© 2021 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 081/21; WD 10 - 3000 - 036/21 Die unbefugte Veröffentlichung privater Chat-Nachrichten Dritter Straf- und urheberrechtliche Relevanz Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 081/21; WD 10 - 3000 - 036/21 Seite 2 Die unbefugte Veröffentlichung privater Chat-Nachrichten Dritter Straf- und urheberrechtliche Relevanz Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 081/21; WD 10 - 3000 - 036/21 Abschluss der Arbeit: 30. Juli 2021 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung (Gliederungspunkte 1, 2 und 4) WD 10: Kultur, Medien und Sport (Gliederungspunkte 1, 3 und 4) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 081/21; WD 10 - 3000 - 036/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Strafrechtliche Relevanz 5 2.1. Strafbarkeit der reinen Veröffentlichungshandlung 5 2.1.1. Verletzung des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs 5 2.1.2. Datenschutzstrafrecht 8 2.2. Strafbarkeitsrisiken in besonderen Situationen 10 2.2.1. Datenhehlerei (§ 202d StGB) 10 2.2.2. Sonstige Sonderkonstellationen 11 3. Urheberrechtliche Relevanz 12 4. Fazit 13 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 081/21; WD 10 - 3000 - 036/21 Seite 4 1. Einleitung Die Zulässigkeit der unbefugten Veröffentlichung privater Chat-Nachrichten Dritter, beispielsweise aus dem Sofortnachrichtendienst „WhatsApp“ oder dem sozialen Netzwerk „facebook“, war in den letzten Jahren wiederholt Gegenstand zivilgerichtlicher Entscheidungen: Denn oftmals begehren die Betroffenen in diesem Zusammenhang von anderen Privatpersonen Unterlassung der weiteren Verbreitung, regelmäßig unter Berufung auf das vom Bundesverfassungsgericht als Grundrecht anerkannte allgemeine Persönlichkeitsrecht.1 Dies veranlasst die Zivilgerichte in aller Regel zu einer Abwägung dieses berührten Grundrechts mit widerstreitenden Interessen, etwa der ebenfalls grundrechtlich geschützten Meinungs- und Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG)2.3 Je nach Einzelfallumständen, z. B. Inhalt und Adressatenkreis der ursprünglich verfassten Nachricht, kommen die befassten Spruchkörper zu unterschiedlichen Abwägungsergebnissen.4 Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen sollen im Gegensatz hierzu – entsprechend dem erteilten Prüfauftrag – allein straf- und urheberrechtliche Implikationen der unbefugten Veröffentlichung entsprechender Text- oder Sprachnachrichten sein. Die Verbreitung von nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Bild- oder Videonachrichten wird hingegen nicht näher behandelt .5 1 Vgl. etwa Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe, Urteil vom 13. Februar 2019 – 6 U 105/18 –; Landgericht (LG) Saarbrücken, Urteil vom 23. November 2017 – 4 O 328/17 –; LG Hamburg, Urteil vom 23. November 2015 – 324 O 90/15 –, alle zitiert nach juris. Vgl. näher zu den einzelnen Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und dessen Herleitung, Lang, in: Beck’scher Online-Kommentar Grundgesetz, 47. Edition (Stand: 15. Mai 2021), Art. 2 GG, Randnummern 31 ff. 2 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 u. 2 Satz 2 des Gesetzes vom 29. September 2020 (BGBl. I S. 2048) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/gg/ (letzter Abruf dieser und aller weiteren Internetquellen: 27. Juli 2021). 3 So etwa OLG Karlsruhe (Fußnote 1), Randnummern 122 ff.; LG Saarbrücken (Fußnote 1), Randnummern 59 ff.; LG Hamburg (Fußnote 1), Randnummern 35 ff. 4 Im Einzelfall gegen eine Rechtfertigung etwa LG Hamburg (ebenda), für eine Rechtfertigung bspw. OLG Karlsruhe (ebenda) und LG Saarbrücken (ebenda). 