© 2019 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 104/19 Energieerzeugergemeinschaften und Rechtsformwahl Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 104/19 Seite 2 Energieerzeugergemeinschaften und Rechtsformwahl Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 104/19 Abschluss der Arbeit: 25. Juni 2019 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 104/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Die Bürgerenergiegesellschaft 4 3. Rechtsformwahl 5 4. Fazit 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 104/19 Seite 4 1. Einleitung Die Erzeugung elektrischen Stroms soll nach dem Willen des Gesetzgebers verstärkt durch dezentrale lokale Akteure übernommen werden. Zu diesem Zweck wurde in § 3 Nr. 15 EEG1 die „Bürgerenergiegesellschaft“ legaldefiniert. Diese genießt eine Reihe von Privilegien. § 36 g EEG sieht für Ausschreibungen erleichterte Bedingungen vor, sofern der Bewerber eine Bürgerenergiegesellschaft ist. 2. Die Bürgerenergiegesellschaft § 3 Nr. 15 EEG stellt an die Bürgerenergiegesellschaft eine Reihe von Anforderungen. Ziel ist eine Beschränkung auf die „tatsächlich schutzwürdigen, lokal verankerten Bürgerenergiegesellschaften “.2 „Um mögliche Umgehungs- und Missbrauchsmöglichkeiten zu reduzieren und den administrativen Aufwand zu begrenzen“,3 sieht das Gesetz drei Kautelen vor. Erstens muss die Bürgerenergiegesellschaft mindestens zehn stimmberechtigte natürliche Personen als Mitglieder oder Anteilseigener haben, § 3 Nr. 15 Buchstabe a EEG. Darüber hinaus können juristische Personen in beliebiger Anzahl Mitglied oder Anteilseigner sein.4 Weiterhin müssen mindestens 51% der Stimmrechte von natürlichen Personen gehalten werden, welche seit mindestens einem Jahr vor der Gebotsabgabe ihren Hauptwohnsitz in der kreisfreien Stadt oder dem Landkreis, in welcher oder welchem die Windenergieanlage errichtet werden soll, haben, § 3 Nr. 15 Buchstabe b EEG. Schließlich darf jedes Mitglied bzw. jeder Anteilseigner höchstens 10% der Stimmrechte ausüben , § 3 Nr. 15 Buchstabe c EEG. Juristische Personen können als Zusammenschluss eine Bürgerenergiegesellschaft bilden, soweit jedes Mitglied des Zusammenschlusses ihrerseits die Kriterien des § 3 Nr. 15 Buchstaben a bis c erfüllt. 1 Erneuerbare-Energien-Gesetz vom 21.07.2014 (BGBl. I S. 1066), zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes vom 13.05.2019 (BGBl. I S. 706); abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/eeg_2014/BJNR106610014.html (Stand dieser und aller nachfolgender Onlinequellen: 25.06.2019). 2 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 20.06.2016, BT-Drs. 18/8832, S. 155. 3 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 20.06.2016, BT-Drs. 18/8832, S. 155. 4 Wiemer, in: Beck´scher Onlinekommentar EEG 2017, 8. Edition, Stand: 01.03.2019, § 3 Nr. 15 Rn. 3. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 104/19 Seite 5 3. Rechtsformwahl § 3 Nr. 15 EEG verwendet den Begriff der „Gesellschaft“. Eine Eingrenzung wird nicht vorgenommen . Demnach kommen sowohl Kapital- als auch Personengesellschaften in Betracht.5 Ausdrücklich genannt wird in den Gesetzesmaterialien auch die Genossenschaft.6 Demnach ist die Wahl der Rechtsform einer Genossenschaft nach dem GenG7 möglich. Die Genossenschaft (eG) ist ein Zusammenschluss von mindestens drei Personen, der darauf gerichtet ist, bestimmte Interessen der Mitglieder durch einen gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb zu fördern. Der Förderzweck kann wirtschaftlicher, aber auch ideeller, z.B. sozialer oder kultureller Natur sein, § 1 Abs. 1 GenG. An der Genossenschaft können sich auch sog. investierende Mitglieder beteiligen.8 Fraglich ist, ob auch die Rechtsform eines Vereins möglich ist. Terminologisch ist dies denkbar, da Gesellschaft einen Oberbegriff darstellt, dem alle Zusammenschlüsse von Personen unterfallen .9 Andererseits bilden der Verein und die Gesellschaft (im engeren Sinne) gesetzliche Leitbilder , welche sich idealtypisch in der Mitgliederunabhängigkeit und in der körperschaftlichen Struktur unterscheiden.10 Teilweise wird ohne nähere Begründung der eingetragene Verein als zulässige Rechtsform genannt.11 Der Verein in den §§ 21 ff. BGB12 geregelt. Zu unterscheiden sind der Verein, dessen Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist (nicht wirtschaftlicher Verein, § 21 BGB) sowie der wirtschaftliche Verein, § 22 BGB. Handelt es sich um einen wirtschaftlichen Verein, so erlangt dieser in Ermangelung besonderer bundesgesetzlicher Vorschriften durch staatliche Verleihung Rechtsfähigkeit, § 22 BGB. Eine solche staatliche Verleihung kommt außer im Falle spezialgesetzlicher Rechtsgrundlagen nur bei einer Unzumutbarkeit der Nutzung der Rechtsformen 5 Wiemer, in: Beck´scher Onlinekommentar EEG 2017, 8. Edition, Stand: 01.03.2019, § 3 Nr. 15 Rn. 2. 