© 2016 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 109/16 Bilanzrechtliche Erleichterungen für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 7 - 3000 - 109/16 Seite 2 Bilanzrechtliche Erleichterungen für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 109/16 Abschluss der Arbeit: 24.06.2016 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 7 - 3000 - 109/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Bilanzrechtliche Ausnahmeregelungen für KMU unter dem HGB 5 3. Weitere gesetzliche Regelungen 7 4. Zusammenfassung 8 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 7 - 3000 - 109/16 Seite 4 1. Einleitung Vorliegend werden diejenigen Vorschriften der Bundesgesetzgebung aus dem Bereich des Bilanzrechts dokumentiert, die eine Erleichterung der Bilanzpflichten von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) bewirken. Das Bilanzrecht ist in den §§ 238 ff. des Handelsgesetzbuches (HGB) geregelt.1 Das HGB enthält keine eigene Definition von KMU und verwendet den Begriff auch nicht. Lediglich für Kapitalgesellschaften wird in §§ 267, 267a HGB eine größenabhängige Unterscheidung von Kleinstkapitalgesellschaften, kleinen, mittelgroßen und großen Kapitalgesellschaften getroffen (die allerdings auf andere Gesellschaftsformen unter bestimmten Bedingungen übertragbar ist, vgl. § 264a HGB). Diese Klassifizierung ist nicht deckungsgleich mit der Definition, die etwa die EU-Kommission2 oder das Institut für Mittelstandsforschung (IfM)3 zur Begriffsbestimmung anlegen. EU-Kommission wie IfM zählen zu den KMU die sogenannten Kleinstunternehmen sowie kleine und mittlere Unternehmen. Das IfM zieht dabei als Parameter lediglich die Anzahl der Beschäftigten sowie den Jahresumsatz heran. KMU unter dem Verständnis des IfM sind Unternehmen mit weniger als 500 Beschäftigten und einem Jahresumsatz bis zu 50 Millionen Euro. Die Definition der EU-Kommission knüpft ebenfalls an die Zahl der Beschäftigten in einem Unternehmen an und sieht als ergänzendes Kriterium wahlweise den Umsatz oder die Bilanzsumme vor. KMU im Sinne der Definition der EU-Kommission sind demnach Unternehmen, die weniger als 249 Beschäftigte aufweisen und bei denen zusätzlich entweder der Jahresumsatz nicht mehr als 50 Millionen Euro oder die Bilanzsumme nicht mehr als 43 Millionen Euro beträgt . In dieser Dokumentation werden auftragsgemäß diejenigen bilanzrechtlichen Ausnahmeregelungen behandelt, die Relevanz für KMU im Sinne der Definition der EU-Kommission oder des IfM beinhalten, also für Kleinst-, Klein- und Mittelunternehmen gelten. Folglich waren die Regelungen der §§ 238 ff. HGB daraufhin zu untersuchen, ob sie Ausnahmevorschriften enthalten, die auf die von EU-Kommission bzw. vom IfM verwendeten Definitionen passen. Auf die handelsrechtliche Unterscheidung zwischen kleinen, mittelgroßen und großen Kapitalgesellschaften sowie Kleinstkapitalgesellschaften im Sinne der §§ 267, 276a HGB wird nur insoweit eingegangen, wie dies hinsichtlich der zugrunde zu legenden Definition von KMU erforderlich ist. Hinsichtlich der bestehenden Sonderregelungen wird jeweils die Reichweite der Regelung für KMU erläutert . Daneben ist auf ergänzende Regelungen in anderen Gesetzen einzugehen.4 1 Handelsgesetzbuch in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 4100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 10. Mai 2016 (BGBl. I S. 1142). 2 Empfehlung der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen, ABl. L 124 vom 20.5.2003, S. 36 ff. (abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal -content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32003H0361&from=EN). 3 Vgl. die Definition des IfM unter http://www.ifm-bonn.org/definitionen/kmu-definition-des-ifm-bonn/ (Stand: 22. Juni 2016). 4 Keine Berücksichtigung finden daher etwa internationale, teilweise speziell auf KMU zugeschnittene Standards zur Rechnungslegung, auch soweit die Bundesgesetzgebung diese, etwa über die §§ 325 Abs. 2a, 315a HGB, teilweise für anwendbar erklärt. