© 2020 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 090/20 Einzelfragen zur Haftung von Wirtschaftsprüfern Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 090/20 Seite 2 Einzelfragen zur Haftung von Wirtschaftsprüfern Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 090/20 Abschluss der Arbeit: 1. September 2020 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 090/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Haftung des Wirtschaftsprüfers gegenüber den geprüften Unternehmen 4 2.1. Pflichtprüfungen 4 2.1.1. § 323 HGB 5 2.1.2. § 280 Abs. 1 BGB 5 2.1.3. §§ 823 ff. BGB 6 2.2. Freiwillige Prüfungen 6 2.3. Sonderprüfungen 7 3. Haftung des Wirtschaftsprüfers gegenüber Anlegern und Investoren 8 3.1. Pflichtprüfungen 8 3.1.1. § 323 HGB 8 3.1.2. § 823 Abs. 1 BGB 8 3.1.3. § 823 Abs. 2 BGB, § 323 HGB 9 3.1.4. § 823 Abs. 2 BGB, §§ 263, 264a StGB, §§ 403, 404 AktG 9 3.1.5. § 826 BGB 9 3.2. Freiwillige Prüfungen 10 3.3. Sonderprüfungen 10 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 090/20 Seite 4 1. Einleitung Wenn über das Vermögen einer Kapitalgesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet wird, kann dies für die Anleger und Investoren mitunter zu schwerwiegenden finanziellen Schäden, eventuell sogar einem Totalverlust des Investments, führen. Insbesondere bei erheblichen und unvorhergesehenen Verlusten, die letztlich binnen kurzer Zeit einen Insolvenztatbestand begründen, stellt sich dabei für die betroffenen Unternehmen, aber auch für viele Privatanleger1 und Investoren die Frage, ob in einem solchen Fall gegebenenfalls Schadensersatzansprüche gegenüber etwaig eingebundenen Wirtschaftsprüfern in Betracht kommen. Bereits an dieser Stelle ist darauf zu verweisen, dass die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages nach ihren Verfahrensgrundsätzen keine Einzelfallprüfung vornehmen. Eine rechtliche Detailprüfung einzelner Pflichtverletzungen oder bestimmter Insolvenzszenarien kann daher nicht erfolgen. Die nachfolgenden Ausführungen beinhalten vielmehr eine summarische Darstellung von Einzelaspekten einer möglichen aktienrechtlichen und/oder zivilrechtlichen Haftung von Wirtschaftsprüfern, die abstrakt und überblicksartig dargestellt werden. In Bezug auf eine etwaige Haftung von Wirtschaftsprüfern ist entscheidend, ob es sich um Pflichtprüfungen, freiwillige Prüfungen oder Sonderprüfungen handelt.2 Nachfolgend sollen diese daher jeweils einzeln skizziert werden. 2. Haftung des Wirtschaftsprüfers gegenüber den geprüften Unternehmen 2.1. Pflichtprüfungen Nach § 316 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB)3 sind der Jahresabschluss und der Lagebericht von Kapitalgesellschaften, die nicht kleine im Sinne des § 267 Abs. 1 HGB4 sind, durch einen Abschlussprüfer zu prüfen.5 Hat keine Prüfung stattgefunden, so kann der Jahresabschluss nicht festgestellt werden (§ 316 Abs. 1 Satz 2 HGB). 1 Nach § 1 Abs. 19 Nr. 31 Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) sind Privatanleger alle Anleger, die weder professionelle noch semiprofessionelle Anleger sind. 2 Vgl. Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, § 826 BGB, Rn. 134. 3 Handelsgesetzbuch in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 4100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 12. August 2020 (BGBl. I S. 1874) geändert worden ist, abrufbar unter: http://www.gesetze-im-internet.de/hgb/BJNR002190897.html (letzter Abruf dieses Links und aller weiteren am 31. August 2020). 