© 2020 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 095/20 Die Versenkung von Gesteinsbrocken im Meer Strafrechtliche Einzelfragen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 095/20 Seite 2 Die Versenkung von Gesteinsbrocken im Meer Strafrechtliche Einzelfragen Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 095/20 Abschluss der Arbeit: 17. August 2020 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 095/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Strafrechtlicher Geltungsbereich 4 3. Umweltdelikte 5 3.1. Gewässerverunreinigung (§ 324 StGB) 5 3.2. Bodenverunreinigung (§ 324a StGB) 7 4. Sonstige Delikte 8 5. Fazit 9 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 095/20 Seite 4 1. Einleitung Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages wurden mit der Prüfung der strafrechtlichen Relevanz des Versenkens einer größeren Anzahl von Gesteinsbrocken auf den Meeresgrund in einer deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) beauftragt.1 Die Verfasser weisen klarstellend darauf hin, dass die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages keine Rechtsauskünfte im Einzelfall erteilen. Die rechtlichen Aussagen dieses Gutachtens beziehen sich demgemäß lediglich auf einen abstrakten Sachverhalt und können nicht pauschal auf tatsächliche Geschehnisse übertragen werden. Im Übrigen finden sich weitere rechtliche Aspekte in diesem Zusammenhang, etwa bezüglich möglicher Ordnungswidrigkeiten, in einem entsprechenden Beitrag des Fachbereiches WD 8 (WD 8 – 3000 – 048/20). 2. Strafrechtlicher Geltungsbereich Zunächst ist zu beachten, dass nach deutschem Strafrecht sich lediglich natürliche Personen und nicht eventuell dahinterstehende Personenverbände strafbar machen können.2 Weiter ist das deutsche Strafrecht in einer völkerrechtlich zum Ausland zählenden AWZ3 nicht pauschal anwendbar: Ohne Weiteres ist es das außerhalb des Inlandes nur, soweit die Täterinnen und Täter deutsche Staatsangehörige sind.4 In einer AWZ hängt der Geltungsbereich des deutschen Strafrechts für Ausländer von verschiedenen Faktoren ab: Dort findet das deutsche Strafrecht nur hinsichtlich einzelner Umweltstraftaten für diese Personengruppe Anwendung, soweit völkerrechtliche Übereinkommen zum 1 Die AWZ wurde durch Art. 55 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen (SRÜ) vom 10. Dezember 1982 (abrufbar in deutscher Sprache unter: https://www.un.org/depts/german/uebereinkommen/ar48263- oebgbl.pdf, letzter Abruf dieser und aller weiteren Internetquellen: 17. August 2020), dem auch Deutschland beigetreten ist (Liste der beigetreten Staaten abrufbar in englischer Sprache unter: https://www.un.org/depts/los/reference_files/chronological_lists_of_ratifications.htm#The%20United%20Nations %20Convention%20on%20the%20Law%20of%20the%20Sea). Obwohl völkerrechtlich nicht zum Staatsgebiet gehörend, kann der die AWZ beanspruchende Staat dort bestimmte exklusive Hoheitsbefugnisse ausüben , Art. 55 ff. SRÜ. 2 Ohne dass dies explizit geregelt wäre, lässt sich dies aus der gesetzlichen Systematik ableiten (Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch – Kommentar, 30. Auflage 2019, Vorbemerkungen zu den §§ 25 ff. StGB, Randnummer 121 mit weiteren Nachweisen; Joecks/Scheinfeld, in: Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch , 4. Auflage 2020, Band 1, Vorbemerkungen zu § 25 StGB, Randnummer 16). 3 Siehe bereits Fußnote 1. 