© 2018 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 098/18 Personenstandsrechtliche Regelungen bei intersexuellen Menschen in verschiedenen Rechtsordnungen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 098/18 Seite 2 Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 098/18 Abschluss der Arbeit: 5. Juli 2018 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 098/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 5 2. Deutschland 6 2.1. Personenstands- und Ausweisrecht: 6 2.2. Geschlechtsspezifische Rechtsfolgen: 7 3. Niederlande 8 3.1. Personenstands- und Ausweisrecht: 8 3.2. Geschlechtsspezifische Rechtsfolgen: 8 4. Finnland 9 4.1. Personenstands- und Ausweisrecht: 9 4.2. Geschlechtsspezifische Rechtsfolgen: 10 5. Vereinigte Staaten von Amerika 11 5.1. Personenstands- und Ausweisrecht: 11 5.2. Geschlechtsspezifische Rechtsfolgen: 12 6. Estland 13 6.1. Personenstands- und Ausweisrecht: 13 6.2. Geschlechtsspezifische Rechtsfolgen: 13 7. Frankreich 14 7.1. Personenstands- und Ausweisrecht: 14 7.2. Geschlechtsspezifische Rechtsfolgen: 16 8. Norwegen 16 8.1. Personenstands- und Ausweisrecht: 16 8.2. Geschlechtsspezifische Rechtsfolgen: 18 9. Israel 19 9.1. Personenstands- und Ausweisrecht: 19 9.2. Geschlechtsspezifische Rechtsfolgen: 19 10. Tschechische Republik 19 10.1. Personenstands- und Ausweisrecht: 19 10.2. Geschlechtsspezifische Rechtsfolgen: 21 11. Portugal 21 11.1. Personenstands- und Ausweisrecht: 21 11.2. Geschlechtsspezifische Rechtsfolgen: 22 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 098/18 Seite 4 12. Luxemburg 22 12.1. Personenstands- und Ausweisrecht: 22 12.2. Geschlechtsspezifische Rechtsfolgen: 23 13. Schweiz 24 13.1. Personenstands- und Ausweisrecht: 24 13.2. Geschlechtsspezifische Rechtsfolgen: 25 14. Polen 26 14.1. Personenstands- und Ausweisrecht: 26 14.2. Geschlechtsspezifische Rechtsfolgen: 27 15. Litauen 27 15.1. Personenstands- und Ausweisrecht: 27 15.2. Geschlechtsspezifische Rechtsfolgen: 28 16. Schweden: 28 16.1. Personenstands- und Ausweisrecht: 28 16.2. Geschlechtsspezifische Rechtsfolgen: 29 17. Vereinigtes Königreich 29 17.1. Personenstands- und Ausweisrecht: 29 17.2. Geschlechtsspezifische Rechtsfolgen: 32 18. Rumänien 32 18.1. Personenstands- und Ausweisrecht: 32 18.2. Geschlechtsspezifische Rechtsfolgen: 33 19. Malta 33 19.1. Personenstands- und Ausweisrecht: 33 19.2. Geschlechtsspezifische Rechtsfolgen: 34 20. Österreich 35 20.1. Personenstands- und Ausweisrecht: 35 20.2. Geschlechtsspezifische Rechtsfolgen: 35 21. Zusammenfassung 36 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 098/18 Seite 5 1. Einleitung Das Geschlecht bzw. die Geschlechtszughörigkeit ist für die Persönlichkeit eines Menschen von herausragender Bedeutung. Daneben spielt es im alltäglichen Leben und auch im Rechtsverkehr eine wichtige Rolle. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit seinem Beschluss vom 10. Oktober 20171 eine lebhafte Debatte zu der gesellschaftlichen2 und juristischen3 Berücksichtigung intersexueller Personen angestoßen. In seinem Beschluss kam das BVerfG zu dem Ergebnis, dass §°21 Abs. 1 Nr. 3 in Verbindung mit. §°22 Abs. 3 Personenstandsgesetz (PStG)4 grundrechtswidrig sei, da er intersexuelle Person in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art.°2 Abs. 1 in Verbindung mit. Art.°1 Abs. 1 Grundgesetz (GG)5 verletze und gegen das Diskriminierungsverbot aus Art.°3 Abs. 3 GG verstoße.6 Zudem hat es dem Gesetzgeber aufgegeben, bis zum 31. Dezember 2018 eine verfassungskonforme Neuregelung zu treffen.7 Die Bundesregierung bereitet in Umsetzung der Entscheidung des BVerfG derzeit einen entsprechenden Gesetzentwurf durch das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat vor und beabsichtigt eine Neuregelung innerhalb der durch das Gericht gesetzten Frist bis zum 31. Dezember 2018 zu verabschieden.8 Im Folgenden wird zunächst für Deutschland die Rechtslage hinsichtlich des Personenstandsund Ausweisrechts und der Möglichkeit von Änderungen der entsprechenden Eintragungen dargestellt und aufgezeigt, welche Normen Rechtsfolgen an eine bestimmte Geschlechtszugehörigkeit knüpfen. Im Anschluss erfolgt eine überblicksartige Darstellung der Rechtslagen in verschiedenen Staaten, die auf Auskünften dieser Staaten beruht. 1 Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 10.10.2017 – 1 BvR 2019/16, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2017, 3643. 2 Haupt, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 12.11.2107, Seite 3; Süddeutsche Zeitung vom 11.11.2017, Seite 1. 3 Froese, Die Öffentliche Verwaltung (DÖV) 2018, 315; Sanders, Neue Zeitschrift für Familienrecht (NZFam) 208, 241; Gössl, Anmerkung zu BVerfG, Beschluss vom 10.10.2017 – 1 BvR 2019/16, NJW 2017, 3643 (3648). 4 Personenstandsgesetz (PStG) vom 19. Februar 2007 (BGBl. I S. 122), zuletzt geändert durch Artikel 2 Absatz 2 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2787), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet .de/pstg/PStG.pdf [letzter Abruf: 26.06.2018]. 5 Grundgesetz (GG) für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 13. Juli 2017 (BGBl. I S. 2347), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/gg/GG.pdf [letzter Abruf: 26.06.2018]. 6 BVerfG, Beschluss vom 10.10.2017 – 1 BvR 2019/16, NJW 2017, 3643 (3644). 7 BVerfG, Beschluss vom 10.10.2017 – 1 BvR 2019/16, NJW 2017, 3643 (3647). 8 Antwort der Bundesregierung vom 11. Juni 2018 auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Katrin Helling-Plahr, Manuel Höferlin, Dr. Jens Brandenburg (Rhein-Neckar), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP, BT- Drucks. 19/2654, S. 4 [letzter Abruf: 03.07.2018]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 098/18 Seite 6 2. Deutschland 2.1. Personenstands- und Ausweisrecht Nach § 21 Abs. 1 Nr. 3 PStG muss bei der Geburt eines Kindes im Geburtenregister grundsätzlich das Geschlecht beurkundet werden. Als Ausnahmeregelung bestimmt § 22 Abs. 3 PStG, dass bei einem Kind, welches weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden kann, der Eintrag des Geschlechts im Geburtenregister offen bleiben soll. In der Praxis wurde diese Regelung bislang so verstanden, dass allein die Geschlechter „männlich“ und „weiblich“ positiv eintragbar seien. Das BVerfG hat jedoch festgestellt,9 dass der sich aus § 21 Abs. 1 Nr. 3 in Verbindung mit § 22 Abs. 3 PStG ergebende Regelungsansatz mit dem Grundgesetz unvereinbar ist, soweit er eine Pflicht zur Angabe eines Geschlechts begründet und dabei Intersexuellen keinen positiven Geschlechtseintrag ermöglicht, der nicht „männlich“ oder „weiblich“ lautet. Der bisherige Regelungsansatz sei mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und mit dem besonderen Diskriminierungsverbot wegen des Geschlechts aus Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG unvereinbar. Das BVerfG hat den Gesetzgeber verpflichtet, bis zum 31. Dezember 2018 eine verfassungsgemäße Regelung herbeizuführen. Bis zu der Neuregelung dürfen Gerichte und Verwaltungsbehörden die beiden Normen im Umfang der festgestellten Unvereinbarkeit nicht mehr anwenden. Verfahren, in denen eine intersexuelle Person eine andere Geschlechtseintragung als „männlich“ oder „weiblich“ begehrt, sind bis zur Neuregelung auszusetzen. Das BVerfG hat dem Gesetzgeber zwei mögliche Regelungsansätze vorgezeichnet: Der Gesetzgeber könnte entweder generell auf personenstandsrechtliche Geschlechtseinträge verzichten. Oder er ermöglicht eines positiven Eintrag eines weiteren Geschlechts unter einheitlicher dritter Bezeichnung, ergänzt um die bereits bestehende Möglichkeit, den Geschlechtseintrag offen zu lassen. Deutsche Personalausweise enthalten keine Geschlechtsangabe (vgl. § 5 Abs. 2 u. 4 Personalausweisgesetz (PauswG)).10 Ein Pass muss nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 Passgesetz (PassG)11 eine Angabe zum Geschlecht seiner Person enthalten. Gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 8 PassG dürfen in der Zone für das automatische Lesen des Passes hinsichtlich des Geschlechts „lediglich“ die Abkürzungen „F“ für Passinhaber weiblichen Geschlechts und „M“ für Passinhaber männlichen Geschlechts enthalten sein. Das Passgesetz folgt somit einer rein binären Geschlechterordnung. Allerdings ist Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 des Rates vom 13. Dezember 2004 in Verbindung mit dem 2. Abschnitt („Personaldatenseite“) des Anhangs dieser Verordnung („Mindestsicherheitsnormen für von den Mitgliedstaaten ausgestellte Pässe und Reisedokumente“) vorrangig 9 BVerfG, Beschluss vom 10.10.2017 – 1 BvR 2019/16, NJW 2017, 3643. 10 Personalausweisgesetz(PauswG) vom 18. Juni 2009 (BGBl. I S. 1346), zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2745), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet .de/pauswg/PAuswG.pdf [letzter Abruf: 26.06.2018]. 11 Passgesetz(PassG) vom 19. April 1986 (BGBl. I S. 537), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 7. Juli 2017 (BGBl. I S. 2310), abrufbar unter: http://www.gesetze-im-internet.de/pa_g_1986/Pa%C3%9FG.pdf [letzter Abruf: 26.06.2018]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 098/18 Seite 7 anwendbar.12 Danach ist für Gestaltung und Inhalt der Personaldatenseite das Dokument 9393 der UN-Zivilluftfahrtorganisation (UN Civil Aviation Organization) verbindlich anzuwenden.13 Ein Pass muss nach Teil 4, Kapitel 4.1.1.1 und 4.2.2.2 dieses Dokuments stets eine positive Geschlechtsangabe enthalten, die entweder auf „M“, „F“ oder „X“ lauten kann. Bei Personen ohne Geschlechtseintrag im Sinne von § 22 Abs. 3 PStG ist daher bereits nach geltendem Recht in der Personaldatenseite des Passes ein „X“ und in der Zone für das automatische Lesen des Passes ein „>“ einzutragen. Die Änderung eines Geschlechtseintrags im Geburtenregister kann nach § 47 Abs. 2 Nr. 1 PStG berichtigt werden.14 Voraussetzung hierfür ist, dass der abgeschlossene Eintrag von Anfang an unrichtig ist.15 2.2. Geschlechtsspezifische Rechtsfolgen Aus dem neugefassten § 1353 Abs. 1 Satz 1 BGB ergibt sich, dass die Ehe von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen werden kann. Dadurch, dass der Gesetzgeber auf die Gleich- oder Verschiedengeschlechtlichkeit der Ehepartner abstellt, setzt er die rechtliche Zuordnung zu einem Geschlecht voraus. Probleme ergeben sich für Intersexuelle, deren Geschlechtseintrag nach § 22 Abs. 3 PStG offen gelassen wurde, da sie von der Neuregelung des § 1353 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht ausdrücklich erfasst sind. Gerichtsentscheidungen zu diesem Bereich sind nicht ersichtlich. Eine analoge Anwendung des § 1353 Abs. 1 Satz 1 BGB ist wohl möglich . Möglicherweise passt der Gesetzgeber auch den Wortlaut des § 1353 Abs. 1 Satz 1 BGB an, wenn er dem Auftrag des BVerfG nachkommt, ein drittes Geschlecht positiv anzuerkennen.16 Das Abstammungsrecht baut auf binärgeschlechtlichen Kategorien auf und berücksichtigt Personen ohne Geschlechtseintrag im Sinne von § 22 Abs. 3 PStG nicht explizit. Gemäß § 1591 BGB ist Mutter eines Kindes die Frau, die es geboren hat. Literatur und Rechtsprechung tendieren dazu, § 1591 BGB so zu verstehen, dass sich die Mutterschaft weniger aus der Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht als aus dem Geburtsvorgang selbst ergibt. Die Elternschaft einer nicht-weiblichen Mutter ist damit möglich. Vater eines Kindes ist der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt 12 Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 des Rates vom 13. Dezember 2004, abrufbar in englischer Fassung unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/ALL/?uri=CELEX%3A32004R2252 [letzter Abruf: 18.06.2018]. 13 UN-Zivilluftfahrtorganisation (UN Civil Aviation Organization), Doc. 9303, Machine Readable Travel Documents , Seventh Edition, 2015, Part 4: Specifications for Machine Readable Passports (MRPs) and other TD3 Size MRTDs, auf Englisch abrufbar unter: https://www.icao.int/publications/Documents/9303_p4_cons_en.pdf [letzter Abruf: 18.06.2018]. 14 Antwort der Bundesregierung vom 11. Juni 2018 auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Katrin Helling-Plahr, Manuel Höferlin, Dr. Jens Brandenburg (Rhein-Neckar), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP, BT- Drucks. 19/2654, S. 3 [letzter Abruf: 03.07.2018]. 15 Bornhofen, in: Gaaz/Bornhofen, Personenstandsgesetz, § 47 Rn. 7, 4. Auflage 2018. 16 Zum Stand der Umsetzung der Entscheidung des BVerfG siehe die Antwort der Bundesregierung vom 11. Juni 2018 auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Katrin Helling-Plahr, Manuel Höferlin, Dr. Jens Brandenburg (Rhein-Neckar), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP, BT-Drucks. 