© 2016 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 083/16 Einflussmöglichkeiten des Bundes auf die Betriebsführung der Eisenbahnen Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Einleitung Bei vielen Eisenbahn-Neubauprojekten ist es für die Akzeptanz durch die Anwohner entscheidend , welche Züge später auf der neuen und welche auf der Bestandsstrecke fahren werden (Fernverkehr / Regionalverkehr / Güterverkehr). Es dürfte der Zweckbestimmung von Neubaustrecken abseits von Siedlungen entsprechen, den nächtlichen Güterverkehr vor allem über diese Eisenbahninfrastruktur zu leiten, um die Anwohner an den oft innerstädtisch verlaufenden Bestandsstrecken zu entlasten. Bislang werden wohl der Deutschen Bahn AG (DB AG) im Planfeststellungsverfahren für neue Strecken keine entsprechenden verbindlichen Auflagen zur späteren Nutzung auferlegt. Es stellt sich daher die Frage, auf welche Weise es rechtlich möglich wäre, die DB AG (als Netzbetreiberin ) und/oder Eisenbahnverkehrsunternehmen generell zu einer möglichst schonenden Führung von Zügen zwischen zwei alternativen Strecken zu verpflichten. Von Interesse ist in diesem Zusammenhang , ob es möglich ist, die Genehmigung von Neubaustrecken von vorneherein an eine bestimmte Art der Betriebsführung zu koppeln. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Wissenschaftlichen Dienste nach ihren Verfahrensgrundsätzen keine Prüfung im Einzelfall vornehmen. 2. Festsetzungen im Planfeststellungsverfahren Als Gegenstand der Planfeststellung bezeichnet § 18 Abs. 1 Satz 1 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG)1 die „Betriebsanlagen einer Eisenbahn“. Der Gesetzgeber hat hiermit auf den herkömmlichen Begriff der Bahnanlage zurückgegriffen, der früher in § 36 Abs. 1 Satz 1 BBahnG2 zu finden war.3 Wie bisher sind die Schienenwege als Anlagenkern anzusehen, der für den Betrieb einer Eisenbahn notwendig ist. Der betriebliche Ablauf des Schienenverkehrs würde damit nicht dem Betriebsanlagenbegriff erfüllen und wäre nicht Gegenstand des Planfeststellungsverfahrens. Auch der enge immissionsschutzrechtliche Begriff des Schienenweges soll nur die Teile einer Eisenbahntrasse erfassen, die typischerweise geeignet sind, auf die Lärmverursachung Einfluss zu nehmen. Dazu gehören die Gleisanlagen mit ihrem Unter- und Oberbau.4 Der Fern- oder Güterverkehr mit seinem rollenden Eisenbahnmaterial käme daher auch aus emmissionsschutzrechtlicher Sicht als Gegenstand einer eisenbahnrechtlichen Planfeststellung nicht in Betracht. Gegenstand eines Planfeststellungsverfahrens und damit verbundener Umweltverträglichkeitsprüfungen sind allerdings Lärmprognosen nach Maßgabe der 16. BImSchV oder das zu Grunde 1 Vom 27.12.1993 (BGBl. I S. 2378, ber. 1994 I S. 2439), zuletzt geändert durch Art. 1 des Neunten Gesetzes zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften vom 28.05.2015 (BGBl. I S. 824). 2 Bundesbahngesetz vom 13.12.1951 (BGBl. I S. 955), zuletzt geändert durch Art. 512 der Zehnten Zuständigkeitsanpassungs -Verordnung vom 31.08.2015 (BGBl. I S. 1474). 3 Vgl. hierzu BT-Drucks. 12/4609 (neu), S. 100. 4 Vgl. bspw. BVerwG, NVwZ 2002, S. 733 (734). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 083/16 Seite 5 liegende Betriebsprogramm des Eisenbahnunternehmens. Aber nicht alles, was im Planfeststellungsverfahren Gegenstand der Sachprüfung geworden ist, wird auch Regelungsgegenstand der Planfeststellung. Diese beschränkt sich in der Regel auf die Feststellung, dass im Ergebnis die rechtlichen Voraussetzungen für die Zulassung des Vorhabens erfüllt sind und dem Vorhabenträger das Baurecht zusteht. Nicht regelungsfähig sollen daher Maßnahmen der Verkehrsregelung oder betriebliche Reglementierungen des Verkehrs auf dem Schienenweg sein. Aus § 41 BIm- SchG lasse sich für einen Lärmschutz durch Verkehrsregelungen, beispielsweise Geschwindigkeitsbegrenzungen , keine Grundlage entnehmen, weil diese Vorschrift den auf die Freigabe der Bauarbeiten beschränkten Zulassungstatbestand nicht modifiziere5. Nach dieser Auffassung dürfte dies auch für betriebliche Reglementierungen des Verkehrs auf den Schienenwegen gelten. Begründet wird dies im Ergebnis damit, dass es sich bei der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung lediglich um eine Bauplanfeststellung handele. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass für die Planfeststellung einer Eisenbahn-Neubaustrecke ein Bedarf bestehen muss. Der Bedarf an einer Neubaustrecke orientiert sich hierbei regelmäßig an den Verkehrsbedürfnissen und der Nutzung der Schienenwege für den Fern-, Nah-, Güter- oder Personenverkehr. So ist es durchaus üblich, bestimmte Eisenbahnstrecken als sogenannte Güterumfahrung planfestzustellen und entsprechend baulich auszurichten. Eine eisenbahnrechtliche Bauplanfeststellung ist auch vergleichbar mit einer Baugenehmigung. Integraler Bestandteil einer Baugenehmigung sind gegebenenfalls detaillierte Vorgaben zur Nutzung des zu genehmigenden Bauwerks. Nutzungsänderungen bedürfen ebenfalls einer Baugenehmigung . Anhaltspunkte entsprechende Gesichtspunkte bei einer eisenbahnrechtlichen Bauplanfeststellung auszublenden, sind nicht ersichtlich. Auch die eisenbahnrechtliche Widmung dürfte geeignet sein, betriebliche Reglementierungen des (Güter-) Verkehrs auf der Schiene beispielsweise für eine für den Fracht- und Güterverkehr ausgelegte Neubaustrecke (Güterumfahrung) vorzugeben . Festsetzungen zur künftigen Nutzung einer Eisenbahn-Neubaustrecke im Planfeststellungsbeschluss dürften damit zumindest nicht offensichtlich rechtswidrig sein. 3. Lärmschutz Der Lärmschutz bei der Planung von Eisenbahnstrecken ist im Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG)6 geregelt, das einem dreistufigen Schutzkonzept folgt.7 Auf der ersten Stufe verfolgt 5 Vgl. Vallendar, in: Hermes/Sellner, Beck’scher AEG Kommentar (2006), § 18 Rdnr. 184, 206 mit weiteren Nachweisen . 6 Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 17.05.2013 (BGBl. I S. 1274), zuletzt geändert durch Art. 76 der Zehnten Zuständigkeitsanpassungs- Verordnung vom 31.08.2015 (BGBl. I S. 1474). 7 Vgl. hierzu BT-Drucks. 7/1513, S. 3. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 083/16 Seite 6 § 50 BImSchG das Ziel, die Lärmbelästigungen durch eine die lärmempfindliche Nutzung schonende Trassenführung zu vermeiden. Ebenso wie Wohngebiete einerseits sowie Industrie- und Gewerbegebiete andererseits möglichst nicht nebeneinander liegen sollen, ist es im Rahmen einer Untersuchung der weiträumigen Trassenalternativen anzustreben, dass zumindest dem Fern- und Güterverkehr dienende Eisenbahntrassen nicht unmittelbar an Wohngebiete oder sonstige schutzbedürftigen Gebiete angrenzen. § 50 BImSchG ist für den Planungsträger unmittelbar verbindlich.8 Die Vorschrift hat folgenden Wortlaut: „Bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen sind die für eine bestimmte Nutzung vorgesehenen Flächen einander so zuzuordnen, dass schädliche Umwelteinwirkungen und von schweren Unfällen im Sinne des Artikels 3Nummer 5 der Richtlinie 96/82/EG in Betriebsbereichen hervorgerufene Auswirkungen auf die ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienenden Gebiete sowie auf sonstige schutzbedürftige Gebiete, insbesondere öffentlich genutzte Gebiete, wichtige Verkehrswege, Freizeitgebiete und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete und öffentlich genutzte Gebäude, so weit wie möglich vermieden werden. Bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen in Gebieten, in denen die in Rechtsverordnungen nach § 48a Absatz 1 festgelegten Immissionsgrenzwerte und Zielwerte nicht überschritten werden , ist bei der Abwägung der betroffenen Belange die Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität als Belang zu berücksichtigen.