© 2021 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 083/21 Ausschluss von der Teilnahme am Vergabeverfahren aufgrund von Mindestlohnverstößen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Ausschluss von der Teilnahme am Vergabeverfahren aufgrund von Mindestlohnverstößen Gemäß § 122 Abs. 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)1 werden öffentliche Aufträge „an fachkundige und leistungsfähige (geeignete) Unternehmen vergeben, die nicht nach den §§ 123 oder 124 ausgeschlossen worden sind.“ Während § 123 GWB zwingende Ausschlussgründe enthält, führt § 124 GWB fakultative Ausschlussgründe auf. Liegt ein solcher fakultativer Ausschlussgrund bei einem Unternehmen vor, hat der öffentliche Auftraggeber im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens darüber zu entscheiden, ob er das Unternehmen von dem laufenden Vergabeverfahren ausschließt.2 Nach § 124 Abs. 2 GWB in Verbindung mit § 19 Abs. 1 des Mindestlohngesetzes (MiLoG)3 sollen von der Teilnahme an einem Wettbewerb um einen Liefer-, Bau- oder Dienstleistungsauftrag der in §§ 99 und 100 GWB genannten Auftraggeber Bewerberinnen oder Bewerber für eine angemessene Zeit bis zur nachgewiesenen Wiederherstellung ihrer Zuverlässigkeit ausgeschlossen werden , die wegen eines Verstoßes gegen die in § 21 MiLoG aufgeführten Mindestlohnregelungen mit einer Geldbuße von wenigstens 2.500 Euro belegt worden sind.4 Die Vergabesperre des § 19 bezieht sich ausdrücklich auf sämtliche Liefer-, Bau- und Dienstleistungsaufträge und erfasst mithin auch Auftragswerte im sogenannten Unterschwellenbereich.5 Eine spezialgesetzliche Regelung zur zeitlichen Angemessenheit enthält § 19 MiLoG nicht. Insoweit gilt § 126 Nr. 2 GWB.6 Danach darf ein Unternehmen, bei dem ein Ausschlussgrund vorliegt, und das keine oder keine ausreichenden Selbstreinigungsmaßnahmen nach § 125 ergriffen hat, „bei Vorliegen eines Ausschlussgrundes nach § 124 höchstens drei Jahre ab dem betreffenden Ereignis von der Teilnahme an Vergabeverfahren ausgeschlossen werden“. Bei Aufträgen, die ein Gesamtvolumen von 30.000 Euro überschreiten, muss der öffentliche Auftraggeber vor der Zuschlagserteilung über den Bewerber eine Auskunft über etwaige rechtskräftige Bußgeldbescheide wegen Ordnungswidrigkeiten nach § 21 MiLoG aus dem Gewerbezentralregister anfordern (§ 19 Abs. 4 MiLoG). Bei darunter liegenden Auftragssummen steht es im Ermessen des Auftraggebers, entweder selbst eine Auskunft einzuholen oder von dem Bewerber die Vorlage einer entsprechenden Auskunft zu verlangen (§ 19 Abs. 3 MiLoG). 1 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1750, 3245), das zuletzt durch Art. 2 des Gesetzes vom 16. Juli 2021 (BGBl. I S. 2959) geändert worden ist. 2 Friton, in: Gabriel/Mertens/Prieß/Stein (Hrsg.), BeckOK Vergaberecht, 16. Edition, Stand: 30.04.2020, § 124 GWB vor Rn. 1; Ley, in: Reidt/Stickler/Glahs (Hrsg.), Vergaberecht, 4. Aufl. 2018, § 124 GWB Rn. 1. 3 Mindestlohngesetz vom 11. August 2014 (BGBl. I S. 1348), das zuletzt durch Art. 2 Abs. 1 des Gesetzes vom 10. Juli 2020 (BGBl. I S. 1657) geändert worden ist. 4 Kling, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2021, § 124 GWB Rn. 126. 