© 2016 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 106/16 Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung von AGB durch Handwerkskammern nach §§ 1, 3 Unterlassungsklagengesetz Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Wirkungen eines Urteils zwischen Handwerkskammer und Anspruchsgegner 8 4. Fakultative oder obligatorische Geltendmachung des Anspruchs aus § 1 UKlaG 8 4.1. Der Grundsatz der Privatautonomie 8 4.2. Das Binnenverhältnis zwischen Handwerkskammern und Mitgliedern 9 5. Schlichtungsstellen 9 6. Zusammenfassung 10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 106/16 Seite 4 1. Fragestellung Der vorliegende Sachstand untersucht die Möglichkeit von Handwerkskammern, die Wirksamkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) unter den Voraussetzungen der §§ 1, 3 des Unterlassungsklagengesetzes (UKlaG)1 gerichtlich überprüfen zu lassen. Hintergrund ist die geplante Reform der kaufrechtlichen Mängelhaftung bei den sogenannten Ein- und Ausbaufällen. Derzeit liegt ein Regierungsentwurf2 für eine Änderung unter anderem des kaufvertraglichen Gewährleistungsrechts unter dem Titel „Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Bauvertragsrechts und zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung“ (im Folgenden RegE-BGB) vor. Der Entwurf sieht vor, die durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) für den Verbrauchsgüterkauf geprägte Verpflichtung, im Rahmen der Nacherfüllung neben der Mängelbeseitigung bzw. Neulieferung auch etwaige in diesem Zuge anfallende Ein- bzw. Ausbaukosten zu tragen,3 auf das Verhältnis zwischen Unternehmern zu erweitern.4 Entsprechend soll die nach dem RegE-BGB neu zu schaffende Regelung des § 439 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches5 (BGB) nicht zwischen Verbrauchern und Unternehmer differenzieren und der bislang nur für den Fall eines Verbrauchsgüterkaufs vorgesehene Unternehmerregress (§ 478 BGB) auch für solche Fälle Anwendung finden, in denen der letzte Käufer der Lieferkette ein Unternehmer ist (§ 445a RegE-BGB). Umgehungsmöglichkeiten durch Vertragsgestaltung sollen dadurch vermieden werden, dass das AGB-Recht der §§ 305 ff. BGB um § 309 Nr. 8 Buchstabe b) Doppelbuchstabe cc) RegE-BGB ergänzt wird, wonach eine vertragliche Abweichung der Regelung hinsichtlich der Kostentragung für Ein- und Ausbau im Zuge der Nacherfüllung durch AGB unwirksam ist.6 Allerdings ist § 309 BGB im Verhältnis zwischen Unternehmern (Business-to-Business, B2B) nicht unmittelbar anwendbar (§ 310 Abs. 1 Satz 1 BGB), obgleich die Wertungen der §§ 308, 309 BGB indiziell auch für die (auch zwischen Unternehmern zur Anwendung kommende) Generalklausel des § 307 Abs. 1 BGB Wertungsmöglichkeiten eröffnet (sogenannte Indizwirkung).7 Ob 1 Gesetz über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- und anderen Verstößen (UKlaG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. August 2002 (BGBl. I S. 3422, ber. S. 4346), zuletzt geändert durch Art. 3 G zur Umsetzung der RL über die Vergleichbarkeit von Zahlungskontoentgelten, den Wechsel von Zahlungskonten sowie den Zugang zu Zahlungskonten mit grundlegenden Funktionen vom 11. April 2016 (BGBl. I S. 720). 