© 2020 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 098/20 Eventualmietzinsvereinbarungen für den Fall der Verfassungswidrigkeit entgegenstehender Verbotsgesetze Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 098/20 Seite 2 Eventualmietzinsvereinbarungen für den Fall der Verfassungswidrigkeit entgegenstehender Verbotsgesetze Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 098/20 Abschluss der Arbeit: 14. September 2020 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 098/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Verbotsgesetze als Grenze der Vertragsfreiheit 5 2.1. Verbotsgesetze 5 2.1.1. Grundsatz 5 2.1.2. BlnMietenWoG als Verbotsgesetz 6 2.2. Zeitpunkt der Gesetzwidrigkeit 7 3. Fazit 9 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 098/20 Seite 4 1. Einleitung Am 23. Februar 2020 trat im Bundesland Berlin das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (BlnMietenWoG) in Kraft.1 Als zentrale Regelungen sieht der Gesetzeswortlaut einen „Mietenstopp“ sowie ein Verbot „überhöhter Mieten“ vor. Dem „Mietenstopp“ zufolge „ist eine Miete verboten, die die am 18. Juni 2019 (Stichtag) wirksam vereinbarte Miete überschreitet“ (§ 3 BlnMietenWoG). Gemäß § 5 BlnMietenWoG ist eine Miete, die die im BlnMietenWoG festgelegte Mietobergrenze um mehr als 20 Prozent überschreitet, als „überhöhte Miete“ verboten.2 Nach § 11 Absatz 1 Nr. 4 BlnMietenWoG handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig „ohne erforderliche Genehmigung nach § 8 eine höhere als die nach den §§ 3 bis 7 zulässige Miete fordert oder entgegennimmt“. Nach dem Willen des Landesgesetzgebers soll das BlnMieten WoG als preisregelndes Gesetz zu klassifizieren sein.3 Die Verfassungsmäßigkeit des BlnMietenWoG ist – vor allem hinsichtlich der Gesetzgebungskompetenz des Landesgesetzgebers – umstritten.4 Derzeit ist beim Bundesverfassungsgericht ein Normenkontrollverfahren anhängig, das eine Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes zum Gegenstand hat.5 Auch beim Berliner Verfassungsgerichtshof ist eine entsprechende Klage anhängig.6 Berichten zufolge wird auf dem Berliner Mietwohnungsmarkt auf diese Situation nicht nur vereinzelt mit vertraglichen Regelungen reagiert, wonach für den Fall, dass das Bundesverfassungsgericht das BlnMietenWoG für nichtig erklärt, eine höhere Miete vereinbart wird, als sie nach 1 Als Artikel 1 des Gesetzes zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung vom 11. Februar 2020, GVBl. Bln 2020, 50. 2 § 5 BlnMietenWoG tritt gemäß Artikel 4 Absatz 1 Satz 2 des Gesetzes zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung erst am 23. November 2020 in Kraft, vgl. auch Selk, NZM 2020, 342, 345. 3 Vgl. Börstinghaus, in: Blank/Börstinghaus, Miete, 6. Auflage 2020, Anhang zu § 559d BGB Rn. 1. 4 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. März 2020 – 1 BvQ 15/20, Rn. 19 („Die Frage, ob das Land Berlin die Kompetenz besaß, das MietenWoG Bln einzuführen, muss jedenfalls als offen bezeichnet werden.“) m.w.N.; Börstinghaus , in: Blank/Börstinghaus, Miete, 6. Auflage 2020, Anhang zu § 559d BGB Rn. 2 ff. 5 Vgl. beck-aktuell, Normenkontrollklage gegen Berliner Mietendeckel in Karlsruhe, 6. Mai 2020 (abrufbar unter https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldung/detail/normenkontrollklage-gegen-berliner-mietendeckel-in-karlsruhe ). In zwei Entscheidungen hat es das Bundesverfassungsgericht bislang abgelehnt, Eilrechtsschutz gegen das Inkrafttreten des BlnMietenWoG zu gewähren, vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.02.2020 - 1 BvQ 12/20 sowie BVerfG, Beschluss vom 10.03.2020 – 1 BvQ 15/20. 6 Vgl. beck-aktuell, FDP und CDU bringen Berliner Mietendeckel vor Verfassungsgericht, 25. Mai 2020 (abrufbar unter https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldung/detail/fdp-und-cdu-bringen-berliner-mietendeckel-vor-verfassungsgericht ). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 098/20 Seite 5 dem BlnMietenWoG zulässig wäre.7 Diese höhere Eventualmiete wird in der öffentlichen Berichterstattung auch als „Schattenmiete“ bezeichnet.8 Nachfolgend werden vor diesem Hintergrund grundsätzliche zivilrechtliche Implikationen derartiger Vereinbarungen dargelegt. Es erfolgt mithin weder eine konkrete rechtliche Beurteilung, die nur anhand des jeweiligen Einzelfalls und insbesondere des genauen Wortlauts der jeweiligen vertraglichen Vereinbarungen erfolgen könnte, noch eine Analyse landesrechtlicher Fragestellungen . 2. Verbotsgesetze als Grenze der Vertragsfreiheit Im Ausgangspunkt gilt für vertragliche Schuldverhältnisse und damit auch für Mietverträge über Wohnräume der Grundsatz der Vertragsfreiheit: Danach kann grundsätzlich jeder frei entscheiden , ob und mit welchem Inhalt er Verträge schließt.9 Beschränkt wird diese Vertragsfreiheit jedoch durch zwingende Vorschriften.10 Um solche handelt es sich etwa beim sozialen Wohnraummietrecht , das insbesondere die im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)11 niedergelegten Regelungen zum Bestandsschutz und Mietpreisschutz umfasst.12 Neben der in den §§ 305 ff. BGB geregelten Inhaltskontrolle allgemeiner Geschäftsbedingungen postuliert schließlich vor allem auch § 134 BGB die regelmäßige Nichtigkeit solcher Rechtsgeschäfte, die gegen ein „gesetzliches Verbot“ verstoßen.13 2.1. Verbotsgesetze 2.1.1. Grundsatz Ein Gesetz ist gemäß § 134 BGB als Verbotsgesetz zu qualifizieren, wenn es die Vornahme eines – seiner allgemeinen Natur nach grundsätzlich rechtlich möglichen – Rechtsgeschäfts wegen seines 7 Vgl. Schönball, „Im Schatten“, Der Tagesspiegel vom 29.08.2020, S. 11; Öchsner, „600 Euro mehr – pro Monat“, Süddeutsche Zeitung vom 13.08.2020, S. 15; Fabricius, „Nachzahlungen für Mietendeckel-Profiteure?“ Die Welt vom 12.08.2020, S. 17; Jürgens, „«Schattenmiete»: Erste Urteile im Herbst erwartet“, Berliner Morgenpost vom 05.08.2020, S. 10. 8 Siehe Belege in vorheriger Fußnote. 9 Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, 11. Auflage 2017, Rn. 112, 114. 10 Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, 11. Auflage 2017, Rn. 115. 11 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 12. Juni 2020 (BGBl. I S. 1245) geändert worden ist. 12 Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, 11. Auflage 2017, Rn. 110; Drettmann, in: Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Auflage 2019, Rn. 121. 13 Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, 11. Auflage 2017, Rn. 115 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 098/20 Seite 6 Inhalts bzw. des mit ihm bezweckten Erfolgs oder auf Grund besonderer Umstände seiner Vornahme untersagt.14 Ob dies der Fall ist, ist per Auslegung unter besonderer Berücksichtigung von Sinn und Zweck des jeweiligen Gesetzes zu bestimmen.15 Handelt es sich hiernach um ein Verbotsgesetz , folgt daraus noch nicht zwingend auch die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts; vielmehr hat auch insofern wiederum eine Auslegung des betreffenden Gesetzes unter besonderer Berücksichtigung des Zwecks des Verbots zu erfolgen.16 Bei solchen Verbotsnormen, die Rechtsgeschäfte gerade wegen ihres Inhalts verhindern wollen, tritt regelmäßig die Rechtsfolge der Nichtigkeit des Geschäfts ein.17 Ist die Nichtigkeitsfolge eines verbotswidrig vorgenommenen Geschäfts auch durch Auslegung nicht eindeutig als Normzweck des Verbotsgesetzes feststellbar, greift die in § 134 BGB enthaltene Auslegungsregel ein, wonach das gegen ein gesetzliches Verbot verstoßende Geschäft im Zweifel als nichtig anzusehen ist, wenn sich aus dem Inhalt bzw. Sinn und Zweck der verletzten Verbotsnorm eine hiervon abweichende Rechtsfolge nicht ergibt.18 Besonderheiten gelten nach herrschender Meinung beim Verstoß gegen materiellrechtliche Preisvorschriften : Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) führt ein Verstoß gegen Preisvorschriften nicht zur Unwirksamkeit des gesamten Vertrags, sondern in Anwendung der obigen Grundsätze nur zur Teilnichtigkeit der Preisabrede bei Wirksamkeit der sonstigen vertraglichen Bestimmungen.19 Denn der Schutz des durch den überhöhten Preis benachteiligten Vertragspartners gebiete es regelmäßig, den Vertrag im Übrigen, das heißt ohne die Preisabrede, aufrechtzuerhalten.20 2.1.2. BlnMietenWoG als Verbotsgesetz Ausweislich der Gesetzesbegründung sollen „die Regelungen des BlnMietenWoG … dort, wo sie gegenüber den privatrechtlichen Regelungen zu stärkeren Auswirkungen auf den Mietpreis führen , regelmäßig über § 134 BGB auch von den Zivilgerichten zu beachten“ sein.21 Insbesondere solle die in § 3 Absatz 1 Satz 1 BlnMietenWoG verwendete Formulierung („ist eine Miete verboten ”) zum Ausdruck bringen, dass die Bestimmung als Verbotsgesetz im Sinne von § 134 BGB zu 14 Wendtland, in: Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 55. Edition, Stand: 01.08.2020, § 134 Rn. 9. 15 Armbrüster, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2018, § 134 Rn. 49; Wendtland, in: Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 55. Edition, Stand: 01.08.2020, § 134 Rn. 9. 16 Wendtland, in: Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 55. Edition, Stand: 01.08.2020, § 134 Rn. 10. 17 Brox/Walker, Allgemeiner Teil des BGB, 43. Auflage 2019, § 14 Rn. 6. 18 Armbrüster, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2018, § 134 Rn. 119. 19 BGH, Urt. v. 7.10.2014 – EnZR 86/13, Rn. 40 m.w.N. 20 Armbrüster, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2018, § 134 Rn. 65, 124 sowie Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 11. Auflage 2016, § 45 Rn. 7. 21 Abgeordnetenhaus von Berlin, Drucksache 18/2347 vom 28.11.2019, S. 4. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 098/20 Seite 7 qualifizieren sei.22 Dies bedeute, dass Rechtsgeschäfte insoweit nichtig seien, als sie gegen das Verbot verstießen.23 Soweit eine Überschreitung der Stichtagsmiete nicht genehmigt worden sei, liege hierin ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot mit der Folge der Nichtigkeit des gesamten Rechtsgeschäftes; ohne Rechtsgrund gezahlte Miete soll die Mieterin oder der Mieter dann nach den Vorschriften des Bereicherungsrechts zurückverlangen können.24 In der bisherigen Rechtsprechung zum BlnMietenWoG und der einschlägigen Literatur ist unstrittig, dass einzelnen Regelungen des BlnMietenWoG Verbotsgesetzcharakter im Sinne von § 134 BGB zukommt – sowohl die genaue Reichweite des Verbots als auch die Folge eines Verstoßes – Gesamt- oder Teilnichtigkeit – werden im Einzelnen allerdings unterschiedlich beurteilt.25 2.2. Zeitpunkt der Gesetzwidrigkeit Grundsätzlich ist ein Rechtsgeschäft nur dann nach § 134 BGB nichtig, wenn es im Zeitpunkt seiner Vornahme rechtswidrig war; wird erst nach der Vornahme ein einschlägiges Verbot erlassen, berührt dies das Rechtsgeschäft grundsätzlich nicht.26 Dies gilt auch bei Dauerschuldverhältnissen , die deshalb gegebenenfalls nur ex nunc, das heißt ab Inkrafttreten des Verbotsgesetzes für die Zukunft nichtig sind.27 Nur in Ausnahmefällen, in denen sich ein Verbotsgesetz ausdrücklich und zulässig Rückwirkung beilegt, kann ein Rechtsgeschäft durch ein später erlassenes Verbotsgesetz rückwirkend nichtig sein.28 Sollte das Verbotsgesetz umgekehrt nachträglich wegfallen, lässt dies die Nichtigkeit oder Teilnichtigkeit des Rechtsgeschäfts grundsätzlich unberührt.29 Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass ein zum Zeitpunkt seiner Vornahme gegen ein geltendes Verbot im Sinne von § 134 BGB verstoßendes Rechtsgeschäft nichtig ist und auch beim späteren Wegfall des Verbotsgesetzes nichtig bleibt, wird allerdings – schon seit Langem30 – für den Fall angenommen, dass das Rechtsgeschäft durch die Beteiligten im Bewusstsein des geltenden 22 Abgeordnetenhaus von Berlin, Drucksache 18/2347 vom 28.11.2019, S. 25 sowie Anlage zum Beschlussprotokoll der Öffentlichen Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Wohnen des Abgeordnetenhauses, 51. (Sonder-) Sitzung, 22. Januar 2020, S. 6. 