4 §§ 7 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 3 Strafgesetzbuch (StGB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. 1998 I S. 3322), zuletzt geändert durch Art. 5 Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EU) 2017/1939 des Rates vom 12. Oktober 2017 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit zur Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 10. Juli 2020 (BGBl. 2020 I S. 1648), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/. Gleiches gilt im Übrigen für in Deutschland gefasste Ausländer, bei denen keine Auslieferung möglich ist, § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 095/20 Seite 5 Schutze des Meeres ihre Verfolgung als Straftaten gestatten.5 Das deutsche Strafrecht gilt wiederum uneingeschränkt weltweit für Taten, die auf einem Schiff begangen werden, das berechtigt ist, die Bundesflagge oder das Staatszugehörigkeitszeichen der Bundesrepublik Deutschland zu führen.6 3. Umweltdelikte 3.1. Gewässerverunreinigung (§ 324 StGB) Unter Zugrundelegung des beschriebenen Sachverhaltes kommt eine Strafbarkeit wegen Gewässerverunreinigung (§ 324 StGB) in Betracht. Dieses Delikt ist in einer AWZ sowohl auf In- als auch Ausländer uneingeschränkt anwendbar.7 Hierfür müsste unbefugt ein Gewässer verunreinigt oder sonst dessen Eigenschaften nachteilig verändert worden sein. Zu den Gewässern im Sinne der Vorschrift zählt auch das Meer.8 Im Folgenden wird auf die Prüfung der Tatalternative einer „Verunreinigung“ verzichtet, da sie lediglich einen Unterfall der sonst nachteiligen Veränderung der Gewässereigenschaften darstellt .9 Problematisch ist, ob das Versenken von Gesteinsbrocken, die beispielsweise hinderlich für Grundschleppnetzfischerei in diesem Gebiet sein könnte, als sonstige nachteilige Veränderung der Gewässereigenschaften aufgefasst werden könnte. Soweit ersichtlich, hat die strafgerichtliche Praxis über einen solchen oder ähnlichen Fall noch nicht entschieden. Die rechtswissenschaftliche Literatur bewertet hingegen die Frage unterschiedlich, ob die bloße Veränderung der Beschaffenheit des Gewässers (etwa das Versenken spitzer Gegenstände in ein Gewässer, um etwa das Baden oder die Schifffahrt in diesem Gebiet unmöglich zu machen), ohne die eigentliche Wasserqualität zu beeinträchtigen, bereits eine sonstige nachteilige Veränderung der Gewässereigenschaften darstellt.10 Die Entscheidung dürfte auch davon abhängen, wie weit man den Schutzbereich der Norm zieht: Der in Strafsachen letztinstanzlich zuständige Bundesgerichtshof (BGH) hat sich bereits vor längerer Zeit grundsätzlich zum Schutzgut von § 324 StGB geäußert und dort eine durch das Gericht 5 § 5 Nr. 11 StGB. Hierbei handelt es sich um die Umweltstraftaten §§ 324, 326, 330 und 330a StGB. 6 § 4 StGB. Einzelheiten zur Flaggenberechtigung regelt das Gesetz über das Flaggenrecht der Seeschiffe und die Flaggenführung der Binnenschiffe (Flaggenrechtsgesetz) vom 26. Oktober 1994 (BGBl. 1994 I S. 3140), zuletzt geändert durch Art. 339 Elfte Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. 2020 I S. 1328), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/flaggrg/BJNR000790951.html. 7 Siehe bereits Fußnote 5. 8 § 330d Abs. 1 Nr. 1 Variante 3 StGB. 9 Heine/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch – Kommentar, 30. Auflage 2019, § 324 StGB, Randnummer 8. 10 Nachweise zum Diskussionsstand im Einzelnen bei Witteck, in: Beck’scher Online-Kommentar Strafgesetzbuch, 46. Edition (Stand: 1. Mai 2020), § 324 StGB, Randnummer 17.2. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 095/20 Seite 6 selbst als „ökologisch orientiert“ bezeichnete Auslegung der Vorschrift geteilt.11 Danach sei als nachteilige Veränderung jede Verschlechterung der natürlichen Gewässereigenschaften im physikalischen , chemischen oder biologischen Sinn zu verstehen, die über unbedeutende, vernachlässigbare kleine Beeinträchtigungen hinausgehe.12 Eine lediglich konkrete oder eine von den Fachbehörden angestrebte Gewässerbenutzung sei hingegen nicht geschützt.13 Hierauf aufbauend herrscht in der aktuellen Rechtswissenschaft einschränkend die allgemeine Auffassung vor, dass das Gewässer nicht um seiner selbst willen geschützt sei, sondern als Umweltgut mit all seinen Funktionen für den Menschen.14 Im Hinblick auf die von der Rechtsprechung favorisierte ökologisch orientierte Ausrichtung der Vorschrift erscheint es plausibel zu verlangen, dass der mögliche Nachteil für die Gewässereigenschaft jedenfalls auch ökologischer Natur sein muss.15 Danach müsste die Versenkung der Felsbrocken jedenfalls eine mehr als minimale Verschlechterung der natürlichen Gewässereigenschaften im physikalischen, chemischen oder biologischen Sinn bedeuten. Ob dies der Fall wäre, würde aber ebenfalls eine Einzelfallprüfung erfordern, die durch die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages nicht geleistet werden kann. Im Übrigen wäre in jedem Falle bei der gebotenen Einzelfallprüfung die von der Rechtsprechung aufgestellte Erheblichkeitsschwelle zu beachten, die lediglich minimale nachteilige Veränderungen der Gewässereigenschaften ausschließt.16 Daneben müsste für eine Strafbarkeit der Tatbestand in subjektiver Hinsicht vorsätzlich oder fahrlässig begangen worden sein.17 Vorsatz bedeutet nach der Rechtsprechung jedenfalls, wenn die Täterinnen oder Täter den Erfolg als möglich und nicht ganz fernliegend erkennen und dabei 11 BGH, Urteil vom 31. Oktober 1986 – 2 StR 33/86 –, Randnummer 41; bestätigt in BGH, Urteil vom 19. August 1992 – 2 StR 86/92 –, Randnummer 34 (beide zitiert nach juris). In diese Richtung auch Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 06. September 2004 – 7 B 62/04 –, Randnummer 21 (zitiert nach juris). 12 BGH, Urteil vom 31. Oktober 1986 – 2 StR 33/86 –, Randnummer 41 (zitiert nach juris). 13 Ebenda. 14 Sogenannte „ökologisch-anthropozentrische Betrachtungsweise“ (vergleiche statt vieler Möhrenschläger, in: Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch, 12. Auflage 2019, Band 12, § 324 StGB, Randnummer 9 mit weiteren Nachweisen). 15 In diese Richtung deutet auch die zivilrechtliche Rechtsprechung des BGH, die in der Vergangenheit zu einem ähnlichen Tatbestand (§ 22 Abs. 1 Wasserhaushaltsgesetz alte Fassung (WHG a.F.)) vertrat, dass die Beschaffenheit des Wassers selbst und nicht allein die des Gewässers notwendig ist (BGH, Urteil vom 21. Januar 1988 – III ZR 180/86 –, Randnummer 20; BGH, Urteil vom 13. November 2003 – III ZR 368/02 –, Randnummer 15 (beide zitiert nach juris)). 16 BGH, Urteil vom 31. Oktober 1986 – 2 StR 33/86 –, Randnummer 41 (zitiert nach juris). Siehe auch Alt, in: Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, 3. Auflage 2019, Band 5, § 324 StGB, Randnummern 36, 37. 17 § 324 Abs. 1, 3 StGB. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 095/20 Seite 7 billigend in Kauf nehmen oder, dass sie sich wenigstens mit der Tatbestandsverwirklichung abfinden .18 Fahrlässigkeit bedeutet die objektive Verletzung einer Sorgfaltspflicht bei objektiver und subjektiver Vorhersehbarkeit.19 3.2. Bodenverunreinigung (§ 324a StGB) Weiter erwägenswert erscheint die Erfüllung des Straftatbestandes der Bodenverunreinigung gemäß § 324a StGB. Dort wird bestraft, wer unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten unter anderem Stoffe in den Boden einbringt und diesen dadurch in einer Weise, die geeignet ist, die Gesundheit eines anderen, Tiere, Pflanzen oder andere Sachen von bedeutendem Wert oder ein Gewässer zu schädigen, oder in bedeutendem Umfang verunreinigt oder sonst nachteilig verändert . Problematisch ist jedoch, inwiefern – unter der Prämisse, dass die versenkten Gesteinsbrocken sich auf dem Meeresboden festsetzen/eingraben – für dieses Delikt neben der Gewässerverunreinigung (siehe bereits 3.1) überhaupt Raum besteht. Falls man annimmt, dass durch die im Meeresboden verankerten Steine, auf dem Meeresgrund entlangziehende Schleppnetze von Fischern beschädigt werden könnten, stellte sich die Frage, ob beide Straftatbestände nebeneinander angewandt werden könnten. Die Rechtswissenschaft hält dies zwar grundsätzlich für möglich, etwa falls ein Stoff sowohl ein Gewässer als auch den Gewässerboden verunreinigt.20 In hiesiger Konstellation , in der die Verhinderung einer konkreten Nutzung des Gewässers beziehungsweise dessen Grundes möglich ist, erscheint jedoch ebenfalls die Ansicht plausibel, dass hierdurch kein doppelter Unrechtsgehalt entstände. Stattdessen dürfte hiernach im Einzelfall zu prüfen sein, ob der Schwerpunkt der nachteiligen Auswirkungen eher im Gewässer oder auf dessen Boden läge. Falls man zum Schluss käme, dass § 324a StGB hier anwendbar wäre, ergäbe sich die zusätzliche Problematik, ob der Meeresgrund überhaupt Boden im Sinne der Norm darstellt. Soweit ersichtlich , ist hierzu bisher keine Rechtsprechung ergangen. In der rechtswissenschaftlichen Literatur sind die Meinungen geteilt.21 Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass dieser Straftatbestand in einer AWZ nicht pauschal anwendbar ist, sondern Besonderheiten zu beachten sind.22 18 BGH, Beschluss vom 05. März 2008 – 2 StR 50/08 –, Randnummer 4 mit weiteren Nachweisen (zitiert nach juris ). 19 Schmidt/Werner, in: Creifelds, Rechtswörterbuch, 24. Edition 2020, Stichwort „Fahrlässigkeit“. 20 Alt, in: Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, 3. Auflage 2019, Band 5, § 324a StGB, Randnummer 51; vergleiche auch Möhrenschläger, in: Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch, 12. Auflage 2019, Band 12, § 324a StGB, Randnummer 46. 21 Nachweise zum Diskussionsstand bei Alt, in: Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, 3. Auflage 2019, Band 5, § 324a StGB, Randnummer 11. 22 Siehe bereits unter 2., dort insbesondere Fußnote 5. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 095/20 Seite 8 In Bezug auf den Begriff der nachteiligen Veränderung ergeben sich im Übrigen – neben weiteren zu prüfenden Merkmalen – die gleichen Auslegungsschwierigkeiten wie unter 3.1 beschrieben.23 4. Sonstige Delikte Im Übrigen dürfte die beschriebene Handlung den Anwendungsbereich sonstiger Delikte kaum berühren: Dies gilt etwa zunächst in Bezug auf den Versuch einer einfachen Sachbeschädigung (§ 303 Abs. 1, 3 StGB), etwa durch die gewollte Beschädigung oder Zerstörung von an den versenkten Steinen entlangreibenden Fischernetzen. Hierzu bedarf es jedoch in jedem Falle des unmittelbaren Ansetzens zur Sachbeschädigungshandlung.24 Nach der Rechtsprechung muss die handelnde