© 2015 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 082/15 Lärmschutz bei Brauchtums-, Volksfesten und „Public Viewings“ Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 082/15 Seite 2 Lärmschutz bei Brauchtums-, Volksfesten und „Public Viewings“ Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 082/15 Abschluss der Arbeit: 11. Juni 2015 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutz, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 082/15 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Gesetzgebungskompetenzen im Bereich des Lärmschutzes (Frage 1) 4 3. Möglichkeiten einer vereinheitlichenden (Bundes-) Regelung von Lärmimmissionen für Volksfeste durch den Bundesgesetzgeber, z.B. auf Grundlage des § 23 Abs. 1 BImSchG (Frage 2) 5 4. Ausnahmen von § 4 Landes-Immissionsschutzgesetz des Landes Rheinland-Pfalz für Veranstaltungen zur Pflege des historischen und kulturellen Brauchtums (Frage 3) 9 5. Ausnahmen in anderen Bundesländern (Frage 4) 9 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 082/15 Seite 4 1. Einleitung Die vorliegende Ausarbeitung behandelt den Lärmschutz im Rahmen von „Public Viewings“ sowie Brauchtums- und Volksfesten1, wie z.B. dem jährlich stattfindenden Wurstmarkt Bad Dürkheim in Rheinland-Pfalz. Im Zuge der am 1. September 2006 in Kraft getretenen Föderalismusreform I2 wurden die Gesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern neu geregelt. Die Zuständigkeiten im Bereich des Lärmschutzes waren davon ebenfalls betroffen. Ziel der vorliegenden Ausarbeitung ist zunächst die Darstellung der aktuell geltenden Kompetenzen (Frage 1) und die Prüfung der Möglichkeit vereinheitlichender Bundesregelungen in diesem Bereich (Frage 2). Im darauffolgenden Abschnitt geht es um die Veranstaltung von Brauchtumsveranstaltungen im Land Rheinland-Pfalz (Frage 3), bevor abschließend ein rechtsvergleichender Ausblick in andere Bundesländer erfolgt (Frage 4). 2. Gesetzgebungskompetenzen im Bereich des Lärmschutzes (Frage 1) Die Art. 70 ff. Grundgesetz3 (GG) grenzen die Gesetzgebungszuständigkeiten von Bund und Ländern voneinander ab. Grundsätzlich haben die Länder das Recht der Gesetzgebung, soweit sich nicht etwas anderes aus der ausschließlichen und konkurrierenden Gesetzgebung ergibt (Art. 70 GG). Im Bereich der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung nur, wenn und soweit sie hierzu in einem Bundesgesetze ausdrücklich ermächtigt werden (Art. 71 GG). Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat (Art. 72 Abs. 1 GG). Die „Lärmbekämpfung“4 ist im Katalog des Art. 74 GG enthalten und damit Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung. Dabei ist der verhaltensbezogene Lärm ausgenommen („ohne Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm“), dessen Bekämpfung folglich den Ländern zufällt und in deren ausschließlichem Kompetenzbereich liegt. Die Bekämpfung anlagenbezogenen Lärms ist also weiter Teil der konkurrierenden Gesetzgebung. Die Länder können in diesem Bereich nur dann eigenständige Regelungen treffen, solange und soweit der Bund nicht Gebrauch von seiner vorrangigen Kompetenz macht (Art. 72 Abs. 1 GG). Mit Erlass des Bundes-Immissionsschutzgesetzes 5 (BImSchG) hat der Bund diese Kompetenz schon vor der Föderalismusreform I wahrgenommen . 1 Im Folgenden werden diese Veranstaltungstypen unter dem Begriff „Volksfest“ zusammengefasst. 2 BGBl. I (2006), S. 2034. 3 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 (BGBl. S. 1), zuletzt geändert durch Art. 1 Änderungsgesetz (Art. 91b) vom 23. 12. 2014 (BGBl. I S. 2438). 4 Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG. 5 Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Mai 2013 (BGBl. I S. 1274), zuletzt geändert durch Art. 1 Zwölftes Änderungsgesetz vom 20. 11. 2014 (BGBl. I S. 1740). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 082/15 Seite 5 Im Bereich des anlagenbezogenen Lärms besteht also mit dem BImSchG grundsätzliche eine Gesetzbebungskompetenz des Bundes. 