Reichweite der Restschuldbefreiung Unverwertbares Immobiliareigentum des Insolvenzschuldners in der Privatinsolvenz - Ausarbeitung - © 2009 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 080/09 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser: Reichweite der Restschuldbefreiung Unverwertbares Immobiliareigentum des Insolvenzschuldners in der Privatinsolvenz Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 080/09 Abschluss der Arbeit: 27. Mai 2009 Fachbereich WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W. - Zusammenfassung - Das Restschuldbefreiungsverfahren der Insolvenzordnung bietet einem Schuldner unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, von der Pflicht zur Erfüllung der im Insolvenzverfahren nicht beglichenen Verbindlichkeiten gegenüber den Insolvenzgläubigern dauerhaft befreit zu werden. Das Restschuldbefreiungsverfahren verfolgt keinen umfassenden Ansatzpunkt in dem Sinne, dass der Schuldner von sämtlichen am Ende eines Insolvenzverfahrens bestehenden Außenständen befreit werden soll. Stattdessen ist seine Wirkung von vornherein auf die nach Beendigung des Insolvenzverfahrens verbleibenden Insolvenzforderungen beschränkt. Das Restschuldbefreiungsverfahren ist damit weder dazu konstruiert noch dafür geeignet, während eines Insolvenzverfahrens neu entstehende Schulden zu beseitigen oder Schuldner zu sanieren, bei denen es mangels Masse erst gar nicht zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens kommt. Diesen Grundsätzen entsprechend dürften unverwertbare, laufende Kosten verursachende Immobilien eines Schuldners von einer Restschuldbefreiung regelmäßig nicht erfasst werden , ohne dass dies als insolvenzrechtlich systemwidrig anzusehen wäre. Inhalt 1. Einleitung 4 2. Restschuldbefreiung 4 2.1. Grundsatz 4 2.2. Rechtsfolgen und Reichweite 5 3. Unverwertbare, dinglich besicherte Immobilien in der Restschuldbefreiung 5 3.1. Grundsatz: Massezugehörigkeit 5 3.2. Immobilienbezogene „Altforderungen“ gegen den Schuldner 6 3.3. Immobilienbezogene „Neuforderungen“ gegen den Schuldner 7 3.3.1. Forderungen aus nicht vollständig erfüllten Verträgen 7 3.3.2. Einseitige Forderungen 7 3.4. Sonderfall: Freigabe 8 4. Dereliktion als Alternative? 8 4.1. Grundsatz 8 4.2. Rechtsfolgen und Grenzen 9 5. Ergebnis 9 - 4 - 1. Einleitung Ziel des Restschuldbefreiungsverfahrens der Insolvenzordnung1 (InsO) für natürliche Personen ist es, überschuldeten Bürgern unter bestimmten Voraussetzungen die Chance auf einen wirtschaftlichen Neuanfang zu geben.2 Gegenstand der vorliegenden Ausarbeitung ist die Frage, welche Implikationen es für die erstrebte Restschuldbefreiung haben kann, wenn der Insolvenzschuldner zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Eigentümer einer mit einer Grundschuld belasteten Immobilie ist, deren Verwertung im Insolvenzverfahren mangels Kaufinteressenten scheitert. 2. Restschuldbefreiung 2.1. Grundsatz Das Restschuldbefreiungsverfahren ist ein selbstständiges Verfahren der Insolvenzordnung , dass neben das eigentliche Insolvenzverfahren treten kann, wenn der Schuldner dies beantragt (§§ 286 ff. InsO).3 Es bewirkt, dass der Schuldner unter bestimmten Voraussetzungen von der Verpflichtung zur Erfüllung von im Insolvenzverfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Insolvenzgläubigern dauerhaft befreit wird (§ 286 InsO). Grundvoraussetzung für jedes Restschuldbefreiungsverfahren ist dabei die Eröffnung des Insolvenzverfahrens.4 Wenn mangels Masse schon die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht in Betracht kommt (§ 26 InsO) oder wenn das Insolvenzverfahren mangels Masse eingestellt wird (§ 207 InsO), scheidet auch die Restschuldbefreiung von vornherein aus.5 Nicht erforderlich für eine Restschuldbefreiung ist hingegen