© 2020 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 083/20 Einzelfragen zum Straftatbestand der Strafvereitelung im Amt Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 083/20 Seite 2 Einzelfragen zum Straftatbestand der Strafvereitelung im Amt Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 083/20 Abschluss der Arbeit: 03.08.2020 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 083/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 258, 258a StGB 4 2.1. Täter 4 2.2. Tathandlung 5 2.3. Subjektiver Tatbestand 7 2.4. Strafbarkeit im Falle der Überlastung einer Behörde 7 3. Folgen eines Verstoßes gegen §§ 258, 258a StGB 8 4. Rechtsprechung zu §§ 258, 258a StGB 9 5. Diskussion der Vorwürfe gegen die FIU in der juristischen Literatur 10 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 083/20 Seite 4 1. Einleitung Gegenstand dieses Sachstands ist der Straftatbestand der Strafvereitelung im Amt gemäß §§ 258, 258a des Strafgesetzbuchs (StGB)1. Voraussetzung für eine Strafbarkeit ist dabei unter anderem, dass der Täter ganz oder zum Teil vereitelt, dass ein anderer dem Strafgesetz gemäß wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft oder einer Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB) unterworfen wird (Verfolgungsvereitelung nach §§ 258 Abs. 1, 258a Abs. 1 Var. 1 StGB)2 oder dass er die Vollstreckung einer gegen einen anderen verhängten Strafe oder Maßnahme ganz oder zum Teil vereitelt (Vollstreckungsvereitelung gemäß §§ 258 Abs. 2, 258a Abs. 1 Var. 2 StGB)3. Auftragsbezogen wird im Folgenden ausschließlich auf die Verfolgungsvereitelung eingegangen. Zunächst sollen die Voraussetzungen der Strafvereitelung im Amt gemäß §§ 258, 258a StGB dargestellt werden (2.). Hierbei findet auch die Frage Berücksichtigung, ob und wann eine Strafvereitelung im Amt im Falle der Überlastung einer Behörde und einer damit einhergehenden Verzögerung der Bearbeitung von Vorgängen anzunehmen ist (2.4). Gegenstand dieser Arbeit sind weiterhin die möglichen Folgen eines Verstoßes gegen §§ 258, 258a StGB (3.). Außerdem werden ausgewählte gerichtliche Entscheidungen aufgeführt, welche den Straftatbestand der Strafvereitelung im Amt zum Gegenstand hatten (4.). Abschließend bleibt zu erörtern, inwieweit der Vorwurf der Strafvereitelung im Amt gegenüber Mitarbeitern der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen – auch als Financial Intelligence Unit (im Folgenden: FIU) bezeichnet4 – in der juristischen Literatur diskutiert wird (5.). 2. Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 258, 258a StGB 2.1. Täter Nach §§ 258 Abs. 1, 258a Abs. 1 Var. 1 StGB kann sich nur strafbar machen, wer als Amtsträger zur Mitwirkung bei einem Strafverfahren oder einem Verfahren zur Anordnung der Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) berufen ist. Amtsträger ist nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB, wer nach deutschem Recht Beamter oder Richter ist, in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis steht oder sonst dazu bestellt ist, bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung unbeschadet der zur Aufgabenerfüllung gewählten Organisationsform wahrzunehmen . 1 Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch Artikel 5 des Gesetzes vom 10. Juli 2020 (BGBl. I S. 1648) geändert worden ist. 2 Ruhmannseder, in: von Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck`scher Online-Kommentar StGB, 46. Edition, Stand: 01.05.2020, § 258 Rn. 3. 