3. Möglichkeiten einer vereinheitlichenden (Bundes-)Regelung von Lärmimmissionen für Volksfeste durch den Bundesgesetzgeber, z.B. auf Grundlage des § 23 Abs. 1 BImSchG (Frage 2) Eine vereinheitlichende Regelung für Lärmimmissionen bei Brauchtumsveranstaltungen und sogenannten „Public Viewings“ durch den Bundesgesetzgeber setzt voraus, dass dem Bund hier die Gesetzgebungskompetenz zusteht und nicht die Länder regelungsbefugt sind. Nach jetziger Fassung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG wäre der Bund zuständig, wenn es sich bei diesen Veranstaltungen um anlagenbezogenen Lärm handelt. Stuft man die Immissionen dagegen als verhaltensbezogen ein, fallen sie in den Kompetenzbereich der Länder. Vor der Föderalismusreform I waren die Länder bereits im Bereich des verhaltensbezogenen Lärms, der grundsätzlich nicht Gegenstand des BImSchG ist (vgl. § 2 BImSchG), regelungsbefugt. Nach der Föderalismusreform sollten die Zuständigkeiten aufgrund des ausdrücklichen Wortlauts des Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG ebenfalls deutlich sein. Aufgrund der Entstehungsgeschichte des insoweit entscheidenden Klammerzusatzes besteht hier jedoch Unsicherheit. Nach dem Gesetzentwurf sollte Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG wie folgt lauten:6 …. „24. die Abfallwirtschaft, die Luftreinhaltung und die Lärmbekämpfung (ohne Sport- und Freizeitlärm und Lärm von Anlagen mit sozialer Zweckbestimmung );“ … In der Gesetzesbegründung heißt es dazu: „Die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für die Lärmbekämpfung soll künftig nicht mehr den Lärm von Sportanlagen und anderen Einrichtungen umfassen, die der Freizeitgestaltung dienen oder eine soziale Zweckbestimmung haben. Regelungen zur Bekämpfung des Lärms von sozialen Einrichtungen , Sport- und Freizeitanlagen wie Kindergärten, Jugendheimen, Spielplätzen , Sportstätten und -stadien, Theatern und Aufführungsorten sowie Veranstaltungs- und Festplätzen, Hotels und Gaststätten fallen als Anlagen mit überwiegend lokaler Bedeutung künftig in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder.“7 6 Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vom 7. März 2006, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 22, 23, 33, 52, 72, 73, 74, 74a, 75, 84, 85, 87c, 91a, 91b, 93, 98, 104a, 104b, 105, 107, 109, 125a, 125b, 125c, 143c), BT-Drs. 16/813, S. 3, 13. 7 Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vom 7. März 2006, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 22, 23, 33, 52, 72, 73, 74, 74a, 75, 84, 85, 87c, 91a, 91b, 93, 98, 104a, 104b, 105, 107, 109, 125a, 125b, 125c, 143c), BT-Drs. 16/813, S. 13. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 082/15 Seite 6 Nach dieser Formulierung sollte nicht nur der verhaltensbedingte Lärm, sondern auch der Lärm von bestimmten Anlagen, nämlich von solchen mit sozialer Zweckbestimmung, in den Kompetenzbereich der Länder verschoben werden. Im Gesetzgebungsverfahren wurde die Nennung von „Anlagen mit sozialer Zweckbestimmung“ im Grundgesetz aufgrund ihrer schweren Abgrenzbarkeit kritisiert. Außerdem führe diese Formulierung zu Problemen bei der Umsetzung der EG-Umgebungslärm -Richtlinie8: Da diese zwar Lärm durch Tätigkeiten innerhalb von Wohnungen und allgemein den Nachbarschaftslärm von ihrem Geltungsbereich ausnimmt (Art. 2 der Richtlinie 2002/49/EG), nicht aber den Lärm von Sportanlagen, Freizeitanlagen und von Anlagen zu sozialen Zwecken, sei eine einheitliche Umsetzung der Richtlinie und der zu erwartenden gemeinschaftsrechtlichen Ergänzungen nicht mehr möglich9. Der Gesetzgeber hat dann die ursprüngliche Formulierung „(ohne Sport- und Freizeitlärm und Lärm von Anlagen mit sozialer Zweckbestimmung)“ durch den Klammerzusatz „(ohne Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm)“ ersetzt. Dieser Schritt wurde nicht weiter begründet. Im Protokoll des