2 Bundestagsdrucksache 18/8486. 3 EuGH, Urteil vom 16.06.2011 in den verbundenen Rs. C-65/09 und C-87/10 – Gebr. Weber GmbH ./. Jürgen Wittmer und Ingrid Putz ./. Medianess Electronics GmbH. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte in der Folge zunächst eine Übertragung dieser Rechtsprechung auf Kaufverträge zwischen Unternehmern abgelehnt, vgl. nur grundlegend BGH NJW 2013, 220 (221 Rdnr. 17 ff.). 4 Bundestagsdrucksache 18/8486, S. 2, 27. 5 In der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 24. Mai 2016 (BGBl. I S. 1190). 6 Für den Verbrauchsgüterkauf ergibt sich entsprechendes für (vor Mitteilung eines Mangels getroffene) Individualvereinbarungen aus § 475 Abs. 1 BGB (= § 476 Abs. 1 RegE-BGB). 7 Vgl. nur Münchener Kommentar zum BGB-Basedow, Band 2, 7. Aufl. 2016, § 310 Rdnr. 7 f. m.w.N. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 106/16 Seite 5 die Wertung des um § 309 Nr. 8 Buchstabe b) Doppelbuchstabe cc) RegE-BGB jedoch grundsätzlich ausreicht, um nach § 307 BGB zu einer Unwirksamkeit von zwischen Unternehmern vereinbarten und von § 439 Abs. 3 RegE-BGB abweichenden Klauseln zu gelangen, ist nur durch gerichtliche Überprüfung im Einzelfall feststellbar, da auch eine gegen die Wertung der Klauselverbote der §§ 308, 309 BGB verstoßende Klausel im Rahmen des § 307 BGB angemessen sein kann.8 Gerade kleinen Handwerksbetrieben, die sich im Zuge einer Nacherfüllung mit Ein- und Ausbaukosten konfrontiert sehen könnten, dürfte jedoch der Klageweg aufgrund finanzieller und zeitlicher Kapazitäten häufig nicht zumutbar sein. Vor diesem Hintergrund befasst sich die vorliegende Ausarbeitung mit der Frage, ob die Handwerkskammern im Interesse ihrer Mitglieder die Möglichkeit haben, die Verwendung von Klauseln , die gegen § 309 Nr. 8 Buchstabe b) Doppelbuchstabe cc) RegE-BGB verstoßen, gerichtlich überprüfen zu lassen. Dazu wird der Frage nachgegangen, ob den Handwerkskammern Ansprüche nach den §§ 1,3 UKlaG zustehen (unten 2.). Sodann wird darauf eingegangen, inwieweit bestehende Ansprüche zu einer gerichtlichen Überprüfung führen und ob eine solche auch Wirkung für den einzelnen Handwerker, der sich einer solchen Klausel ausgesetzt sieht, entfaltet (unten 3.) und ob die Durchsetzung entsprechender Ansprüche erzwingbar ist (unten 4.). Schließlich werden die Möglichkeiten der von den Handwerkskammern angebotenen Schlichtungsstellen erörtert (unten 5.), bevor die wichtigsten Ergebnisse im Fazit (unten 6.) zusammengefasst werden . Eine Prüfung, ob eine gegen § 309 Nr. 8 Buchstabe b) Doppelbuchstabe cc) RegE-BGB verstoßende Klausel bei Vereinbarung zwischen Unternehmern nach § 307 BGB unwirksam ist, wird in dieser Ausarbeitung entsprechend der Fragestellung nicht vorgenommen. 2. Anspruch von Handwerkskammern unter dem UKlaG 2.1. Unterlassungs- und Widerrufsanspruch Das UKlaG dient seiner Zielsetzung nach (auch) dazu, den Rechtsverkehr vor der Verwendung von unangemessenen AGB zu schützen.9 Zu diesem Zweck statuiert es einen Unterlassungs- bzw. Widerrufsanspruch in § 1 UKlaG: Wer in AGB Klauseln verwendet bzw. empfiehlt, die gemessen an den §§ 307-309 BGB unwirksam sind, kann auf Unterlassung bzw. Widerruf in Anspruch genommen werden. Das Bestehen eines solchen Anspruchs setzt demnach den Verstoß einer in AGB (im Sinne des § 305 BGB)10 verwendeten Klausel gegen die Klauselverbote der §§ 307 bis 309 BGB voraus. Ob die Klauseln wirksam in einen Vertrag mit einbezogen worden sind (§§ 305 Abs. 2 bis 305c BGB), gehört nicht zu den Voraussetzungen eines Anspruchs nach § 1 UKlaG und 8 Vgl. Bundestagsdrucksache 18/8486, S. 37. 