Vereinbarkeit des Betriebs und der Bilanzierung der Schieneninfrastruktur als wirtschaftliche Einheit mit den europarechtlichen Vorgaben aus dem Eisenbahninfrastrukturpaket - Ausarbeitung - © 2007 Deutscher Bundestag WD 7 - 088/07 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser: Vereinbarkeit des Betriebs und der Bilanzierung der Schieneninfrastruktur als wirtschaftliche Einheit mit den europarechtlichen Vorgaben aus dem Eisenbahninfrastrukturpaket Ausarbeitung WD 7 - 088/07 Abschluss der Arbeit: 23.04.2007 Fachbereich WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. Inhalt 1. Problematik 3 2. Inhalt der Richtlinien 4 2.1. Richtlinie 2001/12/EG 4 2.2. Richtlinie 2001/13/EG 8 2.3. Richtlinie 2001/14/EG 10 3. Vereinbarkeit 11 3.1. Einheitliche Organisation 11 3.2. Einheitliche Bilanzierung 12 4. Fazit 12 - 3 - 1. Problematik Im Rahmen der politischen Diskussion um die Privatisierung der Deutschen Bahn AG (DB AG) ist im vergangenen Jahr vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung das sog. Eigentumssicherungsmodell vorgestellt worden.1 Dieses Modell sieht vor, dass die DB AG ihre Gesellschaftsanteile an den Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU) nach Maßgabe einer zu vereinbarenden Sicherungsabrede an den Bund übereignet.2 Als Eigentümer der Anteile soll der Bund mittelbar Eigentum an der Infrastruktur erhalten und damit seiner Infrastrukturverantwortung aus Art. 87e des Grundgesetzes genügen. Die DB AG als Sicherungsgeber soll hingegen die tatsächliche Verfügungsmacht und damit das „wirtschaftliche Eigentum“ an den Infrastrukturgesellschaften behalten und somit berechtigt und verpflichtet sein, die Anteile für sich zu bilanzieren (vgl. § 246 Abs. 1 S. 2 HGB). Die Infrastrukturunternehmen würden infolgedessen ebenso wie die Eisenbahnverkehrsunternehmen einheitlich von der privatisierten DB AG betrieben und bilanziert. Dies wirft neben der verfassungsrechtlichen Frage, inwiefern das vorgeschlagene Modell tatsächlich den Anforderungen des Art. 87e GG genügt3, auf europarechtlicher Ebene die Frage auf, ob der Betrieb und die Bilanzierung der Infrastrukturgesellschaften in einer privatisierten DB AG mit den Bestimmungen der Richtlinien 2001/12/EG4, 2001/13/EG5 und 2001/14/EG6 vereinbar ist. Dieser Frage soll mit der vorliegenden Ausarbeitung nachgegangen werden, wobei im Folgenden zunächst der Inhalt der drei Richtlinien dargestellt wird. 1 BT-Drcks. 16/3263, S. 1. 2 Allerdings soll dem Bund bei Eintritt des Sicherungsfalls kein unmittelbares Verwertungsrecht, sondern lediglich eine Kaufoption („Call-Option“) eingeräumt werden. Trotz dieser zusätzlichen Bedingung wird der Bund als rechtlicher Eigentümer der Anteile bezeichnet. Kritisch dazu z.B. Scheer, Hermann/ Friedrich, Peter, Die Bahn: Zukunftsinvestment aller Bürger, Memorandum gegen die geplante Privatisierung der Bahn vom 14.03.2007, S.11ff., abrufbar unter: http://www.hermannscheer.de/de/images/stories/pdf/Scheer_Friedrich_Memorandum_Bahn_mar07. pdf. 3 Vgl. hierzu , Die Vereinbarkeit einer Privatisierung der Deutschen Bahn AG mit Artikeln 87e Abs. 3 und 4 des Grundgesetzes, Ausarbeitung WD 3 - 106/07. 