Entfernen verfassungsfeindlicher Symbole von Eigentum Dritter - Ausarbeitung - © 2007 Deutscher Bundestag WD 7 - 080/07 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Entfernen verfassungsfeindlicher Symbole von Eigentum Dritter Ausarbeitung WD 7 - 080/07 Abschluss der Arbeit: 18.4.2007 Fachbereich WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - Zusammenfassung - Das Entfernen verfassungsfeindlicher Symbole von Eigentum Dritter stellt grundsätzlich eine Sachbeschädigung im Sinne von § 303 StGB dar. Es sind kaum Konstellationen vorstellbar, bei denen das Entfernen nicht zu einer Substanzverletzung oder Zustandsveränderung des Eigentums führt. Ohne Einwilligung des Berechtigten, d.h. des Eigentümers, ist der Tatbestand der Sachbeschädigung regelmäßig erfüllt. Betritt die betreffende Person dabei fremdes Eigentum, besteht zudem die Gefahr, tateinheitlich den Tatbestand des Hausfriedensbruchs nach § 123 StGB zu verwirklichen. Ein Rechtfertigungsgrund ist nicht ersichtlich. Die Verfassungsfeindlichkeit des Symbols an sich kann nicht ausreichen, um die mit seiner Entfernung regelmäßig einhergehende Beschädigung des Eigentums Dritter zu rechtfertigen. Derjenige, der bspw. eine Hakenkreuzaufmalung von fremden Gebäuden entfernt, begibt sich somit in die Gefahr, wegen einer Straftat verfolgt zu werden. Inhalt 1. Einleitung 4 2. Strafbarkeit des Anbringens von Hakenkreuzen 4 3. Strafbarkeit der Entfernung von Hakenkreuzen 5 3.1. Tatbestand des § 303 StGB 5 3.2. Tatbestand des § 123 Abs. 1 StGB 8 4. Rechtfertigungsgründe 8 4.1. Staatsnothilfe (§ 32 Abs. 2 StGB) 8 4.2. Widerstandsrecht (Art. 20 Abs. 4 Grundgesetz) 9 4.3. Wahrnehmung berechtigter Interessen 9 5. Abhilfe durch ordnungsrechtliche Maßnahmen 10 - 4 - 1. Einleitung Ein Gebäude bemalt mit einem Hakenkreuz – in Deutschland leider kein ungewohntes Bild. Im Gegenteil: Hakenkreuzschmierereien sind dem Benutzer öffentlicher Verkehrsmittel wie dem Betrachter innerstädtischer Häuserwände durchaus geläufig. Bürger , die sich von den Schmierereien gestört fühlen, gehen teilweise soweit, die Hakenkreuze eigenmächtig zu entfernen. Die vorliegende Ausarbeitung beschäftigt sich mit der Frage, wie dieses Tätigwerden rechtlich zu bewerten ist. Dabei wird davon ausgegangen , dass sich das Hakenkreuz auf Eigentum Dritter befindet. Es sollen Möglichkeiten des Entfernens aufgeworfen und auf ihre Strafbarkeit hin begutachtet werden. Dabei scheint es angebracht, sich zunächst kurz mit der Strafbarkeit des Aufmalens von Hakenkreuzen zu beschäftigen. 2. Strafbarkeit des Anbringens von Hakenkreuzen Das Anbringen eines Hakenkreuzes auf eine Mauer stellt – unabhängig, ob hierdurch eine politische Anschauung manifestiert oder nur provoziert werden soll – eine Straftat im Sinne von § 86 a Strafgesetzbuch (StGB)1 dar. So ist das Hakenkreuz als das Kennzeichen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft ein verfassungsfeindliches Symbol , dessen Aufmalen als „Verbreiten“ eines verbotenen Kennzeichens unter Strafe gestellt ist2. Derjenige, der ein Hakenkreuz auf eine Häuserwand malt und das verfassungsfeindliche Symbol so einem großen Personenkreis darbietet, wird gemäß § 86 a Abs. 1 Nr. 1 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. Eine persönliche Verbindung des Täters zu einer verfassungswidrigen Organisation ist nicht erforderlich3. Zweck der Vorschrift ist neben dem Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung durch Abwehr einer Wiederbelebung verfassungswidriger Organisationen der Schutz der politischen Ordnung4. So soll § 86 a StGB zum einen verhindern, dass die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sich wieder derart einbürgert, dass 1 In der Fassung der Bekanntmachung vom 13.11.1998 (BGBl. I S.3322), zuletzt geändert durch Artikel 2 Abs. 21 des Gesetzes vom 19.02.2007 (BGBl- I S.122). 