© 2019 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 082/19 Zur Strafbarkeit nach § 324 StGB Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 082/19 Seite 2 Zur Strafbarkeit nach § 324 StGB Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 082/19 Abschluss der Arbeit: 16.05.2019 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 082/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Sanierung von Kalihalden durch Verbandsklagen 4 3. Strafbarkeit der Betreiber sanierungsbedürftiger Abraumhalden nach § 324 StGB 5 3.1. Grundwasser als Tatobjekt 5 3.2. Taterfolg 6 3.3. Strafbarkeit von Betreibern sanierungsbedürftiger Kalihalden 6 4. Fazit 7 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 082/19 Seite 4 1. Einleitung Durch die insbesondere in Niedersachsen existierenden Kalihalden besteht dort die Gefahr, dass das Grundwasser verunreinigt wird. Auch aus Gründen des Bodenschutzes könnte deshalb eine Beendigung des Salzeintrags in das Grundwasser, also eine Sanierung dieser Halden, erforderlich sein. Es werden deshalb zunächst die rechtlichen Möglichkeiten der Durchsetzung einer solchen Sanierung durch eine Verbandsklage erörtert. Anschließend wird die Möglichkeit der Strafbarkeit von Betreibern von sanierungsbedürftigen Kalihalden nach § 324 Strafgesetzbuch (StGB)1 erläutert . 2. Sanierung von Kalihalden durch Verbandsklagen Vereinigungen sind nach § 3 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG)2 zur Einlegung von Rechtsbehelfen ermächtigt, wenn die Voraussetzungen des UmwRG erfüllt sind. Zu diesen Voraussetzungen zählt unter anderem die ideelle und nicht nur vorübergehende Förderung der Ziele des Umweltschutzes nach der Satzung der jeweiligen Vereinigung. Dies muss über einen Mindestzeitraum von 3 Jahren erfolgt sein. Zudem müssen gemeinnützige Zwecke verfolgt werden und grundsätzlich jeder Person eine Mitgliedschaft offenstehen, soweit sie die Ziele der Vereinigung unterstützt. Eine Vereinigung kann Rechtsbehelfe nach der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)3 gegen das Unterlassen einer Maßnahme nur bei der Verletzung umweltbezogener Rechtsvorschriften geltend machen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a - 6 UmwRG). Nach § 11 Abs. 2 Umweltschadengesetz (USchadG)4 ist § 2 UmwRG auch auf Rechtsbehelfe von Vereinigungen gegen eine Entscheidung oder das Unterlassen einer Entscheidung der zuständigen Behörde nach dem USchadG anwendbar. 1 Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.11.1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Verbesserung der Information über einen Schwangerschaftsabbruch vom 22.03.2019 (BGBl. I S. 350), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__324.html (letzter Abruf: 16.05.2019). 2 Gesetz über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG in der Fassung der Bekanntmachung vom 23.08.2017 (BGBl. I S. 3290), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes, des Energiewirtschaftsgesetzes und weiterer energierechtlicher Vorschriften vom 17.12.2018 (BGBl. I S. 2549), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/umwrg/__3.html (letzter Abruf: 16.05.2019). 3 Verwaltungsgerichtsordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.03.1991 (BGBl. I S. 686), zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes zur Einführung einer zivilprozessualen Musterfeststellungsklage vom 12.07.2018 (BGBl. I S. 1151), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/vwgo/ (letzter Abruf: 16.05.2019). 4 Gesetz über die Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden (Umweltschadensgesetz) vom 10.05.2007 (BGBl. I S. 666), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes zur Änderung wasser- und naturschutzrechtlicher Vorschriften zur Untersagung und zur Risikominimierung bei den Verfahren der Fracking-Technologie vom 04.08.2016 (BGBl. I S. 1972), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/uschadg/ (letzter Abruf: 16.05.2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 082/19 Seite 5 Weil sich die Ermächtigungsgrundlage für die Sanierungsanordnung aus § 7 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 USchadG ergibt, kann eine Verbandsklage gegen das Unterlassen der Anordnung zulässig sein.5 Der einschlägige Rechtsbehelf nach der VwGO ist die Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO, da ein Verwaltungsakt in Form einer Sanierungsanordnung angestrebt wird. Fälle, in denen durch die Klage einer Vereinigung die Betreiber einer Abraumhalde zur Sanierung verpflichtet wurden, sind nicht ersichtlich. Allerdings wurde durch die Anzeige des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) eine zuständige Behörde in Baden Württemberg tätig und forderte von dem Bertreiber einen Sanierungsplan.6 Diese Anordnung wurde in einem langjährigen Rechtsstreit durch die Gerichte bestätigt.7 3. Strafbarkeit der Betreiber sanierungsbedürftiger Abraumhalden nach § 324 StGB Nach § 324 Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer unbefugt ein Gewässer verunreinigt oder sonst dessen Eigenschaften nachteilig verändert. Die fahrlässige Tatbegehung ist nach § 324 Abs. 3 StGB auch strafbar. 