Lärmschutz bei der Außengastronomie - Ausarbeitung - © 2006 Deutscher Bundestag WD 7 - 108/06 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser: Lärmschutz bei der Außengastronomie Ausarbeitung WD 7 - 108/06 Abschluss der Arbeit: 08.05.2006 Fachbereich WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - Zusammenfassung - Der Lärmschutz bei der Außengastronomie wird durch die Vorschriften des Immissionsschutzrechts und des Gaststättenrechts gewährleistet. Die Bundesgesetze sehen jeweils einen bestimmten Rahmen vor, den die Länder durch eigene Rechtsvorschriften konkretisieren. Die im Bereich der Lärmbekämpfung derzeit bestehende konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes soll nach dem Willen der Bundesregierung unter anderem im Bereich der Außengastronomie in eine ausschließliche Länderkompetenz geändert werden. Inhalt 1. Einleitung und Aktuelles 4 2. Immissionsschutzrecht 4 3. Gaststättenrecht 6 - 4 - 1. Einleitung und Aktuelles Der Lärmschutz im Bereich der Außengastronomie richtet sich sowohl nach Bundesrecht als auch nach Landesrecht. Das Bundes-Immissionsschutzgesetz1 und das Gaststättengesetz 2 enthalten allgemeine Vorschriften, deren Konkretisierung den Ländern obliegt. Beide Regelungsbereiche stehen nebeneinander. Im Folgenden wird zunächst der Bereich des Immissionsschutzrechts näher betrachtet (Ziffer 2). Anschließend ist auf das Gaststättenrecht einzugehen (Ziffer 3). Dabei ist zwischen einem unmittelbaren Lärmschutz durch die Erteilung oder die Aufhebung einer Gaststättengenehmigung und dem mittelbaren Lärmschutz durch die Vorschriften über die Sperrzeit zu unterscheiden. Zu beachten ist, dass im Rahmen der so genannten Föderalismusreform eine Kompetenzverschiebung im Bereich der Lärmbekämpfung zu Gunsten der Länder beabsichtigt ist. Danach soll die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für die Lärmbekämpfung (Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG) künftig nicht mehr den Lärm von Sportanlagen und anderen Einrichtungen erfassen, die der Freizeitgestaltung dienen oder eine soziale Zweckbestimmung haben. Derartige Anlagen, zu denen auch Gaststätten zählen, sollen aufgrund ihrer überwiegend lokalen Bedeutung künftig in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder fallen.3 2. Immissionsschutzrecht Ziel des BImSchG ist der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen, also vor Immissionen , die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen (§§ 1 Abs. 1 i. V. m. 3 Abs. 1 BImSchG). 1 Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz – BImSchG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. September 2002, BGBl. I S. 3830, zuletzt geändert durch Art. 1 G zur Umsetzung der Richtlinie 2003/105/EG zur Änderung der Richtlinie 96/82/EG zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen vom 25.6.2005 (BGBl. I S. 1865). 2 Gaststättengesetz (GaststättenG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. November 1998, BGBl. I S. 3418, zuletzt geändert durch Art. 33 G zur Umbenennung des Bundesgrenzschutzes in Bundespolizei vom 21.6.2005 (BGBl. I S. 1818). 3 Siehe Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 22, 23, 33, 52, 72, 73, 74, 74a, 75, 84, 85, 87c, 91a, 91b, 93, 98, 104a, 104b, 105, 107, 109, 125a, 125b, 125c, 143c) der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vom 7. März 2006, BT-Drs. 16/813, S. 13. - 5 - Gemäß § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG sind unter Anlagen im Sinne des BImSchG Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen zu verstehen. Hierzu gehören auch Gaststätten , so dass die Vorschriften des BImSchG auf sie anwendbar sind.4 Für Gaststätten gelten die §§ 22 ff. BImSchG, da es sich bei ihnen um nicht genehmigungsbedürftige Anlagen im Sinne des BImSchG handelt. Anforderungen an Gaststätten können unter anderem