9 Köhler/Bornkamm-Köhler, UWG, 34. Aufl. 2016, § 1 UKlaG Rdnr. 1; Staudinger-Schlosser, BGB, Buch 2 Recht der Schuldverhältnisse, Neubearb. 2013, § 1 UKlaG Rdnr. 1. 10 Köhler/Bornkamm-Köhler, UWG, 34. Aufl. 2016, § 1 UKlaG Rdnr. 3. Ausgeschlossen sind also etwa Individualvereinbarungen , vgl. Münchener Kommentar zur ZPO-Micklitz, Band 3, 4. Aufl. 2013, § 1 UKlaG Rdnr. 9. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 106/16 Seite 6 damit auch nicht zum gerichtlichen Kontrollmaßstab.11 Wird der Anspruch gerichtlich geltend gemacht, so muss das erkennende Gericht folglich den vom Anspruchsteller geltend gemachten Verstoß prüfen, die streitgegenständliche Klausel also an den §§ 307-309 BGB messen. Insoweit sind Vertragsbestimmungen, die in AGB vereinbart wurden, auch im Wege des Unterlassungsbzw . Widerrufsanspruch nach § 1 UKlaG justitiabel. Der Anspruch ist zudem nicht auf solche AGB begrenzt, die zwischen Unternehmern und Verbrauchern (Business-to-Customer, B2C) verwendet werden.12 Vielmehr besteht ein Unterlassungsanspruch nach § 1 UKlaG auch mit Blick auf solche Klauseln, die zwischen Unternehmern vereinbart worden sind und deren (AGB-rechtliche ) Wirksamkeit entsprechend nur anhand von § 307 BGB, aufgrund von § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB aber nicht an §§ 308, 309 BGB zu prüfen ist.13 2.2. Berechtigung der Handwerkskammern Berechtigt zur Geltendmachung des Anspruchs sind die in § 3 Abs. 1 UKlaG genannten Stellen, zu denen gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UKlaG auch die Handwerkskammern zählen. Die Ausnahmeregelung des § 3 Abs. 2 Nr. 1 UKlaG, nach denen zwischen Unternehmern vereinbarte AGB in der Überprüfbarkeit teilweise eingeschränkt sind, gilt nicht für die Handwerkskammern, sondern nur für die Verbraucherverbände als qualifizierte Einrichtungen im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UKlaG enthält dem Wortlaut nach auch keine Einschränkung dahingehend , dass Handwerkskammern den Unterlassungs- bzw. Widerrufsanspruch aus § 1 UKlaG nur dann geltend machen können, wenn ein wie auch immer geartetes Interesse der Handwerkskammer an der beanstandeten Klausel bzw. an den Vertragsparteien besteht (etwa in persönlicher Hinsicht, dass der Verwender der streitgegenständlichen AGB Kammermitglied sein müsste, die streitgegenständlichen AGB gegenüber einem Kammermitglied verwendet worden sein müssten, dass jedenfalls eine Vertragspartei Mitglied der Kammer wäre oder in sachlicher Hinsicht dahingehend , dass der Regelungsgenstand der Klausel eine zum Aufgabenbereich der Kammer gehörende Tätigkeit regelt). Für die gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UKlaG anspruchsberechtigten Wirtschaftsverbände wird indes angenommen, dass die Klagebefugnis für die Geltendmachung von Ansprüchen aus dem UKlaG nur so weit