4 ABl. L 75 vom 15.3.2001, S. 1 ff. - Anlage 1 - 5 ABl. L 75 vom 15.03.2001, S. 26ff. - Anlage 2 - 6 ABl. L 75 vom 15.03.2001, S. 29ff. - Anlage 3 - - 4 - 2. Inhalt der Richtlinien Im Juli 1998 legte die Europäische Kommission drei Vorschläge zur Verbesserung der Effizienz bestehender Rechtsvorschriften des europäischen Eisenbahnrechts vor. Nach langen Debatten im Europäischen Parlament und im Ministerrat kam es im November 2000 zu einer politischen Einigung. Die drei Richtlinien 2001/12/EG, 2001/13/EG und 2001/14/EG wurden am 26. Februar 2001 vom Rat angenommen und bilden heute als sogenanntes „Erstes Eisenbahnpaket“ bzw. „Eisenbahninfrastrukturpaket“ den rechtlichten Rahmen der Bahnpolitik. Umsetzungstermin war der 15. März 2003.7 Hauptziel der drei Richtlinien ist die Gewährleistung eines gerechten und nichtdiskriminierenden Zuganges zur Infrastruktur.8 Zur Erreichung dieses Ziels verfolgen sie als gemeinsamen Leitgedanken die Trennung von Netz und Betrieb.9 Als Kontrollinstrument sehen sie die Einrichtung einer Regulierungsbehörde vor; die nationale Umsetzung des Gemeinschaftsrechts wird unter verstärkte Aufsicht der EG gestellt. 2.1. Richtlinie 2001/12/EG Kernstück des Eisenbahninfrastrukturpakets ist die Richtlinie 2001/12/EG,10 durch welche die Richtlinie 91/440/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft11 geändert wird. In der Begründung heißt es zu den Zielen und Zwecken der Richtlinie unter anderem: (1) Die Richtlinie 91/440/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft sollte geändert werden, um den bei ihrer Durchführung gesammelten Erfahrungen und den seit ihrer Annahme verzeichneten Entwicklungen im Eisenbahnverkehr Rechnung zu tragen, damit die gesetzten Ziele erreicht werden. (2) Ein gerechter und nichtdiskriminierender Zugang zur Infrastruktur ist durch die Trennung bestimmter wesentlicher Funktionen und/oder die Einrichtung einer Eisenbahn-Regulierungsstelle, die für die Kontrolle und Verwirklichung des Zugangs sorgt, sowie durch getrennte Gewinn- und Verlustrechnungen und Bilanzen zu gewährleisten. 7 Wolf, Rainer, Abschied von der Staatsbahn/ Zur Reform der institutionellen Rahmenbedingungen für die Eisenbahnen in der Europäischen Gemeinschaft, in: Kritische Justiz 2003, S. 192ff., 206; - Anlage 4 - , vgl. auch die Übersicht unter http://ec.europa.eu/transport/rail/overview/infrastructurede .htm. 8 Rossi, Matthias/ Jung, Christian, in: Calliess/ Ruffert, Das Verfassungsrecht der Europäischen Union , 3. Auflage 2007, zu Art. 71 EG, Rn. 9. 9 Wolf, Rainer, a.a.O. (Fn. 7) S. 206. 10 Rossi, Matthias/ Jung, Christian, a.a.O. (Fn. 8), zu Art. 71 EG, Rn. 11. 11 ABl. L 237 vom 24.8.1991, S. 25ff. - 5 - […] (8) Zur Förderung eines leistungsfähigen Infrastrukturbetriebs im öffentlichen Interesse sollten die Betreiber der Infrastruktur so gestellt sein, dass ihre Unabhängigkeit vom Staat gewährleistet ist und sie die Möglichkeit haben, ihre internen Angelegenheiten selbst zu regeln, während die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen zur Gewährleistung der Entwicklung und sicheren Nutzung der Infrastruktur ergreifen sollten. Zur Umsetzung dieser Ziele wird in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie die unternehmerische Unabhängigkeit der Bahnunternehmen in Bezug auf Geschäftsführung, Verwaltung, Wirtschafts- und Rechnungsführung gestärkt, in Abs. 2 die Eigenständigkeit der Infrastrukturbetreiber betont.12 12 Vgl. Wolf, Rainer, a.a.O. (Fn. 7), S. 206-207. Art. 4 der Richtlinie 91/440/EWG: Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit die Eisenbahnunternehmen in Bezug auf ihre Leitung, Geschäftsführung und Verwaltung sowie hinsichtlich der