5 Diese Konstellation kann nicht zuletzt aufgrund der möglichen Verletzung des Rechts am eigenen Bild als ein Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gesonderte rechtliche Implikationen aufwerfen, vgl. etwa für das Strafrecht ausführlich Heckmann, in: jurisPK-Internetrecht, 7. Auflage 2021, Kapitel 8, Randnummern 309 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 081/21; WD 10 - 3000 - 036/21 Seite 5 2. Strafrechtliche Relevanz 2.1. Strafbarkeit der reinen Veröffentlichungshandlung Grundsätzlich schützt das Strafrecht das durch die Veröffentlichungshandlung berührte allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht ganzheitlich, sondern lediglich in einzelnen Ausschnitten.6 2.1.1. Verletzung des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs Diesen fragmentarischen Schutz gewährleisten insbesondere die Strafvorschriften des 15. Abschnittes des Strafgesetzbuches (StGB)7, die §§ 201 ff. StGB.8 Sie adressieren zuvorderst die „Verletzung des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs“.9 Hinsichtlich Sprachnachrichten wird zwar die Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes in § 201 StGB besonders behandelt. Nach dessen Wortlaut ist von vornherein aber nur das Aufnehmen oder Abhören des nichtöffentlich gesprochenen Wortes „eines anderen“10 tatbestandsmäßig .11 Die bei Sofortnachrichtendiensten übliche Selbstaufnahme des Betroffenen kann hiervon somit nicht umfasst sein.12 In Bezug auf Textnachrichten ist die Vertraulichkeit des „geschriebenen“ Wortes von vornherein nur in speziellen Konstellationen geschützt: § 202 StGB bestraft die Verletzung des Briefgeheimnisses , allerdings nach seinem Wortlaut nur für „Schriftstücke“ und „Abbildungen“. Nach allgemeiner Meinung im juristischen Schrifttum bezieht sich die Norm nicht auf (rein) elektronisch gespeicherte Daten.13 § 206 StGB (Verletzung des Post- oder Fernmeldegeheimnisses) bestraft zwar über den Schutz des Fernmeldegeheimnisses (Art. 10 Abs. 1 GG), in dessen grundrechtlichen Schutzbereich auch 6 Heuchemer, in: Beck’scher Online-Kommentar StGB, 50. Edition (Stand: 1. Mai 2021), Lexikon des Strafrechts, Der strafrechtliche Schutz des Persönlichkeitsrechts, Randnummer 1. 7 Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch Artikel 29 des Gesetzes vom 7. Juli 2021 (BGBl. I S. 2363) geändert worden ist, abrufbar unter: http://www.gesetze-im-internet.de/stgb/. 8 Heuchemer, in: Beck’scher Online-Kommentar StGB, 50. Edition (Stand: 1. Mai 2021), Lexikon des Strafrechts, Der strafrechtliche Schutz des Persönlichkeitsrechts, Randnummer 1. 9 Vgl. entsprechende Abschnittsüberschrift im StGB. 10 § 201 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StGB. 11 Auch die anderen Tathandlungen in § 201 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StGB knüpfen hieran an. 12 So auch Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Beschluss vom 7. Juli 2020 – 12 B 28/20 –, Randnummer 34 (zitiert nach juris). Strafgerichtliche Entscheidungen sind zu dieser Frage nicht ersichtlich. 13 Weidemann, in: Beck’scher Online-Kommentar StGB, 50. Edition (Stand: 1. Mai 2021), § 202 StGB, Randnummer 5 mit weiteren Nachweisen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 081/21; WD 10 - 3000 - 036/21 Seite 6 unkörperliche Kommunikationsvorgänge über Dienste wie „WhatsApp“ fallen,14 u. a. die unbefugte Weiterleitung von Telekommunikationsinhalten.15 Bei der Vorschrift handelt es sich jedoch um ein sogenanntes Sonderdelikt, das nur von einem bestimmten, in der Norm näher bezeichneten Personenkreis begangen werden kann.16 Hierzu gehören Personen, die eine spezielle Pflichtenstellung in Bezug auf die Integrität des Post- und Fernmeldebetriebes innehaben.17 Allerdings können sich auch sonstige Personen nach allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen an der Tat beteiligen (Anstiftung, Beihilfe).18 Zudem schützen im 15. Abschnitt des StGB zwei Straftatbestände die Nichtweitergabe von „Geheimnissen “ in verschiedener Form. § 203 StGB stellt die Verletzung von Privatgeheimnissen durch Offenbarung und § 204 StGB die Verwertung fremder Geheimnisse unter Strafe. Im