23 Abgeordnetenhaus von Berlin, Drucksache 18/2347 vom 28.11.2019, S. 25. 24 Abgeordnetenhaus von Berlin, Drucksache 18/2347 vom 28.11.2019, S. 25. 25 Vgl. LG Berlin, Urteil vom 15.07.2020 – 65 S 76/20; LG Berlin, Beschluss vom 06.08.2020 – 67 S 109/20; AG Pankow-Weißensee, Urteil vom 02.03.2020 – 4 C 342/19; AG Berlin-Mitte, Urteil vom 06.05.2020 – 123 C 5146/19. Aus der Literatur vgl. etwa Herrlein/Tuschl, NZM 2020, 217, 224 f. 26 BGH, Urteil vom 04.04.1966 – VIII ZR 20/64; Sack/Seibl, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2017, § 134 BGB Rn. 54 f. 27 BGH, Beschluss vom 18.02.2003 – KVR 24/01 m.w.N.; Sack/Seibl, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2017, § 134 BGB Rn. 55. 28 Sack/Seibl, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2017, § 134 BGB Rn. 55 m.w.N. 29 BGH, Urteil vom 27.06.2007 – VIII ZR 150/06; Sack/Seibl, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2017, § 134 BGB Rn. 56 m.w.N. 30 Vgl. Reichsgericht, Urteil vom 13.10.1932 – VIII 292/32 = RGZ 138, 52. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 098/20 Seite 8 Verbots gerade und nur für den Fall des Außerkrafttretens oder Wegfalls des Verbotsgesetzes vorgenommen wird: „Nach Wegfall des Verbotsgesetzes ist das Rechtsgeschäft jedoch dann ohne Weiteres gültig, wenn die Parteien entweder bereits bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts mit der Aufhebung des Verbotsgesetzes gerechnet und das Rechtsgeschäft auch für diesen Fall geschlossen haben (BGH WuM 2007, 440 f; RGZ 138, 52, 55; OGHZ 3, 55, 60; 3, 275, 277 f; Flume, AT II § 17, 4 S. 349 f; Holzapfl BB 1965, 569, 570; Soergel/Hefermehl § 134 Rn 49) oder wenn sie ausdrücklich oder auch nur stillschweigend die Leistungspflichten von der Verbotsaufhebung abhängig gemacht haben (RGZ 138, 52, 55; Holzapfl BB 1965, 569, 571; MünchKomm/Armbrüster § 134 Rn 21; Palandt/Ellenberger § 134 Rn 12a).“31 Um eine solche Konstellation dürfte es sich im Grundsatz auch bei solchen Vereinbarungen zur Miethöhe handeln, die gerade für den Fall des Außerkrafttretens des BlnMietenWoG getroffen werden. Ein Unterschied zu den von der Judikatur bereits behandelten Fällen besteht allerdings darin, dass die Regelung gerade für den Fall der angenommenen, durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) festzustellenden Verfassungswidrigkeit des Verbotsgesetzes getroffen wird. Soweit ersichtlich, liegen unmittelbar zu einer solchen Konstellation bislang weder Präzedenzfälle noch entsprechende Judikate vor. Wird – wie gesehen – von der herrschenden Meinung jedoch bereits im Normalfall eine Vereinbarung für den Fall des Außerkrafttretens eines recht- und verfassungsmäßigen Verbotsgesetzes gebilligt, so dürfte dies wohl erst recht in dem Fall zu gelten haben, wo das vermeintlich der Vereinbarung entgegenstehende Verbotsgesetz seinerseits tatsächlich mit höherrangigem Recht kollidierte und aufgrund dessen gegebenenfalls von Beginn an32 rechtswidrig und nichtig33 war – zumal nicht ersichtlich wäre, warum abweichend von der Regel einem rechtswidrigen Rechtsanwendungsbefehl zur Durchsetzung verholfen werden sollte. Mit diesem Ergebnis in Einklang bringen ließe sich auch eine Feststellung des Bundesverfassungsgerichts zur Folgenabschätzung in seinem Beschluss zur Ablehnung der vorläufigen Außerkraftsetzung der Bußgeldvorschriften des BlnMietenWoG: „Entgegen dem Vorbringen der Antragstellenden ist auch nicht erkennbar, dass Vermieterinnen und Vermieter jenseits des durch § 11 Abs. 1 Nr. 4 BlnMietenWoG Bln sanktionierten Forderns und Entgegennehmens einer unzulässigen Miete daran gehindert wären, sich für den Fall der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes oder Teilen desselben bei Neuvermietungen 31 Sack/Seibl, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2017, § 134 BGB Rn. 56. Vgl. auch Nassall, in: Herberger/Martinek /Rüßmann/Weth/Würdinger (Hrsg.), jurisPK-BGB, 9. Auflage, Stand: 18.05.2020, § 134 BGB Rn. 25. 