© 2017 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 080/17 Gesetzeslage in Deutschland zu Hasskommentaren in sozialen Netzwerken Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung . Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 080/17 Seite 2 Gesetzeslage in Deutschland zu Hasskommentaren in sozialen Netzwerken Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 080/17 Abschluss der Arbeit: 14. Juni 2017 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 080/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Spezielle Normen zu Hasskommentaren und Gewaltaufrufen 4 3. Sonstige relevante Normen 5 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 080/17 Seite 4 1. Einleitung Seit geraumer Zeit wird eine Zunahme von aggressiven und beleidigenden Äußerungen (auch „hate speech“ genannt) insbesondere im Internet und in sozialen Netzwerken als strafrechtlich relevant betrachtet.1 Dieser Sachstand befasst sich daher vor allem mit der Frage, ob es im deutschen Recht ein Gesetz gibt, das ausschließlich die Problematik der Verbreitung von sogenannten Hassnachrichten und Gewaltaufrufen in sozialen Netzwerken regelt (Ziff. 2). Anschließend wird darauf eingegangen, welche sonstigen Rechtsnormen für diesen Themenkomplex in Betracht kommen (Ziff. 3). Dabei liegt der Schwerpunkt auf den strafrechtlichen Rechtsnormen. 2. Spezielle Normen zu Hasskommentaren und Gewaltaufrufen Eine gesetzliche Regelung, die ausdrücklich die Problematik um die Veröffentlichung und Verbreitung von Hassnachrichten und Gewaltaufrufen regelt, existiert in Deutschland noch nicht. Allerdings liegt hierzu inzwischen ein entsprechender Gesetzesentwurf vor. Nach diesem Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzdurchsetzungsgesetz – NetzDG)2 sollen die sozialen Netzwerke verpflichtet werden, ein wirksames und transparentes Verfahren für den Umgang mit und die Abhilfe von Beschwerden über rechtswidrige Inhalte auf ihren Plattformen vorzuhalten. Insbesondere sollen offensichtlich rechtswidrige Inhalte innerhalb von 24 Stunden nach Eingang der Beschwerde entfernt oder den Zugang zu ihnen gesperrt werden. Soziale Netzwerke sollen zudem verpflichtet werden, dieses Verfahren regelmäßig zu kontrollieren und das damit betraute Personal regelmäßig zu schulen . Über die Umsetzung sollen sie einen vierteljährlichen Bericht erstellen. Sie sollen zudem einen inländischen Bevollmächtigten für Zustellungen in Bußgeldverfahren nach diesem Gesetz gegenüber der Verwaltungsbehörde, der Staatsanwaltschaft und dem zuständigen Gericht benennen . Für Auskunftsersuchen einer inländischen Strafverfolgungsbehörde soll eine empfangsberechtigte Person im Inland benannt werden müssen. Ein Verstoß gegen diese Pflichten soll eine Ordnungswidrigkeit des sozialen Netzwerkes darstellen und mit einem Bußgeld je nach Verstoß bis zu 500.000 Euro bzw. bis zu 5 Mio. Euro geahndet werden. Die Ordnungswidrigkeit soll auch geahndet werden können, wenn sie nicht im Ausland begangen wurde. 1 Vgl. hierzu die Übersicht bei Trips-Hebert, Hass und Hetze im Strafrecht, Aktueller Begriff Nr. 28/16 (5. Dezember 2016), Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, zuletzt abgerufen am 14.06.2017: https://www.bundestag.de/blob/483584/1ccf107faf0d0f8a98de634009cf33b6/hass-und-hetze-im-strafrechtdata .pdf. 2 BT-Drucksache 18/12356, abrufbar unter (Stand: 14.06.2017): https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren /Dokumente/RegE_NetzDG.pdf?__blob=publicationFile&v=2 . Zur Verfassungsmässigkeit des Gesetzentwurfs , vgl. Wissenschaftliche Dienstes des Deutschen Bundestages, Entwurf eines Netzwerkdurchsetzungsgesetzes – Vereinbarkeit mit der Meinungsfreiheit (WD 10 – 3000 – 037/17). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 080/17 Seite 5 Der Gesetzesentwurf soll zudem ermöglichen, dass soziale Netzwerke unter Umständen dazu verpflichtet werden können, den Opfern von Persönlichkeitsrechtsverletzungen die Bestandsdaten der Netzwerksnutzer, welche die Verletzung begangen haben, herauszugeben. 