© 2020 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 104/20 Strafrechtliche Konsequenzen einer Verletzung von § 110 WpHG Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 104/20 Seite 2 Strafrechtliche Konsequenzen einer Verletzung von § 110 WpHG Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 104/20 Abschluss der Arbeit: 21. September 2020 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 104/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Strafbarkeit im Falle des Unterlassens einer Anzeige nach § 110 Abs. 1 Satz 1 WpHG 4 2.1. Strafbarkeit wegen Strafvereitelung im Amt durch Unterlassen nach § 258 Abs. 1, § 258a Abs. 1 Var. 1, § 13 Abs. 1 StGB 4 2.1.1. Täter 4 2.1.2. Vereiteln 8 2.1.3. Garantenstellung 9 2.1.4. Subjektiver Tatbestand 9 2.1.5. Folgen eines Verstoßes gegen § 258 Abs. 1, § 258a Abs. 1 Var. 1, § 13 Abs. 1 StGB 10 2.2. Strafbarkeit wegen Strafvereitelung durch Unterlassen nach § 258 Abs. 1, § 13 Abs. 1 StGB 10 3. Strafbarkeit im Falle einer Verletzung der Übermittlungspflicht nach § 110 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 WpHG 11 4. Fazit 13 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 104/20 Seite 4 1. Einleitung Nach § 110 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über den Wertpapierhandel (WpHG)1 hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (im Folgenden: BaFin) Tatsachen, die den Verdacht einer Straftat im Zusammenhang mit der Rechnungslegung eines Unternehmens begründen, der für die Verfolgung zuständigen Behörde anzuzeigen. Tatsachen, die auf das Vorliegen einer Berufspflichtverletzung durch den Abschlussprüfer schließen lassen, übermittelt die BaFin gemäß § 110 Abs. 2 Satz 1 WpHG der Abschlussprüferaufsichtsstelle beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle. Tatsachen, die auf das Vorliegen eines Verstoßes des Unternehmens gegen börsenrechtliche Vorschriften schließen lassen, übermittelt sie nach § 110 Abs. 2 Satz 2 WpHG der zuständigen Börsenaufsichtsbehörde. Gegenstand dieser Ausarbeitung ist die Frage, welche strafrechtlichen Konsequenzen eintreten können, wenn die BaFin ihrer Pflicht zur Anzeige beziehungsweise Übermittlung dieser Tatsachen an die zuständigen Behörden nicht nachkommt. Bereits an dieser Stelle ist darauf zu hinzuweisen , dass die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages nach ihren Verfahrensgrundsätzen keine Einzelfallprüfung vornehmen. Eine etwaige Strafbarkeit soll daher nachfolgend nur allgemein und summarisch erörtert werden. 2. Strafbarkeit im Falle des Unterlassens einer Anzeige nach § 110 Abs. 1 Satz 1 WpHG 2.1. Strafbarkeit wegen Strafvereitelung im Amt durch Unterlassen nach § 258 Abs. 1, § 258a Abs. 1 Var. 1, § 13 Abs. 1 StGB Sofern Mitarbeiter der BaFin Tatsachen, die den Verdacht einer Straftat im Zusammenhang mit der Rechnungslegung eines Unternehmens begründen (vgl. § 110 Abs. 1 Satz 1 WpHG), der für die Verfolgung zuständigen Behörde nicht anzeigen, kommt eine Strafbarkeit dieser Mitarbeiter wegen Strafvereitelung im Amt durch Unterlassen gemäß § 258 Abs. 1, § 258a Abs. 1 Var. 1, § 13 Abs. 1 des Strafgesetzbuchs (StGB)2 in Betracht. Nach § 258 Abs. 1, § 258a Abs. 1 Var. 1 StGB macht sich strafbar, wer absichtlich oder wissentlich ganz oder zum Teil vereitelt, dass ein anderer dem Strafgesetz gemäß wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft oder einer Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB) unterworfen wird und als Amtsträger zur Mitwirkung bei dem Strafverfahren oder dem Verfahren zur Anordnung der Maßnahme berufen ist. Ein Begehen durch Unterlassen ist in § 13 Abs. 1 StGB geregelt. 2.1.1. Täter Amtsträger ist nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB, wer nach deutschem Recht Beamter oder Richter ist (a), in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis steht (b) oder sonst dazu bestellt ist, bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen 1 Wertpapierhandelsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. September 1998 (BGBl. I S. 2708), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 12. August 2020 (BGBl. I S. 1874) geändert worden ist. 2 Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch Artikel 5 des Gesetzes vom 10. Juli 2020 (BGBl. I S. 1648) geändert worden ist. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 104/20 Seite 5 Verwaltung unbeschadet der zur Aufgabenerfüllung gewählten Organisationsform wahrzunehmen (c). Die Beamten und öffentlichen Angestellten der BaFin sind in der Regel Amtsträger nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 c) StGB.3 Zur Mitwirkung bei dem Verfahren berufen ist im Falle der Verfolgungsvereitelung nach §§ 258 Abs. 1, 258a Abs. 1 Var. 1 StGB4 nicht jeder Amtsträger, der in der Strafverfolgung tätig ist.5 Es ist eine konkrete Beziehung zu der Tat erforderlich.6 Für den Fall des Unterlassens einer Verfolgungshandlung wird vertreten, dass der Amtsträger sachlich, örtlich und funktional zuständig sein müsse, da anderenfalls keine Rechtspflicht zum Einschreiten bestehe.7 Fraglich ist, ob bei der BaFin tätige Amtsträger nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB in diesem Sinne zur Mitwirkung bei einem Strafverfahren berufen sind, sofern ihnen nach § 110 Abs. 1 Satz 1 WpHG die Pflicht zur Anzeige bei der zuständigen Strafverfolgungsbehörde über Tatsachen obliegt, die den Verdacht einer Straftat im Zusammenhang mit der Rechnungslegung eines Unternehmens begründen. Zum Strafverfahren gehört insbesondere das Ermittlungsverfahren.8 Nach Ausführungen der BaFin wird diese „Sachverhalte nicht im Hinblick auf mögliche Straftaten weiter aufklären “; dies sei Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden.9 Es sollten lediglich die Erkenntnisse, welche die BaFin bei ihrer Aufgabenerfüllung erlangt, für die Staatsanwaltschaft nutzbar gemacht 3 Köhler, in: Park (Hrsg.), Kapitalmarktstrafrecht, 5. Auflage 2019, Teil 2: Grundlagen, Kap. 1.2. Nationale Aufsichtsstruktur und Aufgaben der Aufsicht Rn 134. 4 Ruhmannseder, in: von Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck‘scher Online-Kommentar StGB, 47. Edition, Stand: 01.08.2020, § 258 Rn. 3. 5 OLG Karlsruhe, Urteil vom 09.08.1988, Az. 2 Ss 83/88, NStZ 1988, 503, 504; Hecker, in: Schönke/Schröder (Hrsg.), Strafgesetzbuch, Kommentar, 30. Auflage 2019, § 258a Rn. 4; Ruhmannseder, in: von Heintschel- Heinegg (Hrsg.), Beck‘scher Online-Kommentar StGB, 47. Edition, Stand: 01.08.2020, § 258a Rn. 3. 6 Ruhmannseder, in: von Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck‘scher Online-Kommentar StGB, 47. Edition, Stand: 01.08.2020, § 258a Rn. 3; Hecker, in: Schönke/Schröder (Hrsg.), Strafgesetzbuch, Kommentar, 30. Auflage 2019, § 258a Rn. 4. 7 Hecker, in: Schönke/Schröder (Hrsg.), Strafgesetzbuch, Kommentar, 30. Auflage 2019, § 258a Rn. 9; Ruhmannseder , in: von Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck‘scher Online-Kommentar StGB, 47. Edition, Stand: 01.08.2020, § 258a Rn. 3. 8 Cramer, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, Band 4, 3. Auflage 2017, § 258a Rn. 3. 9 Emittentenleitfaden der BaFin - Modul A, Überwachung von Unternehmensabschlüssen/Veröffentlichung von Finanzberichten, Stand 09.08.2018, Gliederungspunkt II.1 Zusammenarbeit mit Strafverfolgungsbehörden – § 110 Abs. 1, § 21 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 WpHG (im Folgenden: „Emittentenleitfaden“), S. 11, zum Download abrufbar unter https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Leitfaden/WA/dl_emittentenleitfaden_modul _A.html?nn=11407926, letzter Abruf – auch für alle weiteren Internetlinks – 21. September 2020. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 104/20 Seite 6 werden.10 Es gehe aber nicht darum, Ermittlungsarbeit für die Strafverfolgungsbehörden zu erbringen .11 Auch in der Literatur wird angenommen, dass erst die Strafverfolgungsbehörden über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens entscheiden.12 Bei der BaFin handele es sich nicht um eine Strafverfolgungsbehörde.13 Teilweise wird zwar vertreten, dass die BaFin vor einer Anzeige die Möglichkeit haben müsse, entlastenden Hinweisen nachzugehen.14 Selbst wenn man dieser Ansicht folgt, dürfte dies die BaFin jedoch wohl nicht zu einer Strafverfolgungsbehörde machen. Zum Strafverfahren soll aber weiterhin