die erfolgreiche Durchführung des Insolvenzverfahrens (§ 289 Abs. 3 Satz 1 InsO).6 Am Beginn des Restschuldbefreiungsverfahrens steht stets ein entsprechender Antrag des die Restschuldbefreiung begehrenden Schuldners (§ 287 Abs. 1 Satz 1, § 305 Abs. 1 InsO). Dem Antrag ist die Erklärung beizufügen, dass der Schuldner seine pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge für die Zeit von sechs Jahren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens 1 Insolvenzordnung vom 5. Oktober 1994 (BGBl. I S. 2866), zuletzt geändert durch Artikel 9 des Gesetzes vom 23. Oktober 2008 (BGBl. I S. 2026). 2 Vgl. § 1 Satz 2 InsO: „Dem redlichen Schuldner wird Gelegenheit gegeben, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien“ sowie Heuschneider, Die praktischen Probleme im Verbraucherinsolvenzverfahren , Diss. 2004, S. 10 f. 3 Ahrens in Kohte/Ahrens/Grote (Hrsg.), Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenzverfahren, 1999, § 286 Rdn. 18. 4 Ahrens (o. Fußn. 3) § 286 Rdn. 18. 5 Ahrens (o. Fußn. 3) § 286 Rdn. 19. 6 Ahrens (o. Fußn. 3) § 286 Rdn. 18. - 5 - an einen vom Gericht zu bestimmenden Treuhänder abtritt (§ 287 Abs. 2 InsO). Gegebenenfalls eröffnet das Insolvenzgericht das Restschuldbefreiungsverfahren gleichzeitig mit der Beendigung des Insolvenzverfahrens (§ 289 Abs. 2 Satz 2 InsO).7 2.2. Rechtsfolgen und Reichweite Die erteilte Schuldbefreiung bewirkt eine materielle Veränderung der jeweiligen Schuld: Der Rechtsgrund der Verbindlichkeit bleibt zwar bestehen, aus einer erzwingbaren Verbindlichkeit wird jedoch eine Schuld, die für Haupt- und Nebenleistungen nicht mehr durchsetzbar ist – eine so genannte unvollkommene Verbindlichkeit.8 Der übliche Gleichlauf von Schuld und Haftung wird in diesem speziellen Fall durch ein Gegenrecht des Schuldners durchbrochen.9 Die Restschuldbefreiung erstreckt sich auf die im Insolvenzverfahren und im Schuldbefreiungsverfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Insolvenzgläubigern .10 Hierdurch wird die Restschuldbefreiung auf Insolvenzforderungen beschränkt, also solche Vermögensansprüche, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner bestanden, § 38 InsO.11 Ausgenommen von den Wirkungen der Restschuldbefreiung sind deshalb Forderungen, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet wurden und nicht in das Verfahren einbezogen sind.12 Hinsichtlich solcher Forderungen bleibt bereits während des Insolvenzverfahrens eine gesonderte Befriedigung möglich, § 301 Abs. 1, § 38 InsO.13 Die jeweiligen „Neugläubiger“ können ihre Forderungen während des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner im Wege der Klage durchsetzen; als Haftungsmasse steht ihnen jedoch nur das insolvenzfreie Vermögen zur Verfügung.14 3. Unverwertbare, dinglich besicherte Immobilien in der Restschuldbefreiung 3.1. Grundsatz: Massezugehörigkeit Eine Immobilie, die zum Beginn des Insolvenzverfahrens im Eigentum des Insolvenzschuldners steht, wird nach allgemeinen Grundsätzen Bestandteil der Insolvenzmasse. Nichts anderes gilt, wenn ein Gläubiger ein Grundpfandrecht an der Immobilie hat, da 7 Ahrens (o. Fußn. 3) § 286 Rdn. 20. 8 Ahrens (o. Fußn. 3) § 286 Rdn. 27. 9 Ahrens (o. Fußn. 3) § 286 Rdn. 28. 10 Ahrens (o. Fußn. 3) § 286 Rdn. 53. 11 Buck in Braun (Hrsg.), Insolvenzordnung, 3. Aufl. 2007, § 286 Rdn. 8; Landfermann in Kreft (Hrsg.), Insolvenzordnung, 5. Aufl. 2008, § 286 Rdn. 5. 12 Buck in Braun (o. Fußn. 11) § 286 Rdn. 8. 13 Buck in Braun (o. Fußn. 11) § 286 Rdn. 15. 