4 Nach § 267 Abs. 1 HGB sind kleine Kapitalgesellschaften solche, die mindestens zwei der drei nachstehenden Merkmale nicht überschreiten: 6 000 000 Euro Bilanzsumme; 12 000 000 Euro Umsatzerlöse in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag; im Jahresdurchschnitt fünfzig Arbeitnehmer. 5 Vgl. Müller, in: Wellhöfer/Peltzer/Müller, Die Haftung von Vorstand, Aufsichtsrat, Wirtschaftsprüfer, 1. Auflage 2008, § 21, Rn. 2. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 090/20 Seite 5 2.1.1. § 323 HGB Der Abschlussprüfer, seine Gehilfen und die bei der Prüfung mitwirkenden gesetzlichen Vertreter einer Prüfungsgesellschaft sind zur gewissenhaften und unparteiischen Prüfung und zur Verschwiegenheit verpflichtet (§ 323 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 HGB). Wer vorsätzlich oder fahrlässig seine Pflichten verletzt, ist daher der Kapitalgesellschaft und, wenn ein verbundenes Unternehmen geschädigt worden ist, auch diesem zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet (§ 323 Abs. 1 Satz 3 HGB). Mehrere Personen haften als Gesamtschuldner (§ 323 Abs. 1 Satz 4 HGB). Eine Prüfung erfolgt im Sinne des § 323 Abs. 1 Satz 1 HGB gewissenhaft, „wenn sie nach bestem Wissen und Gewissen so durchgeführt wird, dass ihr Ziel, die Abgabe eines Prüfungsurteils, erreicht wird“.6 Es gilt ein objektiver Sorgfaltsmaßstab.7 Maßgeblich ist, was von dem Abschlussprüfer angesichts der übertragenen Aufgaben und der Ziele der Abschlussprüfung zu fordern ist.8 Das Erfordernis der Unparteilichkeit verlangt, dass sich der Abschlussprüfer nicht von einzelnen Gruppeninteressen leiten lässt.9 Er darf nur seinem eigenen Urteil folgen und seiner Beurteilung ausschließlich sachliche Gesichtspunkte zugrunde legen.10 Ob eine Prüfung in diesem Sinne gewissenhaft und unparteiisch durchgeführt wurde, ist eine Frage des Einzelfalles.11 In jedem Fall ist die Haftung des Abschlussprüfers nach § 323 Abs. 2 HGB bei Fahrlässigkeit auf einen Höchstbetrag von 1 Million Euro, bei einer Aktiengesellschaft, deren Aktien zum Handel an einem regulierten Markt zugelassen sind, auf 4 Millionen Euro pro Prüfung begrenzt. Dies gilt nach § 323 Abs. 2 Satz 3 HGB auch, wenn an der Prüfung mehrere Personen beteiligt gewesen oder mehrere zum Ersatz verpflichtende Handlungen begangen worden sind, und ohne Rücksicht darauf, ob andere Beteiligte vorsätzlich gehandelt haben. 2.1.2. § 280 Abs. 1 BGB In seinem Anwendungsbereich geht § 323 HGB dem allgemeinen zivilrechtlichen Leistungsstörungsrecht vor.12 Ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches 6 Vgl. Böcking/Gros/Rabenhorst, in: Joost/Strohn, Handelsgesetzbuch, 4. Auflage 2020, § 323 HGB, Rn. 5. 7 Vgl. Poll, in: Häublein/Hoffmann-Theinert, Beck’scher Online-Kommentar HGB, 29. Edition, Stand: 15.07.2020, § 323 HGB, Rn. 9. 8 Vgl. Bormann, in: Henssler, beck-online.GROSSKOMMENTAR HGB, Stand: 15.12.2019, § 323 HGB, Rn. 36. 9 Vgl. Bormann, in: Henssler, beck-online. GROSSKOMMENTAR HGB, Stand: 15.12.2019, § 323 HGB, Rn. 41. 10 Vgl. Morck/Bach, in: Koller/Kindler/Roth/Drüen, Handelsgesetzbuch, Kommentar, 9. Auflage 2019, § 323 HGB, Rn. 3. 11 Vgl. Bormann, in: Henssler, beck-online. GROSSKOMMENTAR HGB, Stand: 15.12.2019, § 323 HGB, Rn. 36. 12 Vgl. Bormann, in: Henssler, beck-online. GROSSKOMMENTAR HGB, Stand: 15.12.2019, § 323 HGB, Rn. 137. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 090/20 Seite 6 (BGB)13 wegen Verletzung des Prüfervertrages kann daher neben einem Anspruch aus § 323 Abs. 1 Satz 3 HGB nicht bestehen.14 2.1.3. §§ 823 ff. BGB Eine deliktische Haftung gemäß §§ 823 ff. BGB soll dagegen insbesondere nach Stimmen in der Literatur auch im Anwendungsbereich des § 323 HGB in Betracht kommen.15 Für deliktsrechtliche Ansprüche gilt die Haftungsobergrenze nach § 323 Abs. 2 HGB nicht.16 Dennoch kommt der deliktischen Haftung des Abschlussprüfers gegenüber dem geprüften Unternehmen kaum praktische Bedeutung zu.17 Denn die Vorschriften des BGB, die eine solche Haftung begründen können, setzen ein vorsätzliches Handeln des Abschlussprüfers voraus (vgl. nachstehende Gliederungspunkte 3.1.4. und 3.1.5.).18 Ein vorsätzliches Handeln löst aber auch nach § 323 HGB eine unbeschränkte Haftung aus.19 Nur § 823 Abs. 1 BGB und § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 323 HGB lassen ein fahrlässiges Handeln ausreichen. Deren Voraussetzungen sind aber in den insoweit relevanten Fällen mangels Verletzung eines Rechtsguts oder Schutzgesetzes nicht erfüllt (vgl. nachstehende Gliederungspunkte 3.1.2. und 3.1.3.). 2.2. Freiwillige Prüfungen Freiwillige Prüfungen sind solche, die das Gesetz nicht vorschreibt20 (liegt also etwa beispielsweise keine gesetzliche Verpflichtung zur Prüfung des Jahresabschlusses vor, kann das Unternehmen dennoch eine freiwillige Abschlussprüfung durchführen lassen). § 323 HGB ist auf freiwillige Prüfungen nicht anwendbar.21 Stattdessen kommen die allgemeinen Regeln über die vertragliche und außervertragliche Haftung zur Anwendung.22 Gegenstand, Art und Umfang der Prüfung 13 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 12. Juni 2020 (BGBl. I S. 1245) geändert worden ist, abrufbar unter: http://www.gesetze-im-internet.de/bgb/BJNR001950896.html. 14 Vgl. Bormann, in: Henssler, beck-online. GROSSKOMMENTAR HGB, Stand: 15.12.2019, § 323 HGB, Rn. 137. 15 Vgl. etwa Bormann, in: Henssler, beck-online. GROSSKOMMENTAR HGB, Stand: 15.12.2019, § 323 HGB, Rn. 138 m.w.N. 16 Vgl. Bormann, in: Henssler, beck-online. GROSSKOMMENTAR HGB, Stand: 15.12.2019, § 323 HGB, Rn. 138. 17 Vgl. Ebke, in: Schmidt, Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Band 4, 3. Auflage 2013, § 323 HGB, Rn. 84.; Schmidt/Feldmüller, in: Beck'scher Bilanz-Kommentar, 12. Auflage 2020, § 323 HGB, Rn. 155. 18 Vgl. Schmidt/Feldmüller, in: Beck'scher Bilanz-Kommentar, 12. Auflage 2020, § 323 HGB, Rn. 155. 19 Vgl. Schmidt/Feldmüller, in: Beck'scher Bilanz-Kommentar, 12. Auflage 2020, § 323 HGB, Rn. 155. 20 Vgl. Ebke, in: Schmidt, Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Band 4, 3. Auflage 2013, § 323 HGB, Rn. 15. 21 Vgl. Poll, in: Häublein/Hoffmann-Theinert, Beck’scher Online-Kommentar HGB, 29. Edition, Stand: 15.07.2020, § 323 HGB, Rn. 46. 22 Vgl. Bormann, in: Henssler, beck-online. GROSSKOMMENTAR HGB, Stand: 15.12.2019, § 323 HGB, Rn. 26. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 090/20 Seite 7 werden von den Beteiligten festgelegt.23 Wenn der Wirtschaftsprüfer eine vertragliche Pflicht verletzt und dadurch einen Schaden des geprüften Unternehmens verursacht, kann diesem ein Ersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB zustehen.24 Der Haftungsumfang kann vertraglich geregelt werden.25 Inhaber des Anspruchs aus § 280 Abs. 1 BGB kann nur das geprüfte Unternehmen selbst und – anders als bei der Haftung gemäß § 323 Abs. 1 Satz 3 HGB – nicht ein mit diesem verbundenes Unternehmen sein, das an dem Prüfungsauftrag nicht beteiligt ist.26 Anspruchsgegner kann nur der Abschlussprüfer sein, der den Prüfungsauftrag übernommen hat, nicht dagegen sein Gehilfe oder die bei der Prüfung mitwirkenden gesetzlichen