verwaltungstechnischen und wirtschaftlichen Kontrolle und der Kontrolle der internen Rechnungsführung einen Unabhängigkeitsstatus besitzen, nach welchem sie insbesondere über ein Vermögen, einen Haushaltsplan und eine Rechnungsführung verfügen , die von denen des Staates getrennt sind. Artikel 1 Nr. 6 der Richtlinie 2001/12/EG: Art. 4 erhält folgende Fassung: (1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Eisenbahnunternehmen in Bezug auf die Geschäftsführung, die Verwaltung und die innerbetriebliche Verwaltungs-, Wirtschafts- und Rechnungsführungskontrolle eine unabhängige Stellung haben, kraft deren sie insbesondere über ein Vermögen, einen Haushaltsplan und eine Rechnungsführung verfügen, die von Vermögen , Haushaltsplan und Rechnungsführung des Staates getrennt sind. (2) Der Betreiber der Infrastruktur ist unter Beachtung der von den Mitgliedstaaten festgelegten Rahmenvorschriften sowie der Einzelvorschriften betreffend die Entgelterhebung und die Kapazitätszuweisung für seine eigene Geschäftsführung, Verwaltung und innerbetriebliche Kontrolle verantwortlich . - 6 - Die Richtlinie verlangt jedoch nicht zwingend die institutionelle Trennung von Netz und Betrieb13. Sie folgt insoweit Art. 1 der Richtlinie 91/440/EWG („Diese Richtlinie soll die Erfordernisse des Binnenmarktes erleichtern und ihre Leistungsfähigkeit erhöhen , indem […] der Betrieb der Eisenbahninfrastruktur und die Erbringung von Verkehrsleistungen durch die Eisenbahnunternehmen voneinander getrennt werden, wobei die Trennung der Rechnungsführung obligatorisch, die organische oder institutionelle Trennung fakultativ ist“), obgleich diese Zielbestimmung durch Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/12/EG aufgehoben wird. Für den Fall, dass beide Teile bei ein und demselben Konzern liegen, trifft die Richtlinie 2001/12/EG allerdings weitere Beschränkungen. So müssen sie nach Art. 6 Abs. 1 neuer Fassung getrennte Bilanzen erstellen und veröffentlichen. Der neue Art. 6 Abs. 3 ordnet an, dass Trassenvergabe und Preisbildung einer von den Eisenbahndienstleistungen unabhängigen Institution übertragen werden müssen. 13 Wolf, Rainer, a.a.O. (Fn. 7), S. 206-207; vgl. auch Maier, Martina/ Dopheide, Jan Hendrik, Europäischer Schienengüterverkehr nach dem ersten EU-Eisenbahnpaket: Freie Bahn für alle?, in: EuZW 2003. S. 456ff, 459 - Anlage 5 -. Art. 6 der Richtlinie 91/440/EWG (1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um in der Rechnungsführung das Erbringen von Verkehrsleistungen von dem Betrieb der Eisenbahninfrastruktur zu trennen. Ein Transfer von Subventionen von einem Bereich zum anderen ist nicht gestattet. Dieses Verbot muss auch in der Rechnungsführung der beiden Bereiche zum Ausdruck kommen. (2) Die Mitgliedstaaten können ferner vorsehen, dass diese beiden Tätigkeiten in organisch voneinander getrennten Unternehmensbereichen innerhalb desselben Unternehmens ausgeübt werden oder dass eine getrennte Einrichtung den Betrieb der Infrastruktur übernimmt. Art. 1 Nr. 7 der Richtlinie 2001/12/EG Artikel 6 erhält folgende Fassung: (1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass getrennte Gewinn- und Verlustrechnungen und Bilanzen für die Erbringung von Verkehrsleistungen durch Eisenbahnunternehmen einerseits und für den Betrieb der Infrastruktur andererseits erstellt und veröffentlicht werden. Öffentliche Gelder zugunsten eines dieser beiden Tätigkeitsbereiche