3 Ruhmannseder, in: von Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck`scher Online-Kommentar StGB, 46. Edition, Stand: 01.05.2020, § 258 Rn. 34. 4 Barreto da Rosa, in: Herzog, Geldwäschegesetz, 3. Auflage 2018, Vorbemerkungen zu Abschnitt 5 – Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen Rn. 1. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 083/20 Seite 5 Zur Mitwirkung bei dem Strafverfahren berufen ist nicht jeder Amtsträger, der in der Strafverfolgung tätig ist.5 Es ist eine konkrete Beziehung zu der Tat erforderlich.6 Welche Anforderungen an diese Beziehung zu stellen sind, ist umstritten. Nach einer Auffassung ist es nicht erforderlich, dass der Amtsträger gerade für die Bearbeitung der betreffenden Strafsache zuständig ist, wenn er diese durch aktives Tun beeinträchtigt.7 Danach reicht es aus, wenn die konkrete Amtsstellung dem Täter die Möglichkeit verschafft, tatsächlich in das Verfahren einzugreifen.8 Wenn der Amtsträger dagegen eine Verfolgungshandlung unterlässt, müsse er sachlich, örtlich und funktional zuständig sein, da anderenfalls keine Rechtspflicht zum Einschreiten bestehe.9 Teilweise wird diese Differenzierung kritisiert und sowohl für Fälle des aktiven Tuns als auch für Fälle des Unterlassens gefordert, dass der Täter konkrete Mitwirkungspflichten in Bezug auf das betreffende Verfahren innehaben und gerade diese durch die Vereitelung verletzen müsse.10 Zum Strafverfahren soll bereits die Mitwirkungsphase sogenannter Vorermittlungen zählen, welche der Klärung der Frage diene, ob die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens in Betracht komme.11 Es soll ausreichen, wenn die gebotene Einleitung eines Ermittlungsverfahrens verhindert wird.12 2.2. Tathandlung Eine Strafbarkeit nach §§ 258 Abs. 1, 258a Abs. 1 Var. 1 StGB setzt voraus, dass der Amtsträger den staatlichen Anspruch auf Verhängung der Strafe oder Maßnahme gegen den Täter einer 5 OLG Karlsruhe, Urteil vom 09.08.1988, Az. 2 Ss 83/88, NStZ 1988, 503, 504; Hecker, in: Schönke/Schröder (Hrsg.), Strafgesetzbuch, Kommentar, 30. Auflage 2019, § 258a Rn. 4; Ruhmannseder, in: von Heintschel- Heinegg (Hrsg.), Beck`scher Online-Kommentar StGB, 46. Edition, Stand: 01.05.2020, § 258a Rn. 3. 6 Ruhmannseder, in: von Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck`scher Online-Kommentar StGB, 46. Edition, Stand: 01.05.2020, § 258a Rn. 3; Hecker, in: Schönke/Schröder (Hrsg.), Strafgesetzbuch, Kommentar, 30. Auflage 2019, § 258a Rn. 4. 7 Hecker, in: Schönke/Schröder (Hrsg.), Strafgesetzbuch, Kommentar, 30. Auflage 2019, § 258a Rn. 4; Ruhmannseder , in: von Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck`scher Online-Kommentar StGB, 46. Edition, Stand: 01.05.2020, § 258a Rn. 3; BayOblG, Urteil vom 02.11.1960 - RevReg. 1 St 546/60, BayObLGSt 1960, 256, 257; Bundestags-Drucksache 7/550, S. 251. 8 BayOblG, Urteil vom 02.11.1960 - RevReg. 1 St 546/60, BayObLGSt 1960, 256, 257, 258; Hecker, in: Schönke/Schröder (Hrsg.), Strafgesetzbuch, Kommentar, 30. Auflage 2019, § 258a Rn. 4; Ruhmannseder, in: von Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck`scher Online-Kommentar StGB, 46. Edition, Stand: 01.05.2020, § 258a Rn. 3. 9 Hecker, in: Schönke/Schröder (Hrsg.), Strafgesetzbuch, Kommentar, 30. Auflage 2019, § 258a Rn. 9; Ruhmannseder , in: von Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck`scher Online-Kommentar StGB, 46. Edition, Stand: 01.05.2020, § 258a Rn. 3. 10 Hoyer, in: Wolter (Hrsg.), Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band V, 9. Auflage 2019, § 258a Rn. 4. 