die Mitwirkungsphase sogenannter Vorermittlungen zählen , welche der Klärung der Frage diene, ob die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens in Betracht komme.15 Es soll ausreichen, wenn die gebotene Einleitung eines Ermittlungsverfahrens verhindert wird.16 Fraglich ist, ob bei der BaFin tätige Amtsträger nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB in diesem Sinne Vorermittlungen durchführen, welche in eine Entscheidung über eine Anzeige nach § 110 Abs. 1 Satz 1 WpHG münden. Die BaFin überwacht Unternehmensabschlüsse im Rahmen der sogenannten Bilanzkontrolle nach §§ 106 ff. WpHG.17 Werden der BaFin hierbei Tatsachen bekannt, die den Verdacht einer Straftat im Zusammenhang mit der Rechnungslegung eines Unternehmens begründen, hat eine Anzeige an die zuständige Staatsanwaltschaft zu erfolgen, damit diese „ein Verfahren zur Aufklärung und Ahndung der Straftat einleiten kann“.18 10 Emittentenleitfaden, S. 11, zum Download abrufbar unter https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads /DE/Leitfaden/WA/dl_emittentenleitfaden_modul_A.html?nn=11407926. 11 Emittentenleitfaden, S. 11, zum Download abrufbar unter https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads /DE/Leitfaden/WA/dl_emittentenleitfaden_modul_A.html?nn=11407926. 12 Vgl. in Bezug auf den § 110 WpHG im Wesentlichen entsprechenden früheren § 37r WpHG Zimmermann, in: Fuchs (Hrsg.), WpHG, Wertpapierhandelsgesetz, Kommentar, 2. Auflage 2016, § 37r Rn. 2. 13 Vgl. in Bezug auf den § 110 WpHG im Wesentlichen entsprechenden früheren § 37r WpHG Zimmermann, in: Fuchs (Hrsg.), WpHG, Wertpapierhandelsgesetz, Kommentar, 2. Auflage 2016, § 37r Rn. 2. 14 Hönsch, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), Wertpapierhandelsrecht, 7. Auflage 2019, § 110 WpHG Rn. 7; aA: vgl. in Bezug auf den § 110 WpHG im Wesentlichen entsprechenden früheren § 37r WpHG, in: Fuchs (Hrsg.), WpHG, Wertpapierhandelsgesetz, Kommentar, 2. Auflage 2016, § 37r Rn. 2. 15 Cramer, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, Band 4, 3. Auflage 2017, § 258a Rn. 3; Barreto da Rosa, in: Herzog (Hrsg.), Geldwäschegesetz, 3. Auflage 2018, § 30 Rn. 14. 16 Altenhain, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen (Hrsg.), Strafgesetzbuch, 5. Auflage 2017, § 258a Rn. 3; Hecker, in: Schönke/Schröder (Hrsg.), Strafgesetzbuch, Kommentar, 30. Auflage 2019, § 258a Rn. 3. 17 Internetseite der BaFin, abrufbar unter https://www.bafin.de/DE/Aufsicht/BoersenMaerkte/Transparenz/Bilanzkontrolle /bilanzkontrolle_node.html. 18 Vgl. § 110 Abs. 1 Satz 1 WpHG; Emittentenleitfaden, S. 11, zum Download abrufbar unter https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Leitfaden/WA/dl_emittentenleitfaden_modul _A.html?nn=11407926. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 104/20 Seite 7 Für die Annahme, dass die Bilanzkontrolle zur Mitwirkungsphase der Vorermittlungen zählt, könnte sprechen, dass laut der Überschrift des § 107 WpHG in dieser Vorschrift neben der Anordnung einer Prüfung der Rechnungslegung auch Ermittlungsbefugnisse der BaFin geregelt sind. Weiterhin wird beispielsweise in Bezug auf die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen – auch als Financial Intelligence Unit (im Folgenden: FIU) bezeichnet19 – angeführt, dass der Prozess der operativen Analyse der FIU gemäß § 30 Abs. 2 des Geldwäschegesetzes (GWG)20 bereits als Teil des Strafverfahrens angesehen werden könne.21 Nach § 30 Abs. 2 GWG analysiert die FIU bestimmte Meldungen beziehungsweise Mitteilungen, um zu prüfen, ob der gemeldete Sachverhalt im Zusammenhang mit Geldwäsche, mit Terrorismusfinanzierung oder mit einer sonstigen Straftat steht. Für eine Zurechnung der operativen Analyse zum Strafverfahren spreche , dass diese Ermittlungskomponenten enthalte.22 Insoweit könnte argumentiert werden, die für die FIU geltenden Überlegungen seien auf die BaFin übertragbar. Gegen eine solche Anerkennung der Bilanzkontrolle als Teil von Vorermittlungen spricht die unterschiedliche Zielsetzung von staatsanwaltlichen Ermittlungen und des Verfahrens nach §§ 106 ff. WpHG. Staatsanwaltliche Ermittlungen sind auf eine Ahndung