dürfen nicht auf den anderen übertragen werden. Dieses Verbot muss auch in der Rechnungsführung der beiden Geschäftsbereiche zum Ausdruck kommen . (2) Die Mitgliedstaaten können ferner vorsehen, dass diese beiden Tätigkeiten in organisatorisch voneinander getrennten Unternehmensbereichen innerhalb desselben Unternehmens ausgeübt werden oder dass eine getrennte Einrichtung den Betrieb der Infrastruktur übernimmt. - 7 - (3) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Funktionen nach Anhang II, die für einen gerechten und nichtdiskriminierenden Zugang zur Infrastruktur ausschlaggebend sind, an Stellen oder Unternehmen übertragen werden, die selbst keine Eisenbahnverkehrsleistungen erbringen. Ungeachtet der Organisationsstrukturen ist der Nachweis zu erbringen, dass dieses Ziel erreicht worden ist. Die Mitgliedstaaten können jedoch Eisenbahnunternehmen oder jeder anderen Stelle die Erhebung von Entgelten und die Verantwortung für die Verwaltung der Eisenbahninfrastruktur übertragen, wozu Investitionen, Wartung und Finanzierung gehören. (4) Die Anwendung des Absatzes 3 ist Gegenstand eines Berichts der Kommission gemäß Artikel 10b, der bis zum 15. März 2006 zu übermitteln ist. Öffentliche Mittel für Infrastruktur sind gemäß Art. 9 Abs. 3 weiterhin grundsätzlich zulässig, allerdings müssen Zuwendungen für gemeinwohlorientierte Verkehrsleistungen nach dem neu eingefügten Art. 9 Abs. 4 getrennt ausgewiesen werden und dürfen nicht zur Quersubventionierung anderer Verkehrsleistungen verwendet werden. Art. 9 der Richtlinie 91/440/EWG (1) Die Mitgliedstaaten schaffen gemeinsam mit den bestehenden öffentlichen Eisenbahnunternehmen geeignete Mechanismen, um dazu beizutragen , dass die Verschuldung dieser Unternehmen soweit verringert wird, dass eine Geschäftsführung auf gesunder finanzieller Basis möglich ist, und um diese Unternehmen finanziell zu sanieren. (2) Zu diesem Zweck können die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen, damit im Rechnungswesen dieser Unternehmen Art. 1 Nr. 9, 10 der Richtlinie 2001/12/EG - 8 - ein gesondertes Konto für die Schuldentilgung geschaffen wird. Auf der Passivseite dieses Kontos können bis zur vollständigen Tilgung alle Darlehen gebucht werden, die von dem Unternehmen zur Finanzierung von Investitionen oder zur Deckung von Betriebsdefiziten, die sich aus der Erbringung von Eisenbahnverkehrsleistungen oder dem Betrieb der Eisenbahninfrastruktur ergeben haben, aufgenommen wurden. Schulden aus der Tätigkeit von Tochtergesellschaften können nicht berücksichtigt werden. (3) Bei der Gewährung von Beihilfen zur Tilgung der in diesem Artikel genannten Schulden beachten die Mitgliedstaaten die Artikel 77, 92 und 93 des Vertrages. Artikel 9 Absatz 3 enthält folgende Fassung: (3) Bei der Gewährung von Beihilfen zur Tilgung der in diesem Artikel genannten Schulden beachten die Mitgliedstaaten die Artikel 73, 87 und 88 des Vertrags. Dem Artikel 9 wird folgender Absatz angefügt: (4) Bei Eisenbahnunternehmen werden für den Güterverkehr auf der Schiene Gewinn- und Verlustrechnungen und entweder Bilanzen oder jährliche Vermögensübersichten aufgestellt und veröffentlicht . Zuwendungen für gemeinwirtschaftliche Personenverkehrsleistungen sind in den entsprechenden Rechnungen getrennt auszuweisen und dürfen nicht auf Tätigkeitsbereiche übertragen werden, die andere Verkehrsleistungen oder sonstige Geschäfte betreffen. 