im Hinblick auf den Lärmschutz durch Rechtsverordnung konkretisiert werden . So hat die Bayrische Staatsregierung auf Grund des § 23 Abs. 2 Satz 1 BImSchG die Bayerische Biergarten-Verordnung vom 20.4.1999 erlassen.5 Sie enthält Vorschriften zum Schutz vor Geräuschen – differenziert nach Baugebieten – und über den Betrieb und die Betriebszeit. Anhaltspunkte für die Bestimmung und Messung des zulässigen Lärmpegels bieten Erfahrungswerte , die in Fachnormen und Verwaltungsvorschriften dargelegt sind. Zu nennen sind vor allem die VDI-Richtlinie 2058 Bl. 1 „Beurteilung von Arbeitslärm in der Nachbarschaft“6, die „Hinweise zur Beurteilung von Freizeitlärm“ (LAI-Hinweise)7, die vom Länderausschuss für Immissionsschutz erstellt worden sind und insbesondere die TA Lärm8. Die TA-Lärm ist eine Verwaltungsvorschrift auf der Grundlage von § 48 BImSchG. Als Verwaltungsvorschrift ist sie zunächst nur für Behörden verbindlich. Allerdings wird sie auch von den Gerichten als normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift als verbindlich angewendet.9 Sie gilt gemäß Nr. 1 auch für Gaststätten, allerdings mit Ausnahme von Freiluftgaststätten (Nr. 1b). Dennoch wenden Behörden und Gerichte die TA Lärm entsprechend auch auf Freiluftgaststätten – wenn auch „nicht schematisch “ – an.10 Eine nähere Regelung hat die Berücksichtigung von Verkehrslärm in Nr. 7.4 TA-Lärm erfahren. Die Vorschrift ist auch bei Gaststätten im Hinblick auf den durch sie verursachten Verkehrslärm – etwa durch an- und abfahrende Gäste oder Lieferfahrzeuge – bedeutsam.11 Im Übrigen richtet sich die Ermittlung des Lärms nach den technischen Vorschriften der Anlage zur TA-Lärm; Initiativen zur Änderung der Messung von Gaststättenlärm nicht bekannt. 4 Vgl. Metzner, GastG – Kommentar, 6. Auflage 2002, § 4 Rn. 243. 5 Bay GVBl. 1999, 142. 6 Richtlinie des Verbandes Deutscher Ingenieure (VDI), abrufbar im Internet unter www.vdi.de. (Stand: 20.05.2006). 7 Vgl. Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 1985, 98; 1988, 135, 1997, 469. 8 Sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz – Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA-Lärm) vom 26. August 1998, GMBl. S. 503. 9 Vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. April 2003 – 6 B 12.03; GewArch 2003, 300 (301). 10 Vgl. VG Stuttgart, Urteil vom 27. März 2001 – 12 K 188/01; GewArch 2001, 299 (300); Spies, Einige Aspekte des Gaststätten- und Freizeitlärms, GewArch 2004, 453 (454). 11 VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.6.2002, 14 S 2736/01, Rn. 67. - 6 - Zum von einer Gaststätte ausgehenden Lärm zählen zum einen die Geräusche, die von der Gaststätte selbst ausgehen (z.B. Musik, Maschinen, Ventilatoren). Zugerechnet wird der Gaststätte aber auch der von den Gästen ausgehende Lärm, unabhängig davon, ob dieser von den Gästen verursacht wird, die sich in der Gaststätte selbst oder auf dem Weg zur Gaststätte befinden oder sie verlassen, solange und soweit ein funktionaler Zusammenhang mit der Anlage besteht.12 Im Falle der Verursachung schädlicher Umwelteinwirkungen kann die zuständige Behörde gemäß § 24 BImSchG Anordnungen im Einzelfall treffen oder gemäß § 25 BIm- SchG – falls der Anlagenbetreiber den Anordnungen nicht nachkommt – den Betrieb der Anlage ganz oder teilweise bis zur Erfüllung der Anordnungen untersagen. 3. Gaststättenrecht Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 GaststättenG bedarf derjenige, der ein Gaststättengewerbe betreiben will, der Erlaubnis. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GaststättenG ist die Erlaubnis unter anderem dann zu versagen, wenn der Betrieb schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des BImSchG befürchten lässt. Die Erlaubnis ist gemäß § 15 Abs. 2 Gaststätten G zu widerrufen, wenn der Betrieb der Gaststätte nachträglich schädliche Umwelteinwirkungen verursacht. Somit wird der Lärmschutz unmittelbar auch durch das Gaststättenrecht gewährleistet. Ein mittelbarer Lärmschutz ergibt sich zudem aus den Vorschriften zur Sperrzeit. Gemäß § 18 GaststättenG kann durch Rechtsverordnung der Landesregierungen eine Sperrzeit allgemein festgesetzt werden. Die landesrechtlichen Vorschriften sehen eine allgemeine Sperrzeit je nach Bundesland zwischen 1 Uhr und 5 Uhr vor. Im Bereich der Außengastronomie ist die Sperrzeit dagegen in der Regel auf 22 Uhr bzw. 23 Uhr begrenzt . Zum GaststättenG haben die Länder folgende Regelungen erlassen: – Baden-Württemberg: GaststättenVO idF der Bek. v. 18. 2. 1991 (GBl. S. 195, ber. 1992 S. 227), zuletzt geänd. durch G v. 14. 12. 2004 (GBl. S. 895) – Bayern: GaststättenVO v. 22. 7. 1986 (GVBl S. 295), zuletzt geänd. durch G v. 27. 12. 2004 (GVBl S. 539) – Berlin: GaststättenVO v. 10. 9. 1971 (GVBl. S. 1778), zuletzt geänd. durch G v. 14. 12. 2005 (GVBl. S. 754) – Brandenburg: GaststättenG-AusführungsVO; SperrzeitVO v. 30. 11. 1993 (GVBl. II 12 BVerwG, Beschluss vom 18. September 1991 – 1 B 107.91; GewArch 1992, 34; Metzner, GastG – Kommentar, 6. Auflage 2002, § 4 Rn. 270 ff. - 7 - S. 768) – Bremen: GaststättenVO v. 3. 5. 1971 (Brem.GBl. S. 131), zuletzt geänd. durch Bek. v. 22. 6. 2004 (Brem.GBl. S. 313) – Hamburg: GaststättenVO v. 27. 4. 1971 (GVBl. S. 81), zuletzt geänd. durch VO v. 2. 12. 2003 (GVBl. S. 553) – Hessen: Gewerbe- und Gaststättenrechts-ZuständigkeitsVO v. 20. 6. 2002 (GVBl. I S. 395), geänd. durch VO v. 27. 7. 2005 (GVBl. I S. 562); SperrzeitVO v. 27. 6. 2001 (GVBl. I S. 319) – Mecklenburg-Vorpommern: GaststättenG-AusführungsVO v. 17. 6. 1994 (GVOBl. M-V S. 679) – Niedersachsen: SperrzeitVO v. 8. 6. 1971 (Nds. GVBl. S. 223), zuletzt geänd. durch VO v. 11. 11. 2004 (Nds. GVBl. S. 460) – Nordrhein-Westfalen: GaststättenVO v. 28. 1. 1997 (GV. NRW. S. 17), zuletzt geänd . durch G v. 5. 4. 2005 (GV. NRW. S. 332) – Rheinland-Pfalz: GaststättenVO v. 2. 12. 1971 (GVBl. S. 274), zuletzt geänd. durch VO v. 11. 8. 2005 (GVBl. S. 365) – Saarland: GaststättenVO v. 27. 4. 1971 (Amtsbl. S. 257), zuletzt geänd. durch G v. 18. 2. 2004 (Amtsbl. S. 822) – Sachsen: GaststättenVO v. 16. 6. 1992 (SächsGVBl. S. 295), geänd. durch VO v. 11. 12. 2001 (SächsGVBl. S. 725) – Sachsen-Anhalt: GaststättenVO v. 15. 10. 1994 (GVBl. LSA S. 975), geänd. durch VO v. 10. 1. 2006 (GVBl. LSA S. 6); SperrzeitVO v. 21. 10. 1991 (GVBl. LSA S. 375), geänd. durch VO v. 18. 12. 2001 (GVBl. LSA S. 589) – Schleswig-Holstein: GaststättenVO v. 1. 4. 2003 (GVOBl. Schl.-H. S. 187); Sperrzeit VO – Thüringen: Thüringer GaststättenVO v. 9. 1. 1992 (GVBl. S. 43), zuletzt geänd. durch VO v. 1. 6. 2004 (GVBl. S. 586). Gemäß § 18 Satz 2 GaststättenG ist in der Rechtsverordnung zu bestimmen, dass die Sperrzeit bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses oder besonderer örtlicher Verhältnisse allgemein oder für einzelne Betriebe verlängert, verkürzt oder aufgehoben werden kann. Nur in diesem Rahmen dürfen die Länder Bestimmungen erlassen, nach denen von der allgemeinen Sperrzeit abgewichen werden kann. Im Übrigen sind die Länder bei der Bestimmung der Sperrzeit frei. Besondere örtliche Verhältnisse, die eine abweichende Regelung der Sperrzeit für eine Gast- und Vergnügungsstätte rechtfertigen , setzen eine atypische Situation des Einwirkungsbereichs voraus.13 Ein öffentliches Bedürfnis besteht, wenn ein Abweichen von der Regel im Interesse der Allgemeinheit gerechtfertigt ist.14 13 VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.6.2002, 14 S 2736/01, Rn. 47. 14 VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.6.2002, 14 S 2736/01, Rn. 48. - 8 - Bei einer Verlängerung der Sperrzeit ist zu beachten, dass auch während der verlängerten Öffnungszeit schädliche Umwelteinwirkungen nach §§ 3, 22 BImSchG zu vermeiden sind.