2 Leipziger Kommentar, Kommentar zum StGB, 11. Auflage, Berlin 2005, § 86 a StGB, Rn. 6; Kindhäuser /Neumann/Paeffgen, Nomos Kommentar zum StGB, 2. Auflage, Baden-Baden 2005, § 86 a StGB, Rn. 8. 3 OLG Frankfurt, Urt.v.18.03.1998, NStZ 1999, S. 356 (357); Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 86 a StGB, Rn. 2; Leipziger Kommentar, § 86 a StGB, Rn. 1. - 5 - das Ziel, solche Symbole aus dem Bild des politischen Lebens zu verbannen, nicht erreicht wird mit der Folge, dass sie schließlich auch wieder von den Verfechtern der politischen Ziele gefahrlos gebraucht werden können5. Zum anderen soll der Eindruck bei inländischen und ausländischen Beobachtern des politischen Geschehens in der Bundesrepublik Deutschland vermieden werden, es gebe eine rechtsstaatswidrige Entwicklung, die dadurch gekennzeichnet ist, dass verfassungsfeindliche Bestrebungen der durch das Kennzeichen angezeigten Richtung geduldet werden und dadurch mittelbar Propaganda für verbotene staatsfeindliche Vereinigungen betrieben wird6. 3. Strafbarkeit der Entfernung von Hakenkreuzen Aus der Strafbarkeit des Malens eines Hakenkreuzes kann jedoch nicht gefolgert werden , dass Jedermann das Recht habe, Hakenkreuzaufmalungen eigenmächtig vom Eigentum Dritter zu entfernen. Zwar mag hierdurch der verfassungsfeindliche Zustand behoben werden, der „Entferner“ begibt sich jedoch in die Gefahr, sich selbst wegen einer Sachbeschädigung im Sinne von §303 StGB strafbar zu machen. Im Folgenden sollen diverse Möglichkeiten des Entfernens genannt und dahingehend überprüft werden , ob durch entsprechende Handlungen die Tatbestandsvoraussetzungen der Sachbeschädigung erfüllt werden. 3.1. Tatbestand des § 303 StGB Den Tatbestand des §303 StGB verwirklicht, wer eine fremde Sache beschädigt oder zerstört (Abs. 1) oder den Zustand der Sache mehr als nur belanglos verändert (Abs. 2). Eine Beschädigung liegt immer dann vor, wenn die Substanz einer Sache nicht unerheblich verletzt wird7. Demnach stellt das Entfernen eines Hakenkreuzes von einer Gebäudewand dann eine Sachbeschädigung dar, wenn hierdurch deren stoffliche Unversehrtheit aufgehoben wird. Dies ist z.B. der Fall, wenn das Hakenkreuz mit Öl- oder Lackfarbe übersprüht oder übermalt wird. Entweder wird hierdurch direkt der Lack- oder Farbanstrich der betreffenden Wand verletzt; spätestens aber das Beseitigen der übergesprühten /übergemalten Lackfarbe führt zu einer für die Tatbestandsverwirklichung der Sachbeschädigung ausreichenden Substanzverletzung8. Die Möglichkeit, die Übersprü- 4 BGHSt 25, S. 30 (33); OLG Frankfurt. Urt.v.18.03.1998, NStZ 1999, S.356 (357); Leipziger Kommentar , § 86 a StGB, Rn.1; Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 86 a StGB, Rn.2. 5 BGHSt. 23, S. 267 (268); 25, S. 30 (33). Schönke/Schröder, Kommentar zum StGB, 27. Auflage, München 2006, § 86 a, Rn. 1. 6 BGH, Beschluss v. 10.12.1982, in: NStZ 1983, S.261 (262); Leipziger Kommentar, § 86 a StGB, Rn.1. 7 Schönke/Schröder, § 303 StGB, Rn. 8; Leipziger Kommentar, § 303 StGB, Rn. 6; Lackner/Kühl, Kommentar zum StGB, 25. Auflage, München 2004, § 303 StGB, Rn. 3. 