Deutscher Bundestag Recht auf ein Girokonto in Frankreich, Belgien und anderen EU- Staaten Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 7 – 3000 - 086/12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 - 086/12 Seite 2 Recht auf ein Girokonto in Frankreich, Belgien und anderen EU-Staaten Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 7 – 3000 - 086/12 Abschluss der Arbeit: Datum: 28. März 2012 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 - 086/12 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Wie kam es zu der Verankerung eines allgemeinen Rechts auf ein Girokonto in Belgien und Frankreich? 4 1.1. Entwicklung in Frankreich 4 1.2. Entwicklung in Belgien 5 2. Besteht in anderen Ländern der EU ebenfalls ein rechtlicher Anspruch auf ein Basis-Girokonto? Welche Leistungen umfasst dieser jeweils? 5 2.1. Schweden 5 2.2. Irland 6 2.3. Finnland 6 2.4. Slowenien 7 3. Welche Erfahrungen sind mit den bestehenden Systemen gemacht worden? 7 3.1. Vor- und Nachteile für die Verbraucher 7 3.2. Vor- und Nachteile für die Banken 8 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 - 086/12 Seite 4 1. Wie kam es zu der Verankerung eines allgemeinen Rechts auf ein Girokonto in Belgien und Frankreich? 1.1. Entwicklung in Frankreich Das französische Recht gewährleistet seit 1984 jedem den freien Zugang zu einem Bankkonto und bestimmten Bankleistungen; ursprünglich bei der Banque de France. Davor hatte Frankreich versucht , vermehrt Bürgern den Zugang zu einem Girokonto zu gewähren, indem die Banken auf freiwilliger Basis jedem ein Konto zu Verfügung stellen sollten. Dieses Modell erzielte nicht die gewünschte Wirkung, da viele Banken gerade finanziell schwachen Bürgern die Eröffnung verwehrten .1 Frankreich hat daher ein gesetzliches Recht auf ein Basis-Girokonto eingeführt. Jährlich machen davon mehrere tausend Menschen Gebrauch. Dieser Entwicklung ging eine langfristige Politik Frankreichs voraus, die auf soziale und finanzielle Aufnahme aller Bevölkerungsschichten in ein funktionierendes Wirtschafts- und Sozialleben gerichtet war.2 Neben den gesetzlichen Regelungen gilt in Frankreich die Charta über Bankdienstleistungen aus dem Jahre 1992, die das Recht auf ein Girokonto um weitere Dienstleistungen erweitert, die die soziale Absicherung des Bürgers gewährleisten sollen. Darunter fällt unter anderem das Recht auf die bedingungslose Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr. Die Charta stellt eine kollektive Selbstverpflichtung der Banken dar, die einer Empfehlung des französischen Bankenverbands an seine Mitglieder entsprungen ist.3 Ende Januar 2006 hat die französische Regierung einen Aktionsplan präsentiert, der unter anderem die Verpflichtungen benennt, für einen einfacheren Zugang der Bevölkerung zu einem Konto zu sorgen, die Kontoinhaber obligatorisch mit einer Bankkarte für PIN-gestützte Transaktionen auszustatten und ihnen darüber hinaus den Zugang zu modernen Zahlungsmitteln zu eröffnen, soweit dies angemessen ist. Seit 2006 wird die Eröffnung eines Kontos nun weiter erleichtert: Lehnt eine Bank die Eröffnung eines Kontos ab, ist sie verpflichtet, den Verbraucher über sein Recht auf ein Konto aufzuklären. Dieses Recht gewährt dem Verbraucher nunmehr zwei Optionen: (1) Er lässt sich die Ablehnung schriftlich bestätigen und kann mit diesem Dokument entweder bei einer anderen Bank vorsprechen oder bei der örtlichen Filiale der Banque de France, die ihm dann - wie bisher - eine Bank zuweist. (2) Die ablehnende Bank schaltet auf Bitte des Verbrauchers unmittelbar die Banque de France ein und leitet ihr sofort den Ablehnungsbescheid sowie alle weiteren notwendigen - in den nächsten Wochen zu entwickelnden - Dokumente zu. Die Banque de France weist dann dem Verbraucher unverzüglich eine neue Bank zu. Diese Rückmeldung muss dem Verbraucher binnen 1 Bundestagsdrucksache 17/8141, Antrag: Verbraucherrecht auf ein kostenloses Girokonto für alle gesetzlich verankern vom 13.12.2011, S. 2. 