gegeben ist, wie die angegriffene Handlung (hier also: die Verwendung bzw. Empfehlung von unwirksamen AGB) in die von der Satzung des Verbandes definierten Interessen und Aufgaben eingreift.14 Sieht man die Handwerkskammern des § 3 Abs. 1 Satz1 Nr. 3 UKlaG als Sonderfälle der wirtschaftlichen Verbände nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UKlaG an,15 so wird 11 Köhler/Bornkamm-Köhler, UWG, 34. Aufl. 2016, § 1 UKlaG Rdnr. 5; Staudinger-Schlosser, BGB, Buch 2 Recht der Schuldverhältnisse, Neubearb. 2013, § 1 UKlaG Rdnr. 12. 12 Staudinger-Schlosser, BGB, Buch 2 Recht der Schuldverhältnisse, Neubearb. 2013, § 3 UKlaG Rdnr. 9. 13 Staudinger-Schlosser, BGB, Buch 2 Recht der Schuldverhältnisse, Neubearb. 2013, § 3 UKlaG Rdnr. 9. 14 Münchener Kommentar zur ZPO-Micklitz, Band 3, 4. Aufl. 2013, § 3 UKlaG Rdnr. 25. 15 So etwa der Rechtsausschuss zur Vorgängernorm, vgl. Bundestagsdrucksache 7/5422, S. 11; Münchener Kommentar zur ZPO-Micklitz, Band 3, 4. Aufl. 2013, § 3 UKlaG Rdnr. 35. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 106/16 Seite 7 man entsprechend davon ausgehen müssen, dass eine Klagebefugnis auch der Handwerkskammern unter dem UKlaG nur so weit reicht, wie die in der Satzung definierten Interessen und Aufgaben der Handwerkskammern berührt sind. Diese Satzungen werden jedoch in der Regel eine generalklauselartige Formulierung enthalten, wonach die Förderung der Interessen des Handwerks durch die Kammer zu besorgen ist.16 Entsprechend sind die Handwerkskammern jedenfalls insoweit aktivlegitimiert, als die mit dem UKlaG angegriffene Klausel handwerkliche Interessen berührt. Dies dürfte jedenfalls dann der Fall sein, wenn die streitgegenständliche Klausel gegenüber oder von Handwerkern gestellt wird bzw. die (beruflichen) Interessen von Kammermitgliedern berührt werden. Nicht erforderlich ist dagegen für die in § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UKlaG genannten Verbände und damit auch bezüglich der Handwerkskammern der Nachweis, dass diese die ihnen nach der Satzung obliegenden Aufgaben auch tatsächlich erfüllen (anders die unbenannten Wirtschaftsverbände nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UKlaG).17 Im Ergebnis ist damit zunächst festzuhalten, dass Handwerkskammern Klauseln in AGB im Wege des Unterlassungs- bzw. Widerrufsanspruchs nach § 1 UKlaG einer gerichtlichen Überprüfung zuführen können. Ob eine Klausel, die gegen § 309 Nr. 8 Buchstabe b) Doppelbuchstabe cc) RegE- BGB verstößt, aufgrund der Wertung dieser Norm auch zwischen Unternehmern gemäß § 307 BGB unwirksam ist, kann auch durch die Handwerkskammern gerichtlich geklärt werden, sofern der Aufgaben- und Interessenbereich der Kammer betroffen ist, die Klausel also einen Bezug zum Handwerk bzw. den Interessen der Kammermitglieder aufweist. 3. Wirkungen der gerichtlichen Feststellung der Unwirksamkeit von AGB im Rahmen des Anspruchs aus §§ 1, 3 UKlaG Zu einer inzidenten Prüfung der Wirksamkeit der AGB durch ein Gericht kommt es dann, wenn die Handwerkskammern ihren Anspruch aus §§ 1, 3 UKlaG gerichtlich durchsetzen und das angerufene Gericht auch in der Sache, also im Rahmen der Begründetheit der Klage, über den Anspruch entscheidet. 