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 7 - 3000 - 109/16 Seite 5 2. Bilanzrechtliche Ausnahmeregelungen für KMU unter dem HGB Das HGB enthält folgende Vorschriften, die bilanzrechtliche Erleichterungen für KMU bewirken: § 241a HGB, Befreiung von der Pflicht zur Buchführung und Erstellung eines Inventars für bestimmte Einzelkaufleute. § 241a HGB lautet: Einzelkaufleute, die an den Abschlussstichtagen von zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren nicht mehr als jeweils 600 000 Euro Umsatzerlöse und jeweils 60 000 Euro Jahresüberschuss aufweisen, brauchen die §§ 238 bis 241 nicht anzuwenden. Im Fall der Neugründung treten die Rechtsfolgen schon ein, wenn die Werte des Satzes 1 am ersten Abschlussstichtag nach der Neugründung nicht überschritten werden. Die Regelung gilt damit nur für Einzelkaufleute. Auch bei diesen kann es sich in Ansehung etwa des von der Kommission angelegten Unternehmensbegriffs5 jedoch um KMU handeln. In Ansehung der Obergrenzen für den Umsatzerlös gilt die Regelung jedoch nicht für alle KMU, sondern nur für einen Teilbereich der sogenannten Kleinstunternehmen . § 242 Abs. 4 HGB, Befreiung von der Pflicht zur Aufstellung von Eröffnungsbilanz und Bilanz für bestimmte Einzelkaufleute. Zur Reichweite der Regelung gelten die obigen Darstellungen zu § 241a HGB entsprechend . § 264 Abs. 1 Satz 4 und 5 HGB, Vereinfachung von Jahresabschluss, Anhang und Lagebericht für Kleinstkapitalgesellschaften und kleine Kapitalgesellschaften.6 § 264 Abs. 1 Satz 4 und 5 HGB lauten: Kleine Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1) brauchen den Lagebericht nicht aufzustellen; sie dürfen den Jahresabschluß auch später aufstellen, wenn dies einem ordnungsgemäßen Geschäftsgang entspricht, jedoch innerhalb der ersten sechs Monate des Geschäftsjahres. Kleinstkapitalgesellschaften (§ 267a) brauchen den Jahresabschluss nicht um einen Anhang zu erweitern, wenn sie 1. die in § 268 Absatz 7 genannten Angaben, 2. die in § 285 Nummer 9 Buchstabe c genannten Angaben und 3. im Falle einer Aktiengesellschaft die in § 160 Absatz 3 Satz 2 des Aktiengesetzes genannten Angaben unter der Bilanz angeben. 5 Empfehlung der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen, ABl. L 124 vom 20.5.2003, S. 36 Erwägungsgrund 3 (abrufbar unter http://eurlex .europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32003H0361&from=EN). 6 Die Regelungen für kleine Kapitalgesellschaften gelten grundsätzlich auch für Kleinstkapitalgesellschaften, sofern nicht für Kleinstkapitalgesellschaften abweichende Regelungen bestehen, vgl. Zwirner/Froschhammer, „Reform “ der Rechnungslegung für Kleinstkapitalgesellschaften durch das MicroBilG – Umfassender Mehrwert fraglich, in: Steuerrecht kurzgefasst (SteuK) 2013, S. 23. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 7 - 3000 - 109/16 Seite 6 Die Erleichterungen gelten demnach nur für solche KMU, die als Kapitalgesellschaften organisiert sind und die hinsichtlich der Beschäftigtenzahl, des Umsatzerlöses bzw. der Bilanzsumme die Einstufung als Kleinstkapitalgesellschaften bzw. kleine Kapitalgesellschaften im Sinne der §§ 267 Abs. 1, 267a HGB qualifiziert werden können. KMU können, abhängig von den genannten Parametern, als kleine Kapitalgesellschaften bzw. Kleinstkapitalgesellschaften qualifiziert werden, müssen es aber nicht. Abhängig von den genannten Parametern können KMU auch als mittelgroße bzw. große Kapitalgesellschaften eingestuft werden. Eine genaue Klassifizierung lässt sich daher nur im Einzelfall vornehmen. Über den Verweis in § 264a HGB können auch andere Handelsgesellschaften, sofern ein persönlich haftender Gesellschafter fehlt (insbesondere etwa bei der GmbH & Co KG), in den Anwendungsbereich der Vorschrift fallen. § 266 Abs. 1 Satz 3 und 4 HGB, Möglichkeit der verkürzten Bilanz für Kleinstkapitalgesellschaften und kleine Kapitalgesellschaften. Zur Anwendung auf KMU siehe oben die Ausführungen zu § 264 Abs. 1 Satz 4 und 5 HGB. § 274a HGB, größenabhängige Erleichterungen bei bestimmten Verpflichtungen von kleinen Kapitalgesellschaften. § 274a HGB lautet: Kleine Kapitalgesellschaften sind von der Anwendung der folgenden Vorschriften befreit: 1. § 268 Abs. 4 Satz 2 über die Pflicht zur Erläuterung bestimmter Forderungen im Anhang , 2. § 268 Abs. 5 Satz 3 über die Erläuterung bestimmter Verbindlichkeiten im Anhang, 3. § 268 Abs. 6 über den Rechnungsabgrenzungsposten nach § 250 Abs. 3, 4. § 274 über die Abgrenzung latenter Steuern. Zur Anwendung auf KMU siehe oben die Ausführungen zu § 264 Abs. 1 Satz 