persönlich vorwerfbaren Verhaltens gerichtet.23 Das Verfahren nach §§ 106 ff. WpHG bezweckt dagegen Kapitalmarkttransparenz .24 Hierbei wird die Rechtmäßigkeit von Jahresabschlüssen, Konzernabschlüssen und (Konzern -) Lageberichten geprüft.25 Gegen eine Übertragbarkeit der für die FIU geltenden Überlegungen könnte weiterhin sprechen, dass die FIU nach § 28 Abs. 1 Satz 1 GWG die Aufgabe der Erhebung und Analyse von Informationen im Zusammenhang mit Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung und der Weitergabe dieser Informationen an die zuständigen inländischen öffentlichen Stellen zum Zwecke der Aufklärung, Verhinderung oder Verfolgung solcher Taten hat. Es 19 Barreto da Rosa, in: Herzog (Hrsg.), Geldwäschegesetz, 3. Auflage 2018, Vorbemerkungen zu Abschnitt 5 – Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen Rn. 1. 20 Geldwäschegesetz vom 23. Juni 2017 (BGBl. I S. 1822), das zuletzt durch Artikel 269 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328) geändert worden ist. 21 Barreto da Rosa, in: Herzog (Hrsg.), Geldwäschegesetz, 3. Auflage 2018, § 30 Rn. 10, 14 ff.; vgl. hierzu insgesamt auch bereits den Sachstand der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages „Einzelfragen zum Straftatbestand der Strafvereitelung im Amt“, WD 7 - 3000 - 083/20, S. 10, 11, abrufbar unter: https://www.bundestag .de/resource/blob/711442/d5f5a5b93d8402b2dde12eaaf0994642/WD-7-083-20-pdf-data.pdf. 22 Barreto da Rosa, in: Herzog (Hrsg.), Geldwäschegesetz, 3. Auflage 2018, § 30 Rn. 14. 23 Emittentenleitfaden, S. 11, zum Download abrufbar unter https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads /DE/Leitfaden/WA/dl_emittentenleitfaden_modul_A.html?nn=11407926. 24 Emittentenleitfaden, S. 11, zum Download abrufbar unter https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads /DE/Leitfaden/WA/dl_emittentenleitfaden_modul_A.html?nn=11407926 (der hier verwandte Begriff des „Enforcementverfahrens“ dürfte das Verfahren nach §§ 106 ff. WpHG umfassen, vgl. Hennrichs, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Auflage 2020, Vorbemerkung §§ 106-113 WpHG Rn. 2); vgl. auch Hönsch, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), Wertpapierhandelsrecht, 7. Auflage 2019, § 110 WpHG Rn. 8, nach dem die Prüfungen der BaFin von Abschlüssen „eine ordnungsgemäße Information des Kapitalmarkts“ sichern sollen. 25 Internetseite der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, abrufbar unter https://www.bafin.de/DE/Aufsicht /BoersenMaerkte/Transparenz/Bilanzkontrolle/bilanzkontrolle_node.html. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 104/20 Seite 8 erfolgt also bereits ein Tätigwerden zum Zwecke der Nutzbarmachung von Informationen, die für eine Aufklärung, Verhinderung oder Verfolgung von Straftaten relevant sind (vgl. auch § 30 Abs. 2 GWG). Es sprechen also insgesamt mehr Argumente dafür, dass Mitarbeiter der BaFin, denen die Pflicht nach § 110 Abs. 1 Satz 1 WpHG zur Anzeige obliegt, nicht im Sinne des § 258a Abs. 1 Var. 1 StGB zur Mitwirkung bei einem Strafverfahren berufen sind. Sofern man aber die Bilanzkontrolle wegen des hiermit verbundenen operativen Analysemoments als Teil der Mitwirkungsphase der Vorermittlungen ansähe und zur gegenteiligen Auffassung gelangte, müssten auch die weiteren Voraussetzungen der § 258 Abs. 1, § 258a Abs. 1 Var. 1, § 13 Abs. 1 StGB vorliegen. 2.1.2. Vereiteln Eine Strafbarkeit nach §§ 258 Abs. 1, 258a Abs. 1 Var. 1 StGB setzt weiter voraus, dass der Amtsträger den staatlichen Anspruch auf Verhängung der Strafe oder Maßnahme gegen den Täter einer rechtswidrigen und schuldhaften Vortat ganz oder teilweise vereitelt.26 Grundsätzlich wird jedoch nicht bestraft, wer durch die Tat ganz oder zum Teil vereiteln will, dass er selbst bestraft oder einer Maßnahme unterworfen wird, da § 258a Abs. 3 StGB den § 258 Abs. 5 StGB nicht ausschließt .27 Nach herrschender Auffassung soll es nicht erforderlich sein, dass die Aburteilung der Vortat endgültig verhindert wird; vielmehr genüge es, wenn der staatliche Sanktionsanspruch für geraume Zeit nicht verwirklicht worden ist.28 Dabei komme es nicht auf die Verzögerung der Ermittlungen an, sondern auf das Vorliegen einer Ahndungsverzögerung.29 Darüber, wie lang der Zeitraum sein muss, währenddessen der Strafanspruch nicht verwirklicht werden konnte, besteht keine Einigkeit. Teilweise wird ein Zeitraum von zehn Tagen als ausreichend angesehen30, teilweise eine Verzögerung von mindestens drei Wochen gefordert31. Tritt eine ausreichende Verzögerung nicht ein, ist eine Strafbarkeit wegen Versuchs möglich (§ 258a Abs. 2 StGB). 