© 2015 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 081/15 Die Ministererlaubnis im Rahmen der kartellrechtlichen Fusionskontrolle Unter besonderer Berücksichtigung der Lebensmittelbranche Sachstand Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 081/15 Seite 2 Die Ministererlaubnis im Rahmen der kartellrechtlichen Fusionskontrolle Unter besonderer Berücksichtigung der Lebensmittelbranche Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 081/15 Abschluss der Arbeit: 7. Mai 2015 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Der vorliegende Sachstand beruht in wesentlichen Teilen auf der Ausarbeitung „Zur Ministererlaubnis im Rahmen der pressespezifischen kartellrechtlichen Fusionskontrolle“ vom 22. Dezember 2005 (Az. 2. WF VII G - 218/05). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 081/15 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Die Fusionskontrolle im GWB 4 3. Die Ministererlaubnis im Fusionskontrollverfahren 5 3.1. Materiell-rechtliche Voraussetzungen 5 3.2. Verfahren 6 3.3. Rechtsschutz 7 4. Bisherige Ministererlaubnisverfahren 9 5. Zusammenfassung 10 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 081/15 Seite 4 1. Einleitung Mit Verfügung vom 1. April 2015 hat das Bundeskartellamt den Erwerb der Kaiser´s Tengelmann GmbH/Tengelmann Int. Handels GmbH durch EDEKA untersagt, weil das Vorhaben nach Auffassung des Amtes zu einer erheblichen Verschlechterung der Wettbewerbsbedingungen auf zahlreichen ohnehin stark konzentrierten regionalen Märkten und Stadtbezirken geführt hätte.1 In der Reaktion auf die Untersagung haben die Unternehmensgruppe Tengelmann und EDEKA am 29. April 2015 gemeinsam einen Antrag auf Ministererlaubnis beim Bundeswirtschaftsminister gestellt, da aus Sicht der Unternehmen die tatsächlichen gesamtwirtschaftlichen Vorteile des Fusionsvorhabens die rein wettbewerbsrechtlichen Kritikpunkte des Bundeskartellamtes weit überwögen .2 Vor diesem aktuellen Hintergrund soll vorliegend – sofern möglich unter besonderer Berücksichtigung der Lebensmittelbranche – ein kurzer Abriss der Instruments der Ministererlaubnis im Fusionskontrollverfahren gegeben werden. 2. Die Fusionskontrolle im GWB Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)3 dient dem Schutz eines funktionsfähigen Wettbewerbs (vgl. § 1 GWB). Eines der Regelungsinstrumente ist die im Siebenten Abschnitt des GWB normierte Fusions- bzw. Zusammenschlusskontrolle. Deren Ziel ist im Wesentlichen, durch präventives Eingreifen das Entstehen einer marktbeherrschenden Stellung eines Unternehmens aufgrund eines Zusammenschlusses zu verhindern (vgl. § 36 GWB).4 Während das GWB durchaus Spezialregelungen für bestimmte Branchen kennt5, bestehen keine besonderen Regelungen für die Fusionskontrolle in der Lebensmittelbranche. Die Zahl der beim Bundeskartellamt 1 Az. B2-96/14. Vgl. Pressemitteilung des Bundeskartellamtes vom 1. April 2015, abrufbar unter http://www.bundeskartellamt .de/SharedDocs/Meldung/DE/Pressemitteilungen/2015/01_04_2015_Edeka_Tengelmann_Untersagung .html?nn=3591286 (Stand dieser unter sämtlicher nachfolgender Online-Quellen: 8. Mai 2015). 2 Pressemitteilung „Unternehmensgruppe Tengelmann und EDEKA reichen Antrag auf Ministererlaubnis ein“ vom 29. April 2015 (http://tengelmann.de/home/presse/presse-aktuell/newsdetail/datum/2015/04/29/unternehmensgruppe -tengelmann-und-edeka-reichen-antrag-auf-ministererlaubnis-ein.html). 3 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1750, 3245), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 15. April 2015 (BGBl. I S. 578) geändert worden ist. 4 Murach, Deutsche Fusionskontrolle, 2012, Rdn. 540. Die wesentlichen rechtlichen Grundlagen der Fusionskontrolle und die Grundzüge des Fusionskontrollverfahrens in Deutschland können einem Merkblatt des Bundeskartellamts (Stand 2005) entnommen werden (http://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Publikation /DE/Merkbl%C3%A4tter/Merkblatt%20-%20Deutsche%20Fusionskontrolle.pdf;jsessionid =A849CDF5F1F81B4914215B810CE69566.1_cid362?