14 Bäuerle in Braun (o. Fußn. 11) § 35 Rdn. 77. - 6 - ihn ein solches nicht zur Aussonderung berechtigt, sondern lediglich die abgesonderte Befriedigung ermöglicht: Ein Gegenstand, an dem ein Absonderungsrecht besteht, wird weiterhin der Insolvenzmasse zugeordnet.15 3.2. Immobilienbezogene „Altforderungen“ gegen den Schuldner Forderungen, die bereits zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestanden haben, sind nach den allgemeinen Grundsätzen Insolvenzforderungen und als solche grundsätzlich der Restschuldbefreiung zugänglich. Das gilt beispielsweise für etwaige Steuerforderungen16, aber auch hinsichtlich etwaiger seitens einer Bank bestehender Darlehensansprüche. Ein Darlehensvertrag wird seitens des Darlehensgebers – in der Regel als Vorleistung17 – mit der Auszahlung der Darlehenssumme erfüllt. Regelmäßig wird eine Bank ein Darlehen zudem auch bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens kündigen und damit komplett fällig stellen, § 490 BGB18. Zu trennen vom an der Restschuldbefreiung teilnehmenden Zahlungsanspruch aus dem Darlehensvertrag sind jedoch etwaig bestehende dingliche Sicherungsrechte und das aus ihnen folgende Recht auf abgesonderte Befriedigung im Insolvenzverfahren. Die dinglichen Sicherungs- und die Absonderungsrechte werden durch die Restschuldbefreiung nicht beschnitten.19 Der absonderungsberechtigte Gläubiger kann damit sowohl während des Insolvenzverfahrens als auch nach Abschluss eines Restschuldbefreiungsverfahrens jederzeit die Verwertung gemäß ZVG20 betreiben – wenn dies auch im Fall eines unverwertbaren Grundstücks realiter kaum gangbar sein wird.21 Allerdings kann ein Grundpfandgläubiger etwaige von dem Grundpfandrecht nach § 1192 Abs. 2, § 1123 BGB erfasste eingehende Miet- bzw. Pachtzinsen auch während des Insolvenzverfahrens und erst recht nach seinem Abschluss aus dem dinglichen Titel pfänden; das Ver- 15 Bäuerle in Braun (o. Fußn. 11) vor § 49-52 Rdn. 3. 16 König in Buth/Hermanns (Hrsg.), Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, 3. Aufl. 2009, § 33 Rdn. 15. 17 Mansel in Jauernig (Hrsg.), Kommentar zum BGB, 12. Aufl. 2007, § 488 Rdn. 3. 18 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 3. April 2009 (BGBl. I S. 700). 19 Ahrens in Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung (FK-InsO), 5. Aufl. 2009, § 301 Rdn. 17 f.; Stephan in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 2. Aufl. 2008, § 286 Rdn. 78. 20 Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 310-14, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 32 des Gesetzes vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2586). 21 Landfermann (o. Fußn. 11) § 301 Rdn. 10. - 7 - bot der Einzelzwangsvollstreckung betrifft nach § 89 Abs. 1 InsO nur Insolvenzgläubiger .22 3.3. Immobilienbezogene „Neuforderungen“ gegen den Schuldner Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens neu entstehende Forderungen gegen den Insolvenzschuldner aufgrund seiner Eigentümerstellung hinsichtlich der Immobilie sind grundsätzlich keine Insolvenzforderungen und werden deshalb nach den allgemeinen Grundsätzen auch nicht von einer Restschuldbefreiung erfasst. Was das rechtliche Schicksal von diesen Neuforderungen anbelangt, muss nach dem Entstehungsgrund derselben unterschieden werden. 3.3.1. Forderungen aus nicht vollständig erfüllten Verträgen Bei beidseitig nicht vollständig erfüllten Verträgen gelten insolvenzrechtliche Sonderregelungen nach den §§ 103 ff. InsO. Für einen etwaigen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner und vom anderen Teil nicht oder nicht vollständig erfüllten Darlehensvertrag des Insolvenzschuldners mit einem Kreditinstitut hätte der Insolvenzverwalter ein Wahlrecht: So könnte er gemäß § 103 Abs. 1 InsO anstelle des Schuldners den Vertrag erfüllen und die Erfüllung vom anderen Teil verlangen oder aber gemäß § 103 Abs. 2 InsO die Erfüllung ablehnen mit der Folge, dass der andere Teil eine Forderung wegen der Nichterfüllung als Insolvenzgläubiger geltend machen könnte. Etwaig bestehende