Rechtsausschusses wird der Vorgang lediglich als „redaktionelle Änderung“10 bezeichnet . Mit redaktionellen Änderungen werden im Gesetzgebungsverfahren üblicherweise rein sprachliche Änderungen bezeichnet, die keine inhaltlichen Änderungen bewirken. Folgt man dem Wortlaut dieses Hinweises im Protokoll des Rechtsausschusses, ist mit der Änderung des Klammerzusatzes keine inhaltliche Änderung beabsichtigt. Dann hat die Begründung des ursprünglichen Gesetzentwurfs weiterhin Bestand, der zufolge Volks- und Festplätze als Anlagen mit überwiegend lokaler Bedeutung nunmehr in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder fallen sollen. Gleichwohl wird in der Literatur die Auffassung vertreten, der Regelungsgehalt von Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG sei nicht eindeutig. In Betracht kommen demnach drei Auslegungsmöglichkeiten von Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG11: Die erste Möglichkeit besteht in der hier vertretenen, wonach die Klammerumschreibung lediglich die ursprünglich angedachte Formulierung ersetzen soll. 8 Amtsblatt Nr. L 189 vom 18. Juli 2002, S. 0012 – 0026. 9 So die Stellungnahme des Arbeitskreises für Umweltrecht (AKUR), wiedergegeben in der Fußnote 8 bei Hansmann , Klaus, Die Gesetzgebungskompetenz für die Lärmbekämpfung nach der Föderalismusreform, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 2007, 17 f. Ähnliche Kritik äußerte Dietlein, Johannes, Stellungnahme zur Neuordnung der umweltrelevanten Gesetzgebungskompetenzen unter besonderer Berücksichtigung des Immissionsschutzrechts sowie des Jagd- und Naturschutzrechts , Thesenpapier zur Anhörung am 16.5.2006, S. 3. 10 Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 16/2069, S. 42; Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU und der Fraktion der SPD zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 22, 23, 33, 52, 72, 73, 74, 74a, 75, 84, 85, 87c, 91a, 91b, 93, 98, 104a, 104b, 105, 107, 109, 125a, 125b, 125 c, 143c) - Drucksache 16/813- Entwurf eines Föderalismusreform-Begleitgesetzes - Drucksache 16/814, Rechtsausschuss, Ausschussdrucksache vom 27. Juni 2006, Nr. 16(6)48. 11 So insbesondere Hansmann, NVwZ 2007, 17 f., Wollenschläger, Immissionsschutz nach der Förderalismusreform I: Zur veränderten Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern im Bereich des Lärmschutzes, NVwZ 2009, 1513, 1517 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 082/15 Seite 7 Die zweite Auslegungsmöglichkeit sieht in der Klammerumschreibung nichts anderes als eine gesetzliche Verankerung der bisher in Rechtsprechung und Schrifttum sowie der Regelungspraxis geübten Unterscheidung zwischen verhaltensbezogenem Lärm und anlagenbezogenem Lärm. Die dritte Möglichkeit besteht darin, den Klammerzusatz autonom auszulegen und als umfassende Regelungskompetenz der Länder für im Schwerpunkt von menschlichen Handlungen ausgehenden Lärm zu verstehen. Im Vergleich zur zweiten Auslegungsmöglichkeit würde damit den Ländern eine umfassendere Kompetenz zugebilligt. Fraglich ist nun, zu welchen Ergebnissen diese Auslegungsvarianten im Rahmen der hier abgefragten Volksfeste führen. Legt man die erste Auslegungsvariante zugrunde, wonach mit der Änderung des Klammerzusatzes keine inhaltliche Änderung einhergehen sollte, so fallen Volks- und Festplätze als Anlagen mit überwiegend lokaler Bedeutung in den Kompetenzbereich der Länder . Der Lärmschutz im Rahmen dieser Veranstaltungen bildet gerade den Bereich, der der Begründung des Gesetzgebers zufolge in den Verantwortungsbereich der Länder übergehen sollte. Legt man die zweite Auslegungsvariante zugrunde, müsste geklärt werden, ob es sich bei dem Lärm von Volksfesten und „Public Viewings“ um verhaltens- oder anlagenbezogenen Lärm handelt. Diese Abgrenzung ist seit jeher umstritten. Hinsichtlich der hier abgefragten Veranstaltungen wird einerseits die Auffassung vertreten, dass Lärm von Festplätzen verhaltensbezogen