8 Vgl.: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 303 StGB, Rn. 12; Tröndle/Fischer, Kommentar zum StGB, 49. Auflage, München 2007, § 303 StGB, Rn. 9; Lackner/Kühl, § 303 StGB, Rn. 4. - 6 - hung/Übermalung wiederum durch Übersprühen/Überstreichen zu beseitigen, bleibt als Wiederherstellung der beschädigten Sache außer Betracht9. Unerheblich ist auch, dass das Hakenkreuz wohl selbst eine Sachbeschädigung darstellt. So wird der Tatbestand des §303 StGB - unabhängig davon, dass bereits eine Sachbeschädigung vorliegt - immer dann erfüllt, wenn durch ein Handeln eine Substanzverletzung hervorgerufen wird. Dies kann z.B. auch dadurch geschehen, dass das Hakenkreuz mit einem Plakat überklebt wird und hierfür ein dauerhafter, haltbarer Klebstoff verwendet wird. Auch das Ausritzen des Hakenkreuzes mit einem Messer führt zwangsläufig zu einer Substanzverletzung . Eine Sachbeschädigung kann auch begehen, wer das Eigentum Dritter durch das Entfernen des Hakenkreuzes nicht verletzt und auch die Instandsetzung des Eigentums ohne Substanzverletzung möglich ist: In § 303 Abs. 2 StGB ist nunmehr ausdrücklich geregelt , dass auch die nicht nur unerhebliche und nicht nur vorübergehende Veränderung des Erscheinungsbilds fremden Eigentums eine Sachbeschädigung darstellt. Nach jahrelangen Bemühungen, die Sachbeschädigung um diese Tathandlung der so genannten „Zustandsveränderung“ zu ergänzen, ist es im Jahre 2005 zu einer entsprechenden Gesetzesänderung gekommen. Geschützt ist nunmehr also auch das Interesse des Eigentümers , selbst über den Zustand seiner Sache zu bestimmen. Dabei stellt jedoch nicht jede Zustandsveränderung eine Sachbeschädigung dar. Voraussetzung ist, dass die Zustandsveränderung als Beschädigung der Sache empfunden werden kann10. Der Tatbestand des §303 Abs. 2 StGB ist demnach erst dann erfüllt, wenn ein vernünftiges (nachvollziehbares ) Interesse des Eigentümers an der Aufrechterhaltung des bisherigen Zustands besteht und dessen Wiederherstellung nicht ohne einige Mühe und Zeitaufwand möglich ist11. So stellt das Bemalen einer Hauswand mit schwer abwaschbarer Farbe, die keine Substanzverletzung, sondern nur eine physikalisch dauerhafte Veränderung der Oberfläche bewirkt, eine Sachbeschädigung im Sinne von §303 Abs. 2 StGB dar. Wird auf diese Weise privatrechtliches Eigentum mit einem Hakenkreuz bemalt, ist regelmäßig nicht nur der Tatbestand des §86 a StGB, sondern auch der des §303 StGB erfüllt. Fraglich hingegen scheint, ob auch der eine Sachbeschädigung begeht, der das Hakenkreuz – ebenfalls ohne eine Substanzverletzung hervorzurufen – nun seinerseits übermalt. So mag ein vernünftiges Interesse des Eigentümers bestehen, sein Eigentum im bisherigen, ursprünglichen Zustand zu erhalten; ob hingegen auch ein nachvollziehbares Interesse an der Aufrechterhaltung des neuen Zustands, d.h. des Eigentums mit Hakenkreuz, angenommen werden kann, ist zweifelhaft. 9 OLG Düsseldorf, Urt.v.11.03.1982, in: NJW 1982, S.1167. Schönke/Schröder. § 303 StGB, Rn. 9. 10 Schönke/Schröder, § 303 StGB, Rn.8. 11 Vgl.: Schroeder, Anmerkung zu den Urteilen des OLG Karlsruhe (Az.: 3 Ss 81/75) und des OLG Hamburg (Az.: 1 Ss 53/75), in: JR 1976, S. 338 (339); Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 303 StGB, Rn. 12. - 7 - Insofern ist zu berücksichtigen, dass grundsätzlich auch eine erneute Zustandsveränderung vor Wiederherstellung des früheren Zustands den Eigentümerinteressen zuwiderlaufen und somit Sachbeschädigung sein kann12. Dies wird jedenfalls immer dann der Fall sein, wenn der ohnehin erforderliche Renovierungsaufwand durch die zusätzliche Verunstaltung nicht nur geringfügig größer wird13. In unserem Fall bedeutet dies, dass das Entfernen des Hakenkreuzes durch Übermalen dann den Tatbestand des § 303 Abs. 2 StGB erfüllt, wenn der Schaden am Eigentum hierdurch noch vergrößert wird. Dies könnte z.B. dann der Fall sein, wenn das Hakenkreuz großflächig übermalt und die Sachbeschädigung somit ausgedehnt wird. Auch die Farbwahl kann den Renovierungsaufwand