3. Sonstige relevante Normen Auch wenn (noch) keine explizite gesetzliche Regelung zur Problematik der Hasskommentare, Gewaltaufrufen und dergleichen in sozialen Netzwerken besteht, sind etliche derartiger Verhaltensweisen bereits durch verschiedene Vorschriften des geltenden Strafgesetzbuchs (StGB)3 unter Strafe gestellt. Dies gilt insbesondere für Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung (§§ 185, 186 und 187 StGB). Extremere Formen von Hasskommentaren und Gewaltaufrufen können vor allem eine Strafbarkeit wegen Volksverhetzung (§ 130 StGB) nach sich ziehen. Unter Umständen kommt in diesem Zusammenhang auch eine Strafbarkeit zum Beispiel wegen Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen (§ 86 StGB) Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a StGB) Verunglimpfung des Bundespräsidenten (§ 90 StGB), Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole (§ 90a StGB), Verfassungsfeindlicher Verunglimpfung von Verfassungsorganen (§ 90b StGB), Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 91 StGB), Öffentlicher Aufforderung zu Straftaten (§ 111 StGB), Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten (§ 126 StGB), Bildung bewaffneter Gruppen (§ 127 StGB), Bildung krimineller Vereinigungen (§ 129 StGB und gegebenenfalls § 129b StGB), Bildung terroristischer Vereinigungen (§ 129a StGB und gegebenenfalls § 129b StGB), Anleitung zu Straftaten (§ 130a StGB) Gewaltdarstellung (§ 131 StGB), Belohnung und Billigung von Straftaten (§ 140 StGB), Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungs-vereinigungen (§ 166 StGB), Fälschung beweiserheblicher Daten (§ 169 StGB), Üble Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens (§ 188 StGB), Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener (§ 189 StGB) Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen (§ 201a StGB) und Bedrohung (§ 241 StGB) in Betracht. 3 Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 23. Mai 2017 (BGBl. I S. 1226); abrufbar unter (Stand: 1406.2017): https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/index.html [letzter Abruf: 14.06.2017]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 080/17 Seite 6 Die vorgenannten Vorschriften können auf das Handeln der Urheber illegaler Inhalte in sozialen Netzwerken Anwendung finden. Teilweise wird auch eine Strafbarkeit von Mitarbeitern und Unternehmensverantwortlichen der sozialen Netzwerke zumindest wegen Beihilfe zu derartigen Straftaten für möglich halten.4 Entsprechende durch Strafanzeigen in Gang gesetzte Ermittlungsverfahren gegen soziale Netzwerke und ihre Unternehmensverantwortlichen wurden jedoch bisher eingestellt, da die Staatsanwaltschaft jeweils keine Anhaltspunkte für eine Strafbarkeit nach deutschem Recht sah.5 Es ist aktuell ein weiteres Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft München I gegen US-amerikanische Manager des Unternehmens Facebook wegen Beihilfe zur Volksverhetzung anhängig, bei dem die Entscheidung der Staatsanwaltschaft noch offen ist.6 Die Frage bleibt damit bislang durch die Rechtsprechung ungeklärt. *** 4 Galetzka/Krätschmer, Rassismus und Terrorismus im Netz - Strafrechtliche Verantwortlichkeit der Betreiber von sozialen Netzwerken, MultiMedia und Recht (MMR) 2016, 518 – 523; Handel, Hate Speech – Gilt deutsches Strafrecht gegenüber ausländischen Anbietern sozialer Netzwerke? , MultiMedia und Recht (MMR) 2017, 227 – 231. 5 Siehe hierzu Staatsanwaltschaft Hamburg, Mitteilung des Gerichts vom 03.02.2016, Aktenzeichen 7101 Js 657/15, BeckRS 2016, 08781; Staatsanwaltschaft Hamburg, Mitteilung des Gerichts vom 24.02.2016, Aktenzeichen 7101 Js 740/15, BeckRS 2016, 08782; Staatsanwaltschaft Hamburg, Mitteilung des Gerichts vom 08.03.2016, Aktenzeichen 7101 AR 57/16, BeckRS 2016, 08783; Generalstaatsanwaltschaft Hamburg, Mitteilung des Gerichts vom 23.03.2016, Aktenzeichen 2 Zs 191/16, BeckRS 2016, 08799. 6 http://www.spiegel.de/netzwelt/web/facebook-staatsanwaltschaft-ermittelt-gegen-mark-zuckerberg-a- 1119746.html; http://www.suedkurier.de/nachrichten/wirtschaft/Staatsanwaltschaft-Muenchen-bestaetigt-Ermittlungen -gegen-Facebook-Chef-Zuckerberg;art416,8987238.