ist12, wenn diese Plätze nur gelegentlich genutzt werden. Ein nur einmal jährlich stattfindendes Fest wie z.B. der Wurstmarkt Bad Dürkheim wäre demnach als verhaltensbezogener Lärm einzustufen und würde damit in die Zuständigkeit der Länder fallen. Von anderer Seite werden Volksfestplätze auch bei nur zeitweiser Benutzung als (nicht genehmigungsbedürftige) Anlagen im Sinne der §§ 22 Abs. 1, 3 Abs. 1 BImSchG eingeordnet.13 Folgt man dieser Ansicht, ist der Bund für den Schutz vor von diesen Anlagen ausgehendem Lärm zuständig. Mittels der zweiten Auslegungsvariante ist eine eindeutige Kompetenzzuweisung für Volksfeste demnach nicht möglich. Legt man die dritte Auslegungsvariante zugrunde, wonach der Klammerzusatz als umfassende Regelungskompetenz der Länder für im Schwerpunkt von menschlichen Handlungen ausgehenden Lärm verstanden werden muss, so stellt sich für die hier abgefragten Volksfeste die Frage, ob der Schwerpunkt des Lärms wirklich in menschlichen Handlungen liegt oder ob der Lärm eventuell schwerpunktmäßig doch anlagenbezogen (etwa durch Musikanlagen, Karussells etc.) ist. Die Abgrenzung, wo der Schwerpunkt des Lärms herstammt , dürfte mindestens ebenso schwierig sein wie die Abgrenzung zwischen verhaltens - und anlagenbedingtem Lärm selbst. Deshalb ist zu bezweifeln, ob sich pauschal für alle Volksfeste ein solcher Lärmschwerpunkt feststellen lässt. Vielmehr wird es von der Ausgestaltung der jeweiligen Veranstaltung abhängen, ob der Lärm seinen Schwerpunkt 12 Wollenschläger, Immissionsschutz nach der Förderalismusreform I: Zur veränderten Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern im Bereich des Lärmschutzes, NVwZ 2009, 1513, 1519. 13 Jarass, in: Jarass, BImSchG, 10. Auflage 2013, § 22 Rn 9a; VGH München, Beschluss vom 22. 11. 2005 - 22 ZB 05.2679, Neue Juristische Online Zeitschrift (NJOZ) 2006, 2965, 2967 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 082/15 Seite 8 im menschlichen Verhalten hat oder doch anlagenbezogen ist. Wie die zweite Variante lässt die dritte Auslegungsmöglichkeit also keine eindeutige Kompetenzzuweisung zu. Nach der ersten Auslegung der Bedeutung des geänderten Klammerzusatzes sind die Länder zuständig . Nach der zweiten und dritten Auslegung der Änderung ließe sich sowohl eine Zuständigkeit der Länder, als auch eine Zuständigkeit des Bundes vertreten. Unabhängig von diesen Ergebnissen hat die Anwendung der Auslegungsvarianten jedenfalls Folgendes verdeutlicht: Entscheidet man sich im Rahmen der zweiten und dritten Auslegungsvariante für eine Regelungszuständigkeit des Bundes, führt dies dazu, dass gerade die Veranstaltungen , die der Gesetzgeber in den Verantwortungsbereich der Länder verschieben wollte, in der Kompetenz des Bundes verbleiben. Durch die Föderalismusreform sollte der Kompetenzbereich der Länder ausgeweitet werden; durch diese Form der Auslegung würde die ursprüngliche Kompetenzverteilung aber gerade manifestiert. Auch lassen sich die zweite und dritte Auslegungsvariante nicht klar voneinander abgrenzen. Weiter ermöglicht keine der beiden Varianten eine klare Differenzierung zwischen den Kompetenzen von Bund und Ländern. Auch deshalb erscheint ihre Anwendung ungeeignet. Lediglich die erste Variante führt zu der von der Föderalismusreform gewollten Kompetenzerweiterung der Länder und ermöglicht eine eindeutige Kompetenzverteilung hinsichtlich des Lärmschutzes bei lokalen Veranstaltungen. Eine weitere Änderung, die ebenfalls im Zuge der Föderalismusreform erfolgt ist, spricht ebenfalls für diese Auslegungsmöglichkeit: Der Gesetzgeber hat in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG das Recht der Gaststätten und Märkte ebenfalls von der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes ausgenommen und sie auf die Länderebene verlagert . Vor diesem Hintergrund erscheint eine Übertragung der Gesetzgebungskompetenz für den von Gaststätten und Märkten ausgehenden Lärm auf die Länder nur