 66 vor Rn. 1. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 110/20 Seite 12 schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt § 67d Absatz 3 Satz 1 StGB entsprechend. Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht nach § 67d Abs. 2 Satz 1 StGB die weitere Vollstreckung der Unterbringung (in einer Erziehungsanstalt , in der Sicherungsverwahrung oder einem psychiatrischen Krankenhaus)27 zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, dass der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Das Gericht kann gemäß § 67e Abs. 1 StGB jederzeit prüfen, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist. Es muss dies vor Ablauf bestimmter Fristen prüfen. Diese richten sich grundsätzlich nach § 67e Abs. 2 StGB. 3.3. Wie werden diese freiheitsentziehenden Maßregeln umgesetzt? Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt richtet sich gemäß § 138 Abs. 1 Satz 1 des Strafvollzugsgesetzes (StVollzG)28 nach Landesrecht, soweit Bundesgesetze nichts anderes bestimmen. Die Behandlung des Untergebrachten in einem psychiatrischen Krankenhaus richtet sich gemäß § 136 StVollzG nach ärztlichen Gesichtspunkten. Soweit möglich, soll er geheilt oder sein Zustand so weit gebessert werden, dass er nicht mehr gefährlich ist. Ihm wird die nötige Aufsicht, Betreuung und Pflege zuteil. Gemäß § 137 StVollzG ist es Ziel der Behandlung des Untergebrachten in einer Entziehungsanstalt , ihn von seinem Hang zu heilen und die zugrunde liegende Fehlhaltung zu beheben. Als landesgesetzliche Regelung sieht beispielsweise § 1 Abs. 1 Satz 1 des nordrhein-westfälischen Maßregelvollzugsgesetzes (MRVG)29 vor, dass Maßregeln der Besserung und Sicherung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt die betroffenen Patientinnen und Patienten durch Behandlung und Betreuung (Therapie) befähigen sollen, ein in die Gemein- 27 Ziegler, in: v. Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar StGB, 47. Edition, Stand: 01.08.2020, § 67d Rn. 6. 28 Strafvollzugsgesetz vom 16. März 1976 (BGBl. I S. 581, 2088; 1977 I S. 436), das zuletzt durch Artikel 7 des Gesetzes vom 9. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2146) geändert worden ist, abrufbar unter https://www.gesetze-im-internet .de/stvollzg/BJNR005810976.html; englische Übersetzung, Stand: Die Übersetzung berücksichtigt die Änderung (en) des Gesetzes durch Artikel 1 des Gesetzes vom 19. Juni 2019 (BGBl. I S. 840), abrufbar unter https://www.gesetze-im-internet.de/englisch_stvollzg/englisch_stvollzg.html. 29 Maßregelvollzugsgesetz vom 15. Juni 1999, GV. NRW. S. 402, geändert durch Gesetz v. 11.6.2002 (GV. NRW. S. 237); Artikel 63 des Vierten Befristungsgesetzes vom 5.4.2005 (GV. NRW. S. 332), in Kraft getreten am 30. April 2005; Art VI des Gesetzes v. 5.4.2005 (GV. NRW. S 408), in Kraft getreten am 5. Mai 2005; Artikel 3 des Gesetzes vom 27. Oktober 2009 (GV. NRW. S. 540), in Kraft getreten am 1. März 2010; Artikel 7 des Gesetzes vom 7. April 2017 (GV. NRW. S. 511), in Kraft getreten am 1. September 2017; Artikel 4 des Gesetzes vom 2. Juli 2019 (GV. NRW. S. 339), in Kraft getreten am 17. Juli 2019, abrufbar unter https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_text_anzeigen ?v_id=5320110406183667013. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 110/20 Seite 13 schaft eingegliedertes Leben zu führen. Weiterhin muss nach § 16 MRVG spätestens sechs Wochen nach der Aufnahme ein individueller Therapie- und Eingliederungsplan vorliegen. Die Therapie - und Eingliederungspläne erstrecken sich vornehmlich auf die Form der Unterbringung, die Zuweisung zu Behandlungsgruppen, medizinische, psychotherapeutische und heilpädagogische Behandlung, Pflege, Unterricht, Beschäftigungs- und Arbeitstherapie, Arbeit, Lockerung und die Eingliederung. Dauer und Umfang des Freiheitsentzuges richten sich gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 MRVG nach dem Erfolg der Therapie. Vollzugslockerungen dienen nach § 18 Abs. 1 Satz 4 MRVG grundsätzlich der Erreichung des