© 2018 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 095/18 Kleinanlegerschutz in der Insolvenz Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 7 - 3000 - 095/18 Seite 2 Kleinanlegerschutz in der Insolvenz Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 095/18 Abschluss der Arbeit: 2. Mai 2018 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 7 - 3000 - 095/18 Seite 3 Das geltende Insolvenzrecht1 dient der Befriedigung der Gläubiger des insolventen Schuldners.2 Die an einem insolventen Unternehmen beteiligten Gesellschafter kommen erst und nur zum Zuge, wenn nach der Berichtigung der Forderungen aller Insolvenzgläubiger in voller Höhe ein Überschuss verbleibt. Dieser Überschuss wird dann an die Gesellschafter herausgegeben. Jeder enthält den Teil des Überschusses, der ihm bei einer Abwicklung außerhalb des Insolvenzverfahrens zustünde.3 Das heißt, wenn im Gesellschaftsvertrag nichts anderes geregelt ist, richtet sich die Aufteilung des Überschusses auf die Gesellschafter nach der Quote der Beteiligungsverhältnisse .4 Eine Unterscheidung von Kleinanlegern und sonstigen Anlegern wird bei der Verteilung des Überschusses nicht getroffen. Eine gewisse Besserstellung von Kleinanlegern im Insolvenzverfahren bewirkt allerdings das sog. Kleinbeteiligungsprivileg5 in § 39 Abs. 5 der Insolvenzordnung. Es betrifft folgende Situation: Wenn ein Gesellschafter seiner Gesellschaft ein Darlehen gewährt, hat er einen Anspruch auf die vereinbarten Darlehenszinsen und auf Rückgewähr der Darlehenssumme.6 Er ist also nicht nur an der Gesellschaft beteiligt, sondern auch deren Gläubiger. Bei der Insolvenz der Gesellschaft stehen seine aus dem Darlehensvertrag resultierenden Ansprüche in der Rangfolge der zu befriedigenden Forderungen jedoch erst an vorletzter Stelle. 7 Das ergibt sich aus § 39 Abs. 2 Nr. 5 und Abs. 3 der Insolvenzordnung. § 39 Abs. 2 Nr. 5 stellt außerdem klar, dass diese Nachrangigkeit nicht nur für Gesellschafterdarlehen gilt, sondern auch für Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen8. Die Nachrangigkeit hat zur Folge, dass der Gläubiger an der Verteilung des Erlöses, den der Insolvenzverwalter durch die Verwertung 1 Insolvenzordnung (InsO) vom 5. Oktober 1994 (BGBl. I S. 2866), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Juni 2017 (BGBl. I S. 1693). 2 Vgl. § 1 Satz 1 InsO: „Das Insolvenzverfahren dient dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird.“ 3 Vgl. § 199 InsO: „Können bei der Schlußverteilung die Forderungen aller Insolvenzgläubiger in voller Höhe berichtigt werden, so hat der Insolvenzverwalter einen verbleibenden Überschuß dem Schuldner herauszugeben. Ist der Schuldner keine natürliche Person, so hat der Verwalter jeder am Schuldner beteiligten Person den Teil des Überschusses herauszugeben, der ihr bei einer Abwicklung außerhalb des Insolvenzverfahrens zustünde.“ 4 Vgl. Nicht, in: BeckOK InsO, 9. Edition 26.1.2018, § 199 Rn. 6. 5 Prosteder/Dachner, in: BeckOK InsO, 9. Edition 26.1.2018, § 39 Rn. 75. 6 Vgl. § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB. 7 An letzter Stelle stehen gemäß § 39 Abs. 2 InsO die Forderungen, für die zwischen Gläubiger und Schuldner der Nachrang im Insolvenzverfahren vereinbart worden ist. 8 Das können z.B. vom Verkehrsüblichen abweichende Stundungs- und Fälligkeitsvereinbarungen sein, ferner Absprachen, eine Forderung nicht geltend zu machen (pactum de non petendo), sowie das Stehenlassen einer Forderung oder bestimmte Leasing-Konstruktionen. Vgl. Prosteder/Dachner, in: BeckOK InsO, 9. Edition 26.1.2018, § 39 Rn. 88 ff. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 7 - 3000 - 095/18 Seite 4 des Schuldnervermögens erzielt hat, erst und nur dann beteiligt wird, wenn alle vorrangigen Insolvenzgläubiger vollständig befriedigt worden sind.9 In der Praxis bedeutet das, dass die Gläubiger solcher Forderungen regelmäßig leer ausgehen.10 Der genaue Grund für ihre Schlechterstellung ist umstritten. Einige sehen darin einen Ausgleich für die Haftungsbeschränkung11 der Gesellschafter . Andere bejahen eine besondere „Finanzierungsfolgenverantwortung“ bzw. „Finanzierungszuständigkeit “, die aus der Doppelrolle als Gesellschafter und Kreditgeber resultiere.12 Das Kleinbeteiligtenprivileg in § 39 Abs. 5 der Insolvenzordnung ordnet nun eine Rückausnahme von dieser Schlechterstellung von Gesellschafterdarlehen und wirtschaftlich gleichstehender Rechtshandlungen an. Es besagt, dass § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO, der die Schlechterstellung bewirkt, nicht gilt für den „nicht geschäftsführenden Gesellschafter […], der mit 10 Prozent oder weniger am Haftkapital beteiligt ist.“ Hinter dieser Rückausnahme steht der Gedanke, dass solche Kleinbeteiligte nur in eingeschränktem Maß unternehmerische Mitverantwortung und Einflussmöglichkeiten auf die Gesellschaft haben.13 Dass im wissenschaftlichen Schrifttum über eine darüber hinausgehende Verbesserung des Kleinanlegerschutzes im Insolvenzverfahren diskutiert wird, kann nicht festgestellt werden. Bislang zielten gesetzgeberische Maßnahmen zum Kleinanlegerschutz eher darauf ab, Kleinanleger davor zu bewahren, sich überhaupt auf finanzielle Risiken, die sie nicht überschauen (können), einzulassen. So setzt das im Juli 2015 in Kraft getretene Kleinanlegerschutzgesetz14 auf eine Stärkung des Anleger- bzw. Verbraucherschutzes durch zusätzliche Informations- und Transparenzpflichten , eine Änderung der Laufzeit der Anlagen, erweiterte Aufsichtsregelungen sowie die Einschränkung einer willkürlichen Vermarktung der Anlageprodukte.15 Diese Maßnahmen werden zwar teilweise als unzureichend eingeschätzt. Aber es ist nicht erkennbar, dass sich diese Kritik als Plädoyer für Änderungen des Kleinanlegerschutzes im Insolvenzverfahren verstanden wissen möchte. Es sei insoweit auf die einschlägigen Ausführungen in den beiden folgenden Aufsätzen verwiesen: 9 Prosteder/Dachner, in: BeckOK InsO, 9. Edition 26.1.2018, § 39 Rn. 9. 10 Vgl. Konold, JuS 2015, 1067 (1070). 11 Die Nachrangigkeit gilt gemäß § 39 Abs. 4 Satz 1 InsO nur „für Gesellschaften, die weder eine natürliche Person noch eine Gesellschaft als persönlich haftenden Gesellschafter haben, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.“ 12 Vgl. zum Meinungsstand Prosteder/Dachner, in: BeckOK InsO, 9. Edition 26.1.2018, § 39 Rn. 44 ff. 13 Vgl. Prosteder/Dachner, in: BeckOK InsO, 9. Edition 26.1.2018, § 39 Rn. 75. 14 Vom 3. Juli 2015 (BGBl. I S. 1114). Gesetzentwurf BT-Drs. 18/3994; Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses BT-Drs. 18/4708. 15 Vgl. Buck-Heeb, NJW 2015, S. 2535. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 7 - 3000 - 095/18 Seite 5 – Buck-Heeb, Petra: Das Kleinanlegerschutzgesetz, in: NJW 2015, S. 2535 (2541) Anlage 1 – Möllers, Thomas M.J./Kastl, Stephanie: Das Kleinanlegerschutzgesetz, in: NZG 2015, S. 849 (855) Anlage 2 Einen gut lesbaren Überblick über das Insolvenzverfahren bietet – Konold, Felix: Prüfungsrelevante Grundlagen der InsO, Das 1x1 des Insolvenzrechts, in: JuS 2015, 1067 ff. Anlage 3. Institutionen, welche sich speziell mit dem Schutz von Kleinanlegern in der Insolvenz befassen, sind nicht bekannt. Mit dem Insolvenzrecht allgemein befassen sich neben den insolvenzrechtlichen Lehrstühlen der Universitäten beispielsweise das „Institut für Insolvenzrecht e.V.“16 sowie der „Berlin/Brandenburger Arbeitskreis für Insolvenzrecht e.V.“17 *** 16 Internetauftritt: https://www.institut-insolvenzrecht.de/ (letzter Zugriff am 2. Mai 2018). 17 Internetauftritt: http://www.insolvenzverein.de/ (letzter Zugriff am 2. Mai 2018).