11 Cramer, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, Band 4, 3. Auflage 2017, § 258a Rn. 3; Barreto da Rosa, in: Herzog (Hrsg.), Geldwäschegesetz, 3. Auflage 2018, § 30 Rn. 14. 12 Altenhain, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen (Hrsg.), Strafgesetzbuch, 5. Auflage 2017, § 258a Rn. 3; Hecker, in: Schönke/Schröder (Hrsg.), Strafgesetzbuch, Kommentar, 30. Auflage 2019, § 258a Rn. 3. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 083/20 Seite 6 rechtswidrigen und schuldhaften Vortat ganz oder teilweise vereitelt.13 Grundsätzlich wird jedoch nicht bestraft, wer durch die Tat ganz oder zum Teil vereiteln will, dass er selbst bestraft oder einer Maßnahme unterworfen wird, da § 258a Abs. 3 StGB den § 258 Abs. 5 StGB nicht ausschließt .14 Nach herrschender Auffassung soll es nicht erforderlich sein, dass die Aburteilung der Vortat endgültig verhindert wird; vielmehr genüge es, wenn der staatliche Sanktionsanspruch für geraume Zeit nicht verwirklicht worden ist.15 Dabei komme es nicht auf die Verzögerung der Ermittlungen an, sondern auf das Vorliegen einer Ahndungsverzögerung.16 Darüber, wie lang der Zeitraum sein muss, währenddessen der Strafanspruch nicht verwirklicht werden konnte, besteht keine Einigkeit. Teilweise wird ein Zeitraum von zehn Tagen als ausreichend angesehen17, teilweise eine Verzögerung von mindestens drei Wochen gefordert18. Tritt eine ausreichende Verzögerung nicht ein, ist eine Strafbarkeit wegen Versuchs möglich (§ 258a Abs. 2 StGB). Die Strafvereitelung kann auch durch Unterlassen verwirklicht werden. Voraussetzung hierfür ist, dass eine Garantenpflicht besteht (vgl. § 13 Abs. 1 StGB).19 Der Unterlassende muss dazu berufen sein, an der Strafverfolgung mitzuwirken und dafür zu sorgen, dass Straftäter ihrer Bestrafung oder sonstigen strafrechtlichen Maßnahmen zugeführt werden.20 Dies trifft insbesondere auf Amtsträger zu, welche „dienstlich mit der Strafverfolgung betraut sind“, beispielsweise Strafrichter , Polizeibeamte sowie Staatsanwälte und ihre Ermittlungspersonen.21 Amtsträger außerhalb des Anwendungsbereichs des § 258a StGB sollen dagegen grundsätzlich keine allgemeine Pflicht dahingehend haben, Straftaten anzuzeigen, über die sie Kenntnis erlangt haben.22 Allerdings führen 13 Fischer, Strafgesetzbuch mit Nebengesetzen, 66. Auflage 2019, § 258 Rn. 5, 7. 14 Fischer, Strafgesetzbuch mit Nebengesetzen, 66. Auflage 2019, § 258a Rn. 8. 15 BGH, Beschluss vom 17.06.2010, Az. 5 StR 114/10, NStZ-RR 2011, 42, 43; Fischer, Strafgesetzbuch mit Nebengesetzen , 66. Auflage 2019, § 258 Rn. 8; a.A. Altenhain, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen (Hrsg.), Strafgesetzbuch , 5. Auflage 2017, § 258 Rn. 51, § 258a Rn. 10. 16 BGH, Urteil vom 21.12.1994, Az. 2 StR 455/94, BeckRS 2009, 17551; Fischer, Strafgesetzbuch mit Nebengesetzen , 66. Auflage 2019, § 258 Rn. 8; Ruhmannseder, in: von Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck`scher Online-Kommentar StGB, 46. Edition, Stand: 01.05.2020, § 258 Rn. 9. 17 OLG Stuttgart, Urteil vom 17.05.1976, Az. 3 Ss (3) 674/75, juris. 18 Jahn, Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 24.05.2006, Az. 2 ARs 199/06, in: JuS 2006, 760, 761; Kühl, in: Lackner /Kühl (Hrsg.), Strafgesetzbuch, Kommentar, 29. Auflage 2018, § 258 Rn. 4. 19 Hecker, in: Schönke/Schröder (Hrsg.) Strafgesetzbuch, Kommentar, 30. Auflage 2019, § 258 Rn. 17. 20 BGH, Urteil vom 30.04.1997, Az, 2 StR 670/96, NStZ 1997, 597; Ruhmannseder, in: von Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck`scher Online-Kommentar StGB, 46. Edition, Stand: 01.05.2020, § 258 Rn. 13; vgl. in Bezug auf das Erfordernis der Zuständigkeit für die gebotene Handlung Gliederungspunkt 2.1. 