Ausgangspunkt sind Geheimnisse in diesem Zusammenhang Tatsachen, die sich auf den Betroffenen beziehen, nur einem begrenzten Personenkreis bekannt sind und an denen ein sachlich begründetes Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen besteht.19 Auch die §§ 203 f. StGB sind jedoch als Sonderdelikte ausgestaltet, die insbesondere bestimmte Berufsgruppen und deren Gehilfen in die Pflicht nehmen, denen das Gesetz bei der Berufsausübung eine erhöhte Vertrauensstellung attestiert (z. B. Ärzte oder Rechtsanwälte).20 Hierunter können auch Berufsgruppen mit Politikbezug fallen.21 Journalisten gehören jedoch nicht zum tauglichen Täterkreis.22 Auch bei den §§ 203 f. StGB ist aber eine allgemeine Teilnahmestrafbarkeit denkbar: Bei Journalisten kommt beispielsweise eine Anstiftung zur Begehung von § 203 StGB durch Aufforderung 14 Durner, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz – Kommentar, 93. Ergänzungslieferung (Stand: Oktober 2020), Art. 10 GG, Randnummer 107. 15 § 206 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 5 Satz 2 StGB. 16 Statt vieler Altenhain, in: Münchener Kommentar zum StGB, 4. Auflage 2021, Band 4, § 206 StGB, Randnummer 4. 17 Hoyer, in: Systematischer Kommentar StGB, 9. Auflage 2017, § 206 StGB, Randnummer 6. Dies sind z. B. Inhaber oder Beschäftigte eines Unternehmens, das geschäftsmäßig Post- oder Telekommunikationsdienste erbringt, können aber auch außerhalb des Post- oder Telekommunikationsbereichs tätige Amtsträger sein, denen auf Grund eines befugten oder unbefugten Eingriffs in das Post- oder Fernmeldegeheimnis Telekommunikationsinhalte bekanntgeworden sind (§ 206 Abs. 1, 3 und 4 StGB). 18 Statt vieler Fischer, Strafgesetzbuch mit Nebengesetzen, 68. Auflage 2021, § 206 StGB, Randnummer 19. 19 Vgl. zur Definition statt vieler Weidemann, in: Beck’scher Online-Kommentar StGB, 50. Edition (Stand: 1. Mai 2021), § 203 StGB, Randnummern 4 f. und § 204 StGB, Randnummer 3. 20 Siehe Aufzählung in § 203 Abs. 1, 2 und 4 StGB. Vgl. zur Einordnung als Sonderdelikt, Cierniak/Niehaus, in: Münchener Kommentar zum StGB, 4. Auflage 2021, Band 4, § 203 StGB, Randnummer 175 mit weiteren Nachweisen . 21 Etwa Amtsträger und für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete bzw. Mitglieder eines für ein Gesetzgebungsorgan des Bundes oder eines Landes tätigen Untersuchungsausschusses, sonstigen Ausschusses oder Rates, die nicht selbst Mitglieder des Gesetzgebungsorgans sind, oder Hilfskräfte eines solchen Ausschusses oder Rates (§ 203 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1, 2 und 4 StGB). 22 Cierniak/Niehaus, in: Münchener Kommentar zum StGB, 4. Auflage 2021, Band 4, § 203 StGB, Randnummer 8. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 081/21; WD 10 - 3000 - 036/21 Seite 7 eines tauglichen Täters zur Offenbarung eines entsprechenden Geheimnisses in Betracht bzw. eine Beihilfe im Vorfeld der Tat durch Honorarzahlung/Verabredung zur Übergabe zu offenbarender Inhalte etc.23 Eine Beihilfe durch die bloße Kenntnisnahme bzw. spätere Veröffentlichung des Geheimnisses scheidet hingegen aus.24 Denn die Haupttat der Geheimnisoffenbarung ist mit dieser bereits beendet und somit nicht mehr beihilfefähig.25 Daneben spezifisch geschützt sind Dienstgeheimnisse bzw. solche Tatsachen, die einer besonderen Geheimhaltungspflicht unterliegen. Deren Offenbarung wird als Amtsdelikt gesondert in § 353b StGB bestraft, sofern diese durch die in der Norm aufgezählten Personenkreise – z. B. Amtsträger oder sonstige Personen mit Staatsbezug – erfolgt und dadurch wichtige öffentliche Interessen gefährdet werden. Ob in diesen Fällen eine Beihilfestrafbarkeit durch die bloße spätere Veröffentlichung des Geheimnisses im Wege der „sukzessiven Beihilfe“ grundsätzlich möglich ist, ist umstritten.26 Der Gesetzgeber hat mit dem „Presseprivileg“27 in § 353b Abs. 3a StGB jedoch klargestellt, dass Berufsjournalisten