Person subjektiv die Schwelle zum „Jetzt geht es los“ überschreiten und objektiv zur tatbestandsmäßigen Handlung ansetzen, sodass sein Tun ohne wesentliche Zwischenakte im unmittelbaren räumlichen oder zeitlichen Zusammenhang in die Tatbestandserfüllung übergeht.25 Insbesondere in objektiver Hinsicht wäre somit für dieses Merkmal eine Vielzahl von Bedingungen im Einzelfall zu erfüllen: So müsste im Zeitpunkt des Abwurfs eine konkrete und nicht nur theoretische Beschädigungs- oder Zerstörungsgefahr bestehen, etwa für ausgeworfene Schleppnetze von Fischerbooten. Diese müsste sich im unmittelbaren zeitlichen oder räumlichen Zusammenhang realisieren können, etwa indem Fischerboote nachweislich im Zeitpunkt des Abwurfs in eine solch konkrete Gefahr liefen. Falls solchen Fischern aber beispielsweise die Koordinaten der Steine bekannt gewesen wären, ergäben sich weitere Probleme.26 Es bleibt zu betonen, dass eine genaue Prüfung eine Einzelfallbetrachtung erforderte, die die Wissenschaftlichen Dienste nicht vornehmen. Im Ergebnis ähnliches gilt hinsichtlich des gefährlichen Eingriffs in den Schiffsverkehr (§ 315 StGB). Hierfür müsste unter anderem eine konkrete Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremden Sachen von bedeutendem Wert im Sinne eines 23 Fischer, Strafgesetzbuch – Kommentar, 66. Auflage 2019, § 324a StGB, Randnummer 5. 24 § 22 StGB. 25 Ständige BGH-Rechtsprechung; siehe etwa BGH, Beschluss vom 29. April 2014 – 3 StR 21/14 –, Randnummer 6; BGH, Beschluss vom 29. Mai 2018 – 1 StR 28/18 –, Randnummer 8 (beide zitiert nach juris). 26 So kennt das deutsche Strafrecht das Rechtsinstitut der „eigenverantwortlichen Selbstgefährdung“, das die Zurechnung des Handelns zur Täterin oder Täter ausschließen kann (näher Duttge, in: Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, 4. Auflage 2020, Band 1, § 15 StGB, Randnummer 152 ff.). Zudem wäre dann genau zu prüfen, ob man den Veranlassenden des Steinabwurfs dann noch den notwendigen Vorsatz für eine Sachbeschädigung zur Last legen könnte (zur Definition und Abgrenzung zur (bei der Sachbeschädigung nicht strafbaren) Fahrlässigkeit, bereits unter 3.1). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 095/20 Seite 9 „Beinaheunfalls“ eintreten.27 Ob eine solche Gefährdung anzunehmen wäre oder jedenfalls ein Gefährdungsversuch vorläge,28 ist Sache des Einzelfalles. 5. Fazit Im Ergebnis zeigt sich, dass für die vorliegend durch die Wissenschaftlichen Dienste lediglich abstrakt zu prüfende Handlung eine Strafbarkeit hinsichtlich einzelner Delikte – speziell im Umweltstrafrecht – zwar nicht pauschal ausgeschlossen werden kann, diese jedoch in der Gesamtschau angesichts der beschriebenen tatsächlichen und rechtlichen Unwägbarkeiten eher unwahrscheinlich erscheint. Die notwendige Einzelfallprüfung kann letztlich nur von den zuständigen Strafverfolgungsbehörden und Gerichten anhand eines konkreten Sachverhaltes erfolgen. *** 27 Dies bedeutet, dass es zu einer kritischen Situation gekommen sein muss, in der – was nach allgemeiner Lebenserfahrung auf Grund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist – die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache im Sinne eines „Beinaheunfalls“ so stark beeinträchtigt war, dass es nur noch vom Zufall abhängt, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht (Gefestigte Rechtsprechung des BGH; zuletzt BGH, Beschluss vom 15. März 2017 – 4 StR 53/17 –, zitiert nach juris). 28 Strafbar gemäß § 315 Abs. 2 StGB.