Vertreter einer Prüfungsgesellschaft .27 2.3. Sonderprüfungen Das Aktiengesetz (AktG)28 kennt drei Arten der Sonderprüfung, nämlich die allgemeine Sonderprüfung gemäß §§ 142 ff. AktG, die bilanzielle Sonderprüfung gemäß §§ 258 ff. AktG und die Sonderprüfung im faktischen Konzern gemäß § 315 AktG.29 Für jede dieser Sonderprüfungen gilt § 323 HGB entsprechend. Für die bilanzielle Sonderprüfung ergibt sich dies aus § 258 Abs. 5 Satz 1 AktG, für die allgemeine Sonderprüfung aus § 144 AktG. Letzterer ist als allgemeine Regelung auf die Sonderprüfung im faktischen Konzern entsprechend anzuwenden.30 Da sich die Verantwortlichkeit des Sonderprüfers damit wie bei der Pflichtprüfung nach § 323 HGB richtet, gelten die Ausführungen unter Gliederungspunkt 2.1. für die Sonderprüfung entsprechend . 23 Vgl. Schmidt/Feldmüller, in: Beck'scher Bilanz-Kommentar, 12. Auflage 2020, § 323 HGB, Rn. 162. 24 Vgl. Schmidt/Feldmüller, in: Beck'scher Bilanz-Kommentar, 12. Auflage 2020, § 323 HGB, Rn. 165. 25 Vgl. Poll, in: Häublein/Hoffmann-Theinert, Beck’scher Online-Kommentar HGB, 29. Edition, Stand: 15.07.2020, § 323 HGB, Rn. 47. 26 Vgl. Schmidt/Feldmüller, in: Beck'scher Bilanz-Kommentar, 12. Auflage 2020, § 323 HGB, Rn. 165. 27 Vgl. Schmidt/Feldmüller, in: Beck'scher Bilanz-Kommentar, 12. Auflage 2020, § 323 HGB, Rn. 165. 28 Aktiengesetz vom 6. September 1965 (BGBl. I S. 1089), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 12. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2637) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet .de/aktg/BJNR010890965.html. 29 Vgl. Ziemons in: Ziemons/Binnewies, Handbuch der Aktiengesellschaft, Gesellschaftsrecht, Steuerrecht, 85. Lieferung, Stand: 06.2020, Sonderprüfung und Geltendmachung von Ersatzansprüchen, Rn. 11.11. 30 Vgl. Leuering/Goertz, in: Hölters, Aktiengesetz, Kommentar, 3. Auflage 2017, § 315 AktG, Rn. 40. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 090/20 Seite 8 3. Haftung des Wirtschaftsprüfers gegenüber Anlegern und Investoren 3.1. Pflichtprüfungen 3.1.1. § 323 HGB In Bezug auf die Haftung von Wirtschaftsprüfern, die im Rahmen einer Pflichtprüfung etwa unrichtige Bilanzen testieren, wird deren Verantwortlichkeit durch § 323 Abs. 1 HGB auf die Haftung gegenüber der zu prüfenden Kapitalgesellschaft und einem mit dieser verbundenen Konzernunternehmen beschränkt.31 Auf den Haftungstatbestand des § 323 Abs. 1 Satz 2 HGB können sich Dritte – also etwa Gläubiger des geprüften Unternehmens oder Anleger, die ihre Investitionsentscheidung aufgrund eines unrichtigen Jahresabschlusses getroffen haben, mithin grundsätzlich nicht berufen.32 Auch der Bundesgerichtshof (BGH), der sich diesbezüglich in verschiedenen Entscheidungen im Einzelfall mit dem Rechtsinstitut des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter33 auseinandergesetzt hat, lehnt eine grundsätzliche Haftungserstreckung auf die Anleger der geprüften Kapitalgesellschaften im Ergebnis ab.34 Sofern die Parteien des jeweiligen Prüfungsvertrages den Schutzbereich des Vertrages daher nicht ausnahmsweise privatautonom (vgl. § 311 Abs. 1 BGB) ausdrücklich auch auf etwaig geschädigte Dritte erweitert haben, scheidet ein entsprechender Anspruch daher aus. 35 3.1.2. § 823 Abs. 1 BGB Erfolgt die Prüfung nicht (auch) im Interesse konkreter Einzelinvestoren, kommt für die Aktionäre nur eine Deliktshaftung in Betracht.36 Verletzt der Abschlussprüfer vorsätzlich oder fahrlässig eines der in § 823 Abs. 1 BGB genannten Rechtsgüter, ist er grundsätzlich zum Ersatz des