sich nicht strafbar machen können, wenn sie sich auf die Entgegennahme, Auswertung oder Veröffentlichung des Geheimnisses oder des Gegenstandes oder der Nachricht , zu deren Geheimhaltung eine besondere Verpflichtung besteht, beschränken.28 Berufsjournalisten meint in diesem Zusammenhang Personen, die bei der Vorbereitung, Herstellung oder Verbreitung von Druckwerken, Rundfunksendungen, Filmberichten oder der Unterrichtung oder Meinungsbildung dienenden Informations- und Kommunikationsdiensten berufsmäßig mitwirken oder mitgewirkt haben.29 Gemäß § 23 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG)30 ist zudem die Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen in verschiedenen Formen speziell strafrechtlich sanktio- 23 Brüning, Beihilfe zum „Geheimnisverrat” durch Journalisten und die strafprozessualen Folgen - Der Fall „Cicero ” -, Neue Zeitschrift für Strafrecht (NStZ) 2006, S. 253. 24 Ebenda. 25 Ebenda. 26 Dafür etwa Fischer, Strafgesetzbuch mit Nebengesetzen, 68. Auflage 2021, § 353b StGB, Randnummer 28; dagegen etwa Kuhlen, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch, 5. Auflage 2017, § 353b StGB, Randnummer 59. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat diese Streitfrage im Urteil vom 27. Februar 2007 – 1 BvR 538/06 –, Randnummern 57 ff. (zitiert nach juris), offen gelassen. 27 Begriff etwa bei Fischer, Strafgesetzbuch mit Nebengesetzen, 68. Auflage 2021, § 353b StGB, Randnummer 27. 28 Die Gesetzesänderung geht zurück auf den „Fall Cicero“ (Überblick bei Schmidt-De Caluwe, Pressefreiheit und Beihilfe zum Geheimnisverrat i.S. des § 353b StGB – Der Fall „Cicero” und die Entscheidung des BVerfG, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 2007, S. 640 ff.). 29 § 353b Abs. 3a StGB in Verbindung mit § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Strafprozessordnung (StPO), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/stpo/. 30 Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vom 18. April 2019 (BGBl. I S. 466), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/geschgehg/index.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 081/21; WD 10 - 3000 - 036/21 Seite 8 niert. Parallel zum bereits beschriebenen § 353b Abs. 3a StGB hat sich der Gesetzgeber in gleicher Weise für eine Privilegierung von Berufsjournalisten für die Entgegennahme, Auswertung oder Veröffentlichung von Geschäftsgeheimnissen entschieden.31 2.1.2. Datenschutzstrafrecht Des Weiteren kommt bei der Veröffentlichung privater Chat-Nachrichten die Anwendung von Straftatbeständen aus dem Datenschutzstrafrecht, einem Gebiet des Nebenstrafrechts, in Betracht . Denn bei solchen Nachrichten kann es sich prinzipiell um personenbezogene Daten handeln , was den Anwendungsbereich der in der gesamten Europäischen Union (EU) unmittelbar anwendbaren Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO)32 eröffnet.33 Personenbezogene Daten sind alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen, etwa mittels Namen oder anderen Identitätsmerkmalen.34 Bezogen auf die Veröffentlichung einzelner Nachrichten bzw. deren Zitierung dürfte die objektive Zuordenbarkeit einer Aussage zu einer konkreten Person – direkt über die Namensnennung oder indirekt über sonstige Hinweise aus der bzw. um die Nachricht – für die Einordnung als personenbezogenes Datum entscheidend sein. Eine genaue Einordnung kann allerdings nur im Einzelfall erfolgen. In ihrem Anwendungsbereich gibt die DS-GVO in ihrem Art. 84 Abs. 1 den Mitgliedsstaaten auf, wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen gegen DS-GVO-Verstöße festzulegen. Dies bildet die Grundlage der deutschen datenschutzrechtlichen Strafvorschriften in § 42 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG)35.36 Die Auslegung der in der Norm enthaltenen Straftatbestände ist jedoch mit zahlreichen Problemen behaftet, von denen hier nur einzelne exemplarisch herausgegriffen werden können: 31 § 23 Abs. 6 GeschGehG. 