6 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 20.06.2016, BT-Drs. 18/8832, S. 187. 7 Genossenschaftsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 16.10.2006 (BGBl. I S. 2230), zuletzt geändert durch Art. 8 des Gesetzes vom 17.07.2017 (BGBl. I S. 2541); abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet .de/geng/BJNR000550889.html. 8 Siehe hierzu die Kurzinformation der Wissenschaftlichen Dienste (Hrsg.), Das investierende Mitglied nach § 8 Abs. 2 GenG, - WD 7 - 3000 - 093/19 –; wird unter https://www.bundestag.de/analysen veröffentlicht. 9 Schöpflin, in: Beck´scher Onlinekommentar BGB, 50. Edition, Stand: 01.05.2019, § 21 Rn. 28. 10 Schöpflin, in: Beck´scher Onlinekommentar BGB, 50. Edition, Stand: 01.05.2019, § 21 Rn. 29. 11 Siehe Zenke, Stichwort: Energiegesellschaften, in: Gabler Wirtschafslexikon; abrufbar unter: https://wirtschaftslexikon .gabler.de/definition/energiegesellschaften-54390/version-277428 sowie https://de.wikipedia .org/wiki/Bürgerenergiegesellschaft. 12 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 02.01.2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes vom 31. Januar 2019 (BGBl. I S. 54); abrufbar unter: http://www.gesetze-im-internet.de/bgb/BJNR001950896.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 104/19 Seite 6 des Handelsrechts in Betracht, die in aller Regel nicht vorliegt.13 Der wirtschaftliche Verein als Rechtsform wird damit regelmäßig nicht als geeignete Rechtsform in Betracht kommen. In Betracht kann eine Eintragung als nicht wirtschaftlicher Verein (sog. Idealverein) kommen. Anerkannt ist, dass ein Verein auch dann ein nichtwirtschaftlicher Verein sein kann, wenn er zur Erreichung seiner ideellen Ziele unternehmerische Tätigkeiten entfaltet, sofern diese dem nichtwirtschaftlichen Hauptzweck zu- und untergeordnet und Hilfsmittel zu dessen Erreichung sind (sog. Nebenzweckprivileg).14 Hierfür spielt der steuerrechtliche Begriff der Gemeinnützigkeit eine große Rolle.15 Die anerkannten Gemeinwohlzwecke sind in §52 AO aufgezählt.16 § 52 Abs. 2 Nr. 8 AO nennt ausdrücklich die Förderung des Umweltschutzes als Gemeinwohlzweck. Jedoch dient die Bürgerenergiegesellschaft primär der Erzeugung von elektrischem Strom und dient allenfalls mittelbar dem Umweltschutz. Eine Förderung oder Unterstützung geschieht nur dann selbstlos, wenn dadurch nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke - zum Beispiel gewerbliche Zwecke oder sonstige Erwerbszwecke - verfolgt werden, vgl. § 55 Abs. 1 AO. Insgesamt sind demnach die Hürden für eine Bürgerenergiegesellschaft in der Rechtsform eines Vereins hoch. Für sechs Ausschreibungsrunden, kann kein einziger e.V. als Rechtsträger nachgewiesen werden; von den 221 Bürgerenergiegesellschaften wurde eine als UG (haftungsbeschränkt ), drei als GmbH, drei als eG, acht als GbR, 45 als UG (haftungsbeschränkt) & Co. KG und 161 als GmbH & Co. KG betrieben.17 4. Fazit Mit der Bürgerenergiegesellschaft hat der Gesetzgeber eine privilegierte Gruppe von Energieerzeugern geschaffen, deren Rechtsform er offen lässt. Die wenigen Vorgaben des EEG sollen lediglich eine lokale Verbundenheit sowie sicherstellen, dass mehrheitlich natürliche Personen hinter dem Vorhaben stehen. Im Übrigen lässt sich eine Bürgerenergiegesellschaft sowohl in Form einer Kapitalgesellschaft als auch einer Personengesellschaft verwirklichen. Zu den möglichen Rechtsformen gehört auch die Genossenschaft. Der Verein ist jedenfalls in der Praxis nicht verbreitet. *** 13 Leuschner, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8 Aufl. 2018, §§ 21, 22 Rn. 85. 14 BGH, Beschluss vom 16.05.2017, Aktenzeichen: II ZB 7/16, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2017, 1943. 15 BGH, Beschluss vom 16.05.2017, Aktenzeichen: II ZB 7/16, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2017, 1943. 16 Abgabenordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 01.10.2002 (BGBl. I S. 3866; 2003 I S. 61), zuletzt geändert durch Art. 15 des Gesetzes vom 18.12.2018 (BGBl. I S. 2639); abrufbar unter: https://www.gesetze-iminternet .de/ao_1977/BJNR006130976.html. 17 FA Wind (Hrsg.), Beteiligung der Standortgemeinde an einer Bürgerenergiegesellschaft mit Zuschlag für Windenergieanlagen im Rahmen der Ausschreibung, Berlin 2018, https://www.fachagentur-windenergie.de/fileadmin /files/Veroeffentlichungen/FA_Wind_Gemeindebeteiligung_BEG-Zuschlaege_07-2018.pdf.