19/2654, S. 3 [letzter Abruf: 03.07.2018]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 098/18 Seite 8 mit der Mutter des Kindes verheiratet ist (§ 1592 Nr. 1 BGB), der die Vaterschaft anerkannt hat (§ 1592 Nr. 2 BGB) oder dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt ist (§ 1592 Nr. 3 BGB). Eine analoge Anwendung der Nummern 1 und 2 des § 1592 BGB erscheint unter dem Aspekt problematisch , dass einer gleichgeschlechtlichen Partnerin der Mutter keine Vaterschaftsanerkennung, sondern lediglich eine (Stiefkind-)Adoption möglich ist. Die Literatur geht jedenfalls von einer analogen Anwendbarkeit der Nummer 3 des § 1592 BGB auf Personen ohne Geschlechtseintrag im Sinne von § 22 Abs. 3 PStG aus.17 Folgt man der Literatur, ist somit die Elternschaft eines nicht-männlichen Vaters möglich. 3. Niederlande 3.1. Personenstands- und Ausweisrecht Das niederländische Zivilgesetzbuch (Burgerlijk Wetboek, BW)18 regelt im Ersten Buch das Personen - und Familienrecht. In den Art. 1:16 ff. BW befinden sich Bestimmungen zum Personenstand . Nach der Geburt eines Kindes wird eine Geburtsurkunde (akte van geboorte) ausgestellt. Das Geschlecht des Kindes ist in die Geburtsurkunde einzutragen. Das niederländische Zivilgesetzbuch erkennt nur die Geschlechtskategorien „männlich“ und „weiblich“ an, vgl. Art. 1:28 Abs. 1 BW. Ist das Geschlecht eines Kindes nach Maßstab dieser Geschlechtskategorien zweifelhaft (twijfelachtig), so ist die Spezialregelung des Art. 1:19d BW anwendbar : In der Geburtsurkunde wird dann festgehalten, dass das Geschlecht des Kindes nicht feststellbar war. Innerhalb von drei Monaten nach der Geburt des Kindes wird erneut eine Geburtsurkunde ausgestellt, in der das Geschlecht des Kindes festgehalten wird, sofern es zwischenzeitlich durch ärztliche Bescheinigung nachgewiesen werden konnte. Sofern eine zwischenzeitliche Feststellung innerhalb dieser Frist nicht erfolgt ist, wird auch in der neuen Geburtsurkunde festgehalten , dass das Geschlecht des Kindes nicht feststellbar war. Die Möglichkeit, den Geschlechtseintrag in der Geburtsurkunde zu ändern, ist über Art. 1:28 BW möglich. Die Norm ist aber vor allem auf transsexuelle Menschen zugeschnitten. Ob und wie Menschen , deren Geschlecht in der Geburtsurkunde als nicht feststellbar festgehalten wurde, von dieser Norm Gebrauch machen können, ergibt sich nicht aus dem Wortlaut der Norm. Nach niederländischem Recht ist auf Reisepässen und Personalausweisen das Geschlecht des Inhabers anzugeben. Als zulässige Geschlechtskategorien sind „männlich“ und „weiblich“ anerkannt . Eine Geschlechtskategorie für intersexuelle Menschen existiert nicht. 3.2. Geschlechtsspezifische Rechtsfolgen Frauen und Männer werden im niederländischen Recht grundsätzlich gleich behandelt. Sollte ein drittes Geschlecht eingeführt werden, wird es wahrscheinlich auch gleich behandelt werden. 17 Wellenhofer, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 1592 Rn. 2, 7. Auflage 2017; Sieberichs, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht (FamRZ) 2013, 1180 (1182). 18 Burgerlijk Wetboek (Zivilgesetzbuch); in englischer Übersetzung abrufbar unter: http://www.dutchcivillaw .com/civilcodegeneral.htm [letzter Abruf: 12.06.2018]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 098/18 Seite 9 4. Finnland 4.1. Personenstands- und Ausweisrecht: Das Geschlecht wird im finnischen Rechtssystem nicht definiert. Allerdings setzt das finnische Melderegistergesetz (Laki väestötietojärjestelmästä ja Väestörekisterikeskuksen varmennepalveluista)19 voraus, dass das Geschlecht jedes Einwohners erfasst wird. Dabei kann das Geschlecht nur als männlich oder weiblich angegeben werden. Das Gesetz sieht vor, dass jeder Einwohner eine Personenkennzahl erhält, die auf der Annahme aufbaut, dass eine Person entweder weiblich oder männlich ist. Dennoch schreibt das Gesetz nicht vor, wie ein Geschlecht zu definieren ist und setzt auch nicht voraus, dass das Geschlecht entweder männlich oder weiblich sein muss. Das Gesundheitspersonal eines Krankenhauses sendet die Angaben an das Melderegister . Handelt es sich um ein intersexuelles Kind, so wird das Geschlecht üblicherweise innerhalb von zwei Wochen bestimmt. Innerhalb dieses Zeitraumes wird durch einen Arzt entschieden , welches Geschlecht das „richtige“ ist. Sowohl das Passgesetz (Passilaki)20 als auch das Personalausweisgesetz (Henkilökorttilaki)21 sehen vor, dass das Geschlecht im Pass und auch im Personalausweis angegeben wird. Eine neue Personenkennzahl kann in das Melderegister eingetragen werden, wenn eine Person nach dem Gesetz über die rechtliche Anerkennung transsexueller Personen (Laki transseksuaalin sukupuolen vahvistamisesta)22 als dem anderen Geschlecht zugehörig anerkannt wird. Nach § 1 des Gesetzes erfolgt eine Änderung des Geschlechts dann, wenn die antragende Person eine ärztliche Bescheinigung vorlegt, dass sie sich dem anderen Geschlecht dauerhaft zugehörig fühlt, die Person entsprechend der Geschlechterrolle lebt, sie entweder sterilisiert worden ist oder aus anderen Gründen nicht in der Lage dazu ist, sich fortzupflanzen und nicht verheiratet ist oder sich in einer registrierten Partnerschaft befindet. §°2 Abs. 1 des Gesetzes sieht eine Ausnahme von dem Grundsatz vor, dass sich die antragsstellende Person nicht in einer Ehe oder eingetragenen Partnerschaft befinden darf, wenn der andere Teil gegenüber dem zuständigen Standesamt der Änderung zustimmt. Über diese Frage, einschließlich der Erteilung einer neuen Personenkennzahl , entscheidet das örtlich zuständige Standesamt, vgl. §°3 des Gesetzes. Rechtsfolge der Ein- 19 Laki väestötietojärjestelmästä ja Väestörekisterikeskuksen varmennepalveluista, Finnish Population Information Act (Meldereistergesetz) (661/2009), eine finnische Version ist abrufbar unter https://www.finlex .fi/fi/laki/ajantasa/2009/20090661 [letzter Abruf: 13.06.2018]. 20 Passilaki, Passport Act (Passgesetz) (21.7.2006/671), eine finnische Version ist abrufbar unter https://www.finlex .fi/fi/laki/ajantasa/2006/20060671?search%5Btype%5D=pika&search %5Bpika%5D=%2821.7.2006%2F671%29 [letzter Abruf: 13.06.2018]. 21 Henkilökorttilaki, Identity Card Act (Personalausweisgesetz) (25.8.2016/663), eine finnische Version ist abrufbar unter https://www.finlex.fi/fi/laki/ajantasa/2016/20160663?search%5Btype%5D=pika&search %5Bpika%5D=%20%2825.8.2016%2F663%29 [letzter Abruf: 13.06.2018]. 22 Laki transseksuaalin sukupuolen vahvistamisesta, Act on legal recognition of the gender of transsexuals (Gesetz über die rechtlicher Anerkennung transsexueller Personen) (563/2002), eine englische Übersetzung ist abrufbar unter: https://www.finlex.fi/en/laki/kaannokset/2002/en20020563_20020563.pdf [letzter Abruf: 13.06.2018]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 098/18 Seite 10 tragsänderung ist nach § 5 des Gesetzes, dass das nun anerkannte Geschlecht bei Anwendung anderer Gesetze als das tatsächliche Geschlecht der Person gilt, es sei denn, dass die Gesetze etwas anderes vorsehen. 4.2. Geschlechtsspezifische Rechtsfolgen Die Geschlechtszuordnung spielt im Namensrecht eine Rolle. Bestimmte Namen werden nicht in dem offiziellen Melderegister angenommen, wenn der vorgeschlagene Name der feststehenden Praxis widerspricht. Es widerspräche der feststehenden Praxis, wenn ein Junge einen traditionellen Mädchennamen erhalten sollte und umgekehrt. Dies betrifft auch intersexuelle Menschen, da sie offiziell nur nach ihrem Geschlecht benannt werden dürfen. Auch das Gleichheitsgesetz (Laki naisten ja miesten välisestä tasa-arvosta)23 unterscheidet zwischen Männern und Frauen. Sein wesentliches Ziel ist es, den Status von Frauen, insbesondere im Arbeitsleben, zu verbessern. Das Gleichheitsgesetz berücksichtigt ausdrücklich die Rechte intersexueller Personen, vgl. § 3 letzter Absatz des Gesetzes. Hiernach sind die Vorschriften des Gesetzes entsprechend auf Diskriminierungen wegen der Tatsache, dass die individuellen geschlechtsbestimmenden Eigenschaften einer Person nicht als eindeutig weiblich oder männlich eingeordnet werden können, anzuwenden. Es ist nach § 7 in Verbindung mit. §°3 letzter Absatz des Gesetzes rechtswidrig, LGBTI-Personen (Lesbian, Gay, Bisexual, Transexuell/Transgender und Intersexual) wegen ihrer sexuellen Orientierung, Geschlechtsidentität und ihrer geschlechtlichen Äußerung zu diskriminieren. Jede Person soll damit im öffentlichen als auch im privaten Raum unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, Geschlechtsidentität und ihrer geschlechtlichen Äußerung gleich behandelt werden. Das neue Mutterschaftsgesetz (Maternity Act)24 tritt im Jahr 2019 in Kraft und ermöglicht es gleichgeschlechtlichen weiblichen Partnerinnen, dass beide Partner Mütter werden, ohne dass ein Kind intern adoptiert werden muss. Die gleichgeschlechtliche Ehe ist in Finnland am 1. März 2017 legalisiert worden. Zur gleichen Zeit haben gleichgeschlechtliche Paare das Recht erhalten, Kinder zu adoptieren. Das Gesetz begann als eine Bürgerinitiative. Das Heiratsgesetz (Avioliittolaki )25 unterschied in seinem § 1 Abs. 1 zwischen Mann und Frau, wobei diese Formulierung nun durch die Formulierung ersetzt wird, dass zwei Personen sich darauf geeinigt haben, einander zu heiraten. 23 Laki naisten ja miesten välisestä tasa-arvosta, Equality Act (Gleichheitsgesetz) (8.8.1986/609), eine englische Übersetzung ist abrufbar unter: https://www.finlex.fi/en/laki/kaannokset/1986/en19860609_20160915.pdf [letzter Abruf: 13.06.2018]. 24 Siehe dazu die englische Pressemitteilung des finnischen Parlaments vom 13. März 2018, abrufbar unter https://www.eduskunta.fi/EN/tiedotteet/Pages/Finnish-Parliament-passes-bill-on-new-Maternity-Act.aspx [letzter Abruf: 13.06.2018]. 25 Avioliittolaki, Marriage Act (Heiratsgesetz) (3.6.1929/234), eine englische Übersetzung ist abrufbar unter: https://www.finlex.fi/fi/laki/kaannokset/1929/en19290234.pdf [letzter Abruf: 13.06.2018]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 098/18 Seite 11 5. Vereinigte Staaten von Amerika 5.1. Personenstands- und Ausweisrecht Das Recht der Vereinigten Staaten setzt voraus, dass das Geschlecht eines Kindes in einem Register oder einer Urkunde festgestellt wird, wobei die entsprechenden Gesetze und Verfahren dem Recht der einzelnen Bundesstaaten (State Law) unterliegen und auch innerhalb der Bundesstaaten von Kommune zu Kommune abweichen können. Die Geschlechter, die in Geburtsurkunden festgehalten werden können, unterscheiden sich damit je nach Bundesstaat. Nur wenige der 50 Bundesstaaten ermöglichen derzeit die Bezeichnung eines Kindes in einer Geburtsurkunde als intersexuell oder geschlechtsneutral. Die Anzahl der Staaten, die dies in naher Zukunft plant, ist ebenfalls gering. Infolge einer Gerichtsentscheidung im Staat Oregon,26 in der das Gericht die Änderung der Angabe des Geschlechts in einer Geburtsurkunde zu „nicht binär“ angeordnet hat, änderte das Verkehrsministerium des Staates seine Verwaltungsvorschrift (Permanent Administrative Rule) dahingehend , dass das Geschlecht auf Führerscheinen auch als „nicht binär“ angegeben werden kann.27 Eine weitere Geburtsurkunde, die das Geschlecht des Inhabers als „intersexuell“ ausweist, wurde im Januar 2017 im Staate New York ausgestellt. Auch hier wurde keine neue Geburtsurkunde für ein neugeborenes Kind ausgestellt, sondern das bereits bestehendes Dokument auf eine gerichtliche Anordnung hin abgeändert.28 Der Staat Washington sieht die Möglichkeit der Angabe eines dritten Geschlechts in seinen Geburtsurkunden vor.29 Nach der Verordnung (Regulation)30 WAC 246-490-075 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 (c) des Landesministeriums für Gesundheit (Department of Health)31 ist es nunmehr möglich, 26 Mele, New York Times vom 13. Juni 2016, abrufbar unter: https://www.nytimes.com/2016/06/14/us/oregonnonbinary -transgender-sex-gender.html [letzter Abruf: 13.06.2018]. 27 Verwaltungsvorschrift (Permanent Administrative Rule) des Verkehrsministeriums des Staates Oregon vom April 2017, Nr. 735-062-0013, abrufbar unter: https://www.oregon.gov/ODOT/Get-Involved/OAR%20072017/735- 062-0013Final.pdf [letzter Abruf: 13.06.2018]. 28 Levin, The Guardian vom 11. Januar 2017, abrufbar unter: https://www.theguardian.com/world/2017/jan/11/intersex -rights-gender-sara-kelly-keenan-birth-certificate [letzter Abruf: 13.06.2018]. 29 Wilmsen, The Seattle Times vom 4. Januar 2018, abrufbar unter: https://www.seattletimes.com/seattlenews /birthcertificate-change/ [letzter Abruf: 13.06.2018]. 30 Die Verordnungen (Regulations) der Behörden sind im Verwaltungsgesetzbuch des Staates Washington (Washington Administrative Code) zusammengefasst und sind, wie die Gesetzgebung, Bestandteil des Primärrechts , vgl.: http://app.leg.wa.gov/WAC/default.aspx [letzter Abruf: 13.06.2018]. 