32 Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung), abrufbar unter: https://eurlex .europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:32016R0679. Vgl. zur unmittelbaren Anwendbarkeit von EU-Verordnungen, Art. 288 Abs. 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legalcontent /DE/ALL/?uri=CELEX:12012E/TXT. 33 Art. 1 Abs. 1 DS-GVO. 34 Vgl. ausführliche Definition in Art. 4 Nr. 1 DS-GVO. 35 Bundesdatenschutzgesetz vom 30. Juni 2017 (BGBl. I S. 2097), das durch Artikel 10 des Gesetzes vom 23. Juni 2021 (BGBl. I S. 1858) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/bdsg_2018/. 36 Vgl. Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Datenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetz EU – DSAnpUG-EU), 24. Februar 2017, Bundestag-Drucksache (BT-Drs.) 18/11325, S. 109, abrufbar unter: https://dserver.bundestag.de/btd/18/113/1811325.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 081/21; WD 10 - 3000 - 036/21 Seite 9 Nach § 42 Abs. 2 Nr. 1 BDSG wird bestraft, wer personenbezogene Daten, die nicht allgemein zugänglich sind, ohne hierzu berechtigt zu sein, verarbeitet und hierbei gegen Entgelt oder in der Absicht handelt, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen. Allerdings ist etwa bereits umstritten, ob die Straftat allgemein begangen werden kann oder ob es sich hierbei ebenfalls um ein Sonderdelikt handelt, nach dem sich nur Personen strafbar machen können, die nach dem Datenschutzrecht bestimmungsgemäß mit den Daten in Berührung kommen – etwa als Verantwortlicher oder Auftragsverarbeiter im Sinne der DS-GVO.37 Daneben bestehen unterschiedliche Ansichten darüber, ob auch die bloße Publikation unbearbeiteter personenbezogener Daten unter das Merkmal der Verarbeitung fällt. Während dies einige juristische Literaturstimmen unter Berufung auf die allgemeine datenschutzrechtliche Definition der „Verarbeitung “ befürworten,38 sind andere der Auffassung, dass das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG) irgendeine Form der Einwirkung, Umgestaltung oder Nutzung geböte, die über die alleinige Veröffentlichung/Verbreitung hinausgehe.39 Inwiefern die journalistische Aufbereitung von Chat-Nachrichten auch nach der letztgenannten Ansicht ein Verarbeiten, etwa durch Umgestaltung, darstellen würde, kann vorliegend nicht abstrakt beantwortet werden. Die Veröffentlichung nicht allgemein zugänglicher personenbezogener Daten wird allerdings ohne Weiteres über § 42 Abs. 1 BDSG sanktioniert. Konkret wird dort bestraft, wer wissentlich nicht allgemein zugängliche personenbezogene Daten einer großen Zahl von Personen, ohne hierzu berechtigt zu sein, einem Dritten übermittelt oder auf andere Art und Weise zugänglich macht und hierbei gewerbsmäßig handelt. Neben auch hier relevanten Streitpunkten wie dem tauglichen Täterkreis der Straftat (s. o.) besteht die Einschränkung, dass die Zugänglichmachung von Daten Einzelner nicht ausreicht: es muss sich vielmehr um eine große Zahl von Personen handeln. Eine konkrete Mindestanzahl lässt sich hieraus nicht entnehmen, das Meinungsspektrum im rechtswissenschaftlichen Schrifttum reicht von 20 bis zu mehreren hundert Personen.40 Jedenfalls dürfte damit die Veröffentlichung von Chat-Nachrichten einzelner oder weniger Personen von vornherein nicht unter diesen Tatbestand fallen. Soweit ersichtlich, sind noch keine Entscheidungen der Rechtsprechung zu den punktuell dargestellten Streitfragen im Datenschutzstrafrecht ergangen. Auch ansonsten ist in den einschlägigen 37 Brodowski/Nowak, in: Beck’scher Online-Kommentar Datenschutzrecht, 36. Edition (Stand: 1. Mai 2021), § 42 BDSG, Randnummer 15. Überblick zum Streitstand in der juristischen Literatur bei Bergt, in: Kühling /Buchner, DS-GVO – BDSG, § 42 BDSG, Randnummer 3. 