Miet- und Pachtverhältnisse des Schuldners über Grundstücke und andere Immobilien werden durch die §§ 108 bis 111 InsO abschließend geregelt.23 Unerheblich ist dabei, ob der Insolvenzschuldner Mieter oder Vermieter ist.24 Dies hat zur Folge, dass die erfassten Schuldverhältnisse über die Verfahrenseröffnung hinaus fortbestehen und hier kein Wahlrecht des Insolvenzverwalters dahingehend besteht, ob er den Vertrag erfüllen möchte oder nicht.25 3.3.2. Einseitige Forderungen Neben den oben beispielhaft genannten Ansprüchen aufgrund von Miet- oder Pachtverhältnissen bestehen im Fall einer Immobilie regelmäßig auch öffentlichrechtliche Abgabelasten , etwa Grundsteuer, Straßenreinigungsgebühren etc. Bei solchen einseitigen öffentlichrechtlichen Abgaben handelt es sich in der Regel um Masseverbindlichkeiten 22 Bäuerle in Braun (o. Fußn. 11) § 49 Rdn. 25. 23 Wegener in FK-InsO (o. Fußn. 19) § 103 Rdn. 14. 24 Wegener in FK-InsO (o. Fußn. 19) § 108 Rdn. 6. 25 Wegener in FK-InsO (o. Fußn. 19) § 108 Rdn. 27. - 8 - nach § 55 InsO.26 Sie sind mithin vor anderen Verbindlichkeiten in voller Höhe aus der Insolvenzmasse zu bedienen, § 53 InsO. 3.4. Sonderfall: Freigabe Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht die Verfügungsbefugnis über das die Insolvenzmasse bildende Schuldnervermögen vom Schuldner auf den Insolvenzverwalter über – das Vermögen ist insofern beschlagnahmt (§ 80 Abs. 1 InsO). In der Insolvenzordnung nicht ausdrücklich geregelt, aber gewohnheitsrechtlich anerkannt ist das Recht des Insolvenzverwalters, einzelne Gegenstände „aus dem Beschlag freizugeben.“ Diese „Freigabe“ überführt die betroffenen, zuvor mit Insolvenzbeschlag belegten Gegenstände in das massefreie Vermögen des Schuldners und gibt diesem die Verfügungshoheit zurück.27 Der Zweck der Freigabe besteht darin, Gegenstände aus der Masse zu entlassen, deren Verwertung keinen Gewinn ergeben oder die Masse sogar noch zusätzlich belasten würde.28 Der Insolvenzverwalter ist zu einer solchen Freigabe befugt – und wegen des Gebots wirtschaftlich vernünftigen Handelns unter Umständen sogar verpflichtet29 –, wenn die betreffenden Gegenstände unverwertbar sind.30 Dieser Grundsatz wird durch § 108 InsO im Falle der Vermieter-Insolvenz nicht eingeschränkt: auch hier kann der Verwalter das Mietobjekt aus der Masse freigeben und die Masse dadurch von Verbindlichkeiten freihalten .31 Dann verliert die Masse auch den Anspruch auf Mietzinsen für die Zukunft.32 4. Dereliktion als Alternative? Letztlich stellen in der vorliegenden Fallkonstellation die mit dem Eigentum an einer Immobilie verknüpften laufenden Lasten aus Sicht des die Restschuldbefreiung anstrebenden Insolvenzschuldners eine – womöglich unüberwindbare – Hürde dar. Insofern stellt sich die Frage, ob für den Schuldner hinsichtlich der Immobilie schlicht eine Eigentumsaufgabe – Dereliktion – in Betracht kommen kann. 4.1. Grundsatz Die Dereliktion von Immobilien ist grundsätzlich möglich und in § 928 BGB wie folgt geregelt: 26 Bäuerle in Braun (o. Fußn. 11) § 55 Rdn. 16 mit weiterer Ausdifferenzierung. 27 Klopp/Kluth in Gottwald (Hrsg.), Insolvenzrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2006, § 27 Rdn. 7 28 Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 23. September 2004, Az. 7 C 22.03, Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht (WM) 2005, S. 233, 236. 29 BVerwG (o. Fußn. 28) S. 236. 30 Klopp/Kluth (o. Fußn. 26) § 27 Rdn. 7; Kroth in Braun (o. Fußn. 11) § 80 Rdn. 27. 31 Wegener in FK-InsO (o. Fußn. 19) § 108 Rdn. 28. 