3.1. Fehlende Klagemöglichkeit bei mangelndem Rechtsschutzbedürfnis Bereits an der Möglichkeit einer Klage kann es mangels Rechtsschutzbedürfnisses fehlen, wenn der Anspruchsgegner (d.h. der Verwender bzw. Empfehler der AGB) vor Klageerhebung bereits eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hat.18 Damit mag zwar der Anspruchsgegner konkludent erklärt haben, die Rechtsauffassung der Handwerkskammer, die AGB seien gemäß § 307 BGB unwirksam, zu teilen, eine gerichtliche Feststellung zu der streitgegenständlichen Klausel ist damit indes nicht getroffen worden. Eine solche Erklärung des Anspruchsgegners entfaltet zudem keine Wirkung im Verhältnis des Verwenders (bzw. Empfehlers) der AGB zu den Mitgliedern der Handwerkskammern (sofern nicht Entsprechendes zusätzlich miterklärt wird). Sind also etwa gegenüber dem Mitglied einer Handwerkskammer AGB verwendet worden sind, 16 Vgl. exemplarisch § 2 (1) Nr. 1 der Satzung der Handwerkskammer Berlin, abrufbar unter https://www.hwkberlin .de/fileadmin/user_upload/Dokumente/Handwerkskammer/Satzung_der_Handwerkskammer_Berlin_- Stand_Februar_2014.pdf. 17 Staudinger-Schlosser, BGB, Buch 2 Recht der Schuldverhältnisse, Neubearb. 2013, § 3 UKlaG Rdnr. 13. 18 Staudinger-Schlosser, BGB, Buch 2 Recht der Schuldverhältnisse, Neubearb. 2013, § 1 UKlaG Rdnr. 35. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 106/16 Seite 8 die § 309 Nr. 8 Buchstabe b) Doppelbuchstabe cc) RegE-BGB widersprechen, und daraufhin im Interesse des Mitglieds die Handwerkskammer den Verwender unter Berufung eines daraus resultierenden Verstoßes gegen § 307 BGB auf Unterlassung in Anspruch nimmt, kann der Verwender eine Unterlassungserklärung abgegeben, ohne dass damit auch die Unwirksamkeit der im konkreten Fall gegenüber dem Mitglied der Handwerkskammer verwendeten AGB festgestellt wäre. Die Wirksamkeit dieser Klausel wäre dann auch weiterhin (gegebenenfalls im gerichtlichen Prozess) zwischen den Vertragsparteien zu klären. 3.2. Wirkungen eines Urteils zwischen Handwerkskammer und Anspruchsgegner Sofern es in einem auf §§ 1, 3 UKlaG gestützten Prozess zwischen der Handwerkskammer und dem Anspruchsgegner zu einem Urteil kommt, so ist jedenfalls im Falle eines streitigen Urteils von der gerichtlichen Überprüfung der streitgegenständlichen AGB durch das Gericht auszugehen . Gleiches gilt, falls die Handwerkskammer etwa durch Versäumnisurteil obsiegt, da insoweit die Schlüssigkeit der Klage und damit jedenfalls das Bestehen des Anspruchs (damit also auch der behauptete Verstoß der fraglichen AGB gegen § 307 BGB) anhand des Vortrags der klagenden Handwerkskammer zu prüfen ist. Ergeht dagegen ein Anerkenntnisurteil, so ist mit dem Verfahren eine Prüfung des Anspruchs durch das Gericht nicht verbunden.19 Ein solches Urteil hat also keinen Aussagewert bezüglich der Frage, ob die fraglichen AGB wirklich gegen § 307 BGB verstoßen . Im Hinblick auf alle genannten Fällen ist darauf hinzuweisen, dass Urteile Rechtskraft grundsätzlich nur zwischen den Parteien des Rechtsstreits (inter partes) entfalten. Sofern also eine Handwerkskammer einen auf §§ 1,3 UKlaG gestützten Anspruch gegen einen Verwender von AGB erfolgreich durchsetzt, wäre damit nicht etwa