“ Planungsträger der Eisenbahninfrastruktur ist regelmäßig die DB AG, die die amtliche Planfeststellung der Trassenführung und Widmung für den entsprechenden Eisenbahnverkehr nicht dadurch in Frage stellen kann, dass sie entgegen dieser Zweckbestimmung im Rahmen ihrer Betriebsführung beispielsweise den Güterverkehr weiterhin auf Bestandsstrecken führt. Um den Nutzungszweck einer Eisenbahn-Neubaustrecke zu gewährleisten kann die Planfeststellungsbehörde (Eisenbahnbundesamt) im Rahmen eines weiten gestalterischen Ermessensspielraums oder als Ergebnis eines Abwägungsvorgangs entsprechende Festsetzungen im Planfeststellungsbeschluss treffen. Inwiefern dies von Amts wegen auch noch nachträglich, beispielsweise durch Nebenbestimmungen, zu einem bestandskräftigen Planfeststellungsbeschluss möglich ist, bestimmt sich nach dem konkreten Planfeststellungsbeschluss. Hierdurch würden schützenswerte Rechtspositionen (Vertrauensschutz, Verhältnismäßigkeit, Privatrechtsautonomie) der DB AG nicht gefährdet. Danach verbleibende Verkehrslärmbelastungen sollen vorrangig durch aktiven Lärmschutz nach § 41 BImSchG vermindert werden. Diese Vorschrift hat folgenden Wortlaut: 8 Vgl. hierzu bspw. Tophoven, in: Giesberts/Reinhardt, BeckOK Umweltrecht (Stand: 01.01.2016), § 50 BImSchG, Rdnr. 26. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 083/16 Seite 7 „(1) Bei dem Bau oder der wesentlichen Änderung öffentlicher Straßen sowie von Eisenbahnen , Magnetschwebebahnen und Straßenbahnen ist unbeschadet des § 50 sicherzustellen , dass durch diese keine schädlichen Umwelteinwirkungen durch Verkehrsgeräusche hervorgerufen werden können, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind. (2) Absatz 1 gilt nicht, soweit die Kosten der Schutzmaßnahme außer Verhältnis zu dem angestrebten Schutzzweck stehen würden.“ Die Lärmvermeidungspflicht aus § 41 BImSchG bindet die Planungsbehörden und den Baulastträger unmittelbar, ist strikt zu beachten und unterliegt insbesondere nicht der planerischen Abwägung . Der Anwendungsbereich ist allerdings auf den Neubau und wesentliche Änderungen von öffentlichen Straßen und Schienenwegen beschränkt.9 Zielsetzung dieser zweiten Stufe des gesetzlichen Lärmschutzkonzepts ist es, zu Gunsten der Planbetroffenen die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV)10 sicherzustellen. Anhaltspunkte, dass nächtlicher Güterverkehr über Bestandsstrecken geleitet wird, um die entsprechenden Immissionsgrenzwerte für eine Eisenbahn-Neubaustrecke nicht in Frage zu stellen, bestimmen sich nach den jeweiligen konkreten Umständen des Einzelfalles. 4. Fazit Grundsätzlich hat das Eisenbahnbundesamt unter anderem aufsichtsrechtlich die Möglichkeit, auch außerhalb eines Planfeststellungsverfahrens die Nutzung von Bestands- und Neubaustreckten zu regeln oder mit den Eisenbahnunternehmen entsprechende Vereinbarungen zu treffen. Ende der Bearbeitung 9 Vgl. hierzu bspw. Reese, in: Giesberts/Reinhardt, BeckOK Umweltrecht (Stand: 01.10.2013), § 41 BImSchG vor Rdnr. 1 ff. 10 Sechzehnte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verkehrslärmschutzverordnung - 16. BImSchV) vom 12.06.1990 (BGBl. I S. 1036), zuletzt geändert durch Art. 1 der Änderungs-Verordnung vom 18.12.2014 (BGBl. I S. 2269)