4 und 5 HGB. § 275 Abs. 5 HGB, vereinfachte Gewinn- und Verlustrechnung für Kleinstkapitalgesellschaften . Zur Anwendung auf KMU siehe oben die Ausführungen zu § 264 Abs. 1 Satz 4 und 5 HGB. § 276 HGB, vereinfachte Gewinn- und Verlustrechnung für kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften . Zur Anwendung auf KMU siehe oben die Ausführungen zu § 264 Abs. 1 Satz 4 und 5 HGB. § 288 Abs. 1 und 2 HGB, vereinfachte Regelungen für den Anhang bei kleinen und mittelgroßen Kapitalgesellschaften. Zur Anwendung auf KMU siehe oben die Ausführungen zu § 264 Abs. 1 Satz 4 und 5 HGB. § 293 HGB, Befreiungen von der Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses und einem Konzernlagebericht für bestimmte Mutterunternehmen, abhängig von der Größe von Mutter- und Tochterunternehmen. Die Norm adressiert den Fall einer gemeinsamen Bilanzierung von Mutter- und Tochterunternehmen im Konzernabschluss. Anwendbar ist die Befreiung unter den § 293 Abs. 1 Nr. 1 und 2 HGB definierten Voraussetzungen, die auf KMU zutreffen können (aber nicht müssen). Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 7 - 3000 - 109/16 Seite 7 § 316 Abs. 1 HGB, Ausnahme von der Prüfungspflicht bezüglich Jahresabschluss und Lagebericht für kleine Kapitalgesellschaften. Zur Anwendung auf KMU siehe oben die Ausführungen zu § 264 Abs. 1 Satz 4 und 5 HGB. § 319 Abs. 1 S. 2 HGB, Zulassung von Buchprüfern als Abschlussprüfer für mittelgroße GmbH oder mittelgroße Personengesellschaften im Sinne des § 264a Abs. 1 HGB. Darunter können auch KMU fallen. § 325a Abs. 3 Satz 2 HGB, Geltung des Gesellschaftsstatuts für Offenlegungsfragen bei Zweigniederlassungen von Kleinstkapitalgesellschaften. Zur Anwendung auf KMU siehe oben die Ausführungen zu § 264 Abs. 1 Satz 4 und 5 HGB. § 326 HGB, vereinfachte Offenlegung für Kleinst- und Kleinkapitalgesellschaften. Zur Anwendung auf KMU siehe oben die Ausführungen zu § 264 Abs. 1 Satz 4 und 5 HGB. § 327 HGB, Erleichterung der Offenlegung für mittelgroße Kapitalgesellschaften. Zur Anwendung auf KMU siehe oben die Ausführungen zu § 264 Abs. 1 Satz 4 und 5 HGB. § 336 HGB, entsprechende Anwendung bestimmter Erleichterungsvorschriften für Kleinstgenossenschaften, d.h. solche Genossenschaften, die die Merkmale für Kleinstkapitalgesellschaften aufweisen. § 338 Abs. 4 HGB, Befreiung von der Anhangspflicht für Kleinstgenossenschaften. 3. Weitere gesetzliche Regelungen Daneben kommen ergänzend bilanzrechtliche Vorschriften mit Relevanz für KMU auch in anderen Gesetzen zum Tragen. Solche Regelungen finden sich für die Aktiengesellschaft (AG) im Aktiengesetz (AktG)7: § 152 Abs. 4 Satz 1 und 2 AktG, Erleichterungen der Vorschriften zur Bilanz für Kleinstkapitalgesellschaften und kleinen Aktiengesellschaften. Zur Anwendung auf KMU siehe oben die Ausführungen zu § 264 Abs. 1 Satz 4 und 5 HGB. § 158 Abs. 3 AktG, Vereinfachung bei Gewinn- und Verlustrechnung für Kleinstkapitalgesellschaften . Zur Anwendung auf KMU siehe oben die Ausführungen zu § 264 Abs. 1 Satz 4 und 5 HGB. § 160 Abs. 3 HGB, Vereinfachung beim Anhang für kleine Kapitalgesellschaften. Zur Anwendung auf KMU siehe oben die Ausführungen zu § 264 Abs. 1 Satz 4 und 5 HGB. 7 Aktiengesetz vom 6. September 1965 (BGBl. I S. 1089), zuletzt geändert durch Artikel 5 des Gesetzes vom 10. Mai 2016 (BGBl. I S. 1142). Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 7 - 3000 - 109/16 Seite 8 4. Zusammenfassung Da das HGB selbst den Begriff der KMU nicht kennt, kann von bilanzrechtlichen Sonderregeln für KMU nur insoweit die Rede sein, als dass KMU entweder unter den Begriff des Einzelhandelskaufmanns im Sinne des § 241a HGB fallen oder als Kleinstkapitalunternehmen bzw. kleine oder mittelgroße Kapitalunternehmen im Sinne der §§ 267, 267a HGB (bzw. diesen gleichzustellenden Handelsgesellschaften nach § 264a HGB) zu qualifizieren sind. Dieses kann, muss aber nicht der Fall sein. Gerade für Einzelkaufleute im Sinne des § 241a HGB sowie für Kleinstkapitalgesellschaften und kleine Kapitalgesellschaften kennt das Bilanzrecht des HGB diverse Befreiungen und Erleichterungen von den allgemeinen Vorschriften zur Rechnungslegung. Ergänzende Vorschriften für Kleinstkapitalgesellschaften und kleine Kapitalgesellschaften finden sich für die AG im AktG. Ende der Bearbeitung