rechtskräftig festgestellt, dass die gleichen AGB auch im Verhältnis zu den Mitgliedern der Kammer, denen gegenüber sie verwendet wurden, unwirksam sind. Will etwa ein Mitglied der Handwerkskammer als Käufer gegenüber einem Vertragspartner die Ansprüche aus § 439 Abs. 3 RegE-BGB geltend machen und hat der Vertragspartner dies in von ihm verwendeten AGB ausgeschlossen, so muss der Käufer die Nacherfüllungsansprüche einklagen. Im Rahmen dieses Prozesses würde die Wirksamkeit der AGB erneut geprüft, wobei abweichende Ergebnisse jedenfalls möglich sind. 4. Fakultative oder obligatorische Geltendmachung des Anspruchs aus § 1 UKlaG 4.1. Der Grundsatz der Privatautonomie Steht demnach fest, dass Handwerkskammern im Wege der gerichtlichen Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs nach §§ 1, 3 UKlaG im Rahmen ihres oben skizzierten Zuständigkeitsbereichs AGB einer richterlichen Überprüfung zuführen können, so stellt sich weiterhin die Frage, ob sie dies auch tun müssen, die Durchsetzung von Ansprüchen aus dem UKlaG also nicht nur fakultativ, sondern obligatorisch ist. Die Handwerkskammern haben bislang von der ihnen unter 19 Vgl. Musielak, Grundkurs ZPO, 11. Aufl. 2012, Rdnr. 243. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 106/16 Seite 9 § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UKlaG eingeräumten Unterlassungs- bzw. Widerrufsansprüchen in der Praxis offenbar kaum Gebrauch gemacht.20 Nach dem Grundsatz der Privatautonomie ist prinzipiell niemand zur Geltendmachung eines Anspruchs verpflichtet. Vielmehr kann auf den Anspruch rechtswirksam verzichtet (z.B. durch Erlassvertrag , § 397 BGB), die gerichtliche Durchsetzung ausgeschlossen (sogenanntes pactum de non petendo) oder schlicht keine Durchsetzung eingeleitet werden. Die Handwerkskammern als Anspruchsinhaber sind also zunächst einmal frei in der Entscheidung, ob und in welcher Weise sie einen ihnen nach dem UKlaG eingeräumten Anspruch geltend machen. Anderes dürfte nur dann gelten, wenn die Handwerkskammern zur Geltendmachung des Anspruchs (und damit letztlich auch zur gerichtlichen Überprüfung der streitgegenständlichen Klausel) verpflichtet wären . Eine solche Verpflichtung kommt allenfalls gegenüber den Mitgliedern der Handwerkskammern in Betracht. 4.2. Das Binnenverhältnis zwischen Handwerkskammern und Mitgliedern Ob die Handwerkskammern einen ihnen nach §§ 1, 3 UKlaG (jedenfalls vermeintlich) zustehenden Anspruch auf Unterlassung bzw. Widerruf im Interesse ihrer Mitglieder geltend machen müssen oder ob den Kammern insoweit ein Ermessen bei der Geltendmachung von Ansprüchen nach dem UKlaG zusteht, ist in erster Linie eine Frage des Verhältnisses zwischen den Handwerkskammern und ihren Mitgliedern. Dieses wird durch die Satzungen der Handwerkskammern ausgestaltet, so dass die Frage nicht allgemein, sondern nur anhand konkreter Satzungsbestimmungen zu beantworten ist. Für die Zwecke dieses Sachstandes ist daher lediglich auf folgendes hinzuweisen: Selbst wenn zugunsten der Mitglieder eine entsprechende Verpflichtung besteht, ist damit noch nicht gesagt, dass die Handwerkskammern dies (in Ansehung des Prozessrisikos und der damit verbundenen Kosten) auch tun werden. Die Durchsetzung einer entsprechenden Verpflichtung bestünde (letztlich ) in einer entsprechenden Klage des Mitglieds gegen die Handwerkskammer. Dies dürfte kleinen und finanzschwachen Handwerksbetrieben, die bereits das Prozessrisiko der gerichtlichen Überprüfung der streitgegenständlichen AGB aus eigenem Recht scheuen, nicht weiterhelfen, da sie letztlich nur zwischen zwei Prozessen wählen können: dem gegen den Verwender der AGB oder dem gegen die Kammer. 