38 Brodowski/Nowak, in: Beck’scher Online-Kommentar Datenschutzrecht, 36. Edition (Stand: 1. Mai 2021), § 42 BDSG, Randnummern 45 ff. mit weiteren Nachweisen. Die Verarbeitung ist in Art. 4 Nr. 2 DS-GVO legaldefiniert . 39 Kubiciel/Großmann, Doxing als Testfall für das Datenschutzstrafrecht, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2019, S. 1050, 1055. 40 Vgl. aktuellen Überblick bei Wybitul/Klaas, § 42 BDSG: Neue strafrechtliche Risiken für Unternehmen und Leitungsorgane wegen Datenschutzverstößen, Neue Zeitschrift für Wirtschafts-, Steuer- und Unternehmensstrafrecht (NZWiSt) 2021, S. 216, 220. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 081/21; WD 10 - 3000 - 036/21 Seite 10 juristischen Datenbanken keine strafgerichtliche Entscheidung zu den Strafvorschriften aus § 42 BDSG seit ihrem Inkrafttreten 2018 veröffentlicht.41 2.2. Strafbarkeitsrisiken in besonderen Situationen 2.2.1. Datenhehlerei (§ 202d StGB) Mit § 202d StGB (Datenhehlerei) ist ein Spezialtatbestand zu beachten, falls veröffentlichte Daten aus rechtswidriger Quelle stammen. Hiernach wird bestraft, wer Daten, die nicht allgemein zugänglich sind und die ein anderer durch eine rechtswidrige Tat erlangt hat, sich oder einem anderen verschafft, einem anderen überlässt, verbreitet oder sonst zugänglich macht, um sich oder einen Dritten zu bereichern oder einen anderen zu schädigen.42 Nach der gesetzgeberischen Intention handelt es sich bei § 202d StGB um ein Delikt, das im Anschluss an Straftaten begangen werden kann, die sich (auch) gegen die formelle Verfügungsberechtigung des Verletzten über die Daten richten.43 Dies sind insbesondere Delikte der Computerkriminalität wie das Ausspähen von Daten (§ 202a StGB) – sogenanntes Hacking44 – und das Abfangen von Daten (§ 202b StGB).45 Aber auch allgemeine Straftatbestände wie der Diebstahl (§ 242 StGB) und der Betrug (§ 263 StGB) können hierunter fallen.46 Die Vortat muss von einer anderen Person als dem Datenhehler begangen worden sein, letzterer kann zur Vortat jedoch angestiftet oder Beihilfe geleistet haben.47 Wichtige Einschränkung bei den Tathandlungen der Datenhehlerei, z. B. bei dem für journalistische Tätigkeiten relevanten „Verbreiten“ der Daten, ist das ungeschriebene Erfordernis des einverständlichen Zusammenwirkens zwischen Täter und Vortäter.48 Eine Strafbarkeit wegen Datenhehlerei scheidet demgemäß aus, wenn der Täter zwar Kenntnis von der Vortat hat, er aber 41 § 42 BDSG trat, wie die gesamte Neufassung des BDSG nach Erlass der DS-GVO am 25. Mai 2018 in Kraft (Art. 8 Abs. 1 DSAnpUG-EU vom 30. Juni 2017 (BGBl. I S. 2097), abrufbar unter: https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&jumpTo=bgbl117s2097.pdf#__bgbl__ %2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl117s2097.pdf%27%5D__1626703825039. 42 § 202d Abs. 1 StGB. 43 Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten, 9. Juni 2015, BT-Drs. 18/5088, S. 46, abrufbar unter: https://dserver.bundestag.de/btd/18/050/1805088.pdf. 44 Ebenda, S. 26. 45 Ebenda, S. 46. 46 Ebenda. 47 Fischer, Strafgesetzbuch mit Nebengesetzen, 68. Auflage 2021, § 202d StGB, Randnummer 6. 48 BT-Drs. 18/5088 (Fußnote 43), S. 47. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 081/21; WD 10 - 3000 - 036/21 Seite 11 nicht den Vortäter (einvernehmlich) als Quelle der Daten nutzt, sondern auf andere Weise darauf zugreift.49 Subjektiv müssen neben dem einfachen Vorsatz hinsichtlich des objektiven Tatbestandes, insbesondere der Herkunft der Daten aus einer rechtswidrigen Vortat, auch die Eigen- oder Drittbereicherungs - bzw. Schädigungsabsicht hinzukommen. Insbesondere für berufsjournalistische Tätigkeiten wichtig ist der Tatbestandsausschluss in § 202d Abs. 3 StGB bei ausschließlicher Erfüllung rechtmäßiger dienstlicher oder beruflicher Pflichten.50 Auch in diesem Zusammenhang gilt in Anlehnung an § 353b Abs. 3a StGB das Presseprivileg für berufliche Handlungen von Berufsjournalisten, mit