2.2. Richtlinie 2001/13/EG Die Richtlinie 2001/13/EG ändert die Richtlinie 95/18/EG des Rates über die Erteilung von Genehmigungen an Eisenbahnunternehmen14, also derjenigen Genehmigungen, die ein Mitgliedsstaat einem Unternehmen erteilt und damit dessen Eigenschaft als Eisenbahnunternehmen (vollumfänglich oder auf einzelne Bereiche beschränkt) annimmt.15 14 ABl. L 143 vom 27.06.1995, S. 70. 15 Art. 2 lit. b) der Richtlinie 95/18/EG. - 9 - Als „Eisenbahnunternehmen“ gelten grundsätzlich alle öffentlichen und privaten Unternehmen , deren „Haupttätigkeit im Erbringen von Eisenbahnverkehrsleistungen zur Beförderung von Gütern und/oder Personen besteht, wobei dieses Unternehmen die Traktion sicherstellen muss; dies schließt auch Unternehmen ein, die ausschließlich die Traktionsleistung erbringen“16. Allerdings dürfen die Mitgliedsstaaten gemäß Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2001/13/EG (zur Änderung von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 95/17/EG) bestimmte Unternehmen vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausschließen . Die Richtlinie 2001/13/EG verfolgt eine europaweite Vereinheitlichung der Anforderungen dieser Genehmigungen, um „sicherzustellen, dass alle Eisenbahnunternehmen jederzeit bestimmte Anforderungen hinsichtlich ihrer Zuverlässigkeit, finanziellen Leistungsfähigkeit und fachlichen Eignung erfüllen, damit Kunden und Dritte geschützt und die Verkehrsdienste unter Wahrung eines hohen Sicherheitsstandards erbracht werden “.17 Eine solche Vereinheitlichung erschien notwendig, da einige Mitgliedstaaten die entsprechenden Zugangsrechte weiter gefasst hatten als die Richtlinie 91/440/EWG.18 Mit der Richtlinie 2001/13/EG wurden jedoch keine neuen Anforderungen formuliert; vielmehr wurden die in Art. 4ff. der Richtlinie 95/18/EG niedergelegten Grundsätze für die Erteilung von Genehmigungen auf alle in diesem Sektor tätigen Unternehmen ausgedehnt .19 Im Sinne der vom Infrastrukturpaket insgesamt erstrebten Trennung von hoheitlichen und unternehmerischen Aufgaben ordnet die Richtlinie 2001/13/EG in Art. 1 Nr. 3 außerdem an, dass die Genehmigung nicht von einer Stelle erlassen werden darf, die selbst Eisenbahndienstleistungen erbringt.20 Art. 1 Nr. 3 der Richtlinie 2001/13/EG: Artikel 3 erhält folgende Fassung: „Artikel 3 Jeder Mitgliedstaat benennt die Stelle, die für die Erteilung von Genehmigungen und für die Erfüllung der Verpflichtungen aus dieser Richtlinie zuständig ist. Die Erteilung der Genehmigungen wird von einer Stelle vorgenommen, die selbst keine Eisenbahnverkehrsleistungen erbringt und von Stellen oder Unternehmen, die dies tun, unabhängig ist.“ 16 Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/13/EG zur Änderung von Art. 2 lit. a) der Richtlinie 95/18/EG. 17 Nr. 2 der Begründung der Richtlinie 2001/13/EG. 18 Nr. 4 der Begründung der Richtlinie 2001/13/EG. 19 Art. 1 Nr. 4 der Richtlinie 2001/13/EG zur Einführung eines Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 95/18/EG. 20 Vgl. Wolf, Rainer, a.a.O. (Fn. 7), S. 207. - 10 - 2.3. Richtlinie 2001/14/EG Die Richtlinie 2001/14/EG ist die umfangreichste der drei Richtlinien des Infrastrukturpakets . Sie löst die Richtlinie 95/19/EG ab und regelt mit dem Ziel einer Einräumung von Zugangsrechten unter „angemessenen“, nicht diskriminierenden Bedingungen21 ausführlich die Erhebung von Wegeentgelten (Art. 4-12), die Zuweisung von