WD 7 - 3000 - 108/20 (15. Oktober 2020) © 2020 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Das dauerhafte Abstellen von nicht länger in Gebrauch befindlichen oder defekten Altfahrrädern stößt auch in Mietshäusern oftmals auf das Unverständnis von Mitbewohnern und Vermietern. Letztere sind auf Grundlage vertraglicher und / oder öffentlich-rechtlicher Bestimmungen mitunter sogar zu einer Entfernung solcher „Fahrradleichen“ (vgl. Kettler) verpflichtet. Nachfolgend werden die zivilrechtlichen Rahmenbedingungen einer durch den jeweiligen Vermieter durchgeführten bzw. veranlassten Entsorgung solcher Altfahrräder allgemein und überblicksartig dargestellt . Hierbei soll auch summarisch die Frage beleuchtet werden, ob insoweit zwischen Mietverhältnissen mit und ohne entsprechende vertragliche oder hausordnungsrechtliche Regelungen zu differenzieren ist. Grundsätzlich stehen die auf Gemeinschaftsflächen (insb. Hausflur, Innenhof, Durchfahrt) abgestellten Fahrräder im Eigentum der jeweiligen Mieter. Ihnen steht insoweit die alleinige Verfügungsmacht zu (vgl. § 903 Satz 1 BGB). Diese sog. Eigentümerbefugnis ist weit auszulegen; sie beinhaltet das Recht, „mit der Sache nach Belieben zu verfahren“ (vgl. BGH 2010), sie also unter anderem auch verfallen zu lassen (vgl. BGH 2014). Eine zivilrechtliche Zugriffs- und Entsorgungsbefugnis des Vermieters besteht demgegenüber nur dann, wenn die jeweiligen Eigentümer ihr Eigentum an der Sache zuvor aufgegeben haben (sog. Dereliktion). Eine bewegliche Sache wird demnach herrenlos, wenn der Eigentümer in der Absicht, auf das Eigentum zu verzichten, den Besitz der Sache aufgibt (vgl. § 959 BGB). Dies wiederum erfordert nach § 856 Abs. 1 BGB, dass die tatsächliche Gewalt über die Sache aufgegeben oder in anderer Weise verloren wird. Eine bloße Nichtbenutzung reicht hierfür indes regelmäßig nicht aus (vgl. Fritsche). Allein anhand des Umstands, dass ein Fahrrad alt oder defekt ist, einen erheblichen und ggf. unwirtschaftlichen Reparaturbedarf aufweist oder längere Zeit ungenutzt Gemeinschaftsflächen blockiert , ist mithin nicht rechtssicher zu beurteilen, ob der jeweilige Wohnungsmieter die tatsächliche Gewalt über sein Fahrrad aufgegeben hat. Maßgeblich ist vielmehr die zivilrechtliche Beurteilung der Eigentumslage in jedem Einzelfall. Allerdings wird mitunter gerade im Abschließen ein klares Indiz dafür gesehen, dass das jeweilige Fahrrad weiterhin als im Eigentum des Mieters stehend anzusehen ist; dies gelte auch für Räder in technisch schlechtem Zustand, denn „die Grenze zwischen benutzungsfähig und Wrack“ sei im Einzelfall schwer zu ziehen (vgl. etwa Kettler ). Auch die in der Praxis offenbar genutzte Möglichkeit, durch entsprechende Aushänge auf Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Zivilrechtliche Einzelfragen der Entsorgung von Altfahrrädern aus Mietshäusern Kurzinformation Zivilrechtliche Einzelfragen der Entsorgung von Altfahrrädern aus Mietshäusern Fachbereich WD 7 (Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 die bevorstehende Entsorgung von alten, nicht mehr benutzen Fahrrädern aufmerksam zu machen und gleichzeitig innerhalb einer bestimmten Frist die Kennzeichnung genutzter Fahrräder zu verlangen, wurde von der Rechtsprechung nicht abschließend beurteilt. Gleichwohl wurde in einem Einzelfall