26 Fischer, Strafgesetzbuch mit Nebengesetzen, 66. Auflage 2019, § 258 Rn. 5, 7. 27 Fischer, Strafgesetzbuch mit Nebengesetzen, 66. Auflage 2019, § 258a Rn. 8. 28 BGH, Beschluss vom 17.06.2010, Az. 5 StR 114/10, NStZ-RR 2011, 42, 43; Fischer, Strafgesetzbuch mit Nebengesetzen , 66. Auflage 2019, § 258 Rn. 8; a.A. Altenhain, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen (Hrsg.), Strafgesetzbuch , 5. Auflage 2017, § 258 Rn. 51, § 258a Rn. 10. 29 BGH, Urteil vom 21.12.1994, Az. 2 StR 455/94, BeckRS 2009, 17551; Fischer, Strafgesetzbuch mit Nebengesetzen , 66. Auflage 2019, § 258 Rn. 8; Ruhmannseder, in: von Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck‘scher Online-Kommentar StGB, 46. Edition, Stand: 01.05.2020, § 258 Rn. 9. 30 OLG Stuttgart, Urteil vom 17.05.1976, Az. 3 Ss (3) 674/75, juris. 31 Jahn, Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 24.05.2006, Az. 2 ARs 199/06, in: JuS 2006, 760, 761; Kühl, in: Lackner /Kühl (Hrsg.), Strafgesetzbuch, Kommentar, 29. Auflage 2018, § 258 Rn. 4. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 104/20 Seite 9 2.1.3. Garantenstellung Voraussetzung einer Strafvereitelung im Amt durch Unterlassen ist, dass eine Garantenpflicht besteht (vgl. § 13 Abs. 1 StGB).32 Der Unterlassende muss dazu berufen sein, an der Strafverfolgung mitzuwirken und dafür zu sorgen, dass Straftäter ihrer Bestrafung oder sonstigen strafrechtlichen Maßnahmen zugeführt werden.33 Dies trifft insbesondere auf Amtsträger zu, welche „dienstlich mit der Strafverfolgung betraut sind“, beispielsweise Strafrichter, Polizeibeamte sowie Staatsanwälte und ihre Ermittlungspersonen.34 Amtsträger außerhalb des Anwendungsbereichs des § 258a StGB sollen dagegen grundsätzlich keine allgemeine Pflicht dahingehend haben , Straftaten anzuzeigen, über die sie Kenntnis erlangt haben.35 Sofern man davon ausgeht, dass die nach § 110 Abs. 1 Satz 1 WpHG verpflichteten Personen als Amtsträger zur Mitwirkung bei dem Strafverfahren oder dem Verfahren zur Anordnung der Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) berufen sind, dürfte wohl bereits dies eine Garantenstellung begründen. Das Unterlassen kann aber nur dann zu einer Strafbarkeit führen, wenn dem Garanten die Vornahme der gebotenen Handlung möglich war.36 2.1.4. Subjektiver Tatbestand Nach § 258 Abs. 1 StGB ist Absicht oder Wissentlichkeit hinsichtlich der Vereitelungshandlung erforderlich.37 Der Amtsträger muss sich „seiner besonderen Beziehung zur Sache bewusst 32 Hecker, in: Schönke/Schröder (Hrsg.), Strafgesetzbuch, Kommentar, 30. Auflage 2019, § 258 Rn. 17, § 258a Rn. 9. 33 BGH, Urteil vom 30.04.1997, Az, 2 StR 670/96, NStZ 1997, 597; Ruhmannseder, in: von Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck‘scher Online-Kommentar StGB, 47. Edition, Stand: 01.08.2020, § 258 Rn. 13; vgl. in Bezug auf das Erfordernis der Zuständigkeit für die gebotene Handlung Gliederungspunkt 2.1.1.2. 34 Ruhmannseder, in: von Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck‘scher Online-Kommentar StGB, 47. Edition, Stand: 01.08.2020, § 258 Rn. 14. 35 BGH, Urteil vom 30.04.1997, Az. 2 StR 670/96, NStZ 1997, 597 ff.; Ruhmannseder, in: von Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck‘scher Online-Kommentar StGB, 47. Edition, Stand: 01.08.2020, § 258 Rn. 14. 36 Vgl. Altenhain, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen (Hrsg.), Strafgesetzbuch, 5. Auflage 2017, § 258a Rn. 9; Gaede , in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen (Hrsg.), Strafgesetzbuch, 5. Auflage 2017, § 13 Rn 12. 37 Ruhmannseder, in: von Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck‘scher Online-Kommentar StGB, 47. Edition, Stand: 01.08.2020, § 258a Rn. 9. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 104/20 Seite 10 sein“.38 Unterlässt er eine Verfolgungshandlung, muss er die Umstände kennen, welche die Garantenstellung begründen.39 Hinsichtlich der Vortat reicht bedingter Vorsatz aus.40 Eine individualisierte Kenntnis des Einzelfalls ist nicht notwendig.41 2.1.5. Folgen eines Verstoßes gegen § 258 Abs. 1, § 258a Abs. 1 Var. 1, § 13 Abs. 1 StGB Die Strafvereitelung im Amt ist nach § 258a Abs. 1 StGB mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bedroht, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Eine Straflimitierung nach § 258 Abs. 3 StGB greift gemäß § 258a Abs. 3 StGB nicht. Im Falle der Begehung einer Strafvereitelung im Amt durch Unterlassen kommt grundsätzlich eine Strafmilderung nach § 13 Abs. 2 in Verbindung mit § 49 Abs. 1 StGB in Betracht. Von dieser Möglichkeit wird aber wegen der besonderen gesetzlichen Verpflichtung des Amtsträgers zur aktiven Mitwirkung an der Strafverfolgung in der Regel kein Gebrauch gemacht werden.42 2.2. Strafbarkeit wegen Strafvereitelung durch Unterlassen nach § 258 Abs. 1, § 13 Abs. 1 StGB Sofern man davon ausgeht, dass die Mitarbeiter der BaFin nicht als Amtsträger zur Mitwirkung bei dem Strafverfahren oder dem Verfahren zur Anordnung der Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB) berufen sind und daher die Voraussetzungen des § 258a Abs. 1 Var. 1 StGB nicht vorliegen , kommt eine Strafbarkeit wegen Strafvereitelung durch Unterlassen nach § 258 Abs. 1, § 13 Abs. 1 StGB in Betracht. Nach § 258 Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer absichtlich oder wissentlich ganz oder zum Teil vereitelt, dass ein anderer dem Strafgesetz gemäß wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft oder einer Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB) unterworfen wird. Ein Begehen durch Unterlassen ist in § 13 Abs. 1 StGB geregelt. Diesbezüglich gelten die Ausführungen unter dem Gliederungspunkt 2.1.2. und 2.1.3. dieses Sachstands mit folgenden Maßgaben entsprechend: Die Möglichkeit einer Versuchsstrafbarkeit ergibt sich aus § 258 Abs. 4 StGB. Außerdem ist hinsichtlich des dargestellten Fehlens einer allgemeinen Pflicht zur Anzeige von Straftaten durch Amtsträger außerhalb des Anwendungsbereichs des § 258a StGB zu beachten, dass aber spezielle gesetzliche Anzeigepflichten, die den 38 Ruhmannseder, in: von Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck‘scher Online-Kommentar StGB, 47. Edition, Stand: 01.08.2020, § 258a Rn. 9. 39 OLG Köln, Urteil vom 18.03.1981, Az. 3 Ss 1111/80, NJW 1981, 1794, 1795; Ruhmannseder, in: von Heintschel- Heinegg (Hrsg.), Beck‘scher Online-Kommentar StGB, 47. Edition, Stand: 01.08.2020, § 258a Rn. 9. 40 BGH, Urteil vom 10.09.2015, Az. 4 StR 151/15 Rn. 13, juris; Ruhmannseder, in: von Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck‘scher Online-Kommentar StGB, 47. Edition, Stand: 01.08.2020, § 258a Rn. 9. 41 Fischer, Strafgesetzbuch mit Nebengesetzen, 66. Auflage 2019, § 258a Rn. 6; vgl. auch BGH, Urteil vom 10.09.2015, Az. 4 StR 151/15 Rn. 13, juris. 42 Cramer, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, Band 4, 3. Auflage 2017, § 258a Rn. 17; Ruhmannseder, in: von Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck‘scher Online-Kommentar StGB, 47. Edition, Stand: 01.08.2020, § 258a Rn. 15. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 104/20 Seite 11 Zweck haben, den Strafverfolgungsbehörden dienstlich in Erfahrung gebrachte Tatsachen zu übermitteln, welche den Verdacht einer Straftat begründen, zu einer Garantenstellung führen.43 Eine Garantenstellung könnte daher mit dem Argument bejaht werden, dass es sich bei der Pflicht nach § 110 Abs. 1 Satz 1 WpHG um eine solche spezielle gesetzliche Anzeigepflicht handele . Hinsichtlich des subjektiven Tatbestands ist zu beachten, dass auch hier nach § 258 Abs. 1 StGB Absicht oder Wissentlichkeit hinsichtlich der Verfolgungsvereitelung erforderlich ist.44 Wiederum genügt hinsichtlich der Vortat bedingter Vorsatz.45 Im Falle des Unterlassens ist Vorsatz hinsichtlich der tatsächlichen Umstände erforderlich, welche die Handlungspflicht begründen.46 Die Strafvereitelung wird nach § 258 Abs. 1 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Die Strafe darf nach § 258 Abs. 3 StGB nicht schwerer sein als die für die Vortat angedrohte Strafe. Im Falle der Begehung einer Strafvereitelung durch Unterlassen kommt grundsätzlich eine Strafmilderung nach § 13 Abs. 2 StGB in Verbindung mit § 49 Abs. 1 StGB in Betracht. 