Fahrwegkapazitäten (Art. 13-29) und die Einrichtung einer Regulierungsstelle (Art. 30-33). Die gesamte Umsetzung der Richtlinie wird in Art. 34-36 der Aufsicht durch die europäische Kommission unterstellt. Dies entspricht auch den Anforderungen der Artikel 6, 10 und 10b der Richtlinie 2001/12/EG. Die Berechnung und Erhebung des Wegeentgeltes liegt gemäß Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/14/EG in den Händen des Betreibers der Infrastruktur. Falls der Betreiber der Infrastruktur noch nicht rechtlich, organisatorisch oder in seinen Entscheidungen von Eisenbahnunternehmen unabhängig ist, wird das Entgelt gemäß Art. 4 Abs. 2 von einer unabhängigen Stelle berechnet und festgesetzt. Die Grundlagen für die Entgeltberechnung sind von den Mitgliedstaaten anhand eines komplexen Regel-/Ausnahmesystems aufzustellen, das in Art. 6-12 der Richtlinie 2001/14/EG entwickelt wird und das sich wohl an dem ökonomischen Leitbild der Grenzkosten für die Schieneninfrastruktur ausrichtet.22 Die Zuweisung von Fahrwegkapazitäten erfolgt auf Antrag gemäß Art. 19 der Richtlinie 2001/14/EG. Grundlage der Vergabe ist einerseits der erstellte Netzplan (Art. 20), andererseits die Fahrwegskapazität, die im Wege einer Kapazitätsanalyse zu ermitteln ist (vgl. Art. 25, 22). Gemäß Art. 20 Abs. 2 darf vom Netzplan nur aus Kapazitätsgründen abgewichen werden. Gemäß Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2001/14/EG ist grundsätzlich der Betreiber der Infrastruktur für die Zuweisung von Fahrwegkapazitäten zuständig. Sind Netz und Betrieb (noch) nicht institutionell getrennt, wird die Zuweisung gemäß Art. 14 Abs. 2 von der gleichen Stelle vorgenommen, die in diesem Falle auch nach Art. 4 Abs. 2 für die Berechnung des Entgeltes zuständig ist. 21 Rossi, Matthias/ Jung, Christian, a.a.O. (Fn. 8), zu Art. 71 EG, Rn. 11. 22 So Wolf, Rainer, a.a.O. (Fn. 7), S. 207. - 11 - 3. Vereinbarkeit Fraglich ist, ob das Eigentumssicherungsmodell oder verwandte Modelle, die eine einheitliche Organisation und Bilanzierung von Verkehrs- und Infrastrukturunternehmen in einem privaten Unternehmen vorsehen, rechtlich mit den oben unter 2. beschriebenen Richtlinien des Eisenbahninfrastrukturpakets zu vereinbaren sind. Hierbei ist wie folgt zu differenzieren: 3.1. Einheitliche Organisation Die Richtlinien des Eisenbahninfrastrukturpakets sehen keine Pflicht zur organisatorischen Trennung von Infrastruktur- und Verkehrsunternehmen vor. Sie lassen jedoch an den folgenden Punkten erkennen, dass eine solche Trennung politisch für vorzugswürdig gehalten wird: - Hatte es in Art. 1 der früheren Richtlinie 91/440/EWG noch ausdrücklich geheißen, die Trennung der Rechnungsführung sei obligatorisch, die organische oder institutionelle Trennung fakultativ, so wird in Richtlinie 2001/12/EG auf diesen Hinweis verzichtet.23 - Es wird vielmehr in Art. 6 Abs. 2 n. F. der Richtlinie 91/440/EWG den Mitgliedsstaaten ausdrücklich die Möglichkeit eingeräumt, beide Bereiche voneinander zu trennen.24 - Die Unabhängigkeit der Geschäftsführung, Verwaltung und innerbetrieblichen Kontrolle der Infrastrukturunternehmen werden verschiedentlich betont.25 - Der Fall, dass Netz und Betrieb nicht getrennt organisiert sind, wird stets als Ausnahme behandelt.26 - Für den Fall, dass Netz und Betrieb nicht getrennt sind, werden strenge Anforderungen an die Unabhängigkeit beider Teile gestellt. So müssen beide Teile getrennte Bilanzen erstellen und veröffentlichen27, Trassenvergabe und Preisbildung müssen einer von den Eisenbahndienstleistungen unabhängigen Institution übertragen werden28, ebenso die Zuweisung von Fahrwegkapazitäten29. - Die Genehmigung eines Eisenbahnunternehmens darf nicht von einer Stelle erlassen werden, die selbst Eisenbahndienstleistungen erbringt.30 Trotz oder auch gerade wegen der verschärften Bedingungen für den Fall einer organisatorischen Einheit ist diese im Rahmen der genannten Vorschriften zulässig. 