konsequent. Festzuhalten bleibt, dass unter dem Klammerzusatz „(ohne Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm)“ nicht nur der verhaltensbezogene Lärm zu verstehen ist, sondern auch der Lärm von „Anlagen mit sozialer Zweckbestimmung“. In den Kompetenzbereich der Länder fällt damit nicht nur der Schutz vor strikt verhaltensbezogenem Lärm, sondern auch der Lärmschutz hinsichtlich Anlagen mit sozialer Zweckbestimmung wie etwa Volksfestplätzen. Eine vereinheitlichende Bundesregelung auf Grundlage des § 23 Abs. 1 BImSchG ist nach hier vertretener Auffassung demnach nicht möglich, da dieser Bereich in den Kompetenzbereich der Länder fällt. Solange die Länder jedoch keine entsprechenden Regelungen getroffen haben, gelten die Regelungen des Bundes gem. Art. 125a Abs. 1 GG fort. Bis die Länder von ihrer Ersetzungsbefugnis Gebrauch machen, ist der Bund weiter zu Änderungen des BImSchG befugt (Anpassungskompetenz des Bundes). Diese Änderungen sind allerdings auf Modifikationen beschränkt und dürfen keine grundlegende Neukonzeption darstellen.14 14 Uhle, in: Maunz/Düring, Grundgesetz-Kommentar, 73. Ergänzungslieferung (2014), Art. 125a GG, Rn 27 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 082/15 Seite 9 4. Ausnahmen von § 4 Landes-Immissionsschutzgesetz des Landes Rheinland-Pfalz für Veranstaltungen zur Pflege des historischen und kulturellen Brauchtums (Frage 3) Nach § 4 Abs. 1 Landes-Immissionsschutzgesetzes15 (LImSchG) von Rheinland-Pfalz sind während der Nachtzeit (22 Uhr bis 6 Uhr) grundsätzlich Betätigungen verboten, die zu einer Störung der Nachtruhe führen können. In § 4 Abs. 3 LImSchG wird der zuständigen Behörde das Recht eingeräumt, Ausnahmen von dem Verbot nach Absatz 1 zuzulassen, wenn die Ausübung der Tätigkeit während der Nachtzeit im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse einer beteiligten Person geboten ist. Dieses öffentliche Interesse konkretisiert § 4 Abs. 5 LImSchG für Messen, Märkte, Volksfeste, Volksbelustigungen und ähnliche Veranstaltungen einschließlich der damit verbundenen Außengastronomie: Demnach liegt ein öffentliches Interesse in der Regel dann vor, wenn eine Veranstaltung der Pflege des historischen oder kulturellen Brauchtums dient oder sonst von besonderer kommunaler Bedeutung ist und deshalb das Interesse der Allgemeinheit an der Durchführung der Veranstaltung gegenüber dem Interesse der Nachbarschaft an ungestörter Nachtruhe überwiegt. Nach hier vertretener Auffassung sind die Länder in diesen Bereichen nunmehr umfassend regelungsbefugt . Es steht daher in ihrem Ermessen, entsprechende Regelungen zu erlassen. Eine Kollision mit Bundesgesetzen ist insoweit nicht möglich. Soweit noch Bundesregelungen in diesen Bereichen bestehen, haben die Länder eine Ersetzungsbefugnis, d.h. sie können die entsprechende Materie durch Landesgesetze regeln. Solange dies nicht erfolgt, gelten die Bundesgesetze nach Art. 125a Abs. 1 GG fort. 5. Ausnahmen in anderen Bundesländern (Frage 4) Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages sind für die Bearbeitung von Fragen zuständig, die das Bundesrecht betreffen. Landesrechtliche Fragestellungen sind nicht Teil ihres Aufgabengebiets.16 Deshalb kann an dieser Stelle keine vertiefte Behandlung dieser Materie erfolgen . Für das Oktoberfest in Bayern gelten beispielsweise die folgenden Lärmschutzauflagen: Mittelungspegel von 90 dB(A) von 18:00 bis 22:30 bzw. 23:30 Uhr in allen Festzelten.17 Diese Auflagen werden durch das Umweltamt mittels sogenannter „Limiter“ und Versiegelungen der Geräte durchgesetzt und überprüft. 15 Landes-Immissionsschutzgesetzes vom 20. Dezember 2000 (GVBl. 2000, 578). 16 Ziffer 1.1.3 des Leitfadens für die Unterabteilung Wissenschaftliche Dienste (WD). 17 Vgl. Lärmschutz bei Veranstaltungen in München, Referat für Gesundheit und Umwelt der Landeshauptstadt München, S. 5, im Internet abrufbar unter: www.dihk.de/ressourcen/downloads/jahn.pdf (Stand: 11. Juni 2015).