5. Schlichtungsstellen Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Handelskammern selbst ihren Mitgliedern Möglichkeiten zur Verfügung stellen, Streitigkeiten beizulegen (sogenannte Schlichtungsstellen). Solche Schlichtungsstellen bestehen auch für Streitigkeiten zwischen Unternehmern, d.h. für den B2B- 20 Vgl. etwa jurisPK-BGB-Baetge, 7. Aufl. 2014, § 3 UKlaG Rdnr. 15; Köhler/Bornkamm-Köhler, UWG, 34. Aufl. 2016, § 3 UKlaG Rdnr. 6 („In der Praxis hat diese Vorschrift keine Bedeutung“). Ebenso bereits für die Wirtschaftsverbände nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UKlaG Staudinger-Schlosser, BGB, Buch 2 Recht der Schuldverhältnisse , Neubearb. 2013, § 3 UKlaG Rdnr. 12. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 106/16 Seite 10 Bereich.21 Schlichtungsverfahren sind jedoch in der Regel durch den Abschluss einer Vereinbarung , d.h. einer gütlichen Einigung zwischen den Parteien gekennzeichnet.22 Eine gerichtliche und rechtsverbindliche Beurteilung der Frage, ob eine in AGB vereinbarte Klausel wegen Verstoßes gegen § 307 BGB verstößt, lässt sich daher in einem solchen Schiedsverfahren nicht erzielen. 6. Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass den Handwerkskammern ein Unterlassungs- bzw. Widerrufsanspruch aus §§ 1, 3 UKlaG gegen AGB Klauseln, die gegen § 307 BGB verstoßen, zusteht , soweit diese die satzungsmäßigen Interessen der Handwerkskammern, insbesondere die Interesse der Kammermitglieder berühren. Im Wege der gerichtlichen Geltendmachung dieses Anspruchs können entsprechende AGB auch von den Handwerkskammern im Interesse ihrer Mitglieder einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden. Gerichtliche Entscheidung über solche Ansprüche haben jedoch keine Bindungswirkung für Rechtsstreitigkeiten der Mitglieder der Handwerkskammern gegenüber dem Verwender bzw. Empfehler der AGB. Zudem sind die Mitglieder der Handwerkskammern darauf angewiesen, dass diese die Ansprüche aus dem U- KlaG auch tatsächlich gerichtlich geltend machen. Dies lässt sich letztlich auch nur im Prozesswege sicherstellen. Die Schlichtungsstellen der Handwerkskammern erlauben keine gerichtliche Überprüfung von AGB. Ende der Bearbeitung 21 Vgl. exemplarisch etwa das Angebot der Schlichtungsstelle der Berliner Wirtschaft für die Handelskammer Berlin , https://www.hwk-berlin.de/betriebsfuehrung/recht/aussergerichtliche-streitbeilegung-im-b2b-bereich/. 22 Vgl. exemplarisch die Verfahrensordnung der Schlichtungsstelle der Berliner Wirtschaft (abrufbar unter https://www.hwk-berlin.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/Verfahrensordnung_kfm_Streitigkeitendata .pdf), nach deren § 8 Nr. 1 lit. a) das Verfahren infolge einer Vereinbarung (im Übrigen durch Verfahrensabbruch ) endet.