denen Daten entgegengenommen , ausgewertet oder veröffentlicht werden.51 Dessen Auslegungsgrundsätze gelten auch hier.52 2.2.2. Sonstige Sonderkonstellationen Nach allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen kommt zudem im Rahmen der Veröffentlichung von Chat-Nachrichten die Verwirklichung weiterer Tatbestände in Betracht, sofern zusätzliche Umstände des Einzelfalles dies implizieren. Bei hinzukommender herabwürdigender Darstellung des Betroffenen im Zuge der Veröffentlichung ist beispielsweise eine Beleidigung möglich (§ 185 StGB).53 Falls die Verbreitung mit Drohungen verbunden ist, kann eine Nötigung (§ 240 StGB) im Raum stehen. In Zusammenhang mit der Strafbarkeit entsprechender Veröffentlichungen in Sonderkonstellationen ist auch der am 24. Juni 2021 durch den Deutschen Bundestag verabschiedete Gesetzentwurf zur Änderung des Strafgesetzbuches zu nennen, der u. a. die Einführung des Straftatbestandes des Gefährdenden Verbreitens personenbezogener Daten (§ 126a StGB-E) vorsieht.54 Nach dem Passieren des Bundesrates stehen nunmehr noch die Verkündung und das Inkrafttreten des Gesetzes aus.55 Gemäß § 126a StGB-E wird künftig bestraft, wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts personenbezogene Daten einer anderen Person in einer Art 49 Ebenda. 50 § 202d Abs. 3 Satz 1 StGB. 51 § 202d Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB. 52 BT-Drs. 18/5088 (Fußnote 43), S. 48. 53 Vgl. etwa für die Frage einer Beleidigungsstrafbarkeit bei der Veröffentlichung von Bildaufnahmen Dritter, Heckmann, in: jurisPK-Internetrecht, 7. Auflage 2021, Kapitel 8, Randnummer 345. 54 Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes gegen sogenannte Feindeslisten, 19. April 2021, BT-Drs. 19/28678, S. 7, abrufbar unter: https://dserver.bundestag.de/btd/19/286/1928678.pdf. Vgl. zum Gesetzgebungsvorgang insgesamt auch die Übersichtsseite des Dokumentations- und Informationssystems für Parlamentsmaterialien des Deutschen Bundestages (DIP), abrufbar unter: https://dip.bundestag.de/vorgang/gesetz-zur-%C3%A4nderung-desstrafgesetzbuches -verbesserung-des-strafrechtlichen-schutzes-gegen/275875. 55 Vgl. DIP (Fußnote 54). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 081/21; WD 10 - 3000 - 036/21 Seite 12 und Weise verbreitet, die geeignet ist, diese Person oder eine ihr nahestehende Person der Gefahr eines gegen sie gerichteten Verbrechens56 oder einer gegen sie gerichteten sonstigen rechtswidrigen Tat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder gegen eine Sache von bedeutendem Wert auszusetzen. 3. Urheberrechtliche Relevanz Bisher liegt noch keine gerichtliche Entscheidung vor, inwieweit und ob Chat-Nachrichten urheberrechtlich geschützt sind. Generell gilt: Gemäß § 2 Abs. 2 des Urheberrechtsgesetzes (UrhG)57 sind nur Werke, d.h. persönliche geistige Schöpfungen, geschützt. Der Begriff der Schöpfung verlangt eine gewisse Gestaltungshöhe des Schutzgutes.58 Dies bedeutet, dass es einen „hinreichenden schöpferischen Eigentümlichkeitsgrad “59 aufweisen, also über das „Handwerksmäßige und Durchschnittliche“60 hinausgehen muss. Durch dieses Erfordernis soll sichergestellt werden, dass einfache Alltagserzeugnisse nicht dem Schutz des Urheberrechts unterliegen.61 Inwiefern bei alltäglichen Chat-Nachrichten die erforderliche Gestaltungshöhe vorliegt, ist fraglich . Als Maßstab für die Beurteilung der Gestaltungshöhe zieht die Rechtsprechung das Prinzip der „kleinen Münze“62 heran. Danach soll „ein bescheideneres Maß geistig schöpferischer Tätigkeit “63 genügen. Dies ist dann gegeben, wenn die Äußerung durch Individualität unterscheidbar ist. Der Begriff und die Maßstäbe der Individualität sind seitens der Rechtsprechung und der Literatur stark umstritten. Eine allgemeingültige Aussage zur Beurteilung von Individualität kann nicht getroffen werden, da je nach Werkart unterschiedliche Maßstäbe angelegt werden. Bei Sprachwerken, unter die Chat-Nachrichten zu subsumieren sind, stellt die Rechtsprechung für 56 Verbrechen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind (§ 12 Abs. 1 StGB). 