5 Dobmann, in: Düwell/Schubert, Mindestlohngesetz, 2. Aufl. 2017, § 19 MiLoG Rn. 14 f. 6 Stolz, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl. 2020, § 124 GWB Rn. 57. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 083/21 Seite 5 2. Rechtsfolge Bejaht der Auftraggeber zutreffend das Vorliegen eines fakultativen Ausschlussgrundes im Sinne des § 124 Abs. 2 GWB, kommt ihm hinsichtlich des „Ob“ des Ausschlusses ein Ermessensspielraum zu7: „Es steht im Ermessen des öffentlichen Auftraggebers zu entscheiden, ob aufgrund des Fehlverhaltens des Unternehmens, das einen fakultativen Ausschlussgrund nach § 124 begründet, die Zuverlässigkeit des Unternehmens zu verneinen ist. Dabei handelt es sich um eine Prognoseentscheidung dahingehend, ob von dem Unternehmen trotz des Vorliegens eines fakultativen Ausschlussgrundes im Hinblick auf die Zukunft zu erwarten ist, dass es den öffentlichen Auftrag gesetzestreu, ordnungsgemäß und sorgfältig ausführt.“8 Die öffentlichen Auftraggeber haben bei der Anwendung fakultativer Ausschlussgründe insbesondere den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.9 Kleinere Unregelmäßigkeiten sollen deshalb nur in Ausnahmefällen zum Ausschluss eines Unternehmens führen, wobei aber wiederholte Fälle kleinerer Unregelmäßigkeiten durchaus einen Ausschluss rechtfertigen können .“10 Im Fall des § 19 MiloG wird die Feststellung der Unzuverlässigkeit dabei gleichwohl den Regelfall darstellen, „weil der Verstoß bei einer verhängten Geldbuße von mindestens 2.500 EUR eine gewisse Erheblichkeit aufweisen dürfte und als evident gesetzeswidriges Verhalten die Unzuverlässigkeit impliziert“11. Andererseits aber kann der Ausschluss eines Unternehmens sich als unverhältnismäßig erweisen , „wenn das Unternehmen ernsthafte und erfolgversprechende Bemühungen für eine Selbstreinigung in Gang gesetzt hat, die aber noch nicht ausreichen, um die Voraussetzungen des § 125 GWB zu bejahen.“12 Nach § 125 GWB schließen öffentliche Auftraggeber ein Unternehmen, bei dem ein Ausschlussgrund nach § 124 GWB vorliegt, nicht von der Teilnahme an dem Vergabeverfahren aus, wenn das Unternehmen nachgewiesen hat, dass es – für jeden durch eine Straftat oder ein Fehlverhalten verursachten Schaden einen Ausgleich gezahlt oder sich zur Zahlung eines Ausgleichs verpflichtet hat, 7 Opitz, in: Beck'scher Vergaberechtskommentar, 3. Aufl. 2017, § 124 GWB Rn. 14. 8 Gesetzesbegründung zu § 124 GWB, BT-Drs. 18/6281, S. 104. 9 BT-Drs. 18/6281, S. 104. 10 BT-Drs. 18/6281, S. 104. 11 Dobmann, in: Düwell/Schubert, Mindestlohngesetz, 2. Aufl. 2017, § 19 MiLoG Rn. 28. 12 Summa, in: Heiermann/Zeiss/Summa (Hrsg.), jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl., § 124 GWB (Stand: 24.06.2021), Rn. 50. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 083/21 Seite 6 – die Tatsachen und Umstände, die mit der Straftat oder dem Fehlverhalten und dem dadurch verursachten Schaden in Zusammenhang stehen, durch eine aktive Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden und dem öffentlichen Auftraggeber umfassend geklärt hat, und – konkrete technische, organisatorische und personelle Maßnahmen ergriffen hat, die geeignet sind, weitere Straftaten oder weiteres Fehlverhalten zu vermeiden. * * *