3. Strafbarkeit im Falle einer Verletzung der Übermittlungspflicht nach § 110 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 WpHG Fraglich ist, ob auch eine Verletzung der Übermittlungspflichten nach § 110 Abs. 2 Satz 1 oder Satz 2 WpHG eine Strafbarkeit wegen Strafvereitelung (im Amt) durch Unterlassen nach § 258 Abs. 1, 258a Abs. 1 Var. 1, § 13 Abs. 1 StGB auslösen kann. Insoweit ergeben sich zu den Ausführungen unter Gliederungspunkt 2 dieses Sachstands folgende Besonderheiten: Ob in der BaFin tätige Amtsträger, die der Pflicht nach § 110 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 WpHG unterliegen, zur Mitwirkung bei einem Strafverfahren im Sinne des § 258a Abs. 1 Var. 1 StGB berufen sind, dürfte in diesem Fall erst recht bezweifelt werden. Denn § 110 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 WpHG beziehen sich im Gegensatz zu § 110 Abs. 1 Satz 1 WpHG weder ausdrücklich auf Tatsachen, die den Verdacht einer Straftat begründen, noch schreiben sie eine unmittelbare Weitergabe von Tatsachen an die zuständige Strafverfolgungsbehörde vor. Nach § 110 Abs. 2 Satz 1 WpHG übermittelt die BaFin Tatsachen, die auf das Vorliegen einer Berufspflichtverletzung durch den Abschlussprüfer schließen lassen, der Abschlussprüferaufsichtsstelle beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle. § 110 Abs. 2 Satz 2 WpHG schreibt vor, dass die BaFin Tatsachen, die auf das Vorliegen eines Verstoßes des Unternehmens gegen 43 Grunst, Strafrechtlich relevante Pflicht von Amtsträgern außerhalb der Strafverfolgungsorgane zur Anzeige bzw. Verhinderung von Straftaten innerhalb der Behörde?, StV 2005, 453, 456; Ruhmannseder, in: Beck‘scher Online- Kommentar StGB, 47. Edition, Stand: 01.08.2020, § 258 Rn. 14. 44 Ruhmannseder, in: von Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck‘scher Online-Kommentar StGB, 47. Edition, Stand: 01.08.2020, § 258 Rn. 31. 45 BGH, Urteil vom 19.05.1999, Az. 2 StR 86–99, NJW 1999, 2908. 46 Fischer, Strafgesetzbuch mit Nebengesetzen, 66. Auflage 2019, § 13 Rn. 87. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 104/20 Seite 12 börsenrechtliche Vorschriften schließen lassen, der zuständigen Börsenaufsichtsbehörde übermittelt . Im Falle einer Berufspflichtverletzung gemäß § 110 Abs. 2 Satz 1 WpHG kann zwar eine Strafbarkeit des Abschlussprüfers nach §§ 332 ff. des Handelsgesetzbuchs (HGB)47 in Betracht kommen.48 In diesem Fall teilt die Abschlussprüferaufsichtsstelle die Tatsachen, die den Verdacht begründen , dass der Abschlussprüfer eine Straftat im Zusammenhang mit der Berufsausübung begangen hat, gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über eine Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer (WiPrO)49 der zuständigen Staatsanwaltschaft mit. Die Verletzung einer Berufspflicht zieht aber nicht zwingend eine Strafbarkeit nach sich.50 Nach der Meldung an die Abschlussprüferaufsichtsstelle prüft diese in einem gesonderten Verfahren, ob die Abschlussprüfung unsachgemäß durchgeführt wurde, und teilt die betreffenden Tatsachen gegebenenfalls der Staatsanwaltschaft mit.51 Vor diesem Hintergrund könnte man vertreten, dass die Mitteilung an die Staatsanwaltschaft gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 WiPrO nur mittelbare Folge der Übermittlungspflicht nach § 110 Abs. 2 Satz 1 WpHG sei, nicht aber deren Ziel. Dieses bestünde dann nicht in der Informationsübermittlung zur Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten , so dass die in der BaFin tätigen Amtsträger insoweit nicht zur Mitwirkung an einem Strafverfahren berufen wären. In der Literatur wird dagegen vereinzelt vertreten, dass der ehemals geltende § 37r Abs. 2 Satz 1 WpHG, der zwar noch eine Übermittlung an die Wirtschaftsprüferkammer vorsah, ansonsten aber