entschieden, dass den Vermieter auch dann eine Schadensersatzpflicht trifft, wenn dieser nach einem entsprechenden Aushang und unterbliebener Rückmeldung des Mieters unbefugt funktionstüchtige Fahrräder entsorgen lässt (vgl. AG Tempelhof-Kreuzberg). Selbst nach Beendigung des Mietverhältnisses kann der Vermieter zurückgelassene Fahrräder nicht ohne weiteres entsorgen. Vielmehr können auch dann nachwirkende vertragliche Nebenpflichten (hier: sog. Obhuts- und Aufbewahrungspflichten) hinsichtlich nicht offensichtlich wertloser Gegenstände gelten, die der Mieter bei seinem Auszug zurücklässt (vgl. dazu Streyl m.w.N.). Eine andere Bewertung kann sich im konkreten Einzelfall aus dem Mietvertrag oder einer ergänzend einbezogenen Hausordnung (vgl. dazu Leist) ergeben. Die bei Wohnraummietverhältnissen nur in den Grenzen der §§ 535 ff. BGB gewährleistete (Miet)vertragsfreiheit lässt es insoweit etwa grundsätzlich zu, die Benutzung von Allgemeinflächen einzuschränken oder an bestimmte Bedingungen zu knüpfen (vgl. Häublein). Auch hausordnungsrechtliche Regelungen, die in der Regel als Allgemeine Geschäftsbedingungen anzusehen sind (vgl. Mayer/Eichel/Klinck) und daher einer Überprüfung anhand der verbraucherschützenden Vorschriften der §§ 305 ff. BGB unterliegen , können derartige Bestimmungen vorsehen. Diese dürfen die Mieter nach § 307 Abs. 1 BGB aber insbesondere nicht unangemessen benachteiligen. So werden etwa formularmäßige Verbote der Benutzung von Innenhöfen, Fluren oder Treppenzugängen zum Abstellen von Fortbewegungsmitteln als problematisch erachtet (vgl. etwa Leist). Entsprechende Einschränkungen oder Verbote würden in der Regel auch persönliche Fortbewegungsmittel wie etwa Rollatoren umfassen , was aufgrund der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte in das zivilrechtliche Mietverhältnis zu einer Unzulässigkeit führen könne (vgl. Leist). Quellen: – Kettler: Das Abschleppen von Fahrrädern, in: Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht (NZV) 2003, S. 209. – BGB: Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 12. Juni 2020 (BGBl. I S. 1245) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/ (letzter Abruf am 15. Oktober 2020). – BGH, Urteil vom 16. April 2010, Az.: V ZR 171/09, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2010, S. 1808. – BGH, Urteil vom 17. Oktober 2014, Az.: V ZR 9/14, Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht (NZM) 2015, S. 53. – Fritsche, in: Beck’scher Online-Kommentar zum BGB, 55. Edition, Stand 1. August 2020, § 856 BGB, Rn. 4. – Leist: „Lebensraum“ Treppenhaus: Die (un-)zulässige Nutzung von Gemeinschaftsräumen, NZM 2019, S. 658. – AG Tempelhof-Kreuzberg, Urteil vom 20. Juli 2012, Az.: 23 C 9/12 (nicht veröffentlicht), zitiert nach Berliner MieterGemeinschaft: Schadensersatz wegen Entsorgung von Fahrrädern bei Entrümpelungsaktion des Vermieters, abrufbar unter: https://www.bmgev.de/mietrecht/urteile/detailansicht/schadensersatz-wegen-entsorgung-von-fahrraedern -bei-entruempelungsaktion-des-vermieters/ (letzter Abruf am 15. Oktober 2020). – Streyl, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 14. Auflage 2019, § 546 BGB, Rn. 59. – Häublein, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020 , § 553 BGB, Rn. 82. – Mayer/Eichel/Klinck: Hausordnung im Mietverhältnis, NZM 2018, S. 689. ***