32 Wegener in FK-InsO (o. Fußn. 19) § 108 Rdn. 28. - 9 - § 928 Aufgabe des Eigentums, Aneignung des Fiskus (1) Das Eigentum an einem Grundstück kann dadurch aufgegeben werden, dass der Eigentümer den Verzicht dem Grundbuchamt gegenüber erklärt und der Verzicht in das Grundbuch eingetragen wird. (2) Das Recht zur Aneignung des aufgegebenen Grundstücks steht dem Fiskus des Landes zu, in dem das Grundstück liegt. Der Fiskus erwirbt das Eigentum dadurch, dass er sich als Eigentümer in das Grundbuch eintragen lässt. 4.2. Rechtsfolgen und Grenzen Durch die Dereliktion wird das Grundstück herrenlos, § 959 BGB.33 Auf dem Grundstück liegende Rechte Dritter bleiben bestehen.34 Gegen den bisherigen Eigentümer können Rechte Dritter dinglich nicht mehr geltend gemacht werden – persönliche Ansprüche gegen den Eigentümer, etwa als Vermieter, bleiben allerdings ungemindert bestehen .35 Von vornherein ausgeschlossen ist eine Dereliktion nach herrschender Meinung seitens eines bloßen Miteigentümers; die Eigentumsaufgabe kann nur bezüglich des gesamten Grundstücks ausgeübt werden.36 Eine Dereliktion ist ebenfalls nicht möglich bei Wohnungseigentum .37 Zur Aneignung ist nur der jeweilige Landesfiskus befugt.38 Verzichtet dieser, kann sich jeder Dritte das Grundstück ohne Aufgebotsverfahren nach § 927 BGB aneignen.39 5. Ergebnis Der Gesetzgeber der Insolvenzordnung hat die Restschuldbefreiung an das Insolvenzverfahren angeknüpft und ihre Wirkungen dem entsprechend auf Insolvenzforderungen beschränkt. Sie erfasst damit nicht die neu während eines Insolvenzverfahrens entstehenden Forderungen, sondern lediglich diejenigen, die bereits zum Zeitpunkt der Eröff- 33 Bassenge in Palandt (Hrsg.), Bürgerliches Gesetzbuch, 68. Aufl. 2009, § 928 Rdn. 3. 34 Bassenge (o. Fußn. 33) § 928 Rdn. 3. 35 Vgl. Bassenge (o. Fußn. 33) § 928 Rdn. 3; Pfeifer in Staudinger, Kommentar zum BGB, Neubearbeitung 2004, § 928 Rdn. 29. 36 Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 10. Mai 2007, Az. V ZB 6/07, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2007, S. 2254; Böhringer, Fortwirkendes liegenschaftliches Sonderrecht in den neuen Ländern, Zeitschrift für das Notariat in Baden-Württemberg (BWNotZ) 2005, S. 25, 33. Anderer Auffassung Kanzleiter in Münchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl. 2004, § 928 Rdn. 3. 37 Bassenge (o. Fußn. 33) § 928 Rdn. 1; BGH, Beschluss vom 14. Juni 2007, Az. V ZB 18/07, NJW 2007, S. 2547; Müller, Praktische Fragen des Wohnungseigentums, 4. Aufl. 2004, Rdn. 63 mit zahlreichen weiteren Nachweisen. Auch hier abweichender Ansicht Kanzleiter (o. Fußn. 36) § 928 Rdn. 4. 38 Bassenge (o. Fußn. 33) § 928 Rdn. 4. 39 Bassenge (o. Fußn. 33) § 928 Rdn. 4. - 10 - nung des Insolvenzverfahrens bestanden haben. Insofern meint „Restschuld“ nur die „insolvenzrechtliche Restschuld“, also den von den Insolvenzforderungen nach Abschluss des Insolvenzverfahrens verbleibenden Rest – und nicht etwa sämtliche bei einem Schuldner nach Abschluss eines Restschuldbefreiungsverfahrens noch verbleibenden sonstigen Außenstände. Das Restschuldbefreiungsverfahren ist damit weder dazu konstruiert noch dafür geeignet , während eines Insolvenzverfahrens neu entstehende Schulden zu beseitigen oder Schuldner komplett zu sanieren, bei denen es mangels Masse erst gar nicht zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens kommt. Diesen Grundsätzen entsprechend dürften unverwertbare, laufende Kosten verursachende Immobilien eines Schuldners von einer Restschuldbefreiung regelmäßig nicht erfasst werden, ohne dass dies als insolvenzrechtlich systemwidrig anzusehen wäre. Einen möglichen Ausweg für betroffene Grundstückseigentümer kann theoretisch die Eigentumsaufgabe darstellen; faktisch dürfte eine solche bei wirtschaftlich wertlosen oder sogar eine negative Kosten-Nutzen-Bilanz aufweisenden Grundstücken mangels Aneignungswilligem allerdings gerade nicht zu dem angestrebten Ziel führen, dass der Schuldner von seinen aus dem Eigentum folgenden Verpflichtungen frei wird.