Behandlungszweckes. Diese umfassen gemäß § 18 Abs. 2 MRVG insbesondere Ausführung oder Ausgang innerhalb eines Tages, die Beurlaubung, eine regelmäßige Beschäftigung außerhalb der Einrichtung mit und ohne Aufsicht und den offenen Vollzug. § 66c Abs. 1 StGB trifft Aussagen über die Ausgestaltung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung . Danach müssen die Einrichtungen, in denen die Unterbringung erfolgt, unter anderem folgende Voraussetzungen erfüllen: Die Einrichtungen müssen dem Untergebrachten auf der Grundlage einer umfassenden Behandlungsuntersuchung und eines regelmäßig fortzuschreibenden Vollzugsplans eine Betreuung anbieten , die individuell und intensiv sowie geeignet ist, seine Mitwirkungsbereitschaft zu wecken und zu fördern, insbesondere eine psychiatrische, psycho- oder sozialtherapeutische Behandlung , die auf den Untergebrachten zugeschnitten ist, soweit standardisierte Angebote nicht Erfolg versprechend sind, und die zum Ziel hat, seine Gefährlichkeit für die Allgemeinheit so zu mindern , dass die Vollstreckung der Maßregel möglichst bald zur Bewährung ausgesetzt oder sie für erledigt erklärt werden kann. Die Einrichtung muss zur Erreichung dieses Ziels vollzugsöffnende Maßnahmen gewähren und Entlassungsvorbereitungen treffen, soweit nicht zwingende Gründe entgegenstehen, insbesondere konkrete Anhaltspunkte die Gefahr begründen, der Untergebrachte werde sich dem Vollzug der Sicherungsverwahrung entziehen oder die Maßnahmen zur Begehung erheblicher Straftaten missbrauchen. Weiterhin müssen die Einrichtungen eine Unterbringung gewährleisten, die den Untergebrachten so wenig wie möglich belastet, grundsätzlich vom Strafvollzug getrennt in besonderen Gebäuden oder Abteilungen erfolgt und, soweit Sicherheitsbelange nicht entgegenstehen, den allgemeinen Lebensverhältnissen angepasst ist. 3.4 Welche anderen relevanten Regelungen existieren in Bezug auf diese freiheitsentziehenden Maßregeln? In Bezug auf die Sicherungsverwahrung haben die Bundesländer eigene Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetze erlassen.30 Betreffend die Einzelheiten der Unterbringung in einem psychiatri- 30 Beispielsweise das Berliner Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz (SVVollzG Bln) vom 27. März 2013 (GVBl. für Berlin, S. 71), zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 04.04.2016 (GVBl. für Berlin, S. 152, 204), abrufbar unter https://www.berlin.de/justizvollzug/service/recht/gesetze/svvollzg-bln/artikel.521850.php. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 110/20 Seite 14 schen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt existieren ebenfalls landesrechtliche Vorschriften .31 Beispielsweise ist gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 des Berliner PsychKG eine im psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt untergebrachte Person in ihrer Würde und ihrer persönlichen Integrität zu achten und zu schützen. *** 31 Vgl. beispielsweise das Berliner Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (PsychKG) vom 17. Juni 2016, verkündet als Artikel 1 des Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (PsychKG) vom 17. Juni 2016 (GVBl. für Berlin, S. 336) abrufbar unter http://gesetze.berlin .de/jportal/portal/t/16i5/page/bsbeprod.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste &documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=jlr-PsychKGBE2016rahmen &doc.part=X&doc.price=0.0&doc.hl=1#focuspoint oder das rheinland-pfälzische Landesgesetz über den Vollzug freiheitsentziehender Maßregeln vom 22. Dezember 2015, GVBl. für das Land Rheinland-Pfalz 2015, 487, letzte berücksichtigte Änderung: geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 03.09.2018 (GVBl. für das Land Rheinland-Pfalz, S. 276), abrufbar unter http://www.landesrecht.rlp.de/jportal/portal /t/16n1/page/bsrlpprod.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber =12&numberofresults=73&fromdoctodoc=yes&doc.id=jlr-MVollz- GRP2015pG1&doc.part=X&doc.price=0.0&doc.hl=1#focuspoint.