32 Vgl. Karpenstein, in: Walter/Grünewald (Hrsg.), BeckOK BVerfGG, 9. Edition, Stand: 01.01.2020, § 78 BVerfGG Rn. 7. 33 Bei der Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes aufgrund fehlender Kompetenz hat das BVerfG regelmäßig auf die Gesamtnichtigkeit des betreffenden Gesetzes zu erkennen, vgl. Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu /Klein/Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz Werkstand: 59. EL April 2020, § 31 BVerfGG Rn. 172; Aust/Meinel, JuS 2014, 113, 114. Zu den Ausnahmen vgl. Lechner/Zuck, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 8. Auflage 2019, § 78 BVerfGG Rn. 8. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 098/20 Seite 9 eine höhere Miete versprechen zu lassen, und ihnen deshalb ein insoweit irreversibler Schaden entstehen könnte.“34 Für ein solches Ergebnis könnte weiterhin darauf verwiesen werden, dass das Bundesverfassungsgericht das in § 79 Absatz 2 BVerfGG35 normierte regelmäßige Rückabwicklungsverbot von behördlichen oder gerichtlichen Entscheidungen, die auf wegen Verfassungswidrigkeit nichtigen Gesetzen beruhen, grundsätzlich auch auf abgeschlossene zivilrechtliche Vertragsverhältnisse erstreckt . Denn auch in diesem Zusammenhang wird auf die Gestaltungsmacht der Parteien verwiesen , indem festgestellt wird, es liege „an den Vertragsparteien selbst, ggf. vertragliche Vorsorge für den Fall zu treffen, dass das Bundesverfassungsgericht eine Norm für verfassungswidrig erklärt , die für das Rechtsgeschäft maßgeblich war.“36 Auch hinsichtlich einer möglichen Rückwirkung auf den Zeitraum vor der Nichtigerklärung des Gesetzes dürften insoweit wohl keine generellen Bedenken bestehen: So betont das Bundesverfassungsgericht in dem oben wiedergegebenen Zitat zur Ablehnung des Schutzinteresses im Eilverfahren, dass Vermietern aufgrund der Möglichkeit entsprechender Vereinbarungen kein irreversibler Schaden drohe – was nur bei Annahme einer Rückwirkung zutreffen dürfte.37 3. Fazit Die Wirksamkeit von Eventualmietzinsklauseln lässt sich nicht pauschal, sondern nur im jeweiligen Einzelfall beurteilen. Der allgemeinen zivilrechtlichen Judikatur zu § 134 BGB lassen sich jedoch Hinweise darauf entnehmen, dass Vereinbarungen gerade für den Fall der Verfassungswidrigkeit eines entgegenstehenden Verbotsgesetzes als gültig anzusehen sein können. Es erscheint nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass sich aus solchen Vereinbarungen auch – faktisch rückwirkende – Zahlungspflichten betreffend den Zeitraum vor einem etwaigen das BlnMietenWoG wegen Verfassungswidrigkeit für nichtig erklärenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts ergeben können. * * * 34 BVerfG, Beschluss vom 10. März 2020 – 1 BvQ 15/20, Rn. 27 (Hervorhebung vom Verfasser hinzugefügt). 35 Bundesverfassungsgerichtsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl. I S. 1473), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 20. November 2019 (BGBl. I S. 1724) geändert worden ist. 36 Karpenstein, in: Walter/Grünewald (Hrsg.), BeckOK BVerfGG, 9. Edition, Stand: 01.01.2020, § 78 BVerfGG Rn. 61. 37 Vgl. auch Abgeordnetenhaus von Berlin, Wissenschaftlicher Parlamentsdienst, Gutachten zu einer Reihe von Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Rückwirkung des geplanten Berliner Mietengesetzes („Mietendeckel“), 28. Oktober 2019, S. 27 (abrufbar unter https://www.parlament-berlin.de/C1257B55002B290D/vwContentBy- Key/W2BHTGXS981WEBSDE/$File/20191028_Mietendeckel.pdf).