__blob=publicationFile&v=3). Der vom Bundeskartellamt bei der Beurteilung der Frage, ob durch einen Zusammenschluss eine marktbeherrschende Stellung entsteht oder verstärkt wird verwendete Beurteilungsmaßstab kann dem „Leitfaden zur Marktbeherrschung in der Fusionskontrolle “ (Stand: März 2012) entnommen werden (abrufbar unter: http://www.bundeskartellamt.de/Shared- Docs/Publikation/DE/Leitfaden/Leitfaden%20-%20Marktbeherrschung%20in%20der%20Fusionskontrolle .pdf?__blob=publicationFile&v=12). 5 Vgl. insoweit den Fünften Abschnitt „Sonderregeln für bestimmte Wirtschaftsbereiche“ des GWB. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 081/15 Seite 5 angemeldeten Zusammenschlüsse ist erheblich: Allein zwischen 1990 und 2012 wurden insgesamt über 30.000 Zusammenschlüsse angemeldet.6 3. Die Ministererlaubnis im Fusionskontrollverfahren Das kartellrechtliche Verfahren der Fusionskontrolle ist durch seine Zweistufigkeit geprägt: Während das Bundeskartellamt ein Vorhaben nach rein wettbewerblichen Kriterien beurteilt, kann der Bundeswirtschaftsminister ein vom Bundeskartellamt untersagtes Vorhaben auf einen entsprechenden Antrag der Beteiligten hin aus sonstigen öffentlichen Interessen ausnahmsweise freigeben.7 Die Ministererlaubnis stellt im Verhältnis zum bundeskartellamtlichen Fusionsverfahren eine allgemeine politische Korrektur dar, indem der Staat auf die Durchsetzung ordnungspolitisch begründeter Interventionen verzichtet.8 Sie ist als Ausnahmevorschrift restriktiv zu handhaben , um das Primat der Fusionskontrolle nicht in Frage zu stellen.9 3.1. Materiell-rechtliche Voraussetzungen Nach § 42 Absatz 1 Satz 1 GWB erteilt der Bundeswirtschaftsminister auf Antrag die Erlaubnis zu einem vom Bundeskartellamt untersagten Zusammenschluss, wenn im Einzelfall die Wettbewerbsbeschränkung von gesamtwirtschaftlichen Vorteilen des Zusammenschlusses aufgewogen wird oder der Zusammenschluss durch ein überragendes Interesse der Allgemeinheit gerechtfertigt ist. Hierbei ist nach § 42 Absatz 1 Satz 2 GWB auch die Wettbewerbsfähigkeit der beteiligten Unternehmen auf Märkten außerhalb des Geltungsbereichs des GWB zu berücksichtigen. Durch das Ausmaß der Wettbewerbsbeschränkung darf die marktwirtschaftliche Ordnung nicht gefährdet werden (§ 42 Absatz 1 Satz 3 GWB). Der Bundeswirtschaftsminister hat bei seiner Entscheidung kein Ermessen im Rechtssinne.10 Kommt er zu der Auffassung, dass die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, so muss er die Erlaubnis zum Zusammenschluss erteilen.11 Allerdings hat der Minister einen sog. Beurteilungsspielraum bei der Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe „gesamtwirtschaftliche Vorteile“ und „Interesse der Allgemeinheit“.12 Ein Zusammenschluss bringt generell gesamtwirtschaftliche Vorteile, wenn er geeignet ist, die Verwirklichung der Ziele der staatlichen Wirtschaftspolitik zu 6 Bericht des Bundeskartellamtes über seine Tätigkeit in den Jahren 2011/2012 sowie über die Lage und Entwicklung auf seinem Aufgabengebiet, BT-Drs. 17/13675, S. 125. 7 Klingsch, Die Berücksichtigung wettbewerbsfremder Aspekte in der Zusammenschlusskontrolle nach deutschem und schweizerischem Recht, 2012, S. 47. 8 Thomas, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2014, § 42 GWB Rdn. 1. 9 Thomas, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2014, § 42 GWB Rdn. 4. 10 Murach, Deutsche Fusionskontrolle, 2012, Rdn. 701. 11 Murach, Deutsche Fusionskontrolle, 2012, Rdn. 701. 12 Thomas, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2014, § 42 GWB Rdn. 83; Murach, Deutsche Fusionskontrolle, 2012, Rdn. 701. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 081/15 Seite 6 fördern, wie sie z. B. in § 1 Stabilitätsgesetz13 enthalten sind.14 Hiernach haben Bund und Länder bei ihren wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen die Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu beachten (§ 1 Satz 1 Stabilitätsgesetz). Die Maßnahmen sind nach § 1 Satz 2 Stabilitätsgesetz so zu treffen, dass sie im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung gleichzeitig zur Stabilität des Preisniveaus, zu einem hohen Beschäftigungsstand und außenwirtschaftlichem Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wirtschaftswachstum beitragen. Die Entscheidung des Wirtschaftsministers muss „im Einzelfall“ getroffen werden, so dass die Erteilung einer Erlaubnis für bestimmte Arten von Zusammenschlüssen (sog. Gruppenausnahmen ) nicht möglich ist.15 Der Bundeswirtschaftsminister ist nach h. M. an die tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen in der Untersagungsverfügung des Bundeskartellamts nach § 36 GWB gebunden.16 Allerdings besteht diese Bindung nicht, wenn die Feststellungen offensichtlich unplausibel , spekulativ oder widersprüchlich sein sollten.17 Im Rahmen der Abwägung von Wettbewerbsbeschränkung und Gemeinwohlinteresse kann der Bundeswirtschaftsminister trotz der Bindung an die tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen des Bundeskartellamts die Wettbewerbsbeschränkung anders gewichten als dieses. Diese Maßstäbe gelten für Anträge auf Ministererlaubnis in allen Wirtschaftsbranchen und damit auch für Zusammenschlüsse im Bereich Lebensmittel-Einzelhandel. 3.2. Verfahren Aus dem Wortlaut des § 42 Absatz 1 Satz 1 GWB ergibt sich das Antragserfordernis. Fehlt ein Antrag oder wird er zurückgenommen, so kann eine Ministererlaubnis nicht (mehr) erteilt werden . Der Antrag auf Erteilung einer Ministererlaubnis ist unverzüglich im Bundesanzeiger oder im elektronischen Bundesanzeiger bekannt zu machen (§ 43 Absatz 1 GWB). Ein Antrag kann erst gestellt werden, wenn eine Untersagungsverfügung des Bundeskartellamts vorliegt. Hat das Bundeskartellamt einen Zusammenschluss untersagt, so hat der Antragsberechtigte die Möglichkeit, Beschwerde gegen die Untersagungsverfügung gemäß §§ 63 ff. GWB einzulegen sowie – gegebenenfalls auch parallel – einen Antrag auf Ministererlaubnis zu stellen.18 13 Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft vom 8. Juni 1967 (BGBl. I S. 582), das zuletzt durch Artikel 135 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407). 14 Thomas, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2014, § 42 GWB Rdn. 85. 15 Thomas, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2014, § 42 GWB Rdn. 82. 16 Thomas, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2014, § 42 GWB Rdn. 74. Ausführlich zu dieser Problematik: Klingsch, Die Berücksichtigung wettbewerbsfremder Aspekte in der Zusammenschlusskontrolle nach deutschem und schweizerischem Recht, 2012, S. 188 ff. 17 Thomas, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2014, § 42 GWB Rdn. 75. 18 Thomas, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2014, § 42 GWB Rdn. 68. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 081/15 Seite 7 Im Ministererlaubnisverfahren ist jede Person antragsberechtigt, gegen die sich die Untersagungsverfügung des Bundeskartellamts richtet (vgl. § 63 Absatz 2 i. V. m. § 54 Absatz 2 GWB). Der Bundeswirtschaftsminister soll nach § 42 Absatz 4 Satz 1 GWB innerhalb von vier Monaten über den Antrag entscheiden. Vor der Entscheidung ist eine Stellungnahme der Monopolkommission 19 einzuholen und den obersten Landesbehörden, in deren Gebiet die beteiligten Unternehmen ihren Sitz haben, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (§ 42 Absatz 4 Satz 2 GWB). Für das Verfahren der Ministererlaubnis gelten generell die allgemeinen Vorschriften des Kartellverwaltungsverfahrensrechts nach den §§ 54 ff. GWB. Somit gilt auch der Grundsatz, dass den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben ist (§ 56 Absatz 1 GWB). Das Bundeswirtschaftsministerium führt im Ministererlaubnisverfahren eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, von der nur mit Einverständnis der Beteiligten abgesehen werden kann (§ 56 Absatz 3 Satz 3 GWB).20 Nach § 42 Absatz 2 Satz 1 GWB kann die Erlaubnis mit Bedingungen und Auflagen verbunden werden. Allerdings dürfen sich diese Bedingungen und Auflagen nicht darauf richten, die beteiligten Unternehmen einer laufenden Verhaltenskontrolle zu unterstellen (§ 42 Absatz 2 Satz 2 i. V. m. § 40 Absatz 3 Satz 2 GWB). Hierdurch soll vermieden werden, dass die Fusionskontrolle in eine industriepolitische Sektorensteuerung umschlägt und der Wettbewerb durch Verpflichtungen zu unternehmerischem Wohlverhalten verdrängt wird.21 Ebenso wie die Antragstellung (§ 43 Absatz 1 GWB) ist die Erteilung der Ministererlaubnis, deren Ablehnung oder deren Änderung im Bundesanzeiger oder im elektronischen Bundesanzeiger bekannt zu machen (§ 43 Absatz 2 Nr. 2 GWB). 