erheblich steigern. Wird das hell gemalte Hakenkreuz mit schwarzer Farbe übermalt, ist es aufwändiger, den früheren Zustand wiederherzustellen. Da schwarze Farbe trotz Übermalens häufig wieder durchscheint, dürfte ein mehrfacher Anstrich erforderlich sein. Problematisch ist der Fall, wenn das Hakenkreuz in derselben Farbe übermalt /übersprüht wird. Da das erneute Einwirken auf die Sache zu keiner zusätzlichen Minderung des Aussehens der Sache führt und kein ins Gewicht fallender Mehraufwand beim Widerherstellen des ursprünglichen Zustands erforderlich ist, könnte eine Sachbeschädigung entfallen14. Man könnte vertreten, dass die Eigentümerinteressen nicht erneut verletzt werden, sondern dass das Entfernen des verfassungsfeindlichen Symbols den Eigentümerinteressen vielmehr gerade dient. Vertretbar ist allerdings auch, ein derartiges Übermalen ebenfalls als selbstständige Sachbeschädigung einzuordnen. So könnte man darauf abstellen, dass jeweils die oberste Farbschicht die Zweckbestimmung der Sache optisch beeinträchtigt und dadurch eine nicht geringe Beeinträchtigung der Sache herbeiführt15. Ähnlich problematisch liegt der Fall, dass das Hakenkreuz durch Hinzufügen weniger Striche so verändert wird, dass es nicht mehr als Hakenkreuz erkennbar ist, sondern vielmehr etwas anderes darstellt. Einerseits fällt die zusätzliche Veränderung kaum ins Gewicht, andererseits wird auch hierdurch eine Veränderung des ursprünglichen Zustands bewirkt. Ob der Tatbestand der Sachbeschädigung verwirklicht ist, wird in diesen Fällen vom konkreten Einzelfall abhängen. 12 Vgl.: Schönke/Schröder, § 303 StGB, Rn. 8; LG Bochum, Beschluss v. 28.08.1978, MDR 1979, S. 74. 13 OLG Frankfurt, Urt.v.28.02.1979, MDR 1979, S. 693; OLG Karlsruhe, Urt.v.31.07.1975, JR 1976, S.336; Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 303 StGB, Rn. 12. 14 So: Schönke/Schröder, § 303 StGB, Rn. 8; Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 303 StGB, Rn.12; OLG Frankfurt, Urt.v.28.02.1979, MDR 1979, S. 693; 15 LG Bochum, Beschluss v. 28.08.1978, MDR 1979, S. 74. - 8 - Nicht strafbar macht sich in jedem Fall, wer das Hakenkreuz mit Kreide oder Wasserfarben bemalt. Da hierdurch keine Substanzverletzung hervorgerufen wird und sich die Veränderung ohne nennenswerten Aufwand in kurzer Zeit beseitigen lässt, ist § 303 StGB nicht erfüllt. Bei jeder anderen Möglichkeit des Entfernens besteht die Gefahr, sich aufgrund einer Zustandsveränderung der Sachbeschädigung strafbar zu machen. 3.2. Tatbestand des § 123 Abs. 1 StGB Wenn beim Übersprühen/Übermalen/Überkleben des Hakenkreuzes ein Grundstück betreten wird, kann sich der „Entferner“ zudem wegen eines Hausfriedensbruchs gemäß § 123 Abs. 1 StGB strafbar machen. So wird derjenige, der widerrechtlich in befriedetes Besitztum eindringt, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft. Der Tatbestand des § 123 StGB scheidet aus, wenn das Betreten nicht gegen oder ohne Willen des Berechtigten, also nicht widerrechtlich erfolgt. Dies wird stets bei privaten Geschäftsräumen der Fall sein, da bei diesen wohl von einer allgemeinen Zutrittserlaubnis ausgegangen werden kann16. Gaststätten, Kinos, Geschäfte fordern geradezu zum Eintritt auf. Anders sieht es bei privatem Wohneigentum aus. Wird z.B. das mit einem Zaun oder einer Hecke gesicherte Grundstück eines Einfamilienhauses betreten, um ein auf der Hauswand angebrachtes Hakenkreuz zu entfernen, wird mangels allgemeiner Zutrittserlaubnis regelmäßig auch der Tatbestand des Hausfriedensbruchs erfüllt sein. Nach allem ist festzuhalten, dass sich derjenige, der ein Hakenkreuz auf privatem Grund entfernt, in die Gefahr begibt, selbst die Straftatbestände der Sachbeschädigung und des Haufriedensbruchs zu verwirklichen. Zu klären ist im Folgenden, ob sich der „Entferner “ auf einen Rechtfertigungsgrund berufen kann und so die Strafbarkeit seines Handelns entfällt. 