23 Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/12/EG, siehe oben S. 6. 24 Art. Artikel 1 Nr. 6 der Richtlinie 2001/12/EG, siehe oben S. 5. 25 Zum Beispiel in Art. 1 Nr. 6 Richtlinie 2001/12/EG, siehe oben S. 5. 26 Vgl. Art. 1 Nr. 7 der Richtlinie 2001/12/EG, Art. 4 Abs. 2 und 14 Abs. 2 der Richtlinie 2001/14/EG. 27 Dazu sogleich unter 3.2. 28 Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2001/14/EG, siehe oben S. 10. 29 Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2001/14/EG, siehe oben S. 10. 30 Art. 1 Nr. 3 der Richtlinie 2001/13/EG, siehe oben S. 9. - 12 - 3.2. Einheitliche Bilanzierung Eine einheitliche Bilanzierung von Infrastruktur und Verkehrsbetrieb wird hingegen ausdrücklich durch Art. 1 Nr. 7 der Richtlinie 2001/12/EG verboten, um einen gerechten und nichtdiskriminierenden Zugang zur Infrastruktur zu gewährleisten. Die Mitgliedsstaaten werden demnach verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass getrennte Gewinn- und Verlustrechnungen und Bilanzen für die Erbringung von Verkehrsleistungen durch Eisenbahnunternehmen einerseits und für den Betrieb der Infrastruktur andererseits erstellt und veröffentlicht werden. Dieses Verbot muss auch in der Rechnungsführung der beiden Geschäftsbereiche zum Ausdruck kommen. Auch die gewährten Subventionen für beide Tätigkeitsbereiche sind streng zu trennen. Es ist also zulässig, dass Netz und Betrieb vom selben Unternehmen bilanziert werden, jedoch müssen getrennte Bilanzen erstellt werden. 4. Fazit Nach dem im vergangenen Jahr vorgeschlagenen Eigentumssicherungsmodell des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung soll die DB AG zwar das rechtliche Eigentum an den Eisenbahninfrastrukturunternehmen an den Bund verlieren, doch die tatsächliche Verfügungsmacht und damit das „wirtschaftliche Eigentum“ an den Infrastrukturgesellschaften behalten und somit berechtigt und verpflichtet sein, die Anteile für sich zu bilanzieren. Die Infrastrukturunternehmen würden damit ebenso wie die Eisenbahnverkehrsunternehmen einheitlich von der privatisierten DB AG betrieben und bilanziert. Soweit es bei einer Privatisierung der Deutschen Bahn dazu kommt, dass Infrastrukturund Verkehrsunternehmen in einer Hand liegen, verstößt dies nicht gegen die Vorgaben der Richtlinien des Eisenbahninfrastrukturpakets. Rechtlich problematisch erscheint jedoch eine einheitliche Bilanzierung von Netz und Betrieb, da gemäß Art. 1 Nr. 7 der Richtlinie 2001/12/EG zur Änderung von Art.6 Abs. 1 S. 1 der Richtlinie 91/440/EWG getrennte Gewinn- und Verlustrechnungen und Bilanzen für die Erbringung von Verkehrsleistungen durch Eisenbahnunternehmen einerseits und für den Betrieb der Infrastruktur andererseits erstellt und veröffentlicht werden müssen. Es ist zwar zulässig, dass Netz und Betrieb vom selben Unternehmen bilanziert werden, jedoch müssen für beide Bereiche getrennte Bilanzen erstellt werden.