3.3. Rechtsschutz Ebenso wie gegen Verfügungen des Bundeskartellamts ist gegen Verfügungen des Bundeswirtschaftsministeriums im Ministererlaubnisverfahren die Beschwerde zulässig (§ 63 GWB).22 Über die Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht Düsseldorf (§ 63 Absatz 4 GWB). Die Beschwerde hat nach § 64 aufschiebende Wirkung, es sei denn, es ist die sofortige Vollziehung der Untersagungsverfügung nach § 65 GWB angeordnet worden. Nach § 65 Absatz 3 Satz 3 GWB kann das Beschwerdegericht unter bestimmten Voraussetzungen auf Antrag die aufschiebende 19 Die Aufgaben der Monopolkommission sind in § 44 GWB beschrieben. Sie ist in ihrer Tätigkeit unabhängig (§ 44 Absatz 2 Satz 1 GWB). 20 Die Beteiligten am Verfahren und an der mündlichen Verhandlung ergeben sich aus § 54 GWB. 21 Thomas, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2014, § 42 GWB Rdn. 157. 22 Thomas, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2014, § 42 GWB Rdn. 171. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 081/15 Seite 8 Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Der Antrag eines Dritten auf Erlass einer solchen einstweiligen Anordnung ist bei einer Entscheidung im Ministererlaubnisverfahren auch dann zulässig , wenn dieser keine eigene Rechtsverletzung geltend macht.23 An dem Verfahren vor dem Beschwerdegericht sind nach § 67 Absatz 1 GWB beteiligt: – der Beschwerdeführer, – die Kartellbehörde, deren Verfügung angefochten wird24, – Personen und Personenvereinigungen, deren Interessen durch die Entscheidung erheblich berührt werden und die die Kartellbehörde auf ihren Antrag zu dem Verfahren beigeladen hat. Beschwerdeberechtigt sind die am Ministererlaubnisverfahren Beteiligten (§ 63 Absatz 2 GWB). An dem Ministererlaubnisverfahren sind nach § 54 Absatz 2 beteiligt: – der Antragsteller, – Kartelle, Unternehmen, Wirtschafts- oder Berufsvereinigungen, gegen die sich das Verfahren richtet, – Personen und Personenvereinigungen, deren Interessen durch die Entscheidung erheblich berührt werden und die die Kartellbehörde auf ihren Antrag zu dem Verfahren beigeladen hat (für die Interessen der Verbraucherzentralen und anderer Verbraucherverbände gilt eine Sonderregelung), – in den Fällen des Erwerbs des Vermögens eines anderen Unternehmens und des Erwerbs von Anteilen an einem anderen Unternehmen (§ 37 Absatz 1 Nr. 1 und 3 GWB) auch der Veräußerer. Die Würdigung der gesamtwirtschaftlichen Lage und Entwicklung ist der Nachprüfung des Beschwerdegerichts entzogen (§ 71 Absatz 5 Satz 2 GWB). Damit sind die unbestimmten Rechtsbegriffe in § 42 Absatz 1 GWB („gesamtwirtschaftliche Vorteile des Zusammenschlusses“, „überragendes Interesse der Allgemeinheit“) nicht gerichtlich überprüfbar. Sinn und Zweck der Vorschrift ist es, ihrer Natur nach politische Wertungen nicht zu verrechtlichen.25 Überprüfbar sind beispielsweise Verfahrensfehler.26 23 Thomas, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2014, § 42 GWB Rdn. 176. 24 Das ist im Falle der Ministererlaubnis das Bundeswirtschaftsministerium. 25 Vgl. Thomas, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2014, § 42 GWB Rdn. 179. 26 Vgl. hierzu OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18. September 2002, Az.: Kart 25/02 (V). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 081/15 Seite 9 Gegen Beschlüsse des Beschwerdegerichts findet nach § 74 Absatz 1 GWB die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof statt, wenn das Beschwerdegericht diese entsprechend den in § 74 Absatz 2 GWB genannten Voraussetzungen (Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung) zugelassen hat. Weitere Einzelheiten zur Rechtsbeschwerde sind in den §§ 74 - 76 GWB geregelt. 