57 Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 31. Mai 2021 (BGBl. S. 1204) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-iminternet .de/urhg/. 58 Schulze, in: Dreier/Schulze/Schulze, 6. Auflage 2018, § 2 UrhG, Randnummer 16. 59 Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 10. Dezember 1987 – I ZR 198/85 –, Randnummer 22 (zitiert nach juris). 60 Heinrich, in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2019, Band 7, § 106 UrhG, Randnummer 15. 61 BGH, Urteil vom 9. Mai 1985 – I ZR 52/83 –, Randnummer 83; BGH, Urteil vom 17. April 1986 – I ZR 213/83 –, Randnummer 12 (beide zitiert nach juris); Bullinger, in: Wandtke/Bullinger/Bullinger, 5. Auflage 2019, § 2 UrhG, Randnummer 23. 62 Der Begriff geht zurück auf Elster, Gewerblicher Rechtsschutz, 1921, S. 40. 63 BGH, Urteil vom 21. November 1991 – I ZR 190/89 –, Randnummer 44; BGH, Teilurteil vom 24. Mai 2007 – I ZR 130/04 –, Randnummer 21 (beide zitiert nach juris); Heinrich, in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2019, Band 7, § 106 UrhG, Randnummer 18. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 081/21; WD 10 - 3000 - 036/21 Seite 13 die Beurteilung der Individualität darauf ab, inwiefern sich die Äußerung durch die sprachliche Form als auch durch den Inhalt von anderen Äußerungen unterscheidet. Das Kammergericht [Berlin] (KG) argumentiert in einem plastischen Fall: „Der Brief erfährt zusätzliche individuelle Prägung durch das Verweben der hierzu geäußerten Gedanken mit dem Eingehen auf die (bisherige) Freundschaft der Briefparteien. Zudem hebt sich der Stil, auch bedingt durch die emotionale Beteiligung des Verfassers und der zwischen den Personen bestehenden Freundschaft, jedenfalls in einzelnen Formulierungen (´ein Exemplar, in dem ich schon geschmurgelt habe‚ ... ´Verschlüsselungen und Symbole.. nenne (ich) immer ganz für mich ´poetische Gaunerzinken‚..) und durch den Einsatz rhetorischer Fragen (`Und wer möchte gern von sich sagen lassen, dass seine geistige Ebene nicht hoch genug sei, um einen Dichter unserer Tage zu verstehen?‚ ... ´Merkst Du denn nicht, dass Du damit auch mich, den Du als Deinen Freund bezeichnest, in diese Kategorie der ´niederen Dichter ‚ einreihst?‚...) von einem sachlichen und neutralen Text deutlich ab. Das Abkanzeln des bisherigen Dichterfreundes, weil dieser daran festhalte, jedenfalls von Dritten als ´Dekadenzliteratur ‚ eingeordnete, wirklichkeitsferne und unverständliche Gedichte zu schreiben, ist nach Inhalt und Stil auf eigentümliche Weise verfasst und nicht ansatzweise banal geraten, sondern das individuelle und schöpferische Ergebnis einer geistigen Leistung.“64 Vor diesem Hintergrund ist es fraglich, ob und inwieweit eine Individualität als Erfordernis für den urheberrechtlichen Schutz bei alltäglichen Chat-Nachrichten gegeben ist. Eine allgemeine Aussage kann jedoch nicht getroffen werden. Hierfür kommt es auf die Beurteilung im konkreten Einzelfall an. 4. Fazit Die unbefugte Veröffentlichung von privaten elektronischen Text- oder Sprachnachrichten Dritter dürfte, neben eventuellen zivilrechtlichen Implikationen, nur in spezifischen Konstellationen Konsequenzen gemäß allgemeinem Strafrecht nach sich ziehen. Dies gilt umso mehr, soweit die Veröffentlichung im Rahmen einer berufsmäßigen journalistischen Tätigkeit geschieht. Die Frage der Anwendbarkeit datenschutzstrafrechtlicher Regelungen auf die Veröffentlichungshandlung wirft daneben zahlreiche ungeklärte Rechtsprobleme auf. Eine Urheberrechtsverletzung ist nur möglich, wenn die veröffentlichte Chat-Nachricht eine bestimmte Gestaltungshöhe aufweist. * * * 64 KG Berlin, Urteil vom 10. Juni 2015 – 24 U 101/14 –, Randnummer 18 (zitiert nach juris).