2 Bundestagsdrucksache 16/2265: Bericht der Bundesregierung zur Umsetzung der Empfehlung des Zentralen Kreditausschusses zum Girokonto für jedermann vom 14.7.2006, S. 18. 3 Bundestagsdrucksache 16/2265: Bericht der Bundesregierung zur Umsetzung der Empfehlung des Zentralen Kreditausschusses zum Girokonto für jedermann vom 14.7.2006, S. 18. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 - 086/12 Seite 5 24 Stunden zugehen (notfalls per Kurier). Anschließend stellt der Verbraucher bei dieser Bank einen Kontoeröffnungsantrag.4 1.2. Entwicklung in Belgien Aufgrund einer Studie der Belgischen Regierung aus dem Jahre 1996, die finanziell schwachen Bürgern des Landes erhebliche Schwierigkeiten bei der Eröffnung von Girokonten bescheinigte, erließ der Belgische Bankenverband im Jahre 1997 eine Charta, die die Probleme auf freiwilliger Basis lösen sollten. Die Charta blieb 5 Jahre in Kraft. Doch hatte sie – ähnlich wie das französische Modell, das auch auf eine freiwillige Mitwirkung der Banken vertraute - wenig Auswirkungen auf die Situation, da weiterhin einkommensschwachen Bevölkerungsgruppen oder Arbeitslosen die Eröffnung eines Girokontos verweigert wurde.5 Als Reaktion auf die Schwierigkeiten hat seit dem 1. September 2003 jeder Verbraucher mit dem Hauptwohnsitz in Belgien einen Anspruch auf die Einrichtung eines Basiskontos bei einer Bank seiner Wahl.6 Es bestehen darüber hinaus auch Möglichkeiten Kredite zu günstigen Konditionen für einkommensschwache Personen zu erhalten. 2. Besteht in anderen Ländern der EU ebenfalls ein rechtlicher Anspruch auf ein Basis- Girokonto? Welche Leistungen umfasst dieser jeweils? 2.1. Schweden Auch in Schweden besteht bereits seit dem Jahre 1987 eine gesetzliche Verpflichtung der Banken dem Bürger die Eröffnung eines Kontos zu ermöglichen. Das Gesetz gibt dem Einzelnen kein automatisches Recht auf ein Bankkonto (so können die Banken den Kunden ablehnen, wenn er sich beispielsweise eines betrügerischen Bankrotts strafbar gemacht hat oder sich nicht ausweisen kann), sie müssen dem Verbraucher aber die Möglichkeit geben, sein Geld bei der jeweiligen gewünschten Bank zumindest zu hinterlegen.7 Weitere Dienstleistungen zu erbringen ist die Bank allerdings nicht verpflichtet. Sie muss beispielsweise keine Transaktionen für den Kunden vornehmen oder ec-Karten zu dem Konto ausstellen. Eine derartige Verfahrensweise der Banken wird von dem Schwedischen Finanzministerium zwar missbilligt, eine Gesetzesänderung hat es bis heute allerdings nicht gegeben. 4 http://www.credito-responsabile.net/media.php?t=media&f=file&id=2286. 5 CSES: Study on the Costs and Benefits of Policy Actions in the Field of ensuring access to a Basic Bank Account – Final Report, July 2010, S. 22. 6 Bundestagsdrucksache 16/2265: Bericht der Bundesregierung zur Umsetzung der Empfehlung des Zentralen Kreditausschusses zum Girokonto für jedermann vom 14.7.2006, S. 19. 