3.1. Grundwasser als Tatobjekt Die Sanktionierung soll die Verschlechterung des status quo verhindern, sodass nur das individuelle Gewässer in der aktuellen Beschaffenheit als Tatobjekt in Frage kommt. War das Gewässer bereits nachteilig verändert, kann es also trotzdem ein taugliches Tatobjekt darstellen. Nach der Legaldefinition des § 330d Abs. 1 Nr. 1 StGB gelten neben oberirdischen Gewässern und dem Meer auch das Grundwasser als „Gewässer“ im Sinne von § 324 StGB. Als Grundwasser 5 Vgl. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages (Hrsg.), Aktenzeichen WD 7 - 3000 - 012/19, Dokumentation , Verbandsklagerechte im geltenden Bundesrecht, abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource /blob/632972/2e97464681adb27e2f3b56200fa21fff/WD-7-012-19-pdf-data.pdf (letzter Abruf: 16.05.2019). 6 BUND, „Buggingen: Grundwasserversalzung „schnell“ und nachhaltig stoppen - BUND-Presseerklärung vom 21.11.2012, abrufbar unter: http://www.bund-rvso.de/urteil-kalihalde-buggingen.html (letzter Abruf: 20.05.2019). 7 BVerwG, Urt. v. 16.03.2006 - Az. 7 C 3/05, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 2006, 928; SWR, „Unsanierter Kaliberg macht Grundwasser ungenießbar“, Stand: 08.02.2019, abrufbar unter: https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/suedbaden/Sanierung-in-Buggingen-steht-aus-Unsanierter- Kaliberg-macht-Grundwasser-ungeniessbar,kali-halde-100.html (letzter Abruf: 16.05.2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 082/19 Seite 6 wird dabei nach § 3 Nr. 3 des Gesetzes zur Ordnung des Wasserhaushalts (WHG)8 das gesamte unterirdische Wasser verstanden und jenes, das in Niederungen aus dem Boden tritt.9 3.2. Taterfolg Unter Strafe gestellt ist jede nachteilige Veränderung der Wasserqualität. Diese Veränderung kann auch im Rahmen mehrerer (jeweils für sich betrachtet unschädlicher) Einleitungen schädlicher Stoffe erfolgen. Ob Umweltschäden durch sanierungsbedürftige Kalihalden die Erheblichkeitsschwelle des § 324 StGB erreichen, ist vom Einzelfall abhängig. Die Grundlage bilden dabei Überwachungswerte oder im Genehmigungsbescheid festgelegte und auslegungsbedürftige Grenzwerte.10 3.3. Strafbarkeit von Betreibern sanierungsbedürftiger Kalihalden Geht die Verunreinigung von dem Betreiber einer Kalihalde aus, gilt im strafrechtlichen Sinn sowohl der handelnde Betriebsangehörige als auch derjenige, der die unmittelbare Entscheidungsgewalt über die Anlage hat, als verantwortlich. Dies kann auch eine juristische Person oder ein Amtsträger sein. Ein weisungsgebundener und gutgläubiger Angestellter darf allerdings darauf vertrauen, dass die Weisung rechtmäßig ist. Eine Strafbarkeit scheidet für ihn aus.11 Zu beachten ist weiterhin, dass die Genehmigung durch eine Behörde rechtfertigend wirkt. Ein Betreiber, der im Rahmen einer behördlichen Genehmigung handelt, macht sich somit nicht strafbar. Werden sogenannte „materielle Betreiberpflichten“ (z.B. aus § 5 Abs. 1 WHG) verletzt, muss für die Strafbarkeit auch noch ein Verstoß gegen das Genehmigungserfordernis hinzukommen.12 Erfolgt die Gewässerverunreinigung durch ein Unternehmen, kann diesem nach § 30 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG)13 eine Geldbuße auferlegt werden. 8 Wasserhaushaltsgesetz vom 31.07.2009 (BGBl. I S. 2585), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes zur Beschränkung des marinen Geo-Engineerings vom 04.12.2018 (BGBl. I S. 2254), abrufbar unter: https://www.gesetze -im-internet.de/whg_2009/__3.html (letzter Abruf: 16.05.2019). 9 Heine/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Auflage 2019, § 324 Rn. 1, 5; BT-Drucks. 8/2382, S. 26, abrufbar unter: http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/08/023/0802382.pdf (letzter Abruf: 16.05.2019). 10 Heine/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Auflage 2019, § 324 Rn. 8; Alt, in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2019, § 324 Rn. 22, 23, 83. 11 Schmitz, in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2019, Vorbemerkung zu § 324 Rn. 126, 140. 12 Alt, in: Münchner Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2017, § 324 Rn. 92, 107-113; Schmitz, in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2019, Vorbemerkung zu § 324 Rn. 54 f.. 13 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.02.1987 (BGBl. I S. 602), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes zur Stärkung des Rechts des Angeklagten auf Anwesenheit in der Verhandlung vom 17.12.2018 (BGBl. I S. 2571), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/owig _1968/__30.html (letzter Abruf: 16.05.2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 082/19 Seite 7 4. Fazit Durch eine Verbandsklage können klageberechtigte Vereinigungen eine Sanierungsanordnung erwirken. Nach den Erfahrungen des BUND kann allerdings schon die Anzeige einer Gewässerverunreinigung nach § 324 StGB ausreichen, damit die jeweils zuständige Behörde eine Sanierungsanordnung erlässt bzw. den Betreiber zur Erstellung eines Sanierungsplans verpflichtet. Die Strafbarkeit nach § 324 StGB ist trotz einer Gewässerverunreinigung aber nur gegeben, soweit die Betreiber nicht im Rahmen einer Genehmigung handeln. ***