21 Ruhmannseder, in: von Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck`scher Online-Kommentar StGB, 46. Edition, Stand: 01.05.2020, § 258 Rn. 14. 22 BGH, Urteil vom 30.04.1997, Az. 2 StR 670/96, NStZ 1997, 597 ff.; Ruhmannseder, in: von Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck`scher Online-Kommentar StGB, 46. Edition, Stand: 01.05.2020, § 258 Rn. 14. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 083/20 Seite 7 auch spezielle gesetzliche Anzeigepflichten, die den Zweck haben, den Strafverfolgungsbehörden dienstlich in Erfahrung gebrachte Tatsachen zu übermitteln, welche den Verdacht einer Straftat begründen, zu einer Garantenstellung.23 Das Unterlassen kann aber nur dann zu einer Strafbarkeit führen, wenn dem Amtsträger die Vornahme der gebotenen Handlung möglich war.24 2.3. Subjektiver Tatbestand Nach § 258 Abs. 1 StGB ist Absicht oder Wissentlichkeit hinsichtlich der Vereitelungshandlung erforderlich.25 Der Amtsträger muss sich „seiner besonderen Beziehung zur Sache bewusst sein“.26 Unterlässt er eine Verfolgungshandlung, muss er die Umstände kennen, welche die Garantenstellung begründen.27 Hinsichtlich der Vortat reicht bedingter Vorsatz aus.28 Eine individualisierte Kenntnis des Einzelfalls ist nicht notwendig.29 Nach §§ 258 Abs. 1, 258a Abs. 1 Var. 1 StGB kann sich daher auch ein Amtsträger strafbar machen, der sich von vornherein dafür entscheidet , rückständige Verfahren nicht mehr zu fördern.30 2.4. Strafbarkeit im Falle der Überlastung einer Behörde Wenn ein Amtsträger Vorgänge wegen Arbeitsüberlastung unbearbeitet lässt, kommt grundsätzlich eine Strafbarkeit wegen Strafvereitelung im Amt durch Unterlassen in Betracht.31 Nach der unter Gliederungspunkt 2.2. des Sachstands zitierten herrschenden Auffassung, nach der es einer endgültigen Vereitelung des staatlichen Sanktionsanspruchs nicht bedarf, gilt das bereits dann, wenn die Durchsetzung des Sanktionsanspruchs aufgrund der Untätigkeit des Amtsträgers um 23 Grunst, Strafrechtlich relevante Pflicht von Amtsträgern außerhalb der Strafverfolgungsorgane zur Anzeige bzw. Verhinderung von Straftaten innerhalb der Behörde?, StV 2005, 453, 456; Ruhmannseder, in: Beck`scher Online -Kommentar StGB, 46. Edition, Stand: 01.05.2020, § 258 Rn. 14. 24 Vgl. Altenhain, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen (Hrsg.), Strafgesetzbuch, 5. Auflage 2017, § 258a Rn. 9. 25 Ruhmannseder, in: Becks`scher Online-Kommentar StGB, 46. Edition, Stand: 01.05.2020, § 258a Rn. 9. 26 Ruhmannseder, in: Becks`scher Online-Kommentar StGB, 46. Edition, Stand: 01.05.2020, § 258a Rn. 9. 27 OLG Köln, Urteil vom 18.03.1981, Az. 3 Ss 1111/80, NJW 1981, 1794, 1795; Ruhmannseder, in: Becks`scher Online -Kommentar StGB, 46. Edition, Stand: 01.05.2020, § 258a Rn. 9. 28 BGH, Urteil vom 10.09.2015, Az. 4 StR 151/15 Rn. 13, juris; Ruhmannseder, in: Beck`scher Online-Kommentar StGB, 46. Edition, Stand: 01.05.2020, § 258a Rn. 9. 29 Fischer, Strafgesetzbuch mit Nebengesetzen, 66. Auflage 2019, § 258a Rn. 6; vgl. auch BGH, Urteil vom 10.09.2015, Az. 4 StR 151/15 Rn. 13, juris. 30 Fischer, Strafgesetzbuch mit Nebengesetzen, 66. Auflage 2019, § 258a Rn. 6; vgl. BGH, Urteil vom 09.11.1976, Az. 5 StR 439/76 Rn. 7, juris. 31 OLG Koblenz, Urteil vom 02.02.2005, Az. 1 Ss 301/04, NStZ-RR 2006, 77, 79; Altenhain, in: Kindhäuser /Neumann/Paeffgen (Hrsg.), Strafgesetzbuch, 5. Auflage 2017, § 258a Rn. 9. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 083/20 Seite 8 geraume Zeit verzögert wird.32 Darin liegt nach der im Schrifttum teilweise vertretenen Gegenauffassung eine „unzulässige Pönalisierung langsamen Arbeitstempos“.33 Eine Strafbarkeit nach den §§ 258 Abs. 1, 258a Abs. 1 Var. 1, 13 Abs. 1 StGB komme danach nicht in Betracht, solange der Strafanspruch des Staates noch nicht verjährt und die Beweislage noch unverändert ist.34 Auch nach der herrschenden Meinung liegt jedenfalls dann kein pflichtwidriges Unterlassen vor, wenn ein Polizeibeamter Strafanzeigen wegen unverschuldeter Arbeitsüberlastung nicht bearbeitet und er seine vorgesetzte Dienststelle rechtzeitig über die Unmöglichkeit sachgerechter Erledigung unterrichtet hat.35 Für andere Amtsträger dürfte Entsprechendes gelten.36 3. Folgen eines Verstoßes gegen §§ 258, 258a StGB Die Strafvereitelung im Amt ist nach § 258a Abs. 1 StGB mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bedroht, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Im Falle der Begehung einer Strafvereitelung im Amt durch Unterlassen kommt grundsätzlich eine Strafmilderung nach § 13 Abs. 2 in Verbindung mit § 49 Abs. 1 StGB in Betracht . Von dieser Möglichkeit wird aber wegen der besonderen gesetzlichen Verpflichtung des Amtsträgers zur aktiven Mitwirkung an der Strafverfolgung in der Regel kein Gebrauch gemacht werden.37 Neben diesen strafrechtlichen Folgen kann der Verstoß gegen §§ 258, 258a StGB im Einzelfall Disziplinarmaßnahmen bis hin zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nach sich ziehen.38 Adressaten einer Strafnorm können grundsätzlich nur natürliche Personen sein.39 Für eine Behörde , deren Mitarbeiter gegen §§ 258, 258a StGB verstoßen haben, sehen diese Strafvorschriften 32 OLG Koblenz, Urteil vom 02.02.2005, Az. 1 Ss 301/04, NStZ-RR 2006, 77, 79. 33 Hoyer, in: Wolter (Hrsg.), Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band V, 9. Auflage 2019, § 258a Rn. 7. 34 Hoyer, in: Wolter (Hrsg.), Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band V, 9. Auflage 2019, § 258a Rn. 7. 35 BGH, Urteil vom 08.07.1960, Az. 4 StR 213/60, NJW 1960, 1962, 1963; Fischer, Strafgesetzbuch mit Nebengesetzen , 66. Auflage 2019, § 258a Rn. 4; Hecker, in: Schönke/Schröder (Hrsg.), Strafgesetzbuch, Kommentar, 30. Auflage 2019, § 258a Rn. 10. 36 Vgl. Kühl, in: Lackner/Kühl (Hrsg.), Strafgesetzbuch, Kommentar, 29. Auflage 2018, § 258a Rn. 3. 37 Cramer, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, Band 4, 3. Auflage 2017, § 258a Rn. 17; Ruhmannseder, in: von Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck`scher Online-Kommentar StGB, 46. Edition, Stand: 01.05.2020, § 258a Rn. 15. 38 Vgl. VGH München, Urteil vom 18.07.2012, Az. 16a D 10.1134, BeckRS 2012, 57829; VGH München, Urteil vom 04.05.2012, Az. 16a D 10.590, BeckRS 2012, 52800. 39 Grambow/Hartwig, Tätereigenschaft bei Straftatbeständen und Ordnungswidrigkeiten im Arbeitsrecht, Compliance Berater 2019, 151. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 083/20 Seite 9 folglich selbst keine Sanktionen vor. Denkbar ist allerdings, dass den in der Behörde tätigen Beamten zur Herstellung rechtmäßiger Zustände von einer übergeordneten Behörde bzw. deren Leitung beispielsweise im Rahmen einer Aufsichts- und Leitungsbefugnis eine Weisung erteilt wird.40 4. Rechtsprechung zu §§ 258, 258a StGB Gerichtliche Entscheidungen zu § 258a StGB haben vorwiegend Verhaltensweisen von Staatsanwälten und Polizeibeamten zum Gegenstand. Wegen Rechtsbeugung in