dem heutigen § 110 Abs. 2 Satz 1 WpHG entspricht, auf die Kenntniserlangung von Straftaten nach §§ 332 ff. HGB ziele.52 Dieser Argumentation folgend, wäre es auch vertretbar, die in der BaFin tätigen Amtsträger als taugliche Täter im Sinne des § 258a Abs. 1 Var. 1 StGB anzusehen. Schließt man sich der ersten Auffassung an, so scheidet im Falle einer Verletzung der Übermittlungspflicht nach § 110 Abs. 2 Satz 1 WpHG auch eine Strafbarkeit wegen Strafvereitelung durch Unterlassen nach § 258 Abs. 1, § 13 Abs. 1 StGB aus. Denn die Garantenpflicht nach § 13 Abs. 1 47 Handelsgesetzbuch in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 4100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 12. August 2020 (BGBl. I S. 1874) geändert worden ist. 48 Vgl. in Bezug auf den § 110 WpHG im Wesentlichen entsprechenden früheren § 37r WpHG Altenhain, in: Hirte/Möllers (Hrsg.), Kölner Kommentar zum WpHG, 2. Auflage 2014, § 37r Rn. 6. 49 Wirtschaftsprüferordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. November 1975 (BGBl. I S. 2803), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1403) geändert worden ist. 50 Vgl. in Bezug auf den § 110 WpHG im Wesentlichen entsprechenden früheren § 37r WpHG Altenhain, in: Hirte/Möllers (Hrsg.), Kölner Kommentar zum WpHG, 2. Auflage 2014, § 37r Rn. 7; Hönsch, in: Assmann /Schneider/Mülbert (Hrsg.), Wertpapierhandelsrecht, 7. Auflage 2019, § 110 WpHG Rn. 11. 51 Hönsch, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), Wertpapierhandelsrecht, 7. Auflage 2019, § 110 WpHG Rn. 11. 52 Vgl. in Bezug auf den § 110 WpHG im Wesentlichen entsprechenden früheren § 37r WpHG Labudda, in: Just/Voß/Ritz/Becker (Hrsg.), WpHG, Wertpapierhandelsgesetz, Kommentar, 2015, § 37r Rn. 7. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 104/20 Seite 13 StGB muss sich konkret auf das durch den Strafvereitelungstatbestand geschützte Rechtsgut beziehen ,53 welches die staatliche Strafrechtspflege darstellt.54 Wenn die Übermittlungspflicht aber nicht der Strafverfolgung dient, dürfte es an einer solchen Garantenstellung des Täters für das Rechtsgut des § 258 StGB fehlen.55 Vertritt man diese Auffassung, gilt wohl Entsprechendes in Bezug auf § 110 Abs. 2 Satz 2 WpHG, der ebenso wenig der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs dienen dürfte. 4. Fazit Es kann bezweifelt werden, ob eine Verletzung einer der in § 110 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 WpHG genannten Pflichten zu einer Strafvereitelung im Amt durch Unterlassen führen kann. Problematisch ist insbesondere, ob in der BaFin tätige Amtsträger zur Mitwirkung bei dem Strafverfahren berufen sind. Dies darf insbesondere im Hinblick auf die Zielrichtung des Verfahrens nach §§ 106 ff. WpHG in Frage gestellt werden. Dies gilt erst Recht im Falle von § 110 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 WpHG, die sich nicht ausdrücklich auf Tatsachen beziehen, welche den Verdacht einer Straftat begründen. Die Möglichkeit einer Strafbarkeit wegen Strafvereitelung durch Unterlassen könnte im Falle einer Verletzung von § 110 Abs. 1 Satz 1 WpHG mit dem Argument bejaht werden, dass eine spezielle gesetzliche Anzeigepflicht vorliege, die den Zweck habe, den Strafverfolgungsbehörden dienstlich in Erfahrung gebrachte Tatsachen zu übermitteln, welche den Verdacht einer Straftat begründen, was grundsätzlich zu einer Garantenstellung führe. Im Falle einer Verletzung von § 110 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 WpHG kann die Möglichkeit einer Strafbarkeit wegen Strafvereitelung durch Unterlassen bezweifelt werden, da es höchst fragwürdig sein dürfte, ob diese Übermittlungspflichten der Strafverfolgung dienen. *** 53 Ruhmannseder, in: Beck‘scher Online-Kommentar StGB, 47. Edition, Stand: 01.08.2020, § 258 Rn. 13 54 BGH, Urteil vom 30.04.1997, Az. 2 StR 670/96, NStZ 1997, 597. 55 Vgl. Grunst, Strafrechtlich relevante Pflicht von Amtsträgern außerhalb der Strafverfolgungsorgane zur Anzeige bzw. Verhinderung von Straftaten innerhalb der Behörde?, StV 2005, 453, 456 sowie Ruhmannseder, in: Beck‘scher Online-Kommentar StGB, 47. Edition, Stand: 01.08.2020, § 258 Rn. 13, 14.