© 2019 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 088/19 Der Gesetzentwurf des Bundesrates zur Strafbarkeit der unbefugten Benutzung informationstechnischer Systeme („Digitaler Hausfriedensbruch “) Juristische Stellungnahmen Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. 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Strafrechtsänderungsgesetzes ‒ Strafbarkeit der unbefugten Benutzung informationstechnischer Systeme ‒ Digitaler Hausfriedensbruch“ beim Bundestag eingebracht.1 Nachdem dieser Gesetzentwurf mangels abschließender Beratung mit Ende der Wahlperiode der Diskontinuität anheim gefallen ist, hat der Bundesrat in der 19. Wahlperiode des Deutschen Bundestags einen wortlautidentischen2 Gesetzentwurf eingebracht.3 2. Stellungnahmen der Bundesregierung Zum ersten Gesetzentwurf hatte die Bundesregierung ausführlich Stellung genommen und dargelegt , dass ihrer Ansicht nach keine gravierenden Strafbarkeitslücken beständen.4 Zudem kritisierte die Bundesregierung verschiedene Einzelaspekte des Entwurfs.5 Die kurze Stellungnahme der Bundesregierung zum zweiten Gesetzentwurf befasst sich nicht mit einzelnen Aspekten des Gesetzentwurfs, sondern führt lediglich aus, dass sie die Auffassung des Bundesrats teile, dass die Botnetz-Kriminalität auch mit den Mitteln des Strafrechts bekämpft werden müsse und dass sie im weiteren Verfahren prüfen werde, inwieweit gesetzgeberischer Handlungsbedarf bestehe – in welchem Falle sie einen eigenen Gesetzentwurf vorlegen werde.6 3. Stellungnahmen im Schrifttum Im Schrifttum ist der Gesetzentwurf des Bundesrats auf vehemente Kritik gestoßen. So kritisiert Basar in seinem als Anlage 1 beigefügten Beitrag „IT-Sicherheit im Strafrecht („digitaler Hausfriedensbruch“) – Der Gesetzentwurf des Bundesrates zur Einführung eines neuen § 202e StGB“7 unter anderem, dass der Gesetzentwurf aufgrund der extremen Weite des Tatbestands den verfassungspolitischen Anforderungen an die Begründung eines neuen Tatbestands nicht gerecht werde, da jede unbefugte Nutzung 1 BT-Drs. 18/10182 vom 02.11.2016. 2 Vgl. Bundesrat Kompakt zu ausgewählten Tagesordnungspunkten der 965. Sitzung des Bundesrats am 02.03.2018, TOP 5, abrufbar unter https://www.bundesrat.de/DE/plenum/bundesrat-kompakt/18/965/965- pk.html#top-5. 3 BT-Drs. 19/1716 vom 18.04.2018. 4 BT-Drs. 18/10182, Anlage 2 (S. 19 f.). 5 Siehe vorhergehende Fußnote. 6 BT-Drs. 19/1716, Anlage 2 (S. 19). 7 jurisPR-StrafR 26/2016, 1. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 7 - 3000 - 088/19 Seite 4 eines IT-Systems objektiv tatbestandsmäßig sein könne.8 Auch bleibe der Entwurf den Beleg für die Behauptung, dass der derzeitige Strafrechtsschutz lückenhaft sei, schuldig.9 Auch Mavany kommt in seinem als Anlage 2 beigefügten Beitrag „Digitaler Hausfriedensbruch – Allheilmittel oder bittere Pille?“10 zu dem Ergebnis , dass der neue Straftatbestand die Strafbarkeit unabsehbar ausdehne und bereits alltägliche Handlungsweisen wie das Einwählen in ein offenes WLAN erfasse.11 Nicht nur werde die behauptete Schutzlücke nicht hinreichend belegt, auch der – bereits von der Bundesregierung in ihrer Stellungnahme kritisierte12 – vorgesehene Strafrahmen führe zu Friktionen mit dem geltenden Recht.13 Mit diesem kritischen Befund von Basar und Mavany stimmt auch der als Anlage 3 beigefügte Beitrag „‚Digitaler Hausfriedensbruch‘ – Der Entwurf eines Gesetzes zur Strafbarkeit der unbefugten Benutzung informationstechnischer Systeme“ von Buermeyer und Golla überein .14 So sei der Gesetzentwurf bereits im Ansatz ungeeignet, effektiv zur Bekämpfung der Botnetz -Kriminalität beizutragen, da im materiellen Strafrecht kaum Schutzlücken beständen.15 Der Entwurf sei darüber hinaus gefährlich, da er in seiner Weite alltägliche Verhaltensweisen mit hohen Freiheitsstrafen bedrohe.16 Schließlich setzt auch Tassi sich in ihrem als Anlage 4 8 Basar a.a.O. Ziff. IV. 9 Basar a.a.O. Ziff. III. 10 ZRP 2016, S. 221. 11 Mavany a.a.O. S. 223. 12 BT-Drs. 18/10182, S. 20. 13 Mavany a.a.O. S. 223. 14 K&R 2017, S. 14. 15 Buermeyer/Golla a.a.O. S. 14 f. 16 Buermeyer/Golla a.a.O. S. 14. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 7 - 3000 - 088/19 Seite 5 beigefügten Beitrag „Digitaler Hausfriedensbruch – Ein Wendepunkt der Gezeiten oder innovative Analogien im Strafgesetzbuch“17 mit dem Gesetzentwurf des Bundesrates auseinander, fokussiert sich jedoch – für die konkrete Gesetzgebungstätigkeit kaum ertragreich – auf eine von der Autorin aufgrund der Begrifflichkeit „Digitaler Hausfriedensbruch“ konstatierte Orientierung des Gesetzgebers an bestehenden Straftatbeständen der „Non-Cyber-Welt“ und einer von ihr erblickten Begründung des Schutzzwecks des neuen Straftatbestands auf der „Metaebene“.18 * * * 17 DuD 2017, S. 175. 18 Tassi a.a.O. S. 176 ff., 179.