© 2019 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 102/19 Anwendungsvoraussetzungen der Bereichsausnahme zur Vergabe von Rettungsdienstleistungen nach § 107 Absatz 1 Nr. 4 GWB Rechtsprechung Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Regelungskontext § 107 Absatz 1 Nr. 4 GWB1 legt fest, dass Teil 4 des GWB – Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen – nicht anzuwenden ist auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen zu Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr , die von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbracht werden und die unter die Referenznummern des Common Procurement Vocabulary 75250000-3, 75251000-0, 75251100-1, 75251110-4, 75251120-7, 75252000-7, 75222000-8, 98113100-9 und 85143000-3 mit Ausnahme des Einsatzes von Krankenwagen zur Patientenbeförderung fallen. Gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen in diesem Sinne seien „insbesondere die Hilfsorganisationen, die nach Bundes- oder Landesrecht als Zivil- und Katastrophenschutzorganisationen anerkannt sind.“ 2. Rechtsprechung zu den Anwendungsvoraussetzungen der Bereichsausnahme 2.1. „Weichenstellungswirkung“ der Bekanntmachung In einem Beschluss vom 14.02.2017 hat die Vergabekammer Südbayern festgestellt, „dass eine Vergabe nur dann unter die Bereichsausnahme fällt, wenn der Auftraggeber bereits in der Bekanntmachung angibt, nur einen Wettbewerb zwischen Hilfsorganisationen zu organisieren. Öffnet er dagegen den Wettbewerb auch für Private (…) unterfällt der dem Kartellvergaberecht. So ist von vorneherein klargestellt, welchem Rechtsregime ein Vergabeverfahren unterliegt und welcher Rechtsweg eröffnet ist. Auch Ungleichbehandlungen von Bietern im selben Vergabeverfahren treten nicht auf.“2 Diese Auffassung vertritt offenbar auch die Vergabekammer Münster, wenn sie in einem Beschluss vom 03.12.2018 feststellt, dass der öffentliche Auftraggeber „sich ausdrücklich nicht auf § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB berufen (habe), sondern eine Ausschreibung nach dem 4. Teil des GWB gemacht und damit auch den Wettbewerb für nicht gemeinnützige Einrichtungen eröffnet“ habe.3 Auch die Vergabekammer Niedersachsen hat sich dieser Interpretation der Anwendungsvoraussetzungen von § 107 Absatz 1 Nr. 4 GWB in einem Beschluss vom 22.01.2019 angeschlossen.4 Zwar gelangte die Kammer zu dem Ergebnis, dass die Bereichsausnahme im streitgegenständlichen Fall nicht dadurch unanwendbar sei, dass der öffentliche Auftraggeber neben den gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen auch Angebote privater Dienstleister zugelassen 1 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1750, 3245), das zuletzt durch Artikel 10 des Gesetzes vom 12. Juli 2018 (BGBl. I S. 1151) geändert worden ist. 2 Vergabekammer Südbayern, Beschluss vom 14.02.2017 – Z3-3-3194-1-54-12/16 (juris), Rn. 214 (derselbe Beschluss wird auf BeckRS unter dem 16.03.2017 geführt). 3 Vergabekammer Münster, Beschluss vom 03.12.2018 – VK 1-37/18 – (juris), Rn. 35 (Hervorhebung vom Verfasser ). 4 Vergabekammer Niedersachsen, Beschluss vom 22.01.2019 – VgK-01/2019 – (juris). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 102/19 Seite 5 hat.5 Dies beruhte aber nach Auffassung der Kammer allein auf den besonderen Umständen des zu beurteilenden Einzelfalles, in dem der Auftraggeber nur wegen der Rechtsunsicherheit bei der Anwendbarkeit der Bereichsausnahme auf anwaltlichen Rat hin davon Abstand genommen hatte, den Auftrag von vornherein auf gemeinnützige Organisationen zu beschränken: „Unter Berücksichtigung dieser doch gravierenden Rechtsunsicherheit erkennt die Vergabekammer keine freiwillige Entscheidung des Antragsgegners, auf die Bereichsausnahme verzichten zu wollen.“6 Im Grundsatz jedoch schließt sich die Vergabekammer Niedersachsen der Auffassung der Vergabekammer Südbayern an: „Mit der Vergabekammer Südbayern geht auch die Vergabekammer Niedersachsen davon aus, dass es nicht von der Zufälligkeit der Auftragserteilung abhängen kann, ob die Bereichsausnahme Anwendung findet oder nicht.“ 2.2. Relevanz landesrechtlicher Regelungen Die unter Gliederungspunkt 2.1 wiedergegebenen Auffassungen rekurrieren bei der Herleitung ihrer o. g. Auffassung zur Erforderlichkeit der „Weichenstellung“ zu Beginn des Verfahrens nicht auf besondere landesgesetzliche Regelungen. Die Möglichkeit wie auch die Notwendigkeit, gegebenenfalls zu Beginn eines Verfahrens für die ausschließliche Beteiligung von gemeinnützigen Organisationen zu optieren, wenn von der Bereichsausnahme Gebrauch gemacht werden soll, wird vielmehr – soweit eine Begründung erfolgt7 – unter Anwendung des Ausschlussprinzips gegenüber alternativen Interpretationen auf Praktikabilitätserwägungen8 sowie auf den nicht entgegenstehenden Sinn und Zweck der einschlägigen bundes- und europarechtlichen Bestimmungen gestützt.9 Explizite landesrechtliche Regelungen, die den Auftraggebern eine Wahlmöglichkeit hinsichtlich der Beschränkung auf gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen einräumen, werden in den o. g. Judikaten als Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Bereichsausnahme nicht eingefordert . * * * 5 Vergabekammer Niedersachsen (oben Fußn. 4), Rn. 72. 6 Vergabekammer Niedersachsen (oben Fußn. 4), Rn. 72 (Hervorhebung vom Verfasser). 7 Die Vergabekammer Münster (oben Fußn. 3) nimmt keine Begründung vor. 8 Vgl. Vergabekammer Südbayern (oben Fußn. 2), Rn. 212 ff.; Vergabekammer Niedersachsen (oben Fußn. 4), Rn. 72. 9 Vgl. Vergabekammer Südbayern (oben Fußn. 2), Rn. 216.