7 CSES: Study on the Costs and Benefits of Policy Actions in the Field of ensuring access to a Basic Bank Account – Final Report, July 2010, S. 32f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 - 086/12 Seite 6 Von dieser Vorgehensweise Betroffene haben zwar ein Konto, da sie über dieses aber praktisch nicht verfügen können, sind sie ähnlich vom Wirtschaftsleben ausgeschlossen wie Menschen ohne Konto.8 2.2. Irland Über die Hälfte der irischen Bevölkerung sind Mitglieder der im ganzen Land etablierten Genossenschaftsbanken . Für überschuldete Personen werden gegen Vorlage des Personalausweises und einer gültigen Anschrift in Absprache mit der Schuldnerberatung bei den Genossenschaftsbanken zwei besondere Konten eröffnet. Ein Konto auf Guthabenbasis und ein Sparkonto. Für die Kontoführung berechnen die Kreditgenossenschaften keine Gebühren und keine Transaktionskosten.9 Das bedeutet allerdings nicht, dass es eine gesetzliche Regelung gibt, die Banken dazu verpflichtet , den Bürgern ein Konto zu bewilligen. Es handelt sich bei der Vorgehensweise der Genossenschaften vielmehr um freiwillige Absprachen, die weder gesetzlich verankert sind, noch verbindlichen Charakter haben.10 Darüber hinaus variiert die Möglichkeit für finanziell schlecht gestellte Personen ein Konto eröffnen zu können in Irland von Bank zu Bank. Auch die Konditionen, unter denen diese Möglichkeit gewährleistet wird, schwanken sehr.11 2.3. Finnland Auch in Finnland besteht eine gesetzliche Verpflichtung der Banken Girokonten und die damit einhergehenden Dienstleistungen anzubieten, wenn man sich ausweisen kann. Das Gesetz über Kreditinstitute aus dem Jahre 2003 sieht vor, dass jedem ein reguläres Bankkonto und die dazu gehörigen Mittel wie eine ec-Karte, die Möglichkeit der Nutzung elektronischer Zahlungssysteme und Bargeldabhebung kostenfrei zur Verfügung gestellt werden müssen.12 Eine Zurückweisung des Kunden kann nur aus wichtigen Gründen erfolgen, die ihm mitgeteilt werden müssen. Dar- 8 Report on the Survey on „Better access to financial services for people experiencing poverty and social exclusion ” within the EU project FES-Financial education and better access to adequate financial services: http://www.ecdn.eu/ecdn/index.php?option=com_docman&task=doc_view&gid=215. 9 Bundestagsdrucksache 16/2265: Bericht der Bundesregierung zur Umsetzung der Empfehlung des Zentralen Kreditausschusses zum Girokonto für jedermann vom 14.7.2006, S. 19. 10 CSES: Study on the Costs and Benefits of Policy Actions in the Field of ensuring access to a Basic Bank Account – Final Report, July 2010, S. 101. 11 Report on the Survey on „Better access to financial services for people experiencing poverty and social exclusion ” within the EU project FES-Financial education and better access to adequate financial services: http://www.ecdn.eu/ecdn/index.php?option=com_docman&task=doc_view&gid=215. 12 CSES: Study on the Costs and Benefits of Policy Actions in the Field of ensuring access to a Basic Bank Account – Final Report, July 2010, S. 95. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 - 086/12 Seite 7 über hinaus haben viele Banken in Finnland Fonds, die Kredite an sozial Bedürftige zu günstigen Konditionen abgeben.13 2.4. Slowenien Obwohl es keine gesetzliche Grundlage für ein Basiskonto in Slowenien gibt, hat die Slowenische Bankenvereinigung generelle Richtlinien erlassen, die sicherstellen sollen, dass jede Bank einem Bürger ein Konto innerhalb von fünf Tagen eröffnen soll, wenn die dafür vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind, die beispielsweise einen Identifikationsnachweis umfassen.14 Ein dementsprechendes Basiskonto umfasst für den Benutzer die Möglichkeit Bargeld abzuheben, am elektronischen Zahlungsverkehr und Lastschriftverfahren teilzunehmen und Schecks auszustellen und entgegenzunehmen.15 3. Welche Erfahrungen sind mit den bestehenden Systemen gemacht worden? Die Einführung eines Basiskontos