4. Rechtfertigungsgründe 4.1. Staatsnothilfe (§ 32 Abs. 2 StGB) Man könnte an eine Rechtfertigung im Sinne von § 32 Abs. 2 StGB denken. So könnte durch die schädigende Handlung ein Angriff auf die demokratische Rechtsordnung abgewehrt und so dem Staat als „anderen“ im Sinne der Norm Nothilfe geleistet werden. In diesem Fall wäre das Entfernen des Hakenkreuzes, auch wenn beim Übermalen /Übersprühen/Überkleben eine Sachbeschädigung begangen wird, nicht rechtwidrig. Allerdings ist insoweit zu berücksichtigen, dass die so genannte „Staatsnotwehr“ nach überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur wegen des staatlichen Ge- 16 vgl.: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 123 StGB, Rn29; Leipziger Kommentar, § 123 StGB, Rn. 52. - 9 - waltmonopols nur dort in Betracht kommt, wo „vitale staatliche Lebensinteressen auf dem Spiel stehen und wo der Staat nicht imstande ist, sich durch seine Organe selbst zu schützen“17. Von einer derartigen Handlungsunfähigkeit des Staates, die ein Tätigwerden des Bürgers geradezu erforderlich macht, kann bei der Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole In Form von Hakenkreuzen auf Häuserwänden jedoch wohl kaum ausgegangen werden. Die nur eng begrenzte Zulässigkeit der Staatsnothilfe ist auch nachvollziehbar. Könnte sich jeder auf die Verteidigung der Rechtsordnung berufen, um sein Handeln zu rechtfertigen , so würde § 32 StGB zu einer „polizeilichen Generalklausel für jedermann“ umfunktioniert werden18. Dürften die Bürger untereinander um die Durchsetzung eines normenkonformen Verhaltens auch dort kämpfen, wo keine Individualrechtsgüter bedroht sind, würde die friedenssichernde Funktion des Notwehrrechts in ihr Gegenteil verkehrt werden. Zudem wäre die Gefahr der Berufung auf Staatsnotwehr zur Legitimation politisch motivierter Gewalt nicht von der Hand zu weisen19. 4.2. Widerstandsrecht (Art. 20 Abs. 4 Grundgesetz) Auch der Rechtfertigungsgrund des Widerstandrechts gemäß Art. 20 Abs. 4 Grundgesetz kommt nicht in Betracht, das ebenfalls voraussetzt, dass andere Abhilfe nicht möglich ist: Es muss davon ausgegangen werden, dass sich der Staat durch seine Organe selbst wirksam schützen kann. 4.3. Wahrnehmung berechtigter Interessen Der „Entferner“ kann sich auch nicht etwa darauf berufen, berechtigte Interessen des Staates wahrzunehmen. Dieser Rechtfertigungsgrund ist in § 193 StGB geregelt und nach herrschender Meinung ausschließlich bei Beleidigungsdelikten anwendbar. Eine (analoge) Anwendung auf andere Taten – wie § 303 StGB – kommt nicht in Betracht, da § 193 StGB in seinen Voraussetzungen auf Ehrverletzungen zugeschnitten ist und deshalb auch nur ehrverletzende Delikte rechtfertigen kann 20. Andere Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich, so dass sich der, der ein Hakenkreuz von privatrechtlichem Eigentum entfernt, in die Gefahr begibt, wegen einer Straftat verurteilt zu werden. 17 RGSt 63, S. 215f. (220); BGH, Urt.v.15.04.1975, NJW 1975, S.1161f.; Schönke/Schröder, § 32 StGB, Rn. 6; Leipziger Kommentar, § 32 StGB, Rn. 162 & 196; Tröndle/Fischer, § 32 StGB, Rn. 7. 18 Vgl.: Münchener Kommentar, Kommentar zum StGB, München 2003, § 32 StGB, Rn. 93; Schöne /Schröder, § 32 StGB, Rn. 7. 19 Vgl.: Münchener Kommentar, § 32 StGB, Rn. 94. 