31 Changing sex designation on a birth certificate, Verordnung (Regulation) des Landesministeriums für Gesundheit (Department of Health) des Bundesstaates Washington, WAC 246-490-075, abrufbar unter: http://app.leg.wa.gov/WAC/default.aspx?cite=246-490-075 [letzter Abruf: 13.06.2018]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 098/18 Seite 12 dass ab dem 27. Januar 2018 Personen, die im Staat Washington geboren worden sind und ihr Geschlecht ändern möchten, ihr rechtliches Geschlecht zu „X“ ändern können. Das „X“ bezieht sich auf ein Geschlecht, das weder ausschließlich männlich noch weiblich ist, und unter anderem auch intersexuelle Personen umfassen soll.32 Voraussetzung hierfür ist, dass die volljährige antragsstellende Person einen entsprechenden Antrag ausfüllt, der in der Anwesenheit eines Notars unterzeichnet werden muss. Im Falle eines Minderjährigen muss neben den erforderlichen Vollmachten auch eine Bescheinigung der Krankenversicherung vorgelegt werden, dass die antragsstellende Person bei ihm versichert ist und die beantragte Änderung mit seiner Identität übereinstimmt . Durch ein neues Gesetz des Staates Kalifornien erhalten Bürger des Staates die Möglichkeit, ein drittes, nicht binäres Geschlecht für ihre bundesstaatlichen Ausweise, Geburtsurkunden und Führerscheine zu wählen.33 Nach Art. 7 Sec. 11 des Gesetzes zur Anerkennung von Geschlechtern (Gender Recognition Act)34 kann aufgrund der Neufassung der Sec. 103426 des Gesetzes über die Gesundheit und Sicherheit (Health and Safety Code) bei dem Standesamt des Bundesstaates (State Registrar) ohne gerichtliche Anordnung beantragt werden, das Geschlecht einer in dem Staat geborenen Person zu nicht „nicht-binär“ („nonbinary“) zu ändern, wenn die antragsstellende Person einen entsprechenden Antrag einreicht und eidesstattlich versichert, dass die Änderung des auf der Geburtsurkunde angegebenen Geschlechts nicht zu betrügerischen Zwecken erfolgt, sondern der Geschlechtsidentität der antragsstellenden Person entspricht. So soll auch der von dem Staat ausgestellte Führerschein nach Sec. 16 ff. des Gesetzes zur Anerkennung von Geschlechtern den Inhabern eines Führerscheins die Angabe eines „nicht binären“ Geschlechts ermöglichen. Das Geschlecht eines Passinhabers muss in dem Dokument angegeben werden und unterliegt dem Bundesrecht (Federal Law). Einzige Ausnahme hierzu ist das Recht vereinzelter indianischer Stammesnationen, Pässe auszustellen. In einem Pass ist derzeit lediglich die Angabe eines männlichen oder weiblichen Geschlechts zulässig.35 5.2. Geschlechtsspezifische Rechtsfolgen Erst wenige Staaten haben in den letzten 18 Monaten Intersexualität als Geschlecht anerkannt. 32 Siehe dazu die Webseite des Landesministeriums für Gesundheit (Department of Health) des Bundesstaates Washington: https://www.doh.wa.gov/LicensesPermitsandCertificates/BirthDeathMarriageandDivorce/SexDesignation ChangeonaBirthCertificate [letzter Abruf: 13.06.2018]. 33 https://www.nytimes.com/2017/10/19/us/birth-certificate-nonbinary-gender-california.html [letzter Abruf: 13.06.2018]. 34 Gender Recognition Act (Gesetz zur Anerkennung von Geschlechtern), Senate Bill No. 179, Chapter 853, approved by the Governor October 15 2017, filed with the Secretary of State October 15, 2017, abrufbar unter: https://leginfo.legislature.ca.gov/faces/billNavClient.xhtml?bill_id=201720180SB179 [letzter Abruf: 13.06.2018]. 35 Siehe dazu die Webseite des Außenministeriums: https://travel.state.gov/content/travel/en/passports/applyrenew -passport/gender.html [letzter Abruf: 13.06.2018]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 098/18 Seite 13 6. Estland 6.1. Personenstands- und Ausweisrecht Das Geschlecht eines Kindes wird im Melderegister bei der Geburt eingetragen. Jeder Einwohner erhält eine Personenkennzahl, die auf dem Personalausweis und mehreren anderen Ausweisen und Dokumenten wiedergegeben wird. Die erste Nummer der Kennzahl weist auf das Geschlecht hin, eine 3 steht für das männliche Geschlecht und eine 4 für das weibliche Geschlecht. Intersexuelle Personen müssen einer der beiden Kategorien zugeordnet werden. Ändert eine Person ihr Geschlecht, dann muss sich nach § 49 1 und § 49 2 des Melderegistergesetzes (Perekonnaseisutoimingute seadus)36 auch die Personenkennzahl in den Ausweisen und Dokumenten ändern. Danach muss die Person, die ihr eingetragenes Geschlecht ändern möchte, einen schriftlichen Antrag stellen und eine ärztliche Beurteilung des Geschlechtes bei der zuständigen Behörde vorlegen , die dann lediglich die eingetragenen Daten zu dem Namen und dem Geschlecht der Person ändert. Im Falle der Registeränderung muss der Antragende nach §°49 2 Abs. 4 des Melderegistergesetzes eine Gebühr für die Registereintragung zahlen und erhält nach § 49 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Registrierung wichtiger Statistiken eine schriftliche Bestätigung der Eintragung. 6.2. Geschlechtsspezifische Rechtsfolgen Die Regelungen zur Mutter- bzw. Vaterschaft knüpfen an das Geschlecht der Eltern an. So ist nach estnischem Recht die Frau, die ein Kind gebiert, die Mutter des Kindes und der Mann, der das Kind zeugt, der Vater des Kindes. Der Mann hat das Kind dann gezeugt, wenn (1.) er zur Zeit der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet gewesen ist, (2.) die Vaterschaft anerkannt hat oder (3.) die Vaterschaft durch ein Gericht anerkannt worden ist. Damit knüpfen alle Vorschriften zu der Frage der Abstammung eines Kindes an das Geschlecht der Eltern an. So kann zum Beispiel die Vaterschaft nur von einem Mann anerkannt werden. Die Ehe ist nur zwischen Mann und Frau möglich. Ferner kann nach §°7 Abs. 3 Nr. 2 des Namensgesetzes (Nimeseadus)37 ein Vorname ohne guten Grund nicht zugewiesen werden, der nicht dem Geschlecht der Person entspricht. Intersexuelle Personen werden rechtlich entweder als Frau oder Mann eingeordnet und müssen folglich diejenigen Vorschriften beachten, die auf das jeweilige Geschlecht Anwendung finden. 36 Perekonnaseisutoimingute seadus, Vital Statistics Registration Act (Melderegistergesetz), Gesetz vom 20.05.2009, RT I 2009, 30, 177. Eine englische Übersetzung ist abrufbar unter https://www.riigiteataja.ee/en/eli/ee/504022014001/consolide [letzter Abruf: 18.06.2018]. 37 Nimeseadus, Names Act (Namensgesetz), Gesetz vom 15.12.2004, RT I 2005, 1, 1. Eine englische Übersetzung ist abrufbar unter https://www.riigiteataja.ee/en/eli/524032015006/consolide [letzter Abruf: 18.06.2018]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 098/18 Seite 14 7. Frankreich 7.1. Personenstands- und Ausweisrecht: Nach Art. 57 des Französischen Zivilgesetzbuchs (Code Civil, CC)38 legt die Geburtsurkunde (l'acte de naissance) den Ort, den Tag und die Zeit der Geburt sowie das Geschlecht, den Vornamen und den Nachnamen des Kindes fest. Die erste Kammer des Kassationsgerichts (Cour de Cassation) hat in seinem Urteil vom 4. Mai 201739 bestätigt, dass Art. 57 CC eine abschließende Aufzählung der Geschlechter enthält, die in eine Geburtsurkunde eingetragen werden können. Nach dem Urteil verbietet es das französische Recht, ein anderes Geschlecht als das männliche oder weibliche in eine Urkunde des Zivilstandes aufzunehmen. Wenn die geschlechtliche Identität den Schutzbereich des Art.°8 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK)40 berührt, so verfolgten doch die Vorschriften des Standeswesens ein legitimes Ziel. Die binäre Geschlechtereinteilung sei als Grundelement für die soziale und rechtliche Ordnung notwendig. Die gerichtliche Anerkennung eines „neutralen Geschlechts“ würde tiefgreifende Folgen für die Vorschriften des französischen Rechts nach sich ziehen, da es auf die binäre Unterscheidung zwischen den Geschlechtern aufbaue. Eine Abkehr von diesem System würde zu einer Vielzahl von Gesetzesänderungen führen. Damit hat das Kassationsgericht den Versuchen einiger Gerichte, ein drittes Geschlecht anzuerkennen, ein Ende gesetzt. So hatte z.B. das Landgericht (Tribunal de Grande Instance ) Tours am 20. August 201541 angeordnet, dass die standesrechtliche Angabe einer Person als männlich durch die Angabe eines neutralen Geschlechts ersetzt werden sollte. Offizielle Ausweisdokumente wie der Pass oder der Personalausweis werden auf der Grundlage der Geburtsurkunde erstellt, womit sie auch das Geschlecht des Ausweisinhabers enthalten.42 Gegenwärtig können damit weder Ausweispapiere noch die Geburtsurkunde andere Angaben machen , als dass der Inhaber des Ausweispapieres oder der Geburtsurkunde männlichen oder weib- 38 Code Civil Français (Zivilgesetzbuch), version consolidée au 3 janvier 2018, auf Französisch abrufbar unter: https://www.legifrance.gouv.fr/affichCode.do?cidTexte=LEGITEXT000006070721 [letzter Abruf: 18.06.2018]. Eine englische Version ist abrufbar unter: https://www.legifrance.gouv.fr/Traductions/en-English/Legifrancetranslations [letzter Abruf: 18.06.2018]. 39 Cour de Cassation, arrêt n° 531 du 4 mai 2017 (16-17.189). Der gesamte französische Text des Urteils ist abrufbar unter: https://www.courdecassation.fr/jurisprudence_2/premiere_chambre_civile_568/531_4_36665.html [letzter Abruf: 18.06.2018]. 40 Europäische Menschenrechtskonvention, in der Fassung der Protokolle Nr. 11 und 14, samt Zusatzprotokoll und Protokolle Nr. 4, 6, 7, 12 und 13, eine unverbindliche deutsche Fassung ist abrufbar unter: https://www.echr.coe.int/Documents/Convention_DEU.pdf [letzter Abruf: 18.06.2018]. 41 Tribunal de Grande Instance Tours, deuxième chambre civile, jugement du 20 août 2015. Der gesamte französische Text des Urteils ist abrufbar unter: http://www.pitcho.fr/site/wp-content/uploads/2015/10/Cliquez-icipour -la-d%C3%A9cision-du-TGI-Tours-20-ao%C3%BBt-2015.pdf [letzter Abruf: 18.06.2018]. 42 Siehe dazu: https://www.service-public.fr/particuliers/vosdroits/N358 [letzter Abruf: 18.06.2018]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 098/18 Seite 15 lichen Geschlechts ist. Das französische Zivilrecht erkennt die Existenz eines neutralen oder intersexuellen Geschlechts nicht an. Intersexuelle Personen werden derzeit von einem der beiden Geschlechter umfasst. Die Berichtigung eines falsch eingetragenen Geschlechts kann unter zwei verschiedenen Umständen erfolgen: Zum einen kann eine Berichtigung oder Ergänzung der Geburtsurkunde dann erforderlich sein, wenn der bei der Geburt behandelnde Arzt zur Zeit der Geburt keine abschließende Aussage zum Geschlecht des Kindes machen konnte. Diese Konstellation wird von einer Verwaltungsvorschrift des Justizministeriums zu Sonderregelungen im Bereich der Urkunden des Zivilstandes und der Abstammung vom 28. Oktober 2011 (circulaire du Ministère de la Justice «relative aux règles particulières à divers actes de l’état civil relatifs à la naissance et à la filiation»)43 geregelt. Die Verwaltungsvorschrift eröffnet die vorübergehende Möglichkeit, das Geschlecht des Neugeborenen nach vorheriger Zustimmung eines Staatsanwaltes (Procureur de la république) in der Geburtsurkunde offen zu lassen. Die Angabe des Geschlechts wird dann in die Geburtsurkunde eingetragen , nachdem sich das Kind einer medizinischen Behandlung unterzogen hat, aufgrund der es dem männlichen oder dem weiblichen Geschlecht zugeordnet werden kann. Es soll vermieden werden, dass in der Geburtsurkunde das Geschlecht als nicht bestimmbar aufgeführt wird. Den Eltern des neugeborenen Kindes soll geraten werden, einen Arzt zu befragen, welches Geschlecht für ihr Kind am ehesten in Betracht kommt, gegebenenfalls soll dies nach einer medizinischen Behandlung erfolgen. Das Geschlecht wird dann in der Geburtsurkunde eingetragen. In einzelnen Fällen kann eine Eintragung, wenn sie falsch erfolgt ist, durch eine gerichtliche Anordnung korrigiert werden. Kann der behandelnde Arzt in Ausnahmefällen keinerlei Anhaltspunkte für das Geschlecht eines Neugeborenen erkennen, das Geschlecht aber in einem Zeitraum von ein oder zwei Jahren nach einer entsprechenden medizinischen Behandlung festgestellt werden, so ist es möglich, dass mit der Zustimmung eines Staatsanwaltes gar keine Feststellungen zu dem Geschlecht des Kindes in der Geburtsurkunde erfolgen. In einem solchen Fall sollen alle Maßnahmen ergriffen werden, die sicherstellen, dass die Geburtsurkunde durch eine richterliche Entscheidung ergänzt werden kann. Eine Berichtigung der Geburtsurkunde kann zum anderen dann erfolgen, wenn jemand dies ausdrücklich verlangt. Diese Möglichkeit ist kürzlich durch das Gesetz zur Modernisierung der Justiz des 21. Jahrhunderts (loi de modernisation de la justice du XXIème siècle)44 erleichtert worden , insbesondere durch die Einführung der Art. 61-5 und 61-6 CC. Danach kann eine volljährige Person oder eine rechtlich erwachsene minderjährige Person, die hinreichende Tatsachen dafür darlegen kann, dass die standesrechtliche Eintragung zu ihrem Geschlecht nicht dem Geschlecht entspricht, unter dem die Person auftritt und bekannt ist, die Änderung des eingetragenen Ge- 43 Circulaire du Ministère de la Justice «°relative aux règles particulières à divers actes de l’état civil relatifs à la naissance et à la filiation°» (Verwaltungsvorschrift des Justizministeriums zu Sonderregelungen im Bereich der Urkunden des Zivilstandes und der Abstammung) vom 28. Oktober 2011, NOR: JUSC1119808C. Auf Französisch abrufbar unter: http://circulaires.legifrance.gouv.fr/pdf/2011/11/cir_34124.pdf [letzter Abruf: 18.06.2018]. 44 Loi de modernisation de la justice du XXIème siècle, loi n° 2016-1547 du 18 novembre 2016, (Gesetz zur Modernisierung der Justiz des 21. Jahrhunderts) in französischer Sprache abrufbar unter: https://www.legifrance .gouv.fr/eli/loi/2016/11/18/JUSX1515639L/jo [letzter Abruf: 18.06.2018]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 098/18 Seite 16 schlechts beantragen. Der Antrag ist bei einem Landgericht zu stellen und muss die Einverständniserklärung des Antragsstellers zur Änderung seines Geschlechts in allen standesrechtlichen Urkunden enthalten. Die Tatsache, dass die antragsstellende Person sich keiner medizinischen Behandlung oder Operation unterzogen hat und sich nicht hat sterilisieren lassen, kann kein Versagungsgrund des Antrages sein. Nach den Art. 61-5 und 61-6 ist es nicht möglich, einen Antrag dahingehend zu stellen, dass das auf der Geburtsurkunde angegebene Geschlecht ein „neutrales Geschlecht“ sein soll oder die Bezeichnung „intersexuell“ aufweisen soll. 7.2. Geschlechtsspezifische Rechtsfolgen Seit dem Jahr 2013 gibt es keine gesetzlichen Regelungen mehr, die Rechtsfolgen von dem Geschlecht einer Person abhängig machen. Das Gesetz zur Öffnung der Heirat für Paare gleichen Geschlechts (loi ouvrant le mariage aux couples de personnes de même sexe)45 hat neben den Bestimmungen des Zivilgesetzbuches zur Eheschließung auch die Vorschriften zur Adoption und zum Namensrecht geändert. So ist nach Art. 143 CC die Heirat zwischen zwei Personen verschiedenen Geschlechts und zwei Personen des gleichen Geschlechts möglich. Darüber hinaus wäre aufgrund des Gleichheitsprinzips (principe d’égalité) die Aufrechterhaltung oder Einführung einer Gesetzesbestimmung verfassungswidrig , die eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts enthält. 8. Norwegen 8.1. Personenstands- und Ausweisrecht § 1 des Kindergesetzes (Barneloven)46 sieht vor, dass der bei der Geburt behandelnde Arzt oder die behandelnde Hebamme dem Melderegister innerhalb einer Woche nach der Geburt das Geschlecht des Neugeborenen mitteilt. In dem auszufüllenden Formular kann das Geschlecht lediglich als männlich oder weiblich angegeben werden. Die Eltern erhalten nach der Mitteilung an das Register die Geburtsurkunde des Kindes, in dem die nationale Identitätsnummer enthalten ist, die auch einen Hinweis auf das Geschlecht des Kindes enthält. In der Geburtsurkunde wird der Name des Kindes, das Datum seiner Geburt, die nationale Identitätsnummer, das Geschlecht, der Namen der Eltern und der Geburtsort angegeben . Die Vorschriften zum nationalen Melderegister sehen nicht vor, dass das Geschlecht zwingend in der Geburtsurkunde angegeben werden muss. Dennoch ist die Angabe des Geschlechts 45 Loi ouvrant le mariage aux couples de personnes de même sexe, loi n° 2013-404 du 17 mai 2013 (Gesetz zur Öffnung der Heirat für Paare gleichen Geschlechts), auf Französisch abrufbar unter: https://www.legifrance .gouv.fr/affichTexte.do?cidTexte=JORFTEXT000027414540&categorieLien=id [letzter Abruf: 18.06.2018]. 46 Barneloven, Act of 8 April 1981 No. 7 relating to Children and Parents (the Children Act) (Kindergesetz), last amended in July 2016, auf Englisch abrufbar unter: https://www.regjeringen.no/en/dokumenter/the-childrenact /id448389/ [letzter Abruf: 18.06.2018]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 098/18 Seite 17 gängige Praxis. Da die nationale Identitätsnummer auf der Angabe des Geschlechts aufbaut, ist die Angabe eines Geschlechts notwendig. Das nationale Melderegistergesetz (Lov om folkeregistrering (folkeregisterloven))47 und die Ausführungsbestimmungen zum Melderegister (National Registry Regulations) regeln die Erfassung standesrechtlicher Angaben jedes norwegischen Einwohners. Jede Person, die in Norwegen geboren worden oder gemeldet ist, muss im nationalen Melderegister eingetragen sein. Dafür erhält sie eine individuelle Identitätsnummer. Sie besteht aus elf Ziffern. Die ersten sechs Ziffern stehen für das Geburtsdatum der Person (Tag/Monat/Jahr, z.B. 01.01.89). Die nächsten drei Ziffern sind Identitätsnummern, bei denen die dritte Ziffer das Geschlecht der Person wiedergibt. Eine ungerade Zahl bedeutet, dass der Inhaber der Nummer männlich ist, eine gerade Zahl, dass die Inhaberin weiblich ist. Die letzten beiden Ziffern sind Kontrollnummern. Nach dem Melderegistergesetz muss die Identitätsnummer dem Geschlecht der innehabenden Person angepasst werden , wenn sie es ändert. Das Geschlecht des Inhabers oder der Inhaberin wird auch in Pässen registriert. Dabei handelt es sich auch um eine binäre Kategorie, die lediglich zwischen dem männlichen und dem weiblichen Geschlecht unterscheidet. Das Passgesetz (Lov om pass (passloven))48 und die Ausführungsbestimmungen zum Passgesetz (Passport Regulations) sehen das Geschlecht nicht als verpflichtende Information an, die angegeben werden muss, wenn ein norwegischer Pass beantragt wird. Allerdings muss die nationale Identitätsnummer angegeben werden, die, wie oben dargestellt , eine Information zu dem Geschlecht der Person enthält. Auch setzt die UN-Zivilluftfahrtorganisation , dessen Mitglied Norwegen ist, voraus, dass das Geschlecht des Passinhabers angegeben wird. Allerdings sehen die Vorschriften der UN-Zivilluftfahrtorganisation vor, dass neben dem männlichen oder weiblichen Geschlecht die Angabe eines nicht spezifizierten Geschlechts möglich ist.49 Diese dritte Möglichkeit wird jedoch derzeit bei norwegischen Pässen nicht genutzt . Im Führerschein finden sich keine Angaben zu dem Geschlecht des Ausweisinhabers. Allerdings wird in ihm die nationale Identitätsnummer angegeben, die einen Rückschluss auf das Geschlecht zulässt. Ein nationaler Personalausweis existiert in Norwegen derzeit nicht, obwohl seine Einführung seit dem Jahr 2007 geplant ist. 47 Lov om folkeregistrering (folkeregisterloven), Act of 16 January 1970 on the National Registry, last amended in December 2016 (Melderegistergesetz), auf Norwegisch abrufbar unter: https://lovdata.no/dokument /NL/lov/2016-12-09-88#KAPITTEL_2 [letzter Abruf: 18.06.2018]. 48 Lov om pass (passloven), Act of 19 June 1997 No. 82 relating to passports (the Passport Act) (Passgesetz), last amended in June 2017, auf Englisch abrufbar unter: http://app.uio.no/ub/ujur/oversatte-lover/data/lov- 19970619-082-eng.html [letzter Abruf: 18.06.2018]. 49 UN-Zivilluftfahrtorganisation (UN Civil Aviation Organization), Doc. 9303, Machine Readable Travel Documents , Seventh Edition, 2015, Part 5: Specifications for TD1 Size, Machine Readable Official Travel Documents (MROTDs), p.11, abrufbar unter: https://www.icao.int/publications/Documents/9303_p5_cons_en.pdf [letzter Abruf: 18.06.2018]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 098/18 Seite 18 Das Gesetz zur Änderung des Geschlechts (Act on Legal Gender Change),50 das am 1. Juli 2016 in Kraft getreten ist, ermöglicht die Änderung des eingetragenen Geschlechts einer Person auf der Grundlage der von ihr erklärten geschlechtlichen Identität. Damit muss die Person nunmehr keine ärztliche Diagnose erhalten oder sich sterilisieren lassen, um ihr Geschlecht ändern zu können . Dennoch kann das Geschlecht nur zwischen dem männlichen und dem weiblichen Geschlecht geändert werden. § 2 des Gesetzes zur Änderung des Geschlechts sieht ausdrücklich vor, dass eine Person, die in Norwegen gemeldet ist und sich dem anderen Geschlecht zugehörig fühlt, das nicht in dem nationalen Melderegister eingetragen ist, das Recht hat, ihr Geschlecht zu ändern. Der Formulierung „dem anderen Geschlecht“ ist zu entnehmen, dass das Gesetz von einem binären Geschlechtskonzept ausgeht. Das Gesetz sieht ferner vor, dass das neue Geschlecht in Bezug auf die Anwendung anderer Gesetze als das tatsächliche Geschlecht anzusehen ist. Jedoch soll das Geschlecht, das im Zeitpunkt der Geburt eingetragen wurde, dann entscheidend sein, wenn es um die Feststellung der Elternschaft oder elterlicher Pflichten nach dem Kindergesetz geht. Damit ist ein weiteres binäres Geschlechtsverständnis eingeführt worden, nämlich die Unterscheidung zwischen dem Geburtsgeschlecht und dem rechtlichen Geschlecht. Eine Person, die ihr rechtliches Geschlecht ändert, behält auch diejenigen Rechte, die sie aufgrund einer bereits bestehenden Vater- oder Mutterschaft oder einer Mitmutterschaft erhalten hat. Die Änderung des rechtlichen Geschlechts führt zu einer Änderung der nationalen Identitätsnummer und der Änderung des im Pass eingetragenen Geschlechts. 8.2. Geschlechtsspezifische Rechtsfolgen Das norwegische Recht kennt mehrere Bestimmungen, nach denen das Geschlecht einer Person unterschiedliche Rechtsfolgen auslösen kann. Allerdings werden intersexuelle Personen in den Bestimmungen nicht erwähnt. Das Biotechnologiegesetz (lov om medisinsk bruk av bioteknologi)51 regelt die Empfängnishilfe und sieht in § 2-2 vor, dass eine Frau die Empfängnishilfe nur dann erhalten kann, wenn sie verheiratet ist oder sich in einer Beziehung befindet, die einer Ehe entspricht. Seit das Gesetz zur Änderung des Geschlechts vorsieht, dass das rechtliche Geschlecht für die Anwendung anderer Gesetze entscheidend ist, werde das rechtliche Geschlecht auch hier entscheidend sein. Diese Frage sei allerdings eingehend diskutiert worden. § 10 des Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsgesetzes (Lov om likestilling og forbud mot diskriminering (likestillings- og diskrimineringsloven))52 sieht vor, dass eine unterschiedliche Behandlung von Frauen dann zulässig ist, wenn es die Schwangerschaft, das Stillen der Kinder, 50 Siehe dazu die Pressemitteilung 06/2016 der norwegischen Regierung vom 18. März 2018 zu dem Gesetzentwurf : https://www.regjeringen.no/en/aktuelt/easier-to-change-legal-gender/id2480677/ [letzter Abruf: 18.06.2018]. 51 Lov om medisinsk bruk av bioteknologi, Act of 5 August 1994 No. 56 relating to the application of biotechnology in medicine (Biotechonology Act) (Biotechnologiegesetz), auf Englisch abrufbar unter: http://app.uio.no/ub/ujur/oversatte-lover/data/lov-19940805-056-eng.pdf [letzter Abruf: 18.06.2018]. 52 Lov om likestilling og forbud mot diskriminering (likestillings- og diskrimineringsloven), Act of 19 December 2017 relating to equality and a prohibition against discrimination (Equality and Anti-Discrimination Act) (Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsgesetz), auf Englisch abrufbar unter: https://lovdata.no/dokument /NLE/lov/2017-06-16-51 [letzter Abruf: 18.06.2018]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 098/18 Seite 19 den Schwangerschaftsurlaub, den Mutterschaftsurlaub, und den Elternurlaub betrifft, wenn die unterschiedliche Behandlung von Frauen für das Wohl der Frau, des Fötusses oder des Kindes notwendig ist, oder die Schwangerschaft, die Geburt, das Stillen des Kindes oder andere offensichtliche Gründe es erfordern. Eine unterschiedliche Behandlung von Frauen im Zusammenhang mit Schwangerschaft, Geburt oder Stillen des Kindes oder im Zusammenhang mit Mutterschaftsurlaub oder Adoptionsurlaub ist im Rahmen von Einstellungen und Kündigungen nie zulässig . Dies gilt auch bei Verlängerungen einer befristeten Stelle. Das Namensgesetz (Personal Name Act) regelt die Umstände, in denen ein Kind den Nachnamen der Mutter erhält. Dies kann nach § 2 des Namensgesetzes dann der Fall sein, wenn die sorgeberechtigten Eltern den gewählten Nachnamen für das Kind dem Melderegister nicht innerhalb von sechs Monaten mitteilen, obwohl sie hierzu verpflichtet sind. Zu erwähnen ist auch, dass nach §°1 des Heiratsgesetzes (lov om ekteskap (ekteskapsloven))53 nur zwei Personen unterschiedlichen Geschlechts die Ehe schließen können. Es ist dagegen nicht erkennbar, dass das Erbgesetz (Inheritance Act) oder das Kindergesetz Bestimmungen enthalten, die bestimmte Rechtsfolgen an ein Geschlecht anknüpfen. 9. Israel 9.1. Personenstands- und Ausweisrecht Das Recht des Staates Israel sieht vor, dass das Geschlecht eines Kindes in der Geburtsurkunde und anderen Ausweisdokumenten aufgeführt wird. Dabei sind als einzige Kategorien männlich und weiblich anerkannt. 9.2. Geschlechtsspezifische Rechtsfolgen In der israelischen Gesetzgebung gibt es keine Bestimmungen, die sich ausdrücklich auf intersexuelle Personen beziehen. 10. Tschechische Republik 10.1. Personenstands- und Ausweisrecht Das tschechische Recht kennt lediglich das männliche und das weibliche Geschlecht und regelt damit die Frage der Intersexualität nicht. Das Geschlecht eines Neugeborenen wird in der Regel bei der Geburt durch einen Arzt anhand der bestimmenden Geschlechtsmerkmale bestimmt. Sollte das durch den Arzt festgestellte Geschlecht nicht zutreffend gewesen sein, kann eine intersexuelle Person ihr Geschlecht lediglich 53 Lov om ekteskap (ekteskapsloven), Act of 4 July 1991 No. 47 (the Marriage Act), abrufbar unter: https://www.regjeringen.no/en/dokumenter/the-marriage-act/id448401/ [letzter Abruf: 18.06.2018]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 098/18 Seite 20 wie eine transsexuelle Person ändern. Das tschechische Recht kennt keine andere Möglichkeit, die geschlechtliche Identität einer Person zu ändern. Das Geschlecht des Inhabers von Ausweispapieren (Pass und Personalausweis) wird stets angegeben , wobei hier auch nur die Angabe des weiblichen oder männlichen Geschlechts möglich ist. Nach dem Melderegistergesetz (zákon o evidenci obyvtel a rodných číslech a o zmĕnĕ nĕkterých zákonu)54 erhält jeder Bürger im Zeitpunkt der Geburt eine Geburtsurkunde und eine Geburtsnummer , die je nach Geschlecht abweicht. Eine nachträgliche Änderung der Nummer ist nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen möglich, wozu u.a. der Fall zählt, dass das Geschlecht einer Person aufgrund einer Geschlechtsumwandlung geändert wird. Grundsätzlich ist nach § 29 des Bürgerlichen Gesetzbuches (občanský zákoník)55 in Verbindung mit §§ 17a, 68 und 72 des Gesetzes über das Standesamt, Vor- und Nachnamen (zákon o matrikách , jménu a přijmeni a o zmĕnĕ nĕkterých souvisejících zákonu)56 die Änderung der Geschlechtsbezeichnung in offiziellen Urkunden nur nach einer Geschlechtsumwandlung möglich. Bevor der Antrag auf eine solche Operation gestellt werden kann, muss die antragsstellende Person sich von ihrem Ehepartner oder eingetragenen (gleichgeschlechtlichen) Lebenspartner scheiden oder die Partnerschaft auflösen und beweisen, dass sie dazu in der Lage ist, ein Jahr lang nach dem beantragten Geschlecht zu leben. Nach dem Ablauf des Jahres entscheidet ein Gremium aus Ärzten, Psychologen und Juristen nach einer Anhörung, ob die antragsstellende Person psychisch gesund ist und die weiteren Voraussetzungen erfüllt, die das tschechische Recht für eine Geschlechtsumwandlung vorsieht. Von der Geschlechtsumwandlung ist eine Sterilisation zwingend umfasst. Die Kosten für die Geschlechtsumwandlung werden von der Krankenkasse übernommen. Ein anderer, männlicher, weiblicher oder neutraler Name kann nur nach der Geschlechtsumwandlung beantragt werden. Gleiches gilt für die Änderung der Geburtsnummer und des auf den Ausweispapieren angegebenen Geschlechts. Die antragsstellende Person kann zu Beginn der Jahresfrist im Rahmen des Verfahrens zur Geschlechtsumwandlung einen geschlechtsneutralen Namen und eine neutrale Endung ihres Nachnamens wählen. Das tschechische Recht kennt jedoch keine andere Möglichkeit, das rechtliche Geschlecht einer Person zu ändern. Allerdings widerspricht die gegenwärtige Rechtslage der Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Deshalb hat das tschechische Justizministerium einen 54 Zákon ze dne 12. dubna 2000 o evidenci obyvtel a rodných číslech a o o zmĕnĕ nĕkterých zákonu, Act no. 133/2000 Coll., on Registration of Population and Birth Numbers, as amended (Melderegistergesetz). Eine tschechische Version des Gesetzes ist abrufbar unter: http://aplikace.mvcr.cz/sbirka-zakonu/SearchResult .aspx?q=%20133/2000&typeLaw=zakon&what=Cislo_zakona_smlouvy [letzter Abruf: 25.06.2018]. 55 Občanský zákoník (Bürgerliches Gesetzbuch), vom 3 Februar 2012, 89/2012 Sb. Eine deutsche Version ist abrufbar unter: http://obcanskyzakonik.justice.cz/images/pdf/Burgerliches-Gesetzbuch.pdf [letzter Abruf: 25.06.2018]. 56 Zákon ze dne 2. srpna 2000 o matrikách, jménu a přijmeni a o zmĕnĕ nĕkterých souvisejících zákonu, Act No. 301/2000 Coll. on Offices of Vital Records, Names and Surnames (Gesetz über das Standesamt, Vor- und Nachnamen ). Eine tschechische Version ist abrufbar unter: http://www.mvcr.cz/clanek/marriage-between-czech-nationals -and-foreign-nationals-in-the-czech-republic.aspx [letzter Abruf: 25.06.2018]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 098/18 Seite 21 Gesetzesentwurf verfasst, nach dem das in öffentlichen Urkunden und Ausweispapieren angegebene Geschlecht ohne die Vornahme einer Geschlechtsumwandlung geändert werden kann. Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass die zuständige Behörde das Geschlecht nach der Vorlage eines ärztlichen Attests geändert werden kann, in dem der Person bescheinigt wird, dass sie unter einer Störung ihrer sexuellen Identität leidet. Der Gesetzesentwurf muss noch von der Regierung bestätigt und dem Parlament zur Beratung vorgelegt werden. 10.2. Geschlechtsspezifische Rechtsfolgen Die Namensgebung orientiert sich nach dem Geschlecht einer Person. Weibliche Vornamen enden üblicherweise mit einem „a“ und manchmal mit einem „e“ und weibliche Nachnamen haben tragen die Endung „ová“. Männliche Nachnamen enden meist mit „ý“. Dennoch besteht die Möglichkeit , einen geschlechtsneutralen Namen zu wählen. Nach §°655 des Bürgerlichen Gesetzbuches steht nur Paaren unterschiedlichen Geschlechts die Möglichkeit der Heirat offen. Allerdings können gleichgeschlechtliche Partner nach dem Gesetz über die eingetragene Lebenspartnerschaft (zákon o registrovaném partnerství a o zmĕnĕ nĕkterých zákonu) seit dem Jahr 2006 eine eingetragene Partnerschaft eingehen.57 Die Rechte, die das Recht der tschechischen Republik für die eingetragene Partnerschaft geschaffen hat, sind im Vergleich zu der Ehe zwischen Personen unterschiedlichen Geschlechts begrenzt.58 So führt die eingetragene Partnerschaft nicht zum gesetzlichen Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft59 und sieht auch nicht vor, dass gleichgeschlechtliche. eingetragene Partner Kinder adoptieren können. Dagegen ist die eingetragene Partnerschaft im Erbrecht der Ehe gleichgestellt. 11. Portugal 11.1. Personenstands- und Ausweisrecht Nach dem Melderegistergesetz (Código do Registo Civil)60 muss das Geschlecht eines Kindes im Zeitpunkt seiner Geburt in ein Register eingetragen werden. Dabei wird nur das männliche oder weibliche Geschlecht als Eintragungsmöglichkeit anerkannt. Intersexuelle Personen werden damit nicht von diesen Kategorien erfasst. Kann das Geschlecht eines Kindes im Zeitpunkt seiner 57 Zákon zed ne 26. ledna 2006 o registrovaném partnerství a o zmĕnĕ nĕkterých zákonu, Act No. 115/2006 on. Registered Partnership, as amended (Gesetz über die eingetragene Lebenspartnerschaft). Auf Tschechisch abrufbar unter: http://aplikace.mvcr.cz/sbirka-zakonu/SearchResult.aspx?q=115/2006&type Law=zakon&what=Cislo_zakona_smlouvy [letzter Abruf: 25.06.2018]. 58 Siehe auch §°3020 des Bürgerlichen Gesetzbuches. 59 Siehe zu dem Begriff der Errungenschaftsgemeinschaft: Rombach, in Rieck, Ausländisches Familienrecht, Tschechien, Rn. 10, 16. Ergänzungslieferung 2017. 60 Código do Registo Civil, Decreto-Lei n.º 51/78, de 30 de Março 1995 (Meldergistergesetz). Auf Portugiesisch abrufbar unter: https://dre.pt/web/guest/legislacao-consolidada/-/lc/106490492/201705111636/exportPdf/normal /1/cacheLevelPage?_LegislacaoConsolidada_WAR_drefrontofficeportlet_rp=indice [letzter Abruf: 25.06.2018]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 098/18 Seite 22 Geburt nicht eindeutig zugeordnet werden, so kann das eingetragene Geschlecht auch zu einem späteren Zeitpunkt korrigiert werden. Das Geschlecht wird auch im Personalausweis61 und im Pass angegeben. Kann das Geschlecht des Ausweisinhabers nicht eindeutig bestimmt werden, so kann die Information zu dem Geschlecht des Ausweisinhabers auf „X“ lauten, bis das Geschlecht bestimmt werden kann.62 Unter bestimmten Umständen besteht nach dem Gesetz zur Änderung des Geschlechts und des eigenen Namens (Cria o procedimento de mudança de sexo e de nome próprio no registo civil)63 auch die Möglichkeit, das im Melderegister eingetragene Geschlecht zu ändern. Dies kann nach Art 3 Abs. 1 b), Abs. 2 des Gesetzes der Fall sein, wenn eine Diagnose über eine geschlechtsspezifische Identitätsstörung vorgelegt wird. Erst am 13. April 2018 ist vom Parlament ein Gesetzesentwurf verabschiedet worden, der die Veränderung eines eingetragenen Geschlechts wesentlich vereinfacht hätte. Allerdings hat der Präsident gegen das Gesetz sein Veto eingelegt, sodass diese Regelungen damit nicht in Kraft treten konnten.64 11.2. Geschlechtsspezifische Rechtsfolgen Das portugiesische Recht kennt kein Gesetz, dass bestimmte Rechtsfolgen wegen der Zugehörigkeit zu einem Geschlecht vorsieht. 12. Luxemburg 12.1. Personenstands- und Ausweisrecht Art. 57 des Zivilgesetzbuches (Code Civil)65 ist in der Geburtsurkunde das Geschlecht des Kindes festzuhalten. Als Möglichkeiten kommen lediglich das weibliche oder das männliche Geschlecht 61 Siehe dazu Art.°7 des Personalausweisgesetzes: Lei n.° 7/2007 de 5 de Fevereiro, Cria o cartão de cidadão e rege a sua emissão e utilização, auf Portugiesisch abrufbar unter: https://dre.pt/application/file/a/518108 [letzter Abruf: 25.06.2018]. 62 Siehe dazu Art.°1 des Änderungsgesetzes zum Personalausweisgesetz: Lei n.º 91/2015 de 12 de Agosto, Primeira alteração à Lei n.º 7/2007, de 5 de fevereiro, que cria o cartão de cidadão e rege a sua emissão e utilização. Auf Portugiesisch abrufbar unter: https://dre.pt/application/file/a/69986915 [letzter Abruf: 25.06.2018]. 63 Cria o procedimento de mudança de sexo e de nome próprio no registo civil e procede à décima sétima alteração ao Código do Registo Civil, Lei n.°7/2011 de 15 de Março (Gesetz zur Änderung des Geschlechts und des eigenen Namens). Auf Portugiesisch abrufbar unter: https://dre.pt/application/file/a/278089 [letzter Abruf: 25.06.2018]. 64 Siehe dazu BBC World, abrufbar unter: https://www.bbc.com/news/world-europe-44063016 [letzter Abruf: 25.06.2018]. 65 Code Civil, décrété le 5 mars 1803. Promulgué le 15 du même mois, version consolidée au 1 avril 2018 (Zivilgesetzbuch ). Auf Französisch abrufbar unter: http://legilux.public.lu/eli/etat/leg/code/civil/20180401 [letzter Abruf : 25.06.2018]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 098/18 Seite 23 in Betracht. Intersexuelle Personen werden damit nicht von den Kategorien erfasst. Das festgestellte Geschlecht wird im Personalausweis und Pass wiedergegeben. Jeder Personenstandseintrag kann nach Art. 99 des Zivilgesetzbuches grundsätzlich durch einen Richter aufgrund eines entsprechenden Antrags geändert werden. Im Mai 2017 hat die Regierung des Großherzogtums Luxemburg einen Gesetzesentwurf66 vorgelegt , der sich mit der Änderung des eingetragenen Namens und Geschlechts befasst. Nach dem Entwurf soll jeder Bürger Luxemburgs, der älter als 18 Jahre ist, nicht gesetzlich betreut wird und der innigen und dauerhaften Überzeugung ist, nicht demjenigen Geschlecht anzugehören, das auf seiner Geburtsurkunde ausgewiesen ist, die Änderung des eingetragenen Geschlechts und der Vornamen bei dem Justizminister beantragen können. Diese Möglichkeit steht auch Minderjährigen mit der Einwilligung ihrer Eltern, Ausländern und Geflüchteten zu. Für diese Personen kann das Verfahren im Einzelfall abweichen. Diesem Gesetzesentwurf ging ein weiterer Entwurf vom Februar 2016 voraus,67 der sich derzeit auch im Gesetzgebungsverfahren befindet. Er sieht vor, dass es für die Änderung des Personenstandes nicht mehr erforderlich sein darf, dass sich der Antragende einer Operation unterzieht, die eine teilweise oder gesamte Geschlechtsumwandlung zur Folge hat, sich einer keiner Hormontherapie unterziehen muss oder einer anderen psychologischen oder medizinischen Behandlung bedarf. Es soll vielmehr ausreichen, dass die antragsstellende Person von einem Arzt zu den Folgen der Änderung seines Personenstandes beraten lässt und die Beratung schriftlich bestätigt. Für den entsprechenden Antrag reicht es damit aus, dass die antragstellende Person in ihrem schriftlichen Antrag erklärt, auf der Änderung ihres eingetragenen Geschlechts und Namens zu bestehen und in die entsprechenden Änderungen einzuwilligen, nachdem die Beratung und Information durch den Arzt erfolgt ist. Ein Minderjähriger bedarf hierzu der Einwilligung seiner Eltern. 12.2. Geschlechtsspezifische Rechtsfolgen Das Eherecht knüpft seit der Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe im Jahre 201468 keine Folgen mehr an das Geschlecht einer Person an, vgl. Art. 143 des Zivilgesetzbuches. 66 Projet de loi n°7146 relative à la modification de la mention du sexe et du ou des prénoms à l’état civil et portant modification du Code Civil, du 17. mai 2017, auf Französisch abrufbar unter: http://www.mj.public.lu/actualites /2017/05/Conference-de-presse-du-17-mai-2017/Projet-de-loi-relative-a-la-modification-de-la-mentiondu -sexe.pdf [letzter Abruf: 25.06.2018]. 67 Proposition de loi No 6955 relative à la transsexualité et modifiant le Code civil du 23 février 2016, auf Französisch abrufbar unter: https://www.chd.lu/wps/PA_ArchiveSolR/FTSShowAttachment?mime=application %2fpdf&id=CA643068AAAC6E1F37A- CEB38F176089F$8E59115361D0DA0C93A30BAAEB306C6A&fn=CA643068AAAC6E1F37A- CEB38F176089F$8E59115361D0DA0C93A30BAAEB306C6A.pdf [letzter Abruf: 25.06.2018]. 68 Recueil de legislation A-N°125 du 17 juillet 2014, p. 1797: Réforme du marriage, auf Französisch abrufbar unter: http://data.legilux.public.lu/file/eli-etat-leg-memorial-2014-125-fr-pdf.pdf [letzter Abruf: 25.06.2018]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 098/18 Seite 24 Ab Juli 2018 wird das elterliche Erziehungs- und Sorgerecht zwischen den Eltern automatisch geteilt, was dazu führt, dass intersexuelle Personen in dieser Hinsicht keine Benachteiligung erfahren . Vor der Gesetzesänderung hat die Mutter, wenn die Eltern unverheiratet waren, automatisch die elterliche Gewalt erhalten. Falls der Vater dieses Recht auch ausüben wollte, musste er dieses Ziel gerichtlich verfolgen. Die Gesetzesänderung hat auch dazu geführt, dass die Scheidungsfolgen für beide Ehepartner gleich sind. Weder das Erbrecht noch das Namensrecht enthalten geschlechtsabhängige Rechtsfolgen. Dessen ungeachtet sieht das Recht der Elternschaft geschlechtsabhängige Rechtsfolgen vor. So wird die Vaterschaft des Ehemannes vermutet, wenn das Kind während der Ehe gezeugt worden ist. Waren die Eltern dagegen während der Zeugung nicht verheiratet, so muss der mögliche Vater die Elternschaft anerkennen. Diese Regelung könnte sich aufgrund eines Gesetzesentwurfes, der sich gegenwärtig noch im Gesetzgebungsverfahren befindet, ändern.69 Nach dem Entwurf soll der bisherige Art. 312 des Zivilgesetzbuches dahingehend geändert werden, dass alle Kinder gegenüber ihren rechtlichen Eltern die gleichen Rechte und Pflichten haben sollen, unabhängig vom Geschlecht der Eltern. Die neu eingeführten Vorschriften könnten die letzten Unterschiede im Rahmen der Elternschaft beseitigen. 13. Schweiz 13.1. Personenstands- und Ausweisrecht Die Zivilstandsverordnung (ZStV)70 sieht in Art. 8 d. vor, dass das Geschlecht einer Person im Personenstandsregister eingetragen wird. Derzeit werden in der Schweiz die Geschlechter „männlich“ und „weiblich“ anerkannt, eine eigene Kategorie für intersexuelle Personen besteht derzeit nicht. Die Eltern eines Neugeborenen müssen dem Zivilstandesamt das Geschlecht innerhalb von drei Tagen mitteilen (Art. 8 und 35 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art°34 ZStV). Ein Offenlassen des Geschlechts ist nicht möglich.71 Das Geschlecht wird auf der Identitätskarte und dem Pass angegeben. 69 Projet de loi n°6568 du 14 mai 2013, portant réforme du droit de la filiation, auf Französich abrufbar unter: https://www.chd.lu/wps/PA_RoleDesAffaires/FTSByteServingServlet Impl?path=1C2CDAAD7932FD2BE3B587ED0D8500E585F6FC72BD6AA977861E35D52B3CD2DE6CD8DB2D59 767E746D336A5D799C8668$C20563494D92ECAF2DCB7DEC6043D8AA [letzter Abruf: 25.06.2018]. 70 Zivilstandsverordnung (ZStV) vom 28. April 2004 (Stand am 1. Februar 2018), abrufbar unter: https://www.admin .ch/opc/de/classified-compilation/20040234/index.html#a7 [letzter Abruf: 25.06.2018]. 71 Amtliche Mitteilung des Eidgenössischen Amts für Zivilstandswesen Nr. 140.15 vom 1. Februar 2014, S. 3, abrufbar unter: https://www.bj.admin.ch/dam/data/bj/gesellschaft/zivilstand/weisungen/mitteilungen/140-15- d.pdf [letzter Abruf: 25.06.2018]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 098/18 Seite 25 Nach Art. 42 Abs. 1 Zivilgesetzbuch (ZGB)72 kann bei Gericht bei glaubhaftem schützenswerten persönlichen Interesse für eine Löschung oder Berichtigung einer Eintragung im Personenstandsregister geklagt werden, wobei auch spätere Erkenntnisse zu berücksichtigen sind. Eine Geschlechtsänderung muss nach Art. 98 ZStV in das Geburtenregister eingetragen werden. Dabei kann eine Änderung bezüglich der Namen nach Art. 30 Abs. 1 ZGB auch zeitlich vor der Änderung des Geschlechtes erfolgen.73 Ist das Geschlecht des Neugeborenen durch das medizinische Fachpersonal irrtümlich falsch festgestellt worden, so soll eine unbürokratische Behebung der falschen Eintragung auf der Grundlage von Art. 43 ZGB erfolgen können, obwohl es sich hier nicht um ein Versehen oder einen Irrtum der Zivilstandsbehörden im eigentlichen Sinne handelt.74 Die korrigierte Geburtsmeldung muss wieder durch medizinisches Fachpersonal erfolgen, wobei kein fester Zeitrahmen vorgegeben werden kann.75 13.2. Geschlechtsspezifische Rechtsfolgen: Der zweite Teil des ZGB beruht auf der Annahme, dass die Rollen von Mutter und Vater auf zwei Geschlechter aufgeteilt sind. Gleiches gilt für das Eherecht, da nach dem Recht der Schweiz eine Eheschließung nur zwischen Mann und Frau möglich ist, vgl.nur Art. 98 B ZGB.76 Damit müssen beide Ehepartner im Zeitpunkt der Eheschließung einem bestimmten Geschlecht eindeutig zugeordnet werden können. Zwar haben gleichgeschlechtliche Paare die Möglichkeit, in einer eingetragenen Partnerschaft zu leben, die der Ehe weitestgehend gleichgestellt ist, aber zum Beispiel die Adoption durch eingetragene Partner nicht zulässt. 72 Schweizerisches Zivilgesetzbuch (ZGB) vom 10. Dezember 1907 (Stand am 1. Januar 2018), abrufbar unter: https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19070042/index.html [letzter Abruf: 25.06.2018]. 73 Amtliche Mitteilung des Eidgenössischen Amts für Zivilstandswesen Nr. 140.15 vom 1. Februar 2014, S. 5, abrufbar unter: https://www.bj.admin.ch/dam/data/bj/gesellschaft/zivilstand/weisungen/mitteilungen/140-15- d.pdf [letzter Abruf: 25.06.2018]. 74 Amtliche Mitteilung des Eidgenössischen Amts für Zivilstandswesen Nr. 140.15 vom 1. Februar 2014, S. 4, abrufbar unter: https://www.bj.admin.ch/dam/data/bj/gesellschaft/zivilstand/weisungen/mitteilungen/140-15- d.pdf [letzter Abruf: 25.06.2018]. 75 Amtliche Mitteilung des Eidgenössischen Amts für Zivilstandswesen Nr. 140.15 vom 1. Februar 2014, S. 4, abrufbar unter: https://www.bj.admin.ch/dam/data/bj/gesellschaft/zivilstand/weisungen/mitteilungen/140-15- d.pdf [letzter Abruf: 25.06.2018]. 76 Meyer, in Rieck, Ausländisches Familienrecht, Schweiz, Rn. 4, 16. Ergänzungslieferung 2017. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 098/18 Seite 26 14. Polen 14.1. Personenstands- und Ausweisrecht Nach Art. 60 des Melderegistergesetzes (prawo o aktach stanu cywilnego)77 muss eine Geburtsurkunde auch das Geschlecht eines Kindes wiedergeben. Die Verfassung der Republik Polen (Konstytucja Rzeczypospolitej Polskiej)78 gibt in ihrem Art. 33 Abs. 1 vor, dass Männer und Frauen im familiären, politischen, sozialen und wirtschaftlichen Leben die gleichen Rechte genießen . Allerdings sieht weder die Verfassung noch ein anderer Gesetzgebungsakt ein anderes Geschlecht vor. Damit werden Intersexuelle stets einem der beiden Geschlechter zugeordnet. Intersexuelle Personen werden üblicherweise dem Geschlecht zugeordnet, das in ihrer Geburtsurkunde festgestellt ist. Nach einem Beschluss des Obersten Gerichts (Sąd Najwyższy)79 kann das Geschlecht einer Person auf der der Grundlage des Art. 189 der Zivilprozessordnung (Ustawa Kodeks postępowania cywilnego)80 erneut festgestellt werden. Danach kann ein Kläger auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Rechtsbeziehung verlangen, wenn er ein entsprechendes Interesse an dem Bestehen oder Nichtbestehen hat. Sowohl nach Art. 12 des Personalausweisgesetzes (ustawa o dowodach osobistych)81 und nach Art. 18 des Passgesetzes (ustawa o dokumentach paszportowych)82 muss auf dem jeweiligen Ausweisdokument jeweils das Geschlecht des Ausweisinhabers wiedergegeben werden. 77 Ustawa z dnia 29 istopada 2014 r. Prawo o aktach stanu cywilnego, Law on Civil Status Records of 28th November 2014 (Journal of Laws [Dziennik Ustaw RP] 2016, item 2064 (Melderegistergesetz). Auf Polnisch abrufbar unter: http://www.dziennikustaw.gov.pl/DU/2016/2064/1 [letzter Abruf: 26.06.2018]. 78 Konstytucja Rzeczypospolitej Polskiej, Verfassung der Republik Polen, verabschiedet von der Nationalversammlung am 2. April 1997. Auf Deutsch abrufbar unter: http://www.sejm.gov.pl/prawo/konst/niemiecki/kon1.htm [letzter Abruf: 26.06.2018]. 79 Beschluss des Obersten Gerichts (Sądu Najwyższego) vom 22. September 1995, III CZP 118/95, Orzecznictwo Sądu Najwyższego. Izba Cywilna 1996 number 1, item. 7. 80 Ustawa z dnia 17 listopada 1964 r. Kodeks postępowania cywilnego, Code of Civil Procedure of 17th November 1964 (Journal of Laws [Dziennik Ustaw RP] 2018, item 155) (Zivilprozessordnung). Auf Polnisch abrufbar unter: http://www.dziennikustaw.gov.pl/DU/2018/155/1 [letzter Abruf: 26.06.2018]. 81 Ustawa z dnia 6 sierpnia 2010 r o dowodach osobistych, Indentity Card Act of 6th August 2010 (Journal of Laws [Dziennik Ustaw RP] 2017, item 1464 (Personalausweisgesetz). Auf Polnisch abrufbar unter: http://www.dziennikustaw.gov.pl/DU/2017/1464/1 [letzter Abruf: 26.06.2018]. 82 Ustawa z dnia 13 lipca 2006 r. o dokumentach paszportowych, Passport Act of 13th May 2016 (Journal of Laws [Dziennik Ustaw RP] 2016, item 758) (Passgesetz). Auf Polnisch abrufbar unter: http://www.dziennikustaw .gov.pl/DU/2016/758/1 [letzter Abruf: 26.06.2018]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 098/18 Seite 27 14.2. Geschlechtsspezifische Rechtsfolgen Artikel 18 der Verfassung definiert die Ehe als Einigung zwischen Mann und Frau, womit nach Art. 1 des Gesetzes über Familie und Betreuung (Kodeks rodzinny i opiekunczy)83 eine Ehe nur zwischen einem Mann und einer Frau möglich ist. Nach Art. 115 des gleichen Gesetzes können auch nur Eheleute ein Kind adoptieren. Eine Ehe kann nach Art. 10 des Gesetzes über Familie und Betreuung nur dann geschlossen werden, wenn die Eheschließenden älter als 18 Jahre sind. Allerdings kann das Betreuungsgericht die Heirat einer sechzehnjährigen Frau ausnahmsweise dann zustimmen, wenn gewichtige Gründe dafür sprechen, dass eine Heirat im Interesse der zu gründenden Familie liegt. Die Mutter eines Kindes ist diejenige Frau, die es gebiert, Art. 619 des Gesetzes über Familie und Betreuung. Ein Mann kann die Vaterschaft eines Kindes dann anerkennen, wenn die Mutter der Vaterschaft zustimmt, Art. 73 des Gesetzes über Familie und Betreuung. Der Leiter des Standesamtes kann nach Art. 58 des Melderegistergesetzes die Eintragung eines Namens dann verweigern, wenn aus ihm das Geschlecht des Kindes nicht hinreichend deutlich hervorgeht. Ist dies der Fall, so entscheidet der Leiter des Standesamtes über einen neuen Namen . 15. Litauen 15.1. Personenstands- und Ausweisrecht Nach litauischem Recht, muss das Geschlecht eines Kindes bei der Geburt registriert werden. Dabei besteht lediglich die Möglichkeit als Geschlecht männlich oder weiblich anzugeben. Intersexuelle Personen sollen sind von den jeweiligen Geschlechtern erfasst sein. Das litauische Zivilgestzbuch (Lietuvos Respublikos civilinis kodeksa)84 sieht in seinem Art 2.27. vor, dass eine unverheiratete, volljährige natürliche Person das Recht hat, ihr Geschlecht zu ändern , wenn dies aus medizinischer Sicht möglich ist. Dies geschieht nach einem schriftlichen Antrag aufgrund einer gerichtlichen Anordnung. Das Geschlecht muss in Personalausweisen und Pässen angegeben werden. 83 Ustawa z dnia 25 lutego 1964 r. Kodeks rodzinny i opiekunczy, Act of 25 February 1964 to promulgate the Family and Guardianship Code (Gesetz über Familie und Betreuung). Auf Polnisch abrufbar unter: http://www.ilo.org/dyn/natlex/docs/ELECTRONIC/90156/103756/F-655312373/code_1964.pdf [letzter Abruf: 26.06.2018]. 84 Lietuvos Respublikos civilinis kodeksa, Zivilgesetzbuch der Republik Litauen vom 1. Januar 2000. Auf Englisch abrufbar unter: https://e-seimas.lrs.lt/portal/legalAct/lt/TAD/TAIS.245495 [letzter Abruf: 26.06.2018]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 098/18 Seite 28 15.2. Geschlechtsspezifische Rechtsfolgen Das litauische Recht knüpft Rechtsfolgen an die Tatsache, ob eine Person männlich oder weiblich ist. Da intersexuelle Personen nach litauischem Recht entweder als männlich oder weiblich eingeteilt werden, bestimmen sich die Rechtsfolgen für sie nach dem jeweils eingetragenen Geschlecht . 16. Schweden 16.1. Personenstands- und Ausweisrecht Geburtsurkunden werden in Schweden nicht ausgestellt. § 24 des Melderegistergesetzes (Folkbokföringslagen)85 sieht vor, dass das Krankenhaus das Geschlecht eines Neugeborenen der Steuerbehörde so schnell wie möglich meldet. Üblicherweise geschieht dies elektronisch. Die Meldung enthält das Geburtsdatum und das Geschlecht des Kindes . Ist das Kind mit Hilfe einer Hebamme außerhalb eines Krankenhauses auf die Welt gekommen , so ist sie für die Meldung verantwortlich. In allen anderen Fällen sind die Eltern dazu verpflichtet , der Steuerbehörde die Geburt des Kindes innerhalb eines Monats ab der Geburt zu melden . Die schwedische Personenkennzahl wird vielfach genutzt, um Personen zu identifizieren. Sie wird durch die Steuerbehörde kurze Zeit nach der Geburt erteilt. Sie besteht aus zehn Ziffern und einem Bindestrich. Die ersten sechs Zahlen repräsentieren das Geburtsdatum in der Aufteilung Tag/Monat/Jahr. Die nächsten vier Ziffern stellen Seriennummern dar, wobei die neunte Ziffer das Geschlecht indiziert. Dabei steht eine ungerade Zahl für das männliche Geschlecht und eine gerade Zahl für das weibliche Geschlecht. Damit gibt es in Schweden nur zwei Geschlechtskategorien : männlich und weiblich. Die Mutter erhält sodann einen Melderegisterauszug per Post, in dem angegeben wird, welche Informationen zu dem Kind registriert worden sind. Das Register enthält Informationen zu der Personenkennzahl, dem Namen, der Adresse, dem Geburtsdatum und dem Geburtsort, der Familie , einer möglichen Betreuung, zum Zivilstand und der Staatsangehörigkeit. Das Register führt damit keine ausdrückliche Information zum Geschlecht. Es kann aber dennoch einfach aus der Personenkennzahl abgeleitet werden. Personen mit einer angeborenen Störung der geschlechtlichen Entwicklung können die Änderung des eingetragenen Geschlechts beantragen, wenn sie mit der Geschlechtsidentität übereinstimmt und am ehesten dem körperlichen Zustandes der antragenden Person entspricht.86 Wird 85 Folkbokföringslag (1991:481) (Melderegistergesetz), auf Schwedisch abrufbar unter: https://www.riksdagen .se/sv/dokument-lagar/dokument/svensk-forfattningssamling/folkbokforingslag-1991481_sfs-1991-481 [letzter Abruf: 26.06.2018]. 86 Lag (1972:119) om fastställande av könstillhörighet i vissa fall (Gesetz über die Anerkennung des Geschlechts in bestimmten Fällen), auf Schwedisch abrufbar unter: https://www.riksdagen.se/sv/dokument-lagar/dokument /svensk-forfattningssamling/lag-1972119-om-faststallande-av_sfs-1972-119 [letzter Abruf: 26.06.2018]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 098/18 Seite 29 der Antrag von der Nationalen Behörde für Soziales und Gesundheit angenommen, erhält die Person eine neue Personenkennzahl, die mit dem neuen Geschlecht übereinstimmt. Die schwedische Regierung hat am 19. Mai 2018 einen Bericht vorgestellt,87 in dem sie ein Änderungsgesetz zum Melderegister vorschlägt. Nach dem Gesetz sollen Personen, die sich nicht mit ihrem eingetragenen Geschlecht identifizieren können, das Recht haben, den Eintrag zu ändern. Damit soll die Änderung des eingetragenen Geschlechts ein rein rechtlicher Vorgang werden, der gänzlich losgelöst von medizinischen Vorgaben besteht. Der Bericht wurde nun den Gesetzgebungsorganen weitergeleitet. Das neue Gesetz soll voraussichtlich am 1. Juli 2019 in Kraft treten. Pässe und Personalausweise weisen das Geschlecht des Inhabers ausdrücklich aus. 16.2. Geschlechtsspezifische Rechtsfolgen Grundsätzlich ist das Recht Schwedens geschlechtsneutral. Allerdings sind einige Vorschriften lediglich auf Frauen oder Männer anwendbar, wie zum Beispiel die Anerkennung der Mutterschaft oder der Vaterschaft. Da alle schwedischen Bürger entweder als männlich oder weiblich registriert werden, gibt es keine besonderen Bestimmungen für intersexuelle Personen. 17. Vereinigtes Königreich 17.1. Personenstands- und Ausweisrecht Neugeborene werden in England und Wales in das Geburtenregister als männlich oder weiblich eingetragen.88 Das nationale Statistikamt sammelt seine Daten zu Geburten durch Abfrage bei den jeweiligen Geburtenregistern. Sollte das Geschlecht eines Kindes nicht bestimmbar sein oder intersexuelle Merkmale aufweisen, so schlägt das nationale Registeramt vor, dass eine Eintragung bis zur Beendigung medizinischer Untersuchungen unterbleiben sollte. Sollte dies nicht innerhalb der sonst üblichen 42 Tage möglich sein, ist dies dem nationalen Registeramt schriftlich anzuzeigen. Es beobachtet sodann den Fall und stellt sicher, dass eine Eintragung jedenfalls zu einem späteren 87 Ändring av det kön som framgår av folkbokföringen (Ds 2018:17), Gesetzesentwurf und Bericht der schwedischen Regierung zur Änderung des Melderegistergesetzes vom 19. Mai 2018. Der Bericht ist auf Schwedisch abrufbar unter: https://www.regeringen.se/49b48e/contentassets/7a67fe76fe0a44c1b2f3c8d5ed8fa6d1/andringav -det-kon-som-framgar-av-folkbokforingen-ds-2018-17.pdf [Letzter Abruf: 26.06.2018]. Siehe dazu auch die entsprechende Pressemitteilung der Regierung auf Schwedisch: https://www.regeringen.se/pressmeddelanden /2018/05/forslag-till-en-modernare-konstillhorighetslagstiftning/ [letzter Abruf: 26.06.2018]. 88 Antwort des Innenministeriums auf eine Anfrage des Mitglieds des House of Commons Jim Shannon vom 27. Januar 2016, PQ 23406, auf Englisch abrufbar unter: https://www.parliament.uk/written-questions-answersstatements /written-question/commons/2016-01-19/23049 [letzter Abruf: 02.07.2018]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 098/18 Seite 30 Zeitpunkt erfolgt. Daher ist es äußerst selten, dass eine Eintragung als „unbestimmbar“ (indeterminate ) oder „intersexuell“ (intersex) erfolgt.89 In England und Wales wird derzeit kein anderes Geschlecht als männlich und weiblich anerkannt . Damit werden Neugeborene in der Regel auch dann als männlich oder weiblich in das Geburtenregister eingetragen, wenn sie intersexuelle Merkmale aufweisen. Sollte das zuständige Geburtenregister dennoch Zweifel hinsichtlich der Eintragung haben, sollte es sich mit dem nationalen Registeramt in Verbindung setzen, um Rat einzuholen, das Geschlecht des Kindes aber noch nicht eintragen. Den Eltern wird im Zweifel zu raten sein, mit der Eintragung bis zum Abschluss ärztlicher Untersuchungen zu warten. Nach der Richtlinie des nationalen Registeramtes soll ausnahmsweise eine Eintragung als „unbestimmbar“ erfolgen, wenn das Kind mit einem unbestimmbaren Geschlecht auf die Welt gekommen ist und es vor der Eintragung eines eindeutigen Geschlechts verstorben ist oder die Eltern nicht willens sind, das Kind als männlich oder weiblich einzutragen. Die letzte Möglichkeit soll lediglich dazu dienen, die Notlage der Eltern zu lindern, nicht aber zu der Anerkennung eines weiteren Geschlechts führen.90 Grundsätzlich gibt es im Recht des Vereinigten Königreichs zwei Möglichkeiten, das eingetragene Geschlecht in einer Geburtsurkunde zu ändern: – Nach § 29 Abs. 3 des Gesetzes zur Erfassung von Geburten und Todesfällen (Births and Deaths Registration Act 1953) kann eine Änderung des Eintrages in das Geburtenregister dann möglich sein, wenn die Eintragung aufgrund einer falschen Tatsache oder eines falschen Inhalts erfolgt ist. 91 – Das Gesetz über Geschlechtsanerkennung (Gender Recognition Act 2004) 92 sieht ein eigenes Verfahren für die Beantragung einer neuen Geburtsurkunde vor, durch die dann ein gewähltes Geschlecht rechtlich anerkannt wird. Voraussetzung ist aber, dass eine Geschlechtsdysphorie diagnostiziert wird.93 89 Antwort des nationalen Statistikamtes auf eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz (Freedom of Information Act 2000) vom 7. Februar 2017 zur Anzahl intersexueller Kinder, auf Englisch abrufbar unter: https://www.ons.gov.uk/aboutus/transparencyandgovernance/freedomofinformationfoi/numberofbabieswithintersextraits [letzter Abruf: 02.07.2018]. 90 McCann, Gutachten (Legal Opinion) für den Gleichheits- und Frauenausschuss des House of Commons (House of Commons Women and Equalities Committee) vom 10. November 2015, TRA0273, auf Englisch abrufbar unter : http://data.parliament.uk/WrittenEvidence/CommitteeEvidence.svc/EvidenceDocument/Women %20and%20Equalities/Transgender%20Equality/written/24915.html [letzter Abruf: 02.07.2018]. 91 Births and Deaths Registration Act 1953 (Gesetz zur Erfassung von Geburten und Todesfällen), auf Englisch abrufbar unter: https://www.legislation.gov.uk/ukpga/Eliz2/1-2/20 [letzter Abruf: 02.07.2018]. 92 Gender Recognition Act 2004 (Gesetz über Geschlechtsanerkennung), auf Englisch abrufbar unter: https://www.legislation.gov.uk/ukpga/2004/7/contents [letzter Abruf: 02.07.2018]. 93 Für weitere Informationen siehe die Webseite der Regierung unter: https://www.gov.uk/changing-passport-information /gender [letzter Abruf: 02.07.2018]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 098/18 Seite 31 Ob eine entsprechende Änderung des eingetragenen Geschlechts auch auf Grundlage des Gesetzes zur Erfassung von Geburten und Todesfällen erfolgen kann, ist fraglich. Es gibt einige Anhaltspunkte dafür, dass eine Änderung der Eintragung dann möglich ist, wenn nachgewiesen werden kann, dass der behandelnde Arzt bei der Bestimmung des Geschlechts falsch gehandelt hat. Dennoch bleibt die Rechtslage dahingehend unklar, sodass eine entsprechende Klarstellung erforderlich ist.94 Nach der juristischen Literatur ist eine Gesetzesänderung aufgrund der oben genannten Schwierigkeiten notwendig. Dabei sollte davon abgesehen werden, medizinische Beweise als Voraussetzung für die Änderung des Geschlechts vorzusehen. Teilweise wird auch eine eigene Gesetzgebung für intersexuelle Personen verlangt, da die bestehende Gesetzeslage nicht ausreichend und das Gesetz über die Geschlechtsanerkennung nicht der Ort für eine solche Regelung sei. Dennoch ist unklar, ob beide Möglichkeiten auch auf intersexuelle Personen Anwendung finden können, da die Bezugnahme auf psychologische Elemente des Gesetzes über Geschlechtsanerkennung übersieht, dass eine Änderung des rechtliche Geschlechts auch aufgrund von angeborenen Merkmalen erforderlich werden kann. Damit wäre eine Gesetzesänderung für die Abänderung des eingetragenen Geschlechts für intersexuelle Personen erforderlich.95 Gegenwärtig werden in Pässen lediglich das männliche und das weibliche Geschlecht eingetragen . Die Schaffung einer Möglichkeit zur Eintragung eines „X“ im Pass würde eine Änderung weiterer Gesetzgebung erforderlich machen, da das Recht des Vereinigten Königreichs derzeit nur das männliche und das weibliche Geschlecht anerkennt. Die Regierung des Vereinigten Königreichs behält sich vor, vor einer entsprechenden Gesetzesänderung zu untersuchen, welche Auswirkungen auf die Sicherheit und Gesundheit der betroffenen Personen zu erwarten sind und welche Folgen in Bezug auf die öffentliche Sicherheit, den Identitätsdiebstahl und den Betrug eintreten können. Die Regierung hält eine isolierte Möglichkeit der Eintragung eines „X“ derzeit für nicht möglich. Auch sehe die UN-Zivilluftfahrtorganisation derzeit nicht vor, dass jegliche Geschlechtsbezeichnungen unterbleiben können. An der Eintragung des Geschlechts soll auch in Zukunft festgehalten werden, um Strafverfolgungs- und Grenzbehörden bei der Arbeit zu helfen .96 94 Monro, Surya, Crocetti, Daniela, Yeadon-Lee, Tray, Garland, Fae and Travis, Mitch (2017), Intersex, Variations of Sex Characteristics, and DSD: The Need for Change. Research Report. University of Huddersfield,S. 3-5, auf Englisch abrufbar unter: http://eprints.hud.ac.uk/id/eprint/33535/1/Intersex%20Variations %20of%20Sex%20Characteristics%20and%20DSD%20%20the%20Need%20for%20Changereport Oct10.pdf%20-%20page=41 [letzter Abruf: 02.07.2018]. 95 Monro, Surya, Crocetti, Daniela, Yeadon-Lee, Tray, Garland, Fae and Travis, Mitch (2017), Intersex, Variations of Sex Characteristics, and DSD: The Need for Change. Research Report. University of Huddersfield,S. 3-5, auf Englisch abrufbar unter: http://eprints.hud.ac.uk/id/eprint/33535/1/Intersex%20Variations %20of%20Sex%20Characteristics%20and%20DSD%20%20the%20Need%20for%20Changereport Oct10.pdf%20-%20page=41 [letzter Abruf: 02.07.2018]. 96 Antwort der Regierung auf den Bericht über die Gleichstellung transsexueller Persomen des Gleichheits- und Frauenausschusses des House of Commons vom Juli 2016, Cm 9301, auf Englisch abrufbar unter: https://www.parliament.uk/documents/commons-committees/women-and-equalities/CM9301-Response-Transgender -Equality-report.pdf [letzter Abruf: 02.07.2018]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 098/18 Seite 32 Die Regierungsrichtlinie (Government policy), die lediglich eine Eintragung des männlichen oder weiblichen Geschlechts vorsieht, wurde am 22. Juni 2018 vom hohen Gericht (High Cort of Justice ) für rechtmäßig befunden.97 17.2. Geschlechtsspezifische Rechtsfolgen Derzeit wird eine Person rechtlich entweder als männlich oder weiblich behandelt, wobei es keine dritte Kategorie gibt. Das Geschlecht einer Person ist regelmäßig für Rentenansprüche und für Heiratsvoraussetzungen bzw. eingetragene Partnerschaften relevant. In England und Wales können gleichgeschlechtliche Paare entweder heiraten oder eine eingetragene Partnerschaft eingehen . Dagegen können Paare unterschiedlichen Geschlechts lediglich heiraten, aber keine registrierte Partnerschaft eingehen.98 Gesetzliche Erben werden, wenn der Erblasser im Rahmen der gewillkürten Erbfolge nichts anderes bestimmt, unabhängig vom Geschlecht gleich behandelt. Der Übergang von Adelstiteln folgt zumeist noch der männlichen Linie. 18. Rumänien 18.1. Personenstands- und Ausweisrecht Welche Urkunden bei der Geburt eines Kindes erstellt werden und welchen Inhalt die Urkunden haben sollen, wird durch das Zivilstandsgesetz (Lege cu privire la actele de stare civilă)99 und das Gesetz zur Förderung der Rechte des Kindes (Lege privind protecția și promovarea drepturilor copilului)100 geregelt. Sowohl die ärztliche Bescheinigung über die Geburt des Kindes, das 24 Stunden nach der Geburt erstellt wird, als auch die Geburtsurkunde selbst enthalten eine Angabe zu dem Geschlecht des Kindes. Die Geburtsurkunde wird von dem Standesamt des jeweils zuständigen Bürgermeisteramtes erteilt. Das Zivilgesetzbuch (Codul civil al României)101 bezieht sich auch an mehreren Stellen auf die Geburtsurkunde. 97 Christie Elan-Cane -v- Secretary of State for the Home Department, [2018] EWHC 1530 (Admin) Case No: CO/2704/2017, die Entscheidung ist auf Englisch abrufbar unter: https://www.judiciary.uk/wp-content/uploads /2018/06/r-otao-christie-elan-cane-and-sshd-approved-judgment.pdf [letzter Abruf: 02.07.2018]. 98 Siehe dazu auch die Website der Regierung zu der Frage, wie gleichgeschlechtliche Partner als Eltern in die Geburtsurkunde eines Neugeborenen eingetragen werden können: https://www.gov.uk/register-birth/who-canregister -a-birth [letzter Abruf: 02.07.2018]. 99 Lege nr.119 din 16 octombrie 1996 cu privire la actele de stare civilă (Zivilstandsgesetz), auf Rumänisch abrufbar unter: http://www.cdep.ro/pls/legis/legis_pck.htp_act_text?idt=3922 [letzter Abruf: 02.07.2018]. 100 Lege nr. 272 din 21 iunie 2004 privind protecția și promovarea drepturilor copilului (Gesetz zur Förderung der Rechte des Kindes), auf Rumänisch abrufbar unter: http://legislatie.just.ro/Public/DetaliiDocument/156097 [letzter Abruf: 02.07.2018]. 101 Codul civil al României din 17 iulie 2009, legea nr. 287/2009 (Rumänisches Zivilgesetzbuch), auf Rumänisch abrufbar unter: http://legislatie.just.ro/Public/DetaliiDocument/175630 [letzter Abruf: 02.07.2018]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 098/18 Seite 33 Art.°100 des Zivilgesetzbuches sieht vor, dass eine Person ihren Zivilstand dann ändern kann, wenn eine Urkunde des Zivilstandes für nichtig erklärt, vervollständigt, oder abgeändert wird. Diese Änderung kann nur aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung ergehen, die dann gegenüber jedermann geltend gemacht werden kann. Ferner sieht Art.°43 des Zivilstandsgesetzes ein Verfahren vor, durch das die Änderungen, die in den Zivilstandsurkunden aufgrund einer unangreifbaren gerichtlichen Entscheidung erfolgen sollen, vorzunehmen sind. Der Vorteil einer gerichtlichen Entscheidung besteht darin, dass Personen, die unter einer Geschlechtsdystrophie oder einer Störung der geschlechtlichen Identität leiden, in einem einzigen Verfahren sowohl ihre Geschlechts- und Namensbezeichnung sowie ihre Personenkennziffer ändern können und gleichzeitig die Erstellung einer neuen Geburtsurkunde beanspruchen können. Nach einer Entscheidung des rumänischen Verfassungsgerichts (Curtea Constituțională a României) ist Art°43 des Zivilstandsgesetzes eine Bedingung für die Änderung etwaiger Zivilstandsurkunden und damit eine Bedingung für die rechtliche Anerkennung der Änderungen, die in Bezug auf die Identität der antragsstellenden Person erfolgt sind. Die Änderungen der Zivilstandsurkunden verfolgen den Zweck, die Angaben einer Person zutreffend im Melderegister zu führen. Alle Zivilstandsurkunden und Ausweispapiere, die auf der Grundlage rumänischen Rechts erstellt werden, enthalten Angaben über das Geschlecht der ausgewiesenen Person. Die einzigen anerkannten Kategorien sind männlich oder weiblich. 18.2. Geschlechtsspezifische Rechtsfolgen Rumänien erkennt derzeit keine gleichgeschlechtlichen Beziehungen an, weder als Ehe noch als eingetragene Lebenspartnerschaft. Allerdings müssen nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH)102 diejenigen Länder, die die gleichgeschlechtliche Ehe noch nicht anerkannt haben, das Aufenthaltsrecht der Ehepartner anerkennen, wenn sie sich gemeinsam in dem Staatsgebiet niederlassen wollen, das die gleichgeschlechtliche Ehe nicht anerkennt. Nach dem EuGH gilt die Niederlassungsfreiheit für alle verheirateten Paare, unabhängig von ihrem Geschlecht und ihrer sexuellen Orientierung. 19. Malta 19.1. Personenstands- und Ausweisrecht Art. 278 des Zivilgesetzbuches (Civil Code)103 sah vor, dass jede Geburtsurkunde das Geschlecht des Neugeborenen aufnehmen sollte. Allerdings ermöglicht eine kürzlich ergangene Gesetzesänderung , das Geschlecht eines Kindes offen zu lassen, wenn die Zugehörigkeit des Kindes zu einem Geschlecht unklar sein sollte. Dies ist bis zu dem Zeitpunkt möglich, bis zu dem das Geschlecht des Kindes bestimmt werden kann. 102 EuGH, Urteil vom 5. Juni 2018 - C-673/16, abrufbar unter: http://curia.europa.eu/juris /document/document.jsf;jsessionid =9ea7d0f130da426536f499344155bbe2f4353bc0ebf3.e34KaxiLc3eQc40LaxqMbN4Pb3mRe0?text=&docid=20 2542&pageIndex=0&doclang=DE&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=136800 [letzter Abruf: 02.07.2018]. 103 Civil Code (Zivilgesetzbuch) vom 11. Februar 1870, auf Englisch und Maltesisch abrufbar unter: http://www.justiceservices .gov.mt/DownloadDocument.aspx?app=lom&itemid=8580&l=1 [letzter Abruf: 02.07.2018]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 098/18 Seite 34 Ausweispapiere, die durch die Republik Malta ausgestellt werden, müssen das Geschlecht des Inhabers ausweisen. Aufgrund der kürzlich erfolgten Gesetzesänderung kann nunmehr neben der Eintragung des männlichen oder weiblichen Geschlechts die Eintragung eines „X“ möglich sein, das auch intersexuelle Personen erfassen soll. Ist die Eintragung des Geschlechts nicht zutreffend oder falsch, so kann nach Art. 4 des Gesetzes über Geschlechtsidentität und Geschlechtsmerkmale (Gender Identity, Gender Expression and Sex Characeristics Act)104 das eingetragene Geschlecht oder der eingetragene Name geändert werden . Die Änderung der entsprechenden Informationen erfolgt durch einen Antrag bei dem Leiter des Melderegisters in Form einer öffentlichen Urkunde. Daneben darf der Leiter des Melderegisters keine weiteren Anforderungen stellen und muss innerhalb von 15 Tagen nach Antragseingang die entsprechende Änderung an der Geburtsurkunde vornehmen. Handelt es sich bei dem Antragssteller um einen Minderjährigen, so regelt Art 7 des Gesetzes das entsprechende Verfahren . Hiernach hat dann der oder die gesetzliche Vertreter/-in des Kindes einen entsprechenden Antrag bei einem Zivilgericht zu stellen, in dem er oder sie die Änderung des Geschlechts beantragt . Das Gericht berücksichtigt und prüft sodann unter der Wahrung der Interessen des Kindes unter Einbeziehung der Wünsche des Kindes, seines Alters und seiner Entscheidungsreife, ob es den Leiter des Melderegisters dazu anweist, den Namen und das Geschlecht des Kindes zu ändern . 19.2. Geschlechtsspezifische Rechtsfolgen Kürzlich erfolgte Gesetzesänderungen haben geschlechtsspezifische Bezeichnungen aus der Gesetzgebung entfernt. Insbesondere hat das Gesetz zur Änderung des Heiratsgesetz und weiterer Gesetze (Marriage Act and other Laws (Amendment) Act)105 Begriffe wie „Mann“ oder „Frau“ mit dem Begriff „Ehegatte“ und die Begriffe „Mutter“ oder „Vater“ mit „Elternteil“ oder gar mit „gebärende Person“ ersetzt. Durch das Gesetz sind Bestimmungen des Zivilgesetzbuchs, der Zivilprozessordnung , des Zivilgesetzbuches, des Auslegungsgesetzes, des Heiratsgesetzes und des zivilen Partnerschaftsgesetzes geändert worden. Insgesamt bezieht sich die maltesische Gesetzgebung, einschließlich des Erbrechts, auf Ehegatten und Eltern bzw. Elternteile. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass bestimmte Bezeichnungen einzelne Rechtsfolgen nach sich ziehen. Dennoch bestehen kontinuierliche Bemühungen dahingehend , geschlechtsspezifische Bezeichnungen zu minimieren und eine inklusive Gesellschaft für alle Beteiligten aufzubauen, sowohl im Hinblick auf die Gesetzgebung als auch die Gesetzesanwendung . 104 Gender Identity, Gender Expression and Sex Characeristics Act (Gesetz über Geschlechtsidentität und Geschlechtsmerkmale ) vom 14. April 2015, auf Englisch und Maltesisch abrufbar unter: http://justiceservices .gov.mt/DownloadDocument.aspx?app=lom&itemid=12312&l=1 [letzter Abruf: 02.07.2018]. 105 Marriage Act and other Laws (Amendment) Act, 2017 (Gesetz zur Änderung des Heiratsgesetz und weiterer Gesetze ), der Gesetzesentwurf ist auf Englisch und Maltesisch abrufbar unter: http://justiceservices.gov.mt/Download Document.aspx?app=lp&itemid=28585&l=1 [letzter Abruf: 02.07.2018]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 098/18 Seite 35 20. Österreich 20.1. Personenstands- und Ausweisrecht Gemäß § 2 Abs. 2 Z 3 Personenstandsgesetz (PStG) 2013106 fällt das Geschlecht unter die allgemeinen Personenstandsdaten. Es ist gemäß den §§ 9 und 11 PStG 2013 bei der Meldung der Geburt anzugeben. Gemäß § 3 Abs. 2a Passgesetz107 darf das Geschlecht als identitätsbezogenes Datum in Reisepässen oder Personalausweisen vorgesehen werden und auch in der maschinenlesbaren Zone erfasst sein. Dem entspricht auch die Praxis. In seinem Erkenntnis vom 15. Juni 2018 hat der Verfassungsgerichtshof festgestellt,108 dass das Personenstandsgesetz 2013 zwar zur Eintragung des Geschlechts sowohl bei Eintragungen in das zentrale Personenstandsregister als auch auf Personenstandsurkunden verpflichtet. Allerdings konkretisiere das Gesetz das Personenstandsdatum „Geschlecht“ nicht näher. Es gäbe also keine Beschränkung ausschließlich auf männlich oder weiblich vor. Wörtlich hält der Verfassungsgerichtshof dazu fest: „Der von §°2 Abs.°2 Z°3 PStG 2013 verwendete Begriff des Geschlechts ist so allgemein, dass er sich ohne Schwierigkeiten dahingehend verstehen lässt, dass er auch alternative Geschlechtsidentitäten miteinschließt.“ Eine alleinige Bezeichnung für diese alternativen Geschlechtsidentitäten lasse sich dem Personenstandsgesetz und der übrigen Rechtsordnung daher nicht entnehmen. „Die Ermittlung einer hinreichend konkreten, abgrenzungsfähigen Begrifflichkeit ist aber unter Rückgriff auf den Sprachgebrauch möglich“, heißt es dazu in dem Erkenntnis. Ein unpassender Geschlechtseintrag kann nur im Rahmen einer Neuausstellung geändert werden. Dem hat eine Änderung der Eintragung des Geschlechts im Personenstandsregister gemäß § 41 PStG 2013 vorauszugehen. 20.2. Geschlechtsspezifische Rechtsfolgen § 44 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch109 definiert die Ehe in seiner geltenden Fassung als Vertrag, den zwei Personen verschiedenen Geschlechts schließen. Er verwendet nicht die Geschlechtskategorien „männlich“ und „weiblich“. Diese Bestimmung wurde mit Erkenntnis vom 106 Bundesgesetz über die Regelung des Personenstandswesens (Personenstandsgesetz 2013 – PStG 2013), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Mai 2018, BGBl. I Nr. 32/2018, abrufbar unter: https://www.ris.bka.gv.at/Geltende Fassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20008228 [letzter Abruf: 02.07.2018]. 107 Bundesgesetz betreffend das Passwesen für österreichische Staatsbürger (Passgesetz 1992), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Mai 2018, BGBl. I Nr. 32/2018, abrufbar unter: https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung .wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10005798 [letzter Abruf: 02.07.2018]. 108 Verfassungsgerichtshof Österreich, Erkenntnis G 77/2018-9 vom 15. Juni 2018, abrufbar unter: https://www.vfgh.gv.at/downloads/VfGH_Entscheidung_G_77-2018_unbestimmtes_Geschlecht_anonym.pdf [letzter Abruf: 02.07.2018]. 109 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch für die gesammten deutschen Erbländer der Oesterreichischen Monarchie, zuletzt geändert durch Gesetz vom 13. November 2017, BGBl. I Nr. 153/2017, abrufbar unter: https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10001622 [letzter Abruf: 02.07.2018]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 098/18 Seite 36 4. Dezember 2017 vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig aufgehoben.110 Der Gesetzgeber hat bis 31. Dezember 2018 die Möglichkeit, einen verfassungskonformen Zustand herzustellen . Gemäß § 10 Wehrgesetz 2001111 sind alle österreichischen Staatsbürger männlichen Geschlechts, die das 17. Lebensjahr vollendet und das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, wehrpflichtig . Wie in Deutschland bestimmt § 143 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch, dass „Mutter die Frau [ist], die das Kind geboren hat.“ 21. Zusammenfassung Bis auf wenige Ausnahmen beruhen die Rechtsordnungen der angefragten Staaten auf einer Unterscheidung zwischen Mann und Frau. Lediglich die amerikanischen Bundesstaaten Washington und Kalifornien ermöglichen die Eintragung des Geschlechts als „nichtbinär“ oder „X“ in Geburtsurkunden und Führerscheinen. Fast alle Rechtsordnungen ermöglichen es, das im Melderegister und in einer Geburtsurkunde eingetragene Geschlecht nachträglich zu ändern, wobei die Regelungen überwiegend nicht auf intersexuelle Personen zugeschnitten sind, sondern zumeist für transsexuelle Personen oder fehlerhafte Eintragungen konzipiert worden sind. In Finnland und der Tschechischen Republik ist eine Änderung des eingetragenen Geschlechts nur nach einer vorherigen Sterilisation möglich, in Portugal, Litauen und dem Vereinigten Königreich sehen die Vorschriften zur Änderung des eingetragenen Geschlechts andere medizinische oder psychische Voraussetzungen vor, wogegen in Luxemburg und Schweden derzeit Gesetzesentwürfe diskutiert werden, die die Abschaffung solcher Voraussetzungen vorsehen. Keine medizinischen Voraussetzungen für die Änderung des eingetragenen Geschlechts sehen derzeit die Niederlande, Frankreich, Norwegen, die Schweiz und Malta vor. Abgesehen von Malta verwenden alle dargestellten Rechtsordnungen geschlechtsspezifische Begriffe und knüpfen mit wenigen Ausnahmen, wie zum Beispiel Malta und Frankreich, im Bereich des Familien- und Namensrechts Rechtsfolgen an eine Geschlechtszugehörigkeit an. *** 110 Verfassungsgerichtshof Österreich, Erkenntnis G 258-259 vom 4. Dezember 2017, abrufbar unter: /https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Vfgh&Dokumentnummer=JFT_20171204_17G00258_00 [letzter Abruf: 02.07.2018]. 111 Wehrgesetz 2001 – WG 2001, zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Mai 2018, BGBl. I Nr. 32/2018, abrufbar unter: https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20001612 [letzter Abruf: 02.07.2018].