hat in den vorstehend aufgeführten Ländern zwar die Zahl der Personen ohne Möglichkeit ein Konto zu eröffnen verringert, aber nicht völlig reduziert. So ist die Zahl der Personen, die kein Konto besitzen in Frankreich von 40.000 im Jahre 2003 auf 10.000 im Jahre 2009 gesunken.16 Von den 14 EU-Mitgliedsstaaten, in denen die Kontoinhaberschaft bei über 97% der Bevölkerung liegt, haben fünf Länder verpflichtende Regelungen für die Banken, fünf weitere Staaten, bei denen ebenfalls mehr als 97% der Bevölkerung Kontoinhaber sind, haben überhaupt keine gesetzlichen Bestimmungen bezüglich einer Bindung für Banken getroffen.17 3.1. Vor- und Nachteile für die Verbraucher Die Vorteile für den Verbraucher liegen darin, nicht mehr vom alltäglichen Wirtschaftsleben ausgeschlossen zu sein. Als Inhaber eines Bankkontos werden die Vorteile genossen, das Gehalt oder Arbeitslosengeld überwiesen zu bekommen, Strom- oder Gasrechnungen nicht bar bezahlen zu müssen, am Lastschriftverkehr teilnehmen zu können. Darüber hinaus besteht ein geringeres Sicherheitsrisiko , da das eigene Geld auf der Bank verwahrt wird und nicht zuhause oder anderenorts aufbewahrt werden muss. 13 Report on the Survey on „Better access to financial services for people experiencing poverty and social exclusion ” within the EU project FES-Financial education and better access to adequate financial services: http://www.ecdn.eu/ecdn/index.php?option=com_docman&task=doc_view&gid=215. 14 CSES: Study on the Costs and Benefits of Policy Actions in the Field of ensuring access to a Basic Bank Account – Final Report, July 2010, S. 111. 15 CSES: Study on the Costs and Benefits of Policy Actions in the Field of ensuring access to a Basic Bank Account – Final Report, July 2010, S. 112. 16 CSES: Study on the Costs and Benefits of Policy Actions in the Field of ensuring access to a Basic Bank Account – Final Report, July 2010, S. 21. 17 European Commission: Impact Assessment on: a Legislative initiative on ensuring a universal access to a basic payment account, 26.1.2011. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 - 086/12 Seite 8 Zu den Nachteilen gehört unter anderem, dass die meisten Staaten in denen Banken Basiskonten anbieten, Kontoführungsgebühren berechnen. Selbst diese häufig eher geringen Kosten sind für finanziell schlecht gestellte Personen häufig nur schwerlich zu tragen. 3.2. Vor- und Nachteile für die Banken Ein nicht zu unterschätzender Nachteil für die Banken besteht darin, dass ihnen zusätzliche Kosten entstehen, die im Zweifelsfall von der Kundschaft nicht gedeckt werden können. Es entstehen Personalkosten zur Eröffnung des Kontos und für den laufenden Zahlungsverkehr des Kontos , darüber hinaus hat die Bank Transaktionskosten. Es ist davon auszugehen, dass mittellose oder verschuldete Personen der betreffenden Bank vermehrt zusätzliche Kosten verursachen.18 Von Vorteil für die Banken sind natürlich die oben bereits erwähnten zu zahlenden Kontoführungsgebühren , die im Zweifelsfall für den Kontoinhaber anfallen. Darüber hinaus wird auch für die Banken das Risiko, das mit Bargeldzahlungen und Bargeldtransaktionen einher geht, verringert , da die Kunden sich auf bargeldlose Zahlungen umstellen und somit geringere Bargeldbeträge von den Banken transportiert werden müssen. Der wichtigste Vorteil für die Banken ist allerdings , dass sie mit dem sich auf den Konten befindlichen Geld am Markt arbeiten und Zinserträge erwirtschaften können. 18 CSES: Study on the Costs and Benefits of Policy Actions in the Field of ensuring access to a Basic Bank Account – Final Report, July 2010, S. 52ff.