4. Bisherige Ministererlaubnisverfahren Informationen über die bisherigen Ministererlaubnisverfahren können den gemäß § 44 GWB alle zwei Jahre vorzulegenden Hauptgutachten der Monopolkommission entnommen werden, die jeweils als Unterrichtung durch die Bundesregierung dem Bundestag zugeleitet und als Bundestagsdrucksache veröffentlicht werden.27 Danach sind bislang – ohne Berücksichtigung des unter Gliederungspunkt 1 genannten jüngsten Verfahrens – insgesamt 21 Ministererlaubnisverfahren durchgeführt worden.28 Im Mittelpunkt standen hierbei meist gesamtwirtschaftliche Vorteile.29 Folgende Aspekte wurden in der Vergangenheit als gesamtwirtschaftliche Vorteile in Erwägung gezogen30: – die Sicherung der Energieversorgung in Deutschland – die Sicherung der medizinischen Versorgung – die Erhaltung wertvollen technischen Know-hows – der Ausbau der Forschung – die Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen bzw. die Erleichterung des Markteintritts im Ausland – die Beseitigung von Strukturrisiken – die Sanierung von Unternehmen, die für das Gemeinwohl von Bedeutung sind – die Pressevielfalt – Rationalisierungsvorteile, wenn sie nicht nur für die beteiligten Unternehmen entstehen. 27 So aktuell das Zwanzigste Hauptgutachten der Monopolkommission 2012/2013, Bundestagsdrucksache 18/2150. 28 Vgl. BT-Drs. 18/2150, S. 795 ff. Eine Kurzübersicht ist auch auf der Website des Bundeswirtschaftsministeriums abrufbar (http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/Wettbewerbspolitik/antraege-auf-ministererlaubnis,property =pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf). 29 Murach, Deutsche Fusionskontrolle, 2012, Rdn. 695. 30 Auflistung nach Murach, Deutsche Fusionskontrolle, 2012, Rdn. 697 (dort m. w. N.). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 081/15 Seite 10 Bei den jeweils betroffenen Märkten handelte es sich u. a. um den Energiemarkt, Maschinenbau, Presseerzeugnisse und Düngemittel. Im Bereich Lebensmittel-Einzelhandel stellt das vorliegende Verfahren EDEKA/Tengelmann somit den ersten Fall dar. 5. Zusammenfassung Fusionen von Unternehmen unterliegen der allgemeinen kartellrechtlichen Fusionskontrolle nach dem Siebenten Abschnitt des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Das Bundeskartellamt prüft hierbei, ob eine Fusion unter Wettbewerbsgesichtspunkten zu untersagen ist, während das Bundeswirtschaftsministerium in dem sich gegebenenfalls auf Antrag eines Beteiligten anschließenden Ministererlaubnisverfahren prüft, ob im Einzelfall die Wettbewerbsbeschränkung durch Gründe des Gemeinwohls aufgewogen wird. Der Bundeswirtschaftsminister ist bei seiner Entscheidung zwar grundsätzlich an die wettbewerbsrechtlichen Feststellungen des Bundeskartellamts gebunden, darf diese jedoch anders gewichten. Vor seiner Entscheidung hat er u. a. eine Stellungnahme der Monopolkommission einzuholen. Betroffene einer Untersagungsverfügung des Bundeskartellamtes können diese sowohl gerichtlich anfechten als auch – sogar parallel31 – direkt eine Ministererlaubnis beantragen. Die Entscheidung im Ministererlaubnisverfahren ist wiederum mit der Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf anfechtbar. Gegen den Beschluss des Beschwerdegerichts findet die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof statt, wenn das Oberlandesgericht die Rechtsbeschwerde zugelassen hat. Das Instrument der Ministerkontrolle ist als Ausnahme konzipiert. Dem entspricht, dass einer großen Zahl von mehreren Zehntausend angemeldeten32 und vollzogenen33 Zusammenschlüssen derzeit lediglich 21 abgeschlossene Ministererlaubnisverfahren gegenüberstehen. Das aktuelle Verfahren EDEKA/Tengelmann stellt den ersten Fall eines Ministererlaubnisverfahrens im Bereich der Lebensmittelbranche dar. 31 Thomas, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2014, § 42 GWB Rdn. 68. 32 Bericht des Bundeskartellamtes über seine Tätigkeit in den Jahren 2011/2012 sowie über die Lage und Entwicklung auf seinem Aufgabengebiet, BT-Drs. 17/13675, S. 125. 33 Vgl. Bergmann, Die Ministererlaubnis in der Zusammenschlusskontrolle, 2005, S. 37.