Tateinheit mit Strafvereitelung im Amt wurde ein Staatsanwalt unter anderem deshalb verurteilt, weil er es in zwei Fällen bewusst unterlassen hatte, den Eintritt der Strafverfolgungsverjährung durch die Erhebung der öffentlichen Klage zu verhindern.41 Das Landgericht wies in seinem Urteil ausdrücklich darauf hin, dass die Arbeitsbelastung des Angeklagten der Anklageerhebung nicht entgegengestanden habe.42 Bejaht wurde die Strafbarkeit wegen Strafvereitelung im Amt auch in einem Verfahren gegen einen Polizeibeamten, der Vorgänge, für deren Bearbeitung er zuständig gewesen war, wissentlich liegengelassen und so eine erhebliche Verzögerung der Strafverfolgung verursacht hatte.43 In einem weiteren Fall wurde der angeklagte Staatsanwalt mangels Vorsatzes von dem Vorwurf der Strafvereitelung im Amt freigesprochen.44 Dem Angeklagten, dem es nicht möglich und zumutbar gewesen sei, alle ihm vorliegenden Akten fristgerecht zu bearbeiten, war in der Vorinstanz vorgeworfen worden, dass er die Rückstände nicht im Einzelnen dienstlich offenbart habe.45 Dies reichte nach dem auf die Revision des Angeklagten ergangenen Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) aber nicht aus, um einen Vorsatz dahingehend darzutun, die Vortäter durch Unterlassen für geraume Zeit der Bestrafung zu entziehen und dies in weiteren Fällen zu versuchen .46 Der Angeklagte hätte in diesem konkreten Fall von der dienstlichen Anzeige (auch) in der Erkenntnis absehen müssen, dass es ihm selbst in angemessener Zeit unmöglich sein werde, die 40 Vgl. beispielsweise § 147 des Gerichtsverfassungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 1975 (BGBl. I S. 1077), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 10. Juli 2020 (BGBl. I S. 1648) geändert worden ist und Inhofer, in: Graf (Hrsg.), Beck`scher Online-Kommentar GVG, 7. Edition, Stand: 01.05.2020, § 147 Rn. 4-6. 41 Vgl. LG Freiburg, Urteil vom 25.02.2016, Az. 2 KLs 270 Js 21058/12-AK 24/14, BeckRS 2016, 19274, insbesondere Rn. 13, 14, 25, 28, 98; insoweit abgesehen vom Strafausspruch bestätigt durch BGH, Beschluss vom 14.09.2017, Az. 4 StR 274/16, NStZ 2018, 150 ff. (vgl. insbesondere Rn. 16). 42 LG Freiburg, Urteil vom 25.02.2016, Az. 2 KLs 270 Js 21058/12-AK 24/14, BeckRS 2016, 19274 Rn. 12, 24. 43 BGH, Urteil vom 21.03.2002, Az. 5 StR 566/01, BeckRS 2002, 3102. 44 Vgl. BGH, Urteil vom 09.11.1976, Az. 5 StR 439/76, insbesondere Rn. 6, 7, juris. 45 BGH, Urteil vom 09.11.1976, Az. 5 StR 439/76, Rn. 2 ff., juris. 46 BGH, Urteil vom 09.11.1976, Az. 5 StR 439/76, Rn. 6, juris. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 083/20 Seite 10 Rückstände zu erledigen, und deshalb (oder aus einem anderem Grund) von vornherein vorgehabt haben, rückständige Verfahren nicht mehr zu fördern.47 Das Landgericht habe in der Vorinstanz aber nicht dargelegt, dass der Angeklagte zur Tatzeit auch in dem Bewusstsein geschwiegen habe, dass er die Rückstände in angemessener Zeit nicht mehr würde aufarbeiten können.48 5. Diskussion der Vorwürfe gegen die FIU in der juristischen Literatur Die Staatsanwaltschaft Osnabrück ermittelt laut Presseberichten gegen Verantwortliche der FIU wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt.49 Diese Vorwürfe werden in der juristischen Literatur bisher – soweit ersichtlich – nicht diskutiert. Ohne Bezug zum aktuellen Anlass wird allerdings in der Rechtslehre die Auffassung vertreten, dass eine Strafbarkeit nach §§ 258, 258a StGB in Betracht komme, wenn ein Sachbearbeiter der FIU als Amtsträger nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB im Rahmen der operativen Analyse von einer Straftat Kenntnis erlange, dieser absichtlich oder wissentlich von einer Übermittlung an die Strafverfolgungsbehörden absehe und dadurch eine Strafe oder Maßnahme nach § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB verhindert werde.50 Nach § 258a Abs. 1 Var. 1 StGB muss der Amtsträger zur Mitwirkung bei dem Strafverfahren berufen sein. Es wird diskutiert, ob der Prozess der operativen Analyse der FIU gemäß § 30 Abs. 2 des Geldwäschegesetzes (GWG)51 bereits Teil des Strafverfahrens ist.52 Dafür spreche, dass die operative Analyse, obwohl die FIU keine Ermittlungskompetenzen habe, durchaus Ermittlungskomponenten enthalte.53 Auch wenn Meldungen nach § 43 Abs. 1 und § 44 GwG keine Strafanzeigen darstellten, sei der darauf folgende Prozess der Verifizierung des übermittelten Sachverhalts seinem Wesen nach fast identisch mit Ermittlungen, die sich an Strafanzeigen anschließen .54 Es könne sich daher um eine besondere Art der Vorermittlung handeln.55 Die operative 47 BGH, Urteil vom 09.11.1976, Az. 5 StR 439/76, Rn. 7, juris. 48 BGH, Urteil vom 09.11.1976, Az. 5 StR 439/76, Rn. 8-10, juris. 49 Diehl/Siemens, Verdacht auf Strafvereitelung, Ermittler gehen gegen Zoll-Spezialeinheit vor, Artikel vom 14.07.2020, abrufbar unter: https://www.spiegel.de/panorama/justiz/verdacht-auf-strafvereitelung-ermittlergehen -gegen-zoll-spezialeinheit-fiu-vor-a-8d657c7f-f570-4a16-85c0-82134da79905, letzter Abruf: 03.08.2020; Willmroth, Razzia beim Zoll, Artikel in der Süddeutschen Zeitung Nr. 161 vom 15.07.2020, S. 17. 50 Barreto da Rosa, in: Herzog (Hrsg.), Geldwäschegesetz, 3. Auflage 2018, § 30 Rn. 15. 51 Geldwäschegesetz vom 23. Juni 2017 (BGBl. I S. 1822), das zuletzt durch Artikel 269 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328) geändert worden ist. 52 Barreto da Rosa, in: Herzog (Hrsg.), Geldwäschegesetz, 3. Auflage 2018, § 30 Rn. 14 ff. 53 Barreto da Rosa, in: Herzog (Hrsg.), Geldwäschegesetz, 3. Auflage 2018, § 30 Rn. 14. 54 Barreto da Rosa, in: Herzog (Hrsg.), Geldwäschegesetz, 3. Auflage 2018, § 30 Rn. 14. 55 Barreto da Rosa, in: Herzog (Hrsg.), Geldwäschegesetz, 3. Auflage 2018, § 30 Rn. 14. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 083/20 Seite 11 Analyse sei jedenfalls dann dem Strafverfahren zuzurechnen, wenn die FIU den Sachverhalt gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 GwG an eine Strafverfolgungsbehörde übermittle und es zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens komme.56 Zudem könne eine Strafvereitelung im Amt auch begangen werden, wenn das Strafverfahren noch nicht eingeleitet worden sei.57 In diesem Zusammenhang wird auch angeführt, dass die FIU einer Reihe von „Muss-Vorschriften “ unterworfen sei, die es ausschlössen, aufgrund eigenen Ermessens von einer Übermittlung relevanter Sachverhalte abzusehen.58 Damit könnte auch § 32 Abs. 2 Satz 1 GwG angesprochen sein, wonach die FIU das Ergebnis ihrer Analyse sowie alle sachdienlichen Informationen unverzüglich an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden übermittelt, wenn sie feststellt, dass ein Vermögensgegenstand mit Geldwäsche, mit Terrorismusfinanzierung oder mit einer sonstigen Straftat im Zusammenhang steht. *** 56 Barreto da Rosa, in: Herzog (Hrsg.), Geldwäschegesetz, 3. Auflage 2018, § 30 Rn. 14. 57 Barreto da Rosa, in: Herzog (Hrsg.), Geldwäschegesetz, 3. Auflage 2018, § 30 Rn. 15. 58 Barreto da Rosa, in: Herzog (Hrsg.), Geldwäschegesetz, 3. Auflage 2018, § 30 Rn. 15.