20 RGSt, 31, 66; 50, 55; 72, 98; 74, 257; OLG Stuttgart, Urt.v.15.12.1986, NStZ 1987, S. 121; Kindhäuser /Neumann/Paeffgen, §193 StGB, Rn. 12; Tröndle/Fischer. § 193, StGB, Rn. 4; Lackner/Kühl, § 193 StGB, Rn. 2; Schönke/Schröder, § 193 StGB, Rn. 3. - 10 - 5. Abhilfe durch ordnungsrechtliche Maßnahmen Der Bürger muss sich jedoch nicht zwischen dem Begehen einer Straftat oder dem Hinnehmen des verfassungsfeindlichen Symbols entscheiden. Ihm bleibt die Möglichkeit, die zuständige Ordnungsbehörde über das Hakenkreuz in Kenntnis zu setzen, die den Eigentümer zur Beseitigung des verfassungsfeindlichen Symbols auffordern kann. Als Rechtsgrundlage kommt hierbei das jeweilige Ordnungsrecht des Landes in Betracht. So stellt der strafbewe hrte Zustand (Hakenkreuz auf Gebäudewand) eine Gefahr für die öffentliche Ordnung dar. Im Übrigen bleibt es dem Bürger überlassen, eine Strafanzeige gemäß §158 Strafprozessordnung (StPO) zu stellen. Hierdurch wird die Staatsanwaltschaft grundsätzlich zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens verpflichtet. - 11 - Anhang Rechtsvorschriften § 32 StGB (1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig. (2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden. § 86a StGB (1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. im Inland Kennzeichen einer der in § 86 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 bezeichneten Parteien oder Vereinigungen verbreitet oder öffentlich, in einer Versammlung oder in von ihm verbreiteten Schriften (§ 11 Abs. 3) verwendet oder 2. Gegenstände, die derartige Kennzeichen darstellen oder enthalten, zur Verbreitung oder Verwendung im Inland oder Ausland in der in Nummer 1 bezeichneten Art und Weise herstellt, vorrätig hält, einführt oder ausführt. (2) Kennzeichen im Sinne des Absatzes 1 sind namentlich Fahnen, Abzeichen, Uniformstücke , Parolen und Grußformen. Den in Satz 1 genannten Kennzeichen stehen solche gleich, die ihnen zum verwechseln ähnlich sind. (3) § 86 Abs. 3 und 4 gilt entsprechend. § 123 StGB (1) Wer in die Wohnung, in die Geschäftsräume oder in das befriedete Besitztum eines anderen oder in abgeschlossene Räume, welche zum öffentlichen Dienst oder Verkehr bestimmt sind, widerrechtlich eindringt, oder wer, wenn er ohne Befugnis darin verweilt , auf die Aufforderung des Berechtigten sich nicht entfernt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt. - 12 - § 193 StGB Tadelnde Urteile über wissenschaftliche, künstlerische oder gewerbliche Leistungen, desgleichen Äußerungen, welche zur Ausführung oder Verteidigung von Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen gemacht werden, sowie Vorhaltungen und Rügen der Vorgesetzten gegen ihre Untergebenen, dienstliche Anzeigen oder Urteile von seiten eines Beamten und ähnliche Fälle sind nur insofern strafbar, als das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Äußerung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht. § 303 StGB (1) Wer rechtswidrig eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt das Erscheinungsbild einer fremden Sache nicht nur unerheblich und nicht nur vorübergehend verändert. (3) Der Versuch ist strafbar. Art. 20 GG (1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt. (3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden. (4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist. § 158 StPO (1) Die Anzeige einer Straftat und der Strafantrag können bei der Staatsanwaltschaft, den Behörden und Beamten des Polizeidienstes und den Amtsgerichten mündlich oder schriftlich angebracht werden. Die mündliche Anzeige ist zu beurkunden. (2) Bei Straftaten, deren Verfolgung nur auf Antrag eintritt, muss der Antrag bei einem Gericht oder der Staatsanwaltschaft schriftlich oder zu Protokoll, bei einer anderen Behörde schriftlich angebracht werden.