hierdurch kausal verursachten Schadens verpflichtet.37 Das Vermögen als solches gehört allerdings nicht zu den von § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsgütern.38 „Aus diesem Grunde sind bspw Nachteile Dritter, die diese dadurch erleiden, dass sie im Vertrauen auf die Richtigkeit eines geprüften Abschlusses ein Recht an/ggü der geprüften Gesellschaft […] erwerben, das sich nach Erwerb als nicht werthaltig erweist, keine nach § 823 Abs. 1 BGB ersatzfähigen Schäden, da das Beteiligungs- oder Gläubigerrecht in seinem 31 Vgl. Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, § 826 BGB, Rn. 134. 32 Vgl. Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, § 826 BGB, Rn. 134. 33 Vgl. hierzu ausführlich Ebke, in: Münchener Kommentar zum HGB, 3. Auflage 2013, § 323 HGB, Rn. 132 ff. m.w.N. 34 Vgl. BGH, Urteil vom 6. April 2006, Az.: III ZR 256/04, NJW 2006, S. 1975 m.w.N. 35 Vgl. Ebke, in: Münchener Kommentar zum HGB, 3. Auflage 2013, § 323 HGB, Rn. 148. 36 Vgl. Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, § 826 BGB, Rn. 136 m.w.N. 37 Vgl. Schmidt/Feldmüller, in: Beck'scher Bilanz-Kommentar, 12. Auflage 2020, § 323 HGB, Rn. 173. 38 Vgl. etwa BGH, Urteil vom 15. November 1982, Az.: II ZR 206/81, NJW 1983, S. 2313, 2314. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 090/20 Seite 9 rechtlichen Bestand unberührt besteht und lediglich eine wertmäßige Vermögensminderung beim Erwerber vorliegt.“39 3.1.3. § 823 Abs. 2 BGB, § 323 HGB § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 323 HGB scheidet als Anspruchsgrundlage aus, weil § 323 HGB kein Schutzgesetz40 im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB ist.41 In Bezug auf die Haftung gegenüber Anlegern und Investoren folgt dies bereits daraus, dass § 323 HGB, wie oben dargelegt, nur Ansprüche der zu prüfenden Kapitalgesellschaft und der mit dieser verbundenen Konzernunternehmen begründen kann.42 3.1.4. § 823 Abs. 2 BGB, §§ 263, 264a StGB, §§ 403, 404 AktG Eine Haftung des Wirtschaftsprüfers kann dem Grunde nach gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m §§ 263, 264a Strafgesetzbuch (StGB)43 bzw. §§ 403, 404 AktG begründet sein.44 Diese Regelungen setzen allerdings vorsätzliches (betrügerisches) Handeln voraus und sanktionieren gerade nicht die fehlerhafte Prüfung als solche.45 Ob und inwieweit dem im konkreten Fall agierenden Wirtschaftsprüfer ein solcher Vorsatz tatsächlich nachgewiesen werden kann, ist in jedem Einzelfall zu bewerten. 3.1.5. § 826 BGB Eine Haftung des Wirtschaftsprüfers gegenüber Aktionären kann sich wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB ergeben. „Für geschädigte Anleger bleibt somit § 826 [BGB – Anm. d. Verf.] die einzige Option. Die bloße Fehlerhaftigkeit des Testats löst zwar nicht die Haftung aus, ein Abschlussprüfer jedoch , der einer als unrichtig erkannten Bilanz das Testat erteilt, macht sich Dritten gegenüber nach § 826 [BGB – Anm. d. Verf.] schadensersatzpflichtig. Gleiches gilt, wenn er sich seiner 39 Vgl. Schmidt/Feldmüller, in: Beck'scher Bilanz-Kommentar, 12. Auflage 2020, § 323 HGB, Rn. 173. 40 Schutzgesetz in diesem Sinne ist jede Rechtsnorm, § 2 EGBGB. Dazu zählen neben den formellen Gesetzen einschließlich des unmittelbar anwendbaren EU-Rechts zum Beispiel Rechtsverordnungen, öffentlich-rechtliche Satzungen, Anstaltsordnungen, Tarifverträge, Gewohnheitsrecht sowie Richterrecht, vgl. Teichmann, in: Jauernig , Bürgerliches Gesetzbuch, 17. Auflage 2018, § 823 BGB, Rn. 43. 41 Vgl. Bormann, in: Henssler, beck-online. GROSSKOMMENTAR, HGB, Stand: 15.12.2019, § 323 HGB, Rn. 138. 42 Vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 19. November 1998, Az.: 8 U 59/98, Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht (NZG) 1999, S. 901, 903. 43 Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 12. Juni 2020 (BGBl. I S. 1247) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/. 44 Vgl. Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, § 826 BGB, Rn. 136 m.w.N. 45 Vgl. Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, § 826 BGB, Rn. 136 m.w.N. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 090/20 Seite 10 Aufgabe leichtfertig entledigt, sein Testat gleichsam „ins Blaue hinein“ erteilt und dadurch seine Rücksichtslosigkeit gegenüber möglichen Adressaten des Gutachtens offenbart hat oder wenn er sich der Einsicht in die Unrichtigkeit seines Bestätigungsvermerks verschlossen hat. Ein klarer Fall von Leichtfertigkeit liegt vor, wenn ein Testat erteilt wird, obwohl überhaupt keine Prüfung durchgeführt wurde oder die Ergebnisse eines Dritten ungeprüft übernommen wurden, aber auch dann, wenn die Buchhaltung des Mandanten wesentliche Lücken aufwies oder relevante Informationen fehlten, so dass die Ordnungsmäßigkeit der Bilanz redlicherweise nicht hätte festgestellt werden dürfen. Die Angaben des Mandanten bzw. der Geschäftsführung darf der Prüfer grundsätzlich ungeprüft zugrunde legen, muss allerdings Verdachtsmomenten für Manipulationen und Unterschlagungen konsequent nachgehen. Für den Schädigungsvorsatz ist nicht erforderlich, dass der Wirtschaftsprüfer eine konkrete Person als Geschädigten vor Augen hat, sondern es reicht aus, wenn er sich vorstellt, der Abschluss könne Dritte zu nachteiligen Vermögensdispositionen veranlassen, etwa einen Geldgeber zur Vergabe eines Kredits […]. Schließlich ist zu beachten, dass zwar die Dritthaftung aufgrund Vertrags, nicht aber diejenige aus Delikt, auf die in § 323 Abs. 2 HGB normierten Höchstgrenzen beschränkt ist, so dass § 826 [BGB – Anm. d. Verf.] selbst bei Einbeziehung des Dritten in den Schutzumfang des Prüfauftrags weiterhin erhebliche praktische Bedeutung für die Haftung der Wirtschaftsprüfer behält.“46 Maßgeblich sind auch hier die konkreten Umstände des Einzelfalls.47 3.2. Freiwillige Prüfungen Wenn eine freiwillige Prüfung nicht auf der Grundlage vertraglicher Vereinbarungen mit einzelnen Investoren erfolgt, können den Anlegern und Investoren nur deliktsrechtliche Ansprüche gegen den Wirtschaftsprüfer zustehen.48 Diesbezüglich gelten die Ausführungen unter Gliederungspunkt 3.1.2., 3.1.4 und 3.1.5. entsprechend. 3.3. Sonderprüfungen Auf Sonderprüfungen nach dem Aktienrecht ist § 323 HGB zwar grundsätzlich anwendbar (Gliederungspunkt 2.3.). Er begründet aber keinen Anspruch von Anlegern und Investoren (Gliederungspunkt 3.1.1.). Soweit die Prüfung nicht auf der Grundlage vertraglicher Vereinbarungen mit konkreten Einzelinvestoren erfolgt, kommen auch im Zusammenhang mit Sonderprüfungen nur deliktsrechtliche Ansprüche der Anleger und Investoren in Betracht.49 Die Ausführungen unter den Gliederungspunkten 3.1.2. bis 3.1.5. gelten entsprechend. *** 46 Vgl. Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, § 826 BGB, Rn. 136 m.w.N. 47 Vgl. Schmidt/Feldmüller, in: Beck'scher Bilanz-Kommentar, 12. Auflage 2020, § 323 HGB, Rn. 183 ff. m.w.N. 48 Vgl. Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, § 826 BGB, Rn. 136 m.w.N. 49 Vgl. Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, § 826 BGB, Rn. 136 m.w.N.