WD 7 - 3000 - 097/16 (7. Juni 2016) © 2016 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Art. 297 des Einführungsgesetzes zum StGB ermächtigt die Landesregierungen dazu, in bestimmten Gebieten aus Gründen des Jugendschutzes oder zum Schutz des öffentlichen Anstands Prostitution zu verbieten. Unzweifelhaft ist, der im Gesetz verwendete Begriff des „öffentlichen Anstandes“ nicht mit „Sittenwidrigkeit “ gleichzusetzen ist. Der Schluss, dass seit Inkrafttreten des Prostitutionsgesetzes im Jahr 2002 und der damit verbundenen Legalisierung des Prostitutionsgewerbes und dem Entfall des Sittenwidrigkeitsverdikts Prostitution automatisch auch nicht mehr gegen den öffentlichen Anstand verstoßen könne, ist also nicht möglich. Vielmehr ist der öffentliche Anstand deutlich weiter zu verstehen als der ohnehin restriktiv auszulegende Sittenwidrigkeitsbegriff: „Mit dem Schutz des öffentlichen Anstandes wird nach der Rspr. der Verwaltungsgerichte nicht die Wahrung der allgemeinen Sittlichkeit (Durchsetzung von herrschenden Moralvorstellungen ) bezweckt, sondern Art. 297 als eine Norm auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr verstanden mit der Zielsetzung, das Zusammenleben der Menschen zu ordnen, soweit ihr Verhalten sozialrelevant sei, nach außen in Erscheinung trete und das Allgemeinwohl beeinträchtigen könne. Handlungen und Zustände, die eine enge Beziehung zum Geschlechtsleben haben, könnten Belange des Allgemeinwohls insbes. dann beeinträchtigen, wenn durch einen Öffentlichkeitsbezug andere Personen, die hiervon unbehelligt bleiben wollten, erheblich belästigt würden; dies gelte insbes. für die Begleitumstände der Prostitution , die Dritte in schutzwürdigen Interessen berührten (OVG Lüneburg Urt. v. 24.10.2002 – 11 KN 4073/01, NordÖR 2003, 26; VGH Mannheim NJOZ 2009, 2787; VGH Mannheim BeckRS 2009, 31076; VGH Kassel, NVwZ-RR 2004, 470, 471; VGH Kassel, NVwZ-RR 1990, 472). Sperrbezirksverordnungen zum Schutze des öffentlichen Anstandes können – zumal bei kleineren Gemeinden (OVG Koblenz GewA 2006, 262 = BeckRS 2005, 30139) – gerechtfertigt sein, wenn die Eigenart des betroffenen Gebietes (besondere Schutzbedürftigkeit und Sensibilität aufgrund hohen Wohnanteils, Schulen, Kindergärten , Kirchen oder sozialen Einrichtungen) oder wenn eine nach außen in Erscheinung tretende Ausübung der Prostitution typischerweise damit verbundene Belästigungen Unbeteiligter und „milieubedingte Unruhe”, wie zum Beispiel das Werben von Freiern und anstößiges Verhalten gegenüber Passantinnen und Anwohnerinnen, befürchten lässt Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Der Begriff des öffentlichen Anstands nach Art. 297 EGStGB Kurzinformation Der Begriff des öffentlichen Anstands nach Art. 297 EGStGB Fachbereich WD 7 (Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 (VGH Mannheim BeckRS 2009, 31076; VGH Kassel NVwZ-RR 1990, 472). Für die Rechtmäßigkeit einer Sperrgebietsverordnung reicht es aus, wenn sie vor einer rein abstrakten Belästigung oder Gefährdung der Öffentlichkeit schützen sollen (BVerwG Urt. v. 17.12.2014 – 6 C 28.13 = BeckRS 2015, 50324).“1 (Hervorhebungen d. Verf.) Die Verordnungsermächtigung des Art. 297 EGStGB ist als Ermessensvorschrift ausgestaltet. Die Landesregierung als Verordnungsgeber oder die von ihr gem. Abs. 2 ermächtigte nachgeordnete Behörde sind also nicht zum Erlass verpflichtet, sondern können sich im Rahmen ihrer pflichtgemäßen Ermessensausübung für oder gegen den Erlass